Kategorie: News & Blogs

Schlimmer geht nicht

So., 11.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1897, 18.355 sm von HH

Wenn du denkst, schlimmer kann es nicht kommen, dann liegt irgendwo ein Schild ‚Coiffeur‘ herum. „Haarschnitt – Erwachsene 10 USD, Kinder 5 USD“. Das Schild gehört zu Ava, die sich auf dem kleinen maritimen Flohmarkt in der Marina etwas dazu verdienen möchte:
Sie ist jung, Amerikanerin und eigentlich ganz nett. Ich zeige auf ihr Schild und sie nickt: „Kann sofort los gehen“.
Wir leihen uns einen Stuhl, ich mache meine Haare im Waschbecken in der berühmten Männerdusche nass und wir verziehen uns in eine Ecke.
„Du kannst aber Haare schneiden ?“, vergewissere ich mich. Ich berichte ihr von meinem schlimmen Erlebnis in Mexiko und dem schiefen Pony in Kolumbien.
Sie lacht und nickt erneut und macht einen kompetenten Eindruck: „Wenn das Haar zu schwer ist, sitzt es nicht. Es muss leichter werden. Ich dünne es etwas aus.“ Für diesen Zweck hat sie sogar ein Rasiermesser dabei. Vertrauensvoll lasse ich mir einen Umhang umlegen und nehme Platz. Ohne Spiegel fehlt mir eine optische Kontrolle, aber es fühlt sich alles richtig an.
Ava fängt nach Friseur-Art das plaudern an. Wo sie herkommt und dass sie eigentlich Web-Designerin ist. „Ich bin kreativ im Netz und beim Haareschneiden“ Ich werde nicht misstrauisch, sondern unterhalte mich weiterhin nett mit ihr. Dabei höre ich das Messer kratzen und die Schere klappern. „Leicht muss es ein! Leicht!“ Das Messer kratzt, die Haare fliegen.

Der halbblinde Spiegel in der Dusche gaukelt mir ein ‚okay‘ vor. Achim sagt nichts zu meiner Frisur, sondern zuppelt nur an einzelnen Strähnen herum. An Bord werde ich dann das Ausmaß der Katastrophe gewahr. Schlimmer geht es nicht. Der Pony ist an den Seiten kürzer als in der Mitte. Stellenweise ist das Haar so ‚leicht‘, dass ganze Partien fehlen. Hinter den Ohren zum Beispiel. Und an einer Pony-Seite. Und auch vor den Ohren … Die dünnen Haare stehen wie Antennen vom Kopf ab. Nicht zu bändigen. Und ich dachte, schlimmer als in Mexiko kann es nicht werden.

Achim sagt jetzt doch etwas zu meiner Frisur als er Fotos machen soll: „Es sieht wirklich scheiße aus!“ :mrgreen: Es geht doch nichts über einen liebenden Ehemann. „Du kannst dir ja eine Pudelmütze aufsetzen“. Und viele gute Ratschläge mehr.
Ich glaube, ich gehe jetzt etwas das Meer anschreien.

große Katastrophe

Aus Datenschutz-rechtlichen-Gründen war die Redaktion gezwungen, das Gesicht unkenntlich zu machen.

Wofür ist so eine Langfahrt gut?

Fr., 09.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1895, 18.355 sm von HH

In erster Linie, um die eigene Frustrations-Grenze zu testen! :mrgreen:
Achim hat mir gebeichtet, dass er heute Morgen im Dinghy gesessen hat und erst mal aufs Meer hinaus schreien musste. Dass ich sowas mache … aber er … , da muss es schon knüppeldick kommen. Schuld an diesem Ausbruch ist unser Wassermacher.
Frohgelaunt sitzen wir auf dem blitzsauberen Kahn, freuen uns des Lebens und schmieden Pläne. Und der liebe Gott lacht sich schon wieder einen ins Fäustchen.

Der Wassermacher, der vor dem Landstand noch einwandfrei funktionierte, macht plötzlich keinen Liter Wasser mehr. Die Hochdruckpumpe läuft, baut aber keinen Druck mehr auf. Es ist nicht das erste Mal, dass wir mit dem Wassermacher Probleme haben. Die besagte Pumpe ist bereits schon einmal getauscht worden. Und die Vorpumpe bereits zweimal.
Kontakt zum Hersteller ist aufgenommen. Achim möchte seinen Rat, bevor er die Hochdruckpumpe auseinander nimmt. In Polynesien ohne Wassermacher zu sitzen, ist ein schlecht gewählter Ort. Wir haben noch 50 Liter Trinkwasser in Flaschen. Unsere Reserve auf See, falls mal ‚etwas sein sollte‘. Die wird schnell aufgebraucht sein. Und neues Trinkwasser steht noch im Supermarkt und der ist für kiloschwere Transporte unangenehm weit entfernt.
Brauchwasser ist nicht so das Problem; es regnet häufig genug, da können wir Wasser auffangen. Aber bei dem Lauf, den wir haben, vermuten wir, dass es nie wieder regnen wird. Da wir seit über drei Wochen nichts mehr gefangen haben, besteht unser Wasservorrat noch aus ungefähr 250 Litern. Das ist in 14 Tagen weg, wenn wir weiter so herum aasen.

Das Wasser in der Werft ist ungeeignet, zu viel Sand in der Leitung. Dann erinnern wir uns bei unserer Ankunft von einer Zapfstelle für Trinkwasser am anderen Ende der Bucht gehört zu haben. Also macht Achim sich mit Kanistern im Dinghy auf den Weg. Am nördlichen Ende wird die Bucht schlammig und flach. Viel zu flach für den Außenborder. Achim steigt aus und zieht das Dinghy hinter sich her, schwer durch den Schlick stapfend. An Land läuft er am schmutzigen Ufer entlang, sucht nach dem beschriebenen Wasserhahn.
Ein paar Häuser stehen am Ufer, ein Gartenschlauch liegt auf dem Rasen. Soll das die Zapfstelle sein? Wohl eher nicht. Zu dem Gartenschlauch gehört ein zähnefletschender Hund, der sich vor Achim aufbaut und ihm unmissverständlich zu verstehen gibt, wer der Chef im Garten ist. Achim greift eine Kokosnuss, der Köter versteht und haut ab. Hunde reagieren seit Südamerika mit eingeklemmten Schwanz darauf, wenn man sich nach einem Stein bückt. Die Tiere sind Kummer gewöhnt.
Achim stapft noch eine Weile weiter am Ufer entlang auf der Suche nach dem Wasserhahn und gibt schließlich auf. Auf dem Rückweg zum Schiff schreit er dann den unschuldigen Ozean an.

Die Wasserhahnsuche

Wie es jetzt weiter geht, wissen wir noch nicht. Wir haben ja noch andere Baustellen.
Morgen haben wir ein Auto gemietet und fahren nach Papeete. Dort haben wir neue Wanten bestellt (Da war doch was – in Gambier festgestellt – ihr erinnert euch? Das zweite gebrochene Want – in Hao entdeckt – habe ich gar nicht mehr erwähnt).

Die Bestellung der Wanten ist auch so eine Geschichte: Mat von ‚Mat Rigging Services‘ will Vorkasse! Akzeptiert aber keine Kreditkarten. Nur Überweisung oder Bargeld. Eine Überweisung auf sein Konto scheitert, weil unser Banking-Programm keine ‚Cours de Franc Pacific‘ überweisen kann. :roll:
Also cash. Aber wie kommt das Geld nach Papeete? Und das noch diese Woche, weil Mat in den Urlaun geht? Wir sind auf dem Yard noch mit dem Schiff beschäftigt und nach Papeete und zurück fahren, da ist mehr als ein halber Tag verpufft.
Wir haben Vertrauen in unseren französischen Nachbarn Gilbert, der sein Schiff an Land gerade blau spritzt und in Papeete wohnt. Wir drücken ihm 700 Dollar in die Hand mit der Bitte, diese bei Mat Rigging abzugeben. Kann man ja mal machen, man hat dem Mann ja bereits dreimal geholfen seinen Kompressor ins Auto zu heben und dreimal ein kleines Schwätzchen gehalten. Das muss reichen, um jemanden gut genug kennen zu lernen.
„Mach ich gerne für euch“, sagt Gilbert und nimmt das Geld. Am nächsten Tag kommt eine Quittung per Mail von Gilbert – mit Foto: ‚Geld erhalten‘ bestätigt Mat.

Von England nach Irland und Schottland (25): Ein Friedhof am Meer. Zwei Männer im Krieg.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Nach Islay bin ich jetzt unterwegs auf den Äußeren Hebriden, der Insel South Uist.

Wenn man auf South Uist nordwärts fährt und irgendwo von der Straße rechts abbiegt, kommt man im Nordwesten dort, wo die Wiesen voller Schafgarben enden und in den hellen Sandstrand übergehen, den Friedhof der Insel. 

Ein klein wenig ist auch dieser Inselfriedhof das Abbild der Insel und der Menschen, die darauf leben. Auf South Uist leben im Durchschnitt etwa 5,5 Bewohner auf einem Quadratkilometer – ein Kilometer für eine Familie. Vielleicht prägt so viel Abstand zu den Nachbarn ja nicht nur fürs Leben, sondern auch für das, was danach kommt. Auch ihren Verstorbenen räumen die Inselbewohner mehr Abstand zueinander ein, als auf Friedhöfen in unseren Breiten üblich ist. Großzügig verteilt über das steinummauerte Areal stehen Gruppen von Gräbern zusammen, dann wieder erheben sich in der Weite der Blumenwiese einzelne alte Grabkreuze und Grabplatten. 

Auf South Uist gilt die Korrelation, nach der sich nur ausgesprochen wenige Menschen einen Quadratkilometer und einen Friedhof teilen, auch für die weißen Strände ganz im Westen. Sven und seine Tochter Ida, die mit mir reisen, erscheinen mir unten am Strand so fern, so verloren, wie man es wohl nur an diesem Ort sein kann. Ich wandere langsam über den Friedhof, der Wind vom Meer zaust mir Haare und Regenjacke, während ich langsam hügelauf wandere, zum höchsten Punkt des Friedhofs. Hinaus aufs Meer schaue.

Und versinke in den alten Inschriften, die Geschichten erzählen. Da ist das Grab der Mary Ulph, die hier auf der Insel vor wenigen Jahren im Juli im gesegneten Alter von 101 Jahren verstarb. Ob sie allein lebte, und immer hier auf der Insel war? 

Oder das Grab des Alexander Campbell, der 24jährig verstarb, „killed in action, Europe 1940“. Als wäre dies Europa ein Ort fern wie umkämpfter Stern irgendwo in der Galaxis, von dem South Uist weit weit weg liegt.

Friedhöfe sind für die Lebenden, nicht für die Toten. Und hier auf dem Friedhof von South Uist scheinen es häufig weit entfernt lebende Angehörige, die ihren Eltern auf dem Friedhof einen Stein setzten, als hätte sie etwas bewogen, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.

In einer Ecke des Friedhofs eine Reihe vier gleiche weiße Steine. Vier Inschriften, drei namenlos, die Reste britischer Seeleute von versenkten Schiffen des II. Weltkriegs, die hier irgendwo an den Stränden angespült wurden. Doch eines der vier Gräber trägt Namen:

Angus M. MacLean, Schiffszimmermann, 
torpediert und vermisst 
auf S.S. CLAN MACFADYEN 
26. November 1942 im Alter von 33 Jahren. 
Die See ist sein Grab.

Abgesehen davon, dass ich fast auf den Tag genau nur 18 Jahre nach Angus MacLeans Ableben geboren wurde, ist die Tatsache verblüffend, dass Nachkommen noch vier Jahrzehnte später ein Geschehnis, wie es sie zehntausendfach gab, erwähnen.

Wahrscheinlich beginnt die Geschichte des Angus MacLean hier in einem Weiler auf South Uist. Ich finde zunächst keine weiteren Spuren über ihn. Doch zurück im Auto habe ich für 5 Minuten Internet. Und finde die folgende Geschichte.

Angus MacDonald MacLean ist 1909 geboren. Vermutlich ging er in irgendeine winzige Inselschule, vielleicht mit 16 zu einem Bootsbauer in Loch Boisdale in die Lehre .Oder an einem der Sandstrände, auf die die Fischer ihre Boote hinaufzogen, wenn sie vom Meer kamen. Vielleicht verschlug es ihn auch hinüber ans Festland, nach Glasgow, wo die Werften waren und wo es Arbeit gab in Hülle und Fülle. In einer Kleinstadt in der Nähe, in Irvine in der Grafschaft Ayrshire, einem kleinen Ort im Westen, war 1923, mitten in der

Wirtschaftskrise ein Dampffrachtschiff auf Kiel gelegt und gebaut worden, die CLAN MACFADYEN. 127 Meter lang war sie, eineinviertel Fußballfelder, ein stattliches Schiff, ihre stählernen Laderäume reichten achteinhalb Meter unter die Wasseroberfläche und konnten fast sieben Tonnen Ladung aufnehmen. Sie war gebaut, Frachten von Übersee nach Großbritannien zu schaffen: Tabak und Zucker und Rum und Hanf – eben alles, was die Kolonien produzierten und Großbritannien brauchte, um den Tee zu süßen oder Seile für den Schiffbau zu drehen. Wann Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN und bei Kapitän Percy Edgar Williams anheuerte, ist nicht klar, ob freiwillig als Mittzwanziger oder Anfang 30 als zwangsweise zur britischen Handelsmarine Rekrutierter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet, und vermutlich war er da schon Vater einer kleinen Tochter, die mit ihrer Mutter auf South Uist aufwuchs. Jedenfalls findet sich Angus MacDonald MacLeans Name unter der 94-köpfigen Besatzung der CLAN MACFADYEN, die bei Kriegsausbruch unter Dampf irgendwo zwischen der Insel Mauritius und dem nördlichen Brasilien unterwegs war, um Waren für die Heimat zu laden. Waren, die Großbritannien dringender benötigte denn je zuvor. Die Insel hungerte. Sie wurde belagert. Belagert von deutschen Schiffen. Von U-Booten.

Unter den Seeleuten, die den Auftrag hatten, die Insel zu belagern und Großbritannien von allem Nachschub abzuschneiden, war auch der bei Kriegsausbruch 23jährige Georg Staats aus Bremen. Er war sieben Jahre jünger als Angus MacLean. Mit 19, etwa da, als Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN anheuerte, trat er in die Kriegsmarine ein, das war 1935, weswegen er und die anderen Offiziersanwärter im Ausbildungsjahrgang 1935 nur „Crew 35“ genannt wurden. „Crew 35“ kannte sich, hielt Kontakt untereinander, als der Krieg ausbrach und Georg Staats als Wachoffizier auf ein U-Boot kam. 1941, da war Georg Staats gerade 26 Jahre alt, bekam er ein eigenes Kommando über ein noch größeres U-Boot. U-508 war mit das Modernste, was die Kriegsmarine an U-Booten aufbieten konnte. Als Kapitänleutnant erhielt Georg Staats zusammen mit seinen 56 Mann Besatzung den Auftrag, in der Karibik zu patroullieren und britische Frachter bereits dort zu versenken, wo sie sich zeigten.

Auf dieser ersten Feindfahrt, auf der der 26jährige Georg Staats sein Boot über den Atlantik nach Kuba, vor Havanna und vor Floridas Keys führte, klagte der Kommandant über den Gesundheitszustand seiner Crew in der Hitze. Über Abmagerung, über schlimme Hautausschläge. Wie fühlte sich das an, 82 Tage in einer karibisch feuchtheißen Stahlröhre mit 56 Anderen auf engstem Raum?

Der Befehlshaber der U-Boote ist nach  der Rückkehr alles andere als zufrieden. Mit nur zwei versenkten Schiffen bekommt Kapitänleutnant Staats Druck von oben. Von ganz ganz oben. Lapidar heißt es vom BdU, dem Befehlshaber der Uboote: „Die hier bewiesene Zähigkeit wird anerkannt. In der Ausnutzung der Erfolgschancen ist die Durchführung der Unternehmung jedoch nicht befriedigend.“ Im einzelnen werden dem jungen Kapitän und seiner Besatzung zu schnelles Tauchen vor dem Feind, zu große Schussdistanzen, gar „persönliche Versager“ angekreidet. Hatte der Kapitänleutnant unter den 56 Besatzungsmitgliedern einen Feind auf dem eigenen Boot, der sein Vorgehen minutiös nach oben berichtete?

Auf der nächsten Feindfahrt sollte das alles besser werden. Wiederum lief das U-Boot Mitte Oktober 1942 in den Nordatlantik und und in die Karibik aus und kreuzte vor Trinidad. Diesmal liefen die Dinge besser. In den drei Wochen, bevor er am Morgen des 26. November  die am Horizont zickzackende CLAN MACFADYEN sichtete, hatte Staats bereits drei britische Frachtschiffe versenkt. Kaum hatten sie sie entdeckt, heftete sich Georg Staats umgehend an die Fersen der Zickzack laufenden CLAN MACFADYEN.

Was Angus MacLeod, der Schiffszimmermann an diesem Tag machte, ist nicht klar. Vermutlich den üblichen Schiffsdienst. Ausbesserungsarbeiten am Schiff, irgendwas rottete und rostete immer in der Hitze. Kontrolle der Ladung, 6 Tonnen Zucker, der Rest Hanf aus Südamerika. Anschließend ging er in die Mannschaftsmesse zum Mittagessen. Vielleicht saß er dort noch, als Georg Staats um 13.08 Ortszeit drei Torpedos auf die MAC FADYEN feuern ließ. Doch von dem Unheil, das um die Mittagszeit um Haaresbreite durchs türkis leuchtende Wasser an dem 127 Meter langen Frachter vorbeiging, hat von den 94 Mann Besatzung der CLAN MACFADYEN keiner etwas bemerkt. Sie waren ahnungslos.

Georg Staats heftete sich erneut ans Kielwasser des immer noch mit Zickzackkurs laufenden Frachters. Erst spät in der Nacht stellte U-508 die CLAN MACFADYEN erneut. Um 00.08 Uhr feuerte das U-Boot erneut zwei Torpedos auf den Frachter. Sie trafen ihn mittschiffs. Was danach kam, war nur eine Sache von Minuten. Das über hundert Meter lange Schiff brach sofort auseinander und sank innerhalb von vier Minuten. Die meisten der Seeleute auf der CLAN MACFADYEN wurden vermutlich im Schlaf überrascht. Oder waren sie alle an Deck, weil sie seit Stunden wussten, dass ein deutsches U-Boot irgendwo unter ihnen lauerte? Und sie jeden Moment in der Weite des Atlantik ein Torpedo treffen konnte und sie auseinander reißen würde?

Von den 94 Mann Besatzung schafften es nur zehn Mann auf die Rettungsflöße. Ein Frachter entdeckte die drei treibenden Flöße nach drei Tagen auf und las auf, wer auf ihnen noch lebte. Vier Mann setzten sie in Port of Spain auf Trinidad noch lebend an Land. 

Angus MacLeod, der Schiffszimmermann, war nicht unter ihnen.

Georg Staats hat den sieben Jahre älteren Schiffszimmermann Angus MacLead nie kennengelernt. Er hat ihn vielleicht in jener Nacht im Inferno als einen der Schatten wahrgenommen, die ins Wasser sprangen. Der Kapitänleutnant überlebte den Schiffszimmerman von South Uist um fast ein Jahr, bis am 12. November 1943 ein amerikanischer B-24 Bomber U-508 vor der Küste Nordspaniens vor Cabo Ortegal aufspürte und seine Bomben auf das wild um sich feuernde U-Boot abwarf. U-508 ging mit allen 57 Besatzungsmitgliedern unter, während nur wenige Kilometer entfernt der Bomber ins Meer rauchend stürzte. Auch dies war nur eine Sache von Minuten. 

Als ich vor dem Grab des Angus M. MacLean stehe und die Hortensien sehe, gebe ich ihm ein Versprechen: Seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte zweier Männer im Krieg, die sich nie sahen. Und die der Krieg für einen winzigen Augenblick zusammengeführt hatte.

Hinweis.
Für die Details zu dieser Gesschichte bin ich folgenden Webseiten zu Dank verpflichtet:
uboat.net für die Crewlisten der CLAN MACFADYEN.
ubootarchiv.de für die Textpassage des BdU.

Von England nach Irland und Schottland (25): Ein Friedhof am Meer. Zwei Männer im Krieg.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Nach Islay bin ich jetzt unterwegs auf den Äußeren Hebriden, der Insel South Uist.

Wenn man auf South Uist nordwärts fährt und irgendwo von der Straße rechts abbiegt, kommt man im Nordwesten dort, wo die Wiesen voller Schafgarben enden und in den hellen Sandstrand übergehen, den Friedhof der Insel. 

Ein klein wenig ist auch dieser Inselfriedhof das Abbild der Insel und der Menschen, die darauf leben. Auf South Uist leben im Durchschnitt etwa 5,5 Bewohner auf einem Quadratkilometer – ein Kilometer für eine Familie. Vielleicht prägt so viel Abstand zu den Nachbarn ja nicht nur fürs Leben, sondern auch für das, was danach kommt. Auch ihren Verstorbenen räumen die Inselbewohner mehr Abstand zueinander ein, als auf Friedhöfen in unseren Breiten üblich ist. Großzügig verteilt über das steinummauerte Areal stehen Gruppen von Gräbern zusammen, dann wieder erheben sich in der Weite der Blumenwiese einzelne alte Grabkreuze und Grabplatten. 

Auf South Uist gilt die Korrelation, nach der sich nur ausgesprochen wenige Menschen einen Quadratkilometer und einen Friedhof teilen, auch für die weißen Strände ganz im Westen. Sven und seine Tochter Ida, die mit mir reisen, erscheinen mir unten am Strand so fern, so verloren, wie man es wohl nur an diesem Ort sein kann. Ich wandere langsam über den Friedhof, der Wind vom Meer zaust mir Haare und Regenjacke, während ich langsam hügelauf wandere, zum höchsten Punkt des Friedhofs. Hinaus aufs Meer schaue.

Und versinke in den alten Inschriften, die Geschichten erzählen. Da ist das Grab der Mary Ulph, die hier auf der Insel vor wenigen Jahren im Juli im gesegneten Alter von 101 Jahren verstarb. Ob sie allein lebte, und immer hier auf der Insel war? 

Oder das Grab des Alexander Campbell, der 24jährig verstarb, „killed in action, Europe 1940“. Als wäre dies Europa ein Ort fern wie umkämpfter Stern irgendwo in der Galaxis, von dem South Uist weit weit weg liegt.

Friedhöfe sind für die Lebenden, nicht für die Toten. Und hier auf dem Friedhof von South Uist scheinen es häufig weit entfernt lebende Angehörige, die ihren Eltern auf dem Friedhof einen Stein setzten, als hätte sie etwas bewogen, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.

In einer Ecke des Friedhofs eine Reihe vier gleiche weiße Steine. Vier Inschriften, drei namenlos, die Reste britischer Seeleute von versenkten Schiffen des II. Weltkriegs, die hier irgendwo an den Stränden angespült wurden. Doch eines der vier Gräber trägt Namen:

Angus M. MacLean, Schiffszimmermann, 
torpediert und vermisst 
auf S.S. CLAN MACFADYEN 
26. November 1942 im Alter von 33 Jahren. 
Die See ist sein Grab.

Abgesehen davon, dass ich fast auf den Tag genau nur 18 Jahre nach Angus MacLeans Ableben geboren wurde, ist die Tatsache verblüffend, dass Nachkommen noch vier Jahrzehnte später ein Geschehnis, wie es sie zehntausendfach gab, erwähnen.

Wahrscheinlich beginnt die Geschichte des Angus MacLean hier in einem Weiler auf South Uist. Ich finde zunächst keine weiteren Spuren über ihn. Doch zurück im Auto habe ich für 5 Minuten Internet. Und finde die folgende Geschichte.

Angus MacDonald MacLean ist 1909 geboren. Vermutlich ging er in irgendeine winzige Inselschule, vielleicht mit 16 zu einem Bootsbauer in Loch Boisdale in die Lehre .Oder an einem der Sandstrände, auf die die Fischer ihre Boote hinaufzogen, wenn sie vom Meer kamen. Vielleicht verschlug es ihn auch hinüber ans Festland, nach Glasgow, wo die Werften waren und wo es Arbeit gab in Hülle und Fülle. In einer Kleinstadt in der Nähe, in Irvine in der Grafschaft Ayrshire, einem kleinen Ort im Westen, war 1923, mitten in der

Wirtschaftskrise ein Dampffrachtschiff auf Kiel gelegt und gebaut worden, die CLAN MACFADYEN. 127 Meter lang war sie, eineinviertel Fußballfelder, ein stattliches Schiff, ihre stählernen Laderäume reichten achteinhalb Meter unter die Wasseroberfläche und konnten fast sieben Tonnen Ladung aufnehmen. Sie war gebaut, Frachten von Übersee nach Großbritannien zu schaffen: Tabak und Zucker und Rum und Hanf – eben alles, was die Kolonien produzierten und Großbritannien brauchte, um den Tee zu süßen oder Seile für den Schiffbau zu drehen. Wann Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN und bei Kapitän Percy Edgar Williams anheuerte, ist nicht klar, ob freiwillig als Mittzwanziger oder Anfang 30 als zwangsweise zur britischen Handelsmarine Rekrutierter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet, und vermutlich war er da schon Vater einer kleinen Tochter, die mit ihrer Mutter auf South Uist aufwuchs. Jedenfalls findet sich Angus MacDonald MacLeans Name unter der 94-köpfigen Besatzung der CLAN MACFADYEN, die bei Kriegsausbruch unter Dampf irgendwo zwischen der Insel Mauritius und dem nördlichen Brasilien unterwegs war, um Waren für die Heimat zu laden. Waren, die Großbritannien dringender benötigte denn je zuvor. Die Insel hungerte. Sie wurde belagert. Belagert von deutschen Schiffen. Von U-Booten.

Unter den Seeleuten, die den Auftrag hatten, die Insel zu belagern und Großbritannien von allem Nachschub abzuschneiden, war auch der bei Kriegsausbruch 23jährige Georg Staats aus Bremen. Er war sieben Jahre jünger als Angus MacLean. Mit 19, etwa da, als Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN anheuerte, trat er in die Kriegsmarine ein, das war 1935, weswegen er und die anderen Offiziersanwärter im Ausbildungsjahrgang 1935 nur „Crew 35“ genannt wurden. „Crew 35“ kannte sich, hielt Kontakt untereinander, als der Krieg ausbrach und Georg Staats als Wachoffizier auf ein U-Boot kam. 1941, da war Georg Staats gerade 26 Jahre alt, bekam er ein eigenes Kommando über ein noch größeres U-Boot. U-508 war mit das Modernste, was die Kriegsmarine an U-Booten aufbieten konnte. Als Kapitänleutnant erhielt Georg Staats zusammen mit seinen 56 Mann Besatzung den Auftrag, in der Karibik zu patroullieren und britische Frachter bereits dort zu versenken, wo sie sich zeigten.

Auf dieser ersten Feindfahrt, auf der der 26jährige Georg Staats sein Boot über den Atlantik nach Kuba, vor Havanna und vor Floridas Keys führte, klagte der Kommandant über den Gesundheitszustand seiner Crew in der Hitze. Über Abmagerung, über schlimme Hautausschläge. Wie fühlte sich das an, 82 Tage in einer karibisch feuchtheißen Stahlröhre mit 56 Anderen auf engstem Raum?

Der Befehlshaber der U-Boote ist nach  der Rückkehr alles andere als zufrieden. Mit nur zwei versenkten Schiffen bekommt Kapitänleutnant Staats Druck von oben. Von ganz ganz oben. Lapidar heißt es vom BdU, dem Befehlshaber der Uboote: „Die hier bewiesene Zähigkeit wird anerkannt. In der Ausnutzung der Erfolgschancen ist die Durchführung der Unternehmung jedoch nicht befriedigend.“ Im einzelnen werden dem jungen Kapitän und seiner Besatzung zu schnelles Tauchen vor dem Feind, zu große Schussdistanzen, gar „persönliche Versager“ angekreidet. Hatte der Kapitänleutnant unter den 56 Besatzungsmitgliedern einen Feind auf dem eigenen Boot, der sein Vorgehen minutiös nach oben berichtete?

Auf der nächsten Feindfahrt sollte das alles besser werden. Wiederum lief das U-Boot Mitte Oktober 1942 in den Nordatlantik und und in die Karibik aus und kreuzte vor Trinidad. Diesmal liefen die Dinge besser. In den drei Wochen, bevor er am Morgen des 26. November  die am Horizont zickzackende CLAN MACFADYEN sichtete, hatte Staats bereits drei britische Frachtschiffe versenkt. Kaum hatten sie sie entdeckt, heftete sich Georg Staats umgehend an die Fersen der Zickzack laufenden CLAN MACFADYEN.

Was Angus MacLeod, der Schiffszimmermann an diesem Tag machte, ist nicht klar. Vermutlich den üblichen Schiffsdienst. Ausbesserungsarbeiten am Schiff, irgendwas rottete und rostete immer in der Hitze. Kontrolle der Ladung, 6 Tonnen Zucker, der Rest Hanf aus Südamerika. Anschließend ging er in die Mannschaftsmesse zum Mittagessen. Vielleicht saß er dort noch, als Georg Staats um 13.08 Ortszeit drei Torpedos auf die MAC FADYEN feuern ließ. Doch von dem Unheil, das um die Mittagszeit um Haaresbreite durchs türkis leuchtende Wasser an dem 127 Meter langen Frachter vorbeiging, hat von den 94 Mann Besatzung der CLAN MACFADYEN keiner etwas bemerkt. Sie waren ahnungslos.

Georg Staats heftete sich erneut ans Kielwasser des immer noch mit Zickzackkurs laufenden Frachters. Erst spät in der Nacht stellte U-508 die CLAN MACFADYEN erneut. Um 00.08 Uhr feuerte das U-Boot erneut zwei Torpedos auf den Frachter. Sie trafen ihn mittschiffs. Was danach kam, war nur eine Sache von Minuten. Das über hundert Meter lange Schiff brach sofort auseinander und sank innerhalb von vier Minuten. Die meisten der Seeleute auf der CLAN MACFADYEN wurden vermutlich im Schlaf überrascht. Oder waren sie alle an Deck, weil sie seit Stunden wussten, dass ein deutsches U-Boot irgendwo unter ihnen lauerte? Und sie jeden Moment in der Weite des Atlantik ein Torpedo treffen konnte und sie auseinander reißen würde?

Von den 94 Mann Besatzung schafften es nur zehn Mann auf die Rettungsflöße. Ein Frachter entdeckte die drei treibenden Flöße nach drei Tagen auf und las auf, wer auf ihnen noch lebte. Vier Mann setzten sie in Port of Spain auf Trinidad noch lebend an Land. 

Angus MacLeod, der Schiffszimmermann, war nicht unter ihnen.

Georg Staats hat den sieben Jahre älteren Schiffszimmermann Angus MacLead nie kennengelernt. Er hat ihn vielleicht in jener Nacht im Inferno als einen der Schatten wahrgenommen, die ins Wasser sprangen. Der Kapitänleutnant überlebte den Schiffszimmerman von South Uist um fast ein Jahr, bis am 12. November 1943 ein amerikanischer B-24 Bomber U-508 vor der Küste Nordspaniens vor Cabo Ortegal aufspürte und seine Bomben auf das wild um sich feuernde U-Boot abwarf. U-508 ging mit allen 57 Besatzungsmitgliedern unter, während nur wenige Kilometer entfernt der Bomber ins Meer rauchend stürzte. Auch dies war nur eine Sache von Minuten. 

Als ich vor dem Grab des Angus M. MacLean stehe und die Hortensien sehe, gebe ich ihm ein Versprechen: Seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte zweier Männer im Krieg, die sich nie sahen. Und die der Krieg für einen winzigen Augenblick zusammengeführt hatte.

Hinweis.
Für die Details zu dieser Gesschichte bin ich folgenden Webseiten zu Dank verpflichtet:
uboat.net für die Crewlisten der CLAN MACFADYEN.
ubootarchiv.de für die Textpassage des BdU.

Von England nach Irland und Schottland (24): Hebriden. Die Inseln aus Wasser.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Nach Islay sind wir jetzt auf den Äußeren Hebriden unterwegs.

Eines meiner meistgelesenen Bücher Annie Proulx  SCHIFFSMELDUNGEN reist mit mir immer noch an Bord von Levje herum. Es spielt in Neufundland und erzählt, wie ausgerechnet am entlegensten Ort der Welt Menschen plötzlich mit sich ins Reine kommt. Ich weiß nicht warum, ich habe es vermutlich an die 30, 40 mal gelesen. Ungelogen. Vielleicht, weil ich die Einsamkeit seiner Helden teilen wollte? Vielleicht weil mich die Beschreibung des Lebens in dieser kargen und so alles andere als mediteran anheimelnden Landschaft anzog? Heute weiß ich, dass ich es tat, weil es nur wenig derart trostreiche Bücher gibt wie dieses.

Im Hafen von Loch Boisdale gibt es so wenig wie im Ort Internet-Empfang. Der Datenempfang eines Wetterberichts läuft in Zeitlupe ab, man kann jedem Bit beim Durchwandern der Leitung zusehen. Donald, der Hafenmeister von Loch Boisdale, nimmt das gelassen. „Bei uns geht alles langsamer“, sagt Donald gleichmütig, „selbst das Internet. Man muss nur ein bisschen warten.“ Am besten ist das Netz noch vor der Damentoilette, der gute Donald hat vorausschauend eine dicke Parkbank unter dem einzigen Fenster der Damentoilette aufgebaut.

Kaum in Lochboisdale angekommen, frage ich Donald, ob es denn in Loch Boisdale jemanden gibt, der Autos verleiht. „Na klar gibts einen“, sagt Donald hinter seinem Schreibtisch. „Wenn Du hinter der Bank of Scottland den Hügel hochgehst, ist das dritte Haus das von David. Er repariert Autos und verleiht auch welche. Du kannst es nicht verfehlen.“ Die Bank of Scotland kannte ich schon, ein Einfamilienhaus mit dem überdimensionierten Schriftzug der Bank, damit man es unter den 19 anderen Einfamilienhäusern Loch Boisdales auch gleich erkennen kann. Ich bin dankbar für Donalds präzise Beschreibung, Loch Boisdale hat ja gerade mal 3 Straßen. Aber wer verläuft sich schon gern im Nirgendwo. 

Als ich vor dem Haus des Autoverleihers stehe, weiß ich, wie Donald das mit dem „nicht verfehlen“ meinte. Auf dem Grundstück stehen weithin sichtbar ausgeweidete Autokadaver herum, einem Kleintransporter hängen seine Türdichtungen wie die traurigen Lefzen eines Bernhardiners herunter. In einer kleinen Scheune ragen mächtige Edelstahlhaken an einem rostigen Haken, die Sven an den Film DER WEISSE HAI und mich an Steven Kings übelste Alpträume denken lassen.

Aber David, der Autoverleiher ist ein ausgesprochen netter Mann. Ein großer Kerl Ende 40 mit jovialem Lachen. Zwei junge Leute, Lehrlinge offenbar, hängen in der Werkstatt über der Kühlerhaube eines Autos und es ist nicht klar, ob es noch repariert oder schon ausgeschlachtet wird. Ein Mann, der aussieht wie das leibhaftige Abbild Eilafs des Roten bei der Eroberung des Königreiches Wessex, spricht David auf gälisch an. Während ich noch überlege, wie ich Eilaf den Roten überrede, dass ich ihn fotografieren darf, erzählt David, wie er auf der Insel zum Autoverleiher wurde. „Wir sind hier nur 1.000 Einwohner auf South Uist, und meine Familie ist in dritter Generation hier. Mein Vater hat als LKW-Fahrer angefangen, dann hat er einen Transportbetrieb aufgezogen. Für die 1.000 Leute hier auf der 40 Kilometer langen Insel gabs immer was zu fahren. Ich reparierte mit meinem Bruder Autos. Jetzt repariert er. Und ich mach das mit dem Autoverleih.“

Wie wir das denn mit der Rückgabe machen können?, frage ich David. Ob er einen Briefkasten hätte, in den wir den Schlüssel einwerfen können, frage ich. Aber das ist nicht Hebriden-Denke: „Stell den Wagen einfach auf dem Hof ab. Du kannst den Schlüssel einfach stecken lassen. Vertrag? Nein, brauchen wir keinen.“ 

Zum Schluß inspiziert David noch einmal den Vauxhall, die britische Version eines Opel Corsa. Ein Möwenschiss groß wie ein Spiegelei klebt am Griff der Fahrertür, David deutet im Vorbeigehen wortlos darauf, und sein Neffe greift sich ebenso wortlos den Schrubber aus der danebenstehenden Pütz, schrubbt zweimal kurz über das Spiegelei an der Tür, das jetzt wieder flüssig der Schwerkraft nichts mehr entgegenzusetzen hat. Ein Glückspilz, wer jetzt die Fahrertür öffnen darf.

Und dann gehts auf die Piste. Ist ja nicht viel los, anfangs. Die einzige Verbindungsstraße, die zum Fährhafen in den Norden führt, ist einspurig. So einspurig, dass am Auto gerade mal ein Fahrrad vorbeikommt. Begegnen sich zwei Autos, muss eines vorher anhalten in einer der Buchten, vor denen ein Schild „Passing Place“ steht. Einen solchen „Vorbeilass-Platz“ gibt es alle 500 Meter. Herrscht gerade Rush Hour auf der Insel, kann es sein, dass man alle 500 Meter gezwungen ist, einen Boxenstop einzulegen. Die beste Taktik ist, sich ans Ende eines vorbeidonnernden Fünferteams zu hängen und gelassen zuzusehen, wie der erste Fahrer seine Entgegenkommer wie ein Schneepflug in die Passing Places zwingt. Dabei geht alles ausgesprochen freundlich zu. Wie in besten Motorrad Zeiten grüßen sich Entgegenkommer, zur Lästigkeit des dauernden Anhaltens an den Passing Places gesellt sich das dauernde Hand-heben-müssen. Sven, der steuert, überlegt laut, ob das vielleicht eine Durchtriebenheit der Einwohner sei, um autofahrende Touristen auszumachen? Weil sich ja eh alle kennen, muss der, der noch ahnungslos zurück grüßt, auf alle Fälle ein Tourist sein. Aber die Menschen auf South Uist sind tatsächlich so freundlich.

Auch dies macht die Landschaft aus. Ein am Straßenrand verrottender LKW. Zwei gestrandete Container. Von irgendeiner Auto-Flut hier hängengebliebene und längst vergessene Autowracks. Und die Freundlichkeit, ja Vertrauensseligkeit der Einwohner.

Die ungeheure Leere der Landschaft. Und doch in der Ferne ein Berg, der mir irgendwie vertraut ist. Kein Strauch. Kein Baum. Tundra, durchzogen von Wassserläufen und kleinen Seen. Fremdheit. Und doch Vertrautheit. Vielleicht drückt diese Landschaft eine Taste in mir, eine Erinnerung an ein entferntes Leben, wie wir als Menschheit einst in irgendeiner fernen Eiszeit überlebten, die Ahnung eines Lebens, die immer noch in einem vergessenen Winkel in uns steckt und ebenso heftig wach wird, wenn wir nach Monaten zum ersten Mal wieder am Meer oder auf einem Berg stehen.

Der Tankwart, der uns beim Bezahlen einfach nach der Anzahl getankter Liter frägt und ohne nachzusehen den Preis errechnet. Verlieren wir die Arglosigkeit gegenüber anderen, wenn wir nur mit wenigen anderen in der Weitläufigkeit einer leeren Landschaft leben? Beginnt der Krieg, wo zuviele eng auf einem Haufen miteinander leben müssen?

Die Inseln von Uist bestehen aus drei Inseln, die durch Dämme miteinander verbunden sind, South Uist, Benbecula, North-Uist. Die Straße führt vorbei an Lochs und Lochans, kleinen Seen. Sind die Hebriden denn nun Inseln, die im Wasser liegen, oder Inseln, die aus Wasser bestehen?

Am Ende dann das winzige Fischrestaurant. Auf der Suche danach fahren wir erst mal dran vorbei, aber das GPS sagt irgendwann: Hier, 10 Meter weiter muss es sein. Von Außen ist es nicht erkennbar. Drinnen nicht mehr als eine Kneipe, doch gemütlich. Muscheln und Lachs auf der Karte von der nahen Zucht. Im Regal finde ich eines jener Bücher, die längst aus unserer Welt verschwunden ist: Eine Encyclopedia Britannica in 24 Bänden! Ein gedrucktes Lexikon, längst verdrängt aus unseren Breiten von Online und Internet. Hier auf den Hebriden hat es überlebt wie eine schutzbedürftige Art in einem Reservat. Als David, der Wirt des Fischrestaurants das Essen bringt, Muscheln und Lachs und Cullen Skink, die Fischsuppe, sagt er, dass er das immer so wollte. Einen Ort, an dem seine Gäste nicht nur Fisch essen, sondern auch blättern und lesen.

Vielleicht ist diese Insel am Ende der Welt der einzige Ort, wo die Encyclopädia Britannica  überlebt. Wo sie angespült wurde ans Ende der Welt. Wie die Container und die Autowracks. Wo sie und ihre Art hält sich wie die flatternde Wäsche auf der Leine.

Wann und wo habe ich eigentlich zum letzten Mal in unseren Breiten Wäsche flattern sehen?

Wir schwimmen wieder

Mi., 07.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1893, 18.355 sm von HH

Es ist geschafft! Alle Osmose-Löcher sind wieder zu und Atanga sieht – wider Erwarten – nicht wie ein Golfball aus. Glatt wie eine Nektarine kommt unser Unterwasser-Schiff daher. Spachteln, schleifen, spachteln, schleifen – der Skipper hat ganze Arbeit geleistet.
Auch der Schaden an der Flanke und am Ruder sind super geworden – die Crew hat ganze Arbeit geleistet. ;-) Nach dem Spachteln noch ein paar Lagen Gel-Shield (die Wassersperre) aufpinseln, eine Lage Primer, damit das Antifouling haftet und fertig. Alles ist geputzt, gewaschen, gewienert und blitzsauber. Den Overkill an Frischwasser haben wir ausgenutzt. So viel Wasser direkt neben dem Schiff hatten wir zuletzt in Panama vor anderthalb Jahren.

Ein paar Lagen Gel-Shield machen das Schiff „wasserdicht“

Als wäre nichts gewesen

 

Auch das Ruder ist wie neu

Jetzt wollen wir nur noch die Rechnung bei Yvan bezahlen. Der hat sich die Geschäftsidee vom Wäsche-Service zu eigen gemacht: je länger du bleibst, desto teurer wird der einzelne Tag. Für die zwei Tage Verlängerung, weil wir auf den Schweißer gewartet haben, knöpft er uns den Wochenpreis an Standgebühren ab. Zehn Tage für den Preis von sieben gilt nun nicht mehr. Diesen Rabatt hätte er uns nur gewährt, weil es ja sein Verschulden war, dass er uns in der einen Woche nicht ins Wasser lassen konnte. Achim handelt ihm noch 70 Dollar aus den Rippen; mehr liegt nicht drin. „No cash – no splash!“ Yvan sitzt am längeren Hebel.
Die zwei Tage kosten 130 USD Aufschlag, grrrr.

Atanga wird ebenso umsichtig wieder ins Wasser gelassen, wie Yvan sie aus dem Wasser gezogen hat. Unser Fazit über das ‚Tahiti Nautic Center‘: Man kann Yvan mit ruhigem Gewissen sein Schiff anvertrauen. Aber das Drumherum kann man vergessen. Yvan ist ein mundfauler Kerl, dem man jede Information aus der Nase ziehen muss. In zwölf Tagen haben wir ihn nicht einmal lächeln sehen. Ein Mann, der wenig Freude an seinem Job ausstrahlt, ihn dafür aber gut erledigt.

Schnell noch die Flecken streichen, wo die Stützen standen

Vor uns kommt noch der Nachbar ins Wasser eng, aber machbar

 

Wir liegen jetzt in der Bucht am Anker. Die schöne neue Kette im Schlamm versenkt. Die Mücken, die wir von Land mitgenommen haben, sind tot; das Schiff ist zufrieden, wir sind zufrieden. Kleiner Rammer, große Wirkung. Aber so ist es halt, Dinge passieren. Alle freuen sich auf neue Wege.Und Pläne schmieden, ist immer das Schönste.

 

Vollgaswochen

Seit dem Frühling hat das Deck von allen Baustellen an Bord die höchste Priorität. Es ist alles bestimmend. Manchmal nervt das, würden wir doch viel lieber zur Abwechslung mal woanders arbeiten. Vor allem, wenn Sabrina oder mir eine Detaillösung für die vielen anderen Ecken einfällt. Dann will man am liebsten den Fräser weglegen und sofort mit der Planung starten.
Aber das geht nun mal nicht, wenn die Restauration zügig und in sinnvollen Schritten abgewickelt werden soll. Also heißt es: Fräsen, fräsen, fräsen, ….
Anschließend Farbe aufbauen. Angefangen mit Zinkphosphat auf Epoxidharzbasis, über die Grundierung, bis zum Hochglanzlack in mehreren Schichten. Insgesamt 5 bis 9 Schichten sind es, je nachdem.
Viele Hundert Male haben wir diese Schritte nun hinter uns. Manchmal sind die Stellen, die überarbeitet werden müssen, winzig klein, mal sind sie fast handtellergroß und an einigen Problemzonen hilft nur noch raustrennen und ein neues Stück Stahl einschweißen.
Mittlerweile sind etwa 80% des Decks fertig restauriert und wir sind optimistisch, noch im August damit komplett fertig zu sein.

Die Bereiche wo der Stahl das zeitliche gesegnet hat, sind zum Glück überschaubar und beschränken sich auf Stellen bei denen irgenwann in der Vergangenheit ein Durchbruch gesetzt und unsauber gearbeitet wurde. Zum Beispiel unter den beiden Lüftern, neben dem Mastschuh vom Besan.
Allein dieses Projekt hat einige Tage Zeit für sich beansprucht. Auch, weil wir für die Arbeiten von unten viel entfernen und diverse Leitungen aufwändig hin und her verlegen mussten, um mit Winkelschleifer und Schweißgerät arbeiten zu können.
Im Zuge der Überarbeitung habe ich auch gleich die ziemlich unansehnliche und schlecht konzipierte „Travellerschiene“ für die Großschot entfernt und durch einen soliden Beschlag aus Edelstahl ersetzt.
Sollte in Zukunft doch der Wunsch aufkommen, den Holepunkt der Großschot zu verändern, um das Segel noch besser trimmen zu können, so werden wir das wahrscheinlich mit einer zweiten Talje machen. Das Prinzip gefällt uns für Morgenstern von allen möglichen Varianten zur Zeit am besten.











Kopfschütteln über Unsinnigkeiten im Konzept kommt bei unserer Suncoast zwar ziemlich selten vor, aber an einer Stelle fällt das nachvollziehen für diese Entscheidung während des Baus wirklich schwer. Und zwar der Mastschuh des Besan.
Ansich ist der super verarbeitet, bis auf ein „kleines“ Detail. Eine Wartungsklappe für einen Hohlraum, in dem es nichts zu warten gibt!
Hätte man auch weglassen können, dann wäre auch nichts von innen gerostet. Oder man hätte sie wasserdicht ausgeführt, dann wäre auch nichts gerostet. Oder man hätte sie belüftet ausgeführt, oder…
Aber man hat leider einfach einen Deckel ohne Dichtung draufgedübelt und so konnte sich über die Jahrzehnte ein kleiner, etwa 7cm hoher Sumpf mit Mikroklima im Inneren des Hohlraums bilden.

Fühlt sich irgendwie weich an…

Was haben wir denn da?

Dass der Stahl trotz Sumpf und Sch… nur oberflächlich Flugrost ausgebildet hat, wundert mich noch immer. Eigentlich hätte auch COR-TEN Stahl an dieser Stelle aufgeben müssen. Hat er aber nicht!? Vielleicht ist es ja ähnlich wie bei Moorleichen. Die verwesen ja auch nicht.
Jedenfalls ist der kleine Raum nun wieder sauber, entrostet, lackiert, und der Deckel hat einen Rohrbogen zwecks neuer Kabelverlegung bekommen. Neoprendichtung und O-Ringe für die Schrauben haben wir ihm auch spendiert. So kann kein Wasser mehr hinein laufen, aber belüftet ist der Kasten trotzdem.

Der neue Deckel.

Lassen wir den Rott nun gedanklich hinter uns und schauen auf die überarbeitete Mastlegevorrichtung. Ein richtiges Schmuckstück ist das geworden, auch dank unseres Bootsnachbarn Eddie, der die entscheidende Idee für Detaillösungen hatte.
Die Bauarbeiten an den Stahlteilen haben zwar am Ende fast 2 Wochen gedauert, aber mit dem Ergebnis sind wir mehr als zufrieden. Sollte uns überleben, das Teil!







Ansonsten sind unzählige Kleinteile fertig geworden und haben irgendwie ihren Weg ins und aufs Deck gefunden. Es waren so viele, dass ich heute kaum noch alle aufzählen kann. Viel Wartungsstau, der bereits seit Eignergenerationen vor uns dagelegen hat und den man nicht immer auf den ersten Blick erkennen konnte. Fast 2 Flaschen Argon habe ich während all der Schweißarbeiten in den letzten Wochen verballert. Zum Vergleich: In den letzten 10 Jahren habe ich gerade mal eine halbe dieser 10kg Flaschen verbraucht!



Stellvertretend für die 80% restauriertes Deck steht dieser Poller!

Nächstes Thema:

Die Decksdurchführung für den neuen Ofen

Dieses Teil habe ich angefertigt, weil es (soweit mir bekannt) nichts vergleichbar solides, dichtes und kühles auf dem Markt gibt. Mit „kühl“ ist gemeint, dass so eine Decksdurchführung möglichst wenig Wärme vom Abgasrohr auf das Deck übertragen sollte. Was mit solide gemeint ist, dürfte klar sein. Mit „dicht“ verfolge ich den ganz persönlichen Anspruch an eine Decksdurchführung auf einem Segelschiff, von der ich im schlimmsten Fall nicht denken möchte, während die Yacht kentert: „Scheiße, der Schornstein!“
Meine Recherche zu solchen Decksdurchführungen hat am Ende folgendes ergeben:
+ Kühl gibt es.
+ Solide gibt es.
– 100%ig dicht gibt es nicht.
– Kühl, solide und 100%ig dicht gibt es erst recht nicht.

Also selbst entwickeln und selber bauen…
2mm Edelstahl, isoliertes Abgasrohr (Steinwolle, Glasfaser, Kevlar), perfekte Passungen, perfekt passender Deckel mit Gewindestiften, welche in eine umlaufende Nut greifen und eine Neoprendichtung vorspannen.

Tada…

Entstanden ist es so.






Aufgeschweißt habe ich die Durchführung mit dem WIG Schweißgerät und SW-Zusatz.

Wenn das innere Rohr kurz vorm glühen ist, kann man das äußere Rohr im Bereich der Decksverbindung problemlos anfassen. Es wird nur lauwarm.

Nächstes Thema:

Bugspriet

Brauchte neues Holz, brauchte neuen Stahl, brauchte ein besseres Konzept, brauchte neue Farbe…
Noch nicht ganz fertig, aber es entwickelt sich. Ich lasse mal Bilder sprechen und quatsche nicht so viel.






Letzter Themenwechsel für diesen Beitrag:

Segeln

War ich nämlich auch. Kurz, schnell und hart bin ich am Sonntagabend den Niedergang hinunter gesegelt. Der Zeitpunkt passte, kann man nicht anders sagen. Ich hatte gerade den letzten Pinselstrich gezogen und war auf dem Rückweg ins Bootsinnere. In der einen Hand den leeren Farbbecher, in der anderen den Pinsel. Die oberste Stufe, ich hab sie nur knapp mit dem Fuß verfehlt. Alle anderen darunter habe ich dann wieder voll erwischt, allerdings mit den Rückenwirbeln, Rippen und Schulterblättern. Die letzte ganz unten dann mit maximaler Geschwindigkeit auch mit dem Hinterkopf.
Unmittelbare Reaktion meinerseits, nachdem die Lunge kurzzeitig restentleert war und über die wir uns später doch ein wenig amüsiert haben: „Ina … ooon …! Rina … toon …!“
Sabrina: „Beruhig dich erstmal, atme tief ein!“
Nico: „Da … ton … da!“
Sabrina: „Atme erstmal! Tief atmen!“
Nico: „Aceton … da!“
Sabrina: „Aceton???“
Nico: „Ja … Aceton … da!“

Aufklärung:
Während des Segelfluges ins Bootsinnere, ist es mir aus unerfindlichen Gründen gelungen, den Farbbecher bis zum Schluss festzuhalten. Der Pinsel ist mir allerdings irgendwie entwischt und in hohem Bogen davon geflogen, genau mit den Borsten gegen eine der hübschen Mahagoniverkleidungen. Das habe ich im Gegensatz zu Sabrina mitbekommen und der erste Gedanke nach dem Aufschlag war deshalb: „2K Farbe!!! Das muss schnell entfernt werden, bevor es aushärtet!“

Da ich hier noch schreiben kann, dürfte klar sein, es ist praktisch nichts passiert, bei diesem Flug. Nur Prellungen und blaugrüne Flecken.

Glück gehabt!

Noch mehr Eisen-Probleme

Di., 06.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1892, 18.355 sm von HH

„Wenn du’s entdeckt hast, musst du’s machen lassen,“ stellt Yvan, der Werftchef,  trocken fest. Der herbeigeholte Schweißer vom gegenüberliegenden Schiff nickt bestätigend: „Beängstigend ist es noch nicht, kann bis Neuseeland halten, aber … „. Na gut, der Mann wittert einen Auftrag, der muss das sagen.

Dabei hatte ich so schön Antifouling drüber gepinselt. :mrgreen: Ich hab die kleinen Löcher nicht registriert. Aber Achims hat’s trotzdem entdeckt.
Alle stehen um unser Ruder herum und beäugen einen Riss in unserer Ruderaufhängung. Schon wieder Lochfraß im Edelstahl. Das warme Wasser setzt dem Material ganz schön zu. Vielleicht ist auch die Pier in Hao nicht ganz unschuldig, vermutet Achim. Im Beton war viel Eisen verbaut, da mag es zu einer Reaktion mit unserem Edelstahl gekommen sein. Aber alles Spekulation – nur die Perforation nicht, die ist eindeutig zu erkennen.
Der Schweißer bekommt den Auftrag. Wir haben keine Lust auf einen Platz in der Rettungsinsel. Sollte die schwere Spange unserer Ruderaufhängung brechen würde, wär’s das mit Atanga. Das Ruder würde abreißen und das Schiff unweigerlich voll laufen.
Der Schweißer ist kooperativ. „Ihr gebt mir das ausgebaute Teil am Montag und bekommt es spätestens Dienstag zurück“. Deal! Wir verlängern um zwei Tage unseren Landaufenthalt.

Lochfraß im Edelstahl

Achim schraubt die Spange ab. Wider Erwarten lässt sich das Teil anstandslos demontieren. Mit der Flex ist der Edelstahl schnell blank poliert. Der Schweißer öffnet den Lochfraß-Riss, schließt die hässliche Wunde und schweißt eine Edelstahlplatte oben drauf. Optisch sieht es nach einer guten Arbeit aus. Ob er gut in Edelstahl schweißen ist, wird sich in ein paar Monaten zeigen. Aber wir sind optimistisch.

Geschweißt und wieder eingebaut, kann es nun endlich ins Wasser zurück

Bootssport erleben im Rahmen von „Rhein in Flammen“

Die Initiative tourt weiter und ist am 10. und 11.8.19 im Rahmen von Rhein in Flammen zu Gast in Koblenz.  Interessierte können hier kostenlose Schnupperfahrten buchen, das Ruder selbst in die Hand nehmen und so Bootssport hautnah erleben.

Für die kostenlosen Probefahrten stehen am Samstag von 11-19 Uhr und am Sonntag von 10-18 Uhr folgende Boote zur Verfügung:

YAMAHA
YAM 310 TAf mit F15 / max. 3 Personen

YAMAHA
YAM 380TAf mit F25 PS / max. 3 Personen

SUZUKI
RAJO GFK Konsolenboot mit Suzuki DF100ATL

SUZUKI
SUZUMAR RIB 3,5m mit Suzuki DF15AS

MERCURY
QUICKSILVER 470 HD mit Mercury 15PS EFI

MERCURY
Schlauchboot RIB 320 mit Mercury 15PS EFI

Erleben Sie den Spaß beim Bootssport live und lassen Sie sich mit Familie und Freunden den Wind so richtig um die Nase wehen. Es stehen verschiedene Bootstypen zur Verfügung.
Erfahrene Instruktoren begleiten Sie und zeigen Ihnen, wie einfach der Einstieg in den Bootssport ist. Der ADAC bietet gerade zum Einstieg in den Bootssport hilfreiche Informationen zu Themen wie

Sportbootführerschein,
Gebrauchtbootkauf,
Internationaler Bootsschein,
ADAC Wassersportversicherungen,
Tipps zum Trailern,
ADAC Yachtcharter
u.v.m.

Unser ADAC Experte für Themen rund um den Wassersport ist ebenfalls vor Ort und beantwortet gerne Ihre Fragen, Bootssport erleben und die ADAC Sportschifffahrt finden Interessierte direkt am Deutschen Eck.

Geländeplan Rhein in Flammen

 

Von England nach Irland und Schottland (23): Ankommen auf den Hebriden. Ankommen auf South Uist.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Von Islay und der Isle of Mull geht es jetzt westwärts hinaus auf die Äußeren Hebriden.

Als wir uns gestern dem Hafen von Loch Boisdale auf South Uist näherten, hatte ich von der kleinen Siedlung am Ufer den Eindruck, mich einer grönländischen Walfängerstation zu nähern, die nur saisonweise bewohnt ist. Zwei Handvoll weißer Häuser am Horizont. Vom Regen glänzende Felsflanken. Zu Füßen eines wolkenumwaberten Berges ein winziger Hafen mit ein paar Stegen, an denen eine Handvoll Segler liegen. Eine Fähre, die am Ufer vertäut auf die Rush Hour wartet, die niemals kommen wird. Jedenfalls nicht hier.

Loch Boisdale ist der einzige Hafen auf der Insel South Uist, die sich schmal etwa 30 Kilometer links und rechts einer Straße nach Norden zieht. Sie ist die zweitgrößte der Inseln auf den äußeren Hebriden. Und die wiederum markieren das äußerste nordwestliche Ende Schottlands, das 60 Seemeilen, über 100 Kilometer weit draußen wie eine Riffkette das Festland vor den Nordwest-Winden schützt.

Es ist kurz nach 19 Uhr, als wir im Hafen festmachen. Donald, der Hafenmeister von Loch Boisdale, ist noch da. Er sitzt allein in seinem blauen Container auf dem Hafengelände, während die meisten seiner Kollegen drüben auf dem Festland schon um fünf Feierabend gemacht haben. „Ich habe etwas ungewöhnliche Arbeitszeiten hier“, sagt Donald, „bin morgens um sechs hier und abends von fünf bis sieben.“ Ungewöhnlich sind an Donald nicht nur seine Zeiten, sondern auch die klaren Ansagen – wie die, die an der Bürowand hinter ihm hängt:

Das ist knochentrocken, doch präzise ausgedrückt. Ihre Abgeschiedenheit scheint die Insulaner jedenfalls nicht zu Freunden verbaler Umschweife zu machen. Man sagt, was man denkt. 

Als Donald uns mit seinem Hafen vertraut gemacht hat, versorgt er uns auch mit dem Passwort zum Hafen-Wifi. Die Handy-Anzeige links oben ist auf der Insel von einem stolzen „G4“ zu einem dürren „E“ geschrumpelt, was das Herunterladen eines aktuellen Wetterberichts über Mobilfunk unmöglich macht. Geht nicht, gibts tatsächlich. Also wandern Sven, Ida und ich langsam die gewundene Straße, auf der kein Auto unterwegs ist, vom Hafen Richtung Ort, zum einzigen Restaurant in Loch Boisdale, dem Loch Boisdale Hotel. An der einzigen Kreuzung hat der einzige Laden noch auf, ein Souvenirladen, dessen freundliche Besitzerin uns in unverständlicher Sprache, doch unmissverständlicher Gestik die 50 Meter weiter zum Restaurant weist. Ich habe noch nicht recht verinnerlicht, dass „Sich verirren“ in den Straßen Loch Boisdales nicht zu den drohenden Gefahren gehört. 

Aber dafür ist das, was sich am nächsten Morgen am Himmel über Loch Boisdale tut, einfach umwerfend. Es hat Aprilwetter im Hochsommer. Eine Regenfront steht über einem der Berge im Norden wie der Rauch über einem Vulkan. Als ich mich umdrehe und hinausblicke in den Osten vor den Hafen, von wo wir gestern herkamen, ist dort nur die raue, leere Insellandschaft unter dem schnell wechselnden Aprilhimmel zu sehen, als wäre die Insel noch gar nicht entdeckt.  

Doch am meisten wundere ich mich über mich selber. Ein Zuviel an Leere, an Abgeschiedenheit kann durchaus auf die Stimmung schlagen. Doch ich bin zufrieden hier. Nichts da von „Was mach ich hier eigentlich?“ Die Landschaft ist mir auf unbeschreibliche Weise vertraut und fremd zugleich. Doch davon mehr in meinem nächsten Post.

Eine neue Ankerkette

Fr., 02.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1888, 18.355 sm von HH

Auf Hao hatte Achim routinemäßig unsere Ankerkette kontrolliert. Warum macht der Mann so etwas? Einige Glieder zeigen sich verhaltensauffällig: durch Lochfraß. Der in der Literatur beschriebene Verfall einer Edelstahlkette hat jetzt unser schönes Teil erwischt. Es bilden sich Löcher im Edelstahl, die zum Bruch der Glieder führen können. Manchmal kann man diese gefährlichen Löcher nicht erkennen, aber bei uns besteht kein Zweifel.
Die Kette war von Spitzenqualität. Noch angeschafft vom Voreigner von Atanga, aber sie hat deutlich Jahre auf dem Puckel – 15 Jahre, mal viel, mal wenig genutzt. Leider begünstigt warmes Wasser den Verfall von Edelstahl.
Da unser gesamter Haushalt an dieser Kette hängt, soll ein Ersatzkettchen her.

Die meisten Sachen auf Tahiti sind teuer, sehr teuer, daher wählen wir eine verzinkte Kette statt Edelstahl. Achtzig Meter sollen es ein – ungefähr 180 Kilo. Die Ankerkette zu wechseln, während das Schiff am Anker und an der Kette hängt, ist umständlich und schwere Arbeit (Zweitanker ausbringen, Kette in Dinghi, von Dinghy Kette an Bord usw.) Also soll eine neue Kette her, während wir noch an Land stehen. Aber wie kommt die Kette aus Papeete zu uns?
Der wenig freundliche Herr B., der Mann bei dem man auf Tahiti alles (!) für sein Schiff bekommt, ist wenig kooperativ: „Ich liefer nicht nach Pheaton! Ihr müsst schon hierher kommen. Um nach Papeete zu segeln, braucht ihr keine Ankerkette!“ Augen roll. Kunde droht mit tausend Dollar Auftrag für eine ‚Markenkette‘ made in France von Lofran.

Also organisieren wir Marc. Marc ist ein Junge für alles in der Phaeton Bay. Er kümmert sich um leer stehende Schiffe, hat diesen drolligen Wäsche-Service, bei dem die Preise steigen, wenn man viel Wäsche abgibt. Und Marc hat ein Auto. Für 50 USD fährt er mit Achim nach Papeete und ein paar Stunden später sind die beiden mit der Kette wieder zurück. Der Rest ist an Land ein Kinderspiel: Die Ankerwinsch zieht die neue Kette an Deck. Anker umschäkeln. Fertig.
Herr Balzer hat Achim noch mit auf den Weg gegeben: „Wenn ihr viel ankert, sehen wir uns in drei Jahren wieder. Länger hält eine Kette hier nicht!“
Na, Prost Mahlzeit, da sind wir anderes gewohnt.

Da liegt er nun, unser 800 Euro Eisenhaufen

Safety Day in der ancora Marina

Am 17. August 2019 findet in der ADAC Stützpunktmarina ancora Marina  Neustadt von 10 bis 18 Uhr erstmals der CKA Safety Day statt. Der Club der Kreuzer-Abteilung (CKA) informiert in Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen in Workshops nund Vorträgen über das richtige Verhalten bei Notsituationen auf dem Wasser und Sicherheitsmaßnahmen an Bord. Der Service-Club für Wassersportler richtet sich mit seinem vielfältigen Programm an alle Wassersportinteressierte und Bootseigner, die neben Erste-Hilfe-Fortbildung auch Leckage- und Brandabwehr trainieren können. Das Konzept wurde in enger Zusammenarbeit mit der DSV Kreuzer-Abteilung und der Schadenabteilung von Pantaenius Yachtversicherungen entwickelt.

Wie funktioniert eine Rettungsinsel? Welches Signal nutze ich, um im Notfall auf mich aufmerksam zu machen? Was bietet eine elektronische Seekarte? Auf diese und weitere Fragen finden Besucher des CKA Safety Day in diversen Vorträgen und anschaulichen Simulationen Antworten, wie man sich in Notsituationen am besten verhält. Christian Bahrs, Vorstand des Club der KreuzerAbteilung: „Panik ist der größte Feind bei Notfällen – denn je weiter man sich vom sicheren Hafen entfernt, desto schwieriger ist es, schnelle Hilfe zu erhalten.

Notsituationen kann man jedoch trainieren, deshalb haben wir den CKA Safety Day ins Leben gerufen.“ Trainieren und mitmachen, üben und Ausprobieren, ist deshalb das Motto der Veranstaltung, zum Beispiel beim Thema Brandbekämpfung: Die freiwillige Feuerwehr zeigt unterschiedliche Löschmittel, demonstriert wirkungsvolle Löschmethoden und informiert über Brandschutz. Zudem lädt sie die kleinsten Besucher zu Stockbrotgrillen ein.

Wie ein Leck schnell und effektiv abgedichtet wird, üben Teilnehmer an Bord der MERI CRASH. Denn auf der präparierten Yacht der Segelschule Well Sailing werden Lecks nicht simuliert, sondern finden kontrolliert statt. Wer sich über den sicheren Zustand des Riggs informieren möchte, um für alle Wetterbedingungen gewappnet zu sein, findet beim Rigg-Spezialisten Ulrich Dohrmann Antworten. Die Firma Bernhard Apparatebau präsentiert zudem ihre neuesten Secumar Automatikwesten und liefert wertvolle Tipps zum richtigen Umgang.

Der CKA Safety Day bietet jedoch noch mehr: „Open Ship“ – Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) öffnet dem Publikum die Schotten seines Seenotkreuzer HANS HACKMACK und dem Seenotrettungsboot HEINRICH WUPPESAHL und informiert gleichzeitig über Sicherheitsvorkehrungen an Bord.

Welche Gefahr von großen Frachtern ausgehen kann, weiß Simona Dittrich Knüppel, von der DSV Akademie. Die Nautikerin kennt den Blick von der Brücke und zeigt auf, worauf Skipper achten sollten, auch wenn sich einem ein Meer aus Windrädern nähert.

Der Besuch des CKA Safety Day sowie die Teilnahme an den Workshops ist kostenlos, weitere Informationen zum Programm gibt es online unter clubderkreuzerabteilung.de.

Nützliche Informationen zum Thema:

Sicherheit an Bord: Rettungshelfer

Navigation: Sicher auf Kurs bleiben

Richtiges Verhalten im Notfall

Was tun im Schadensfall?

Wassersport ohne Risiko

Länderspezifische Sicherheitsausrüstung