Leben in der Lagune
Do.,25. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Tahaa/Ile Mahaea, Tag 2461, 21.359 sm von HH
Seit einer Woche hängen wir in der Lagune und finden es wundervoll. Nach dem schlechten Anfang hat sich das Wetter zum Besten umgekehrt. Die Sonne steht am Himmel und es herrscht (meistens) Flaute. Wie ein petrolfarbenes Bettlaken liegt die Lagune glatt gezogen vor uns. Selbst die Brandung am schützenden Außenriff ist kaum mehr zu hören.
Atanga dümpelt um ihren eigenen Anker herum. Die Bojen haben ihr eigenwilliges Verhalten aufgegeben. Wir haben offenbar die richtigen Abstände ausgemittelt und beim nächsten Mal sollte die Ankerketten-Schwebe-Aktion schon besser klappen.
An Land können wir nicht. Wir haben noch nicht mal das Dinghy zu Wasser gelassen. Wenn wir von Bord wollen, müssen wir schwimmen oder schnorcheln. Die Hauptinsel Tahaa ist für eine Dinghy-fahrt recht weit weg und interessiert uns im Augenblick nicht. Das Inselchen – ein sogenanntes Motu – was direkt vor uns liegt, ist privat. Tabu. Wir respektieren das und halten Abstand, gehen nicht mal vor ihrer Sandbank schnorcheln. Warum auch, wir haben unseren eigenen Swimming Pool. Fünfzig Meter hinter Atanga wird es flach, sogar ich kann dort knapp stehen. Rochen ziehen an uns vorbei. Das Wasser hat gute 28 Grad – Hochsommer auf der Südhalbkugel.
Bei Regen kommen unsere unbekannten Nachbarn nach Hause
Bei Sonnenschein sieht das Motu so aus
Diese Idylle wird nur durch kurze „Bauarbeiten“ unterbrochen. Direkt in unserem Planschbecken ankert eine Plattboden-Schute. Mit großen Schaufeln holen fünf, sechs Jungs den Sand aus der Lagune und beladen ihren Kahn bis zur Schmerz- und Kentergrenze. Fröhlich hören wir sie gackern bei der Arbeit. Freundlich winken sie rüber. Nach einer Stunde sind sie fertig mit schaufeln und ziehen wieder ab. Wir sind wieder alleine.
Die Bauarbeiten beginnen schon vor dem Frühstück
Mühsame Schaufelei im brusttiefen Wasser
Der Kahn fährt schon fast unterhalb der Grasnarbe
Andere Segelboote kommen und gehen, bleiben höchsten zwei Nächte. Die Lagune ist groß, die Abstände zueinander auch. Kontakt haben wir keinen, jede Crew genießt für sich alleine. Wir füttern den Trupp der kleinen Nasen-Docktorfische, der hinter uns an einem Korallenblock wohnt mit Gurkenschalen an. Gierig stürzen sich die Fische auf die neue Leckerei. Kurz vor Sonnenuntergang sehen wir mehrfach einen Hai unter Atanga langziehen. Dass es überhaupt noch Fische in der Lagune gibt, erscheint uns wie ein Wunder. Täglich verfolgen Jäger mit Harpunen am Riff vor dem Motu ihre Beute. Stundenlang wird auch dem letzten essbarem Barsch oder Snapper hinterher gehetzt. Entsprechend klein sind die Rifffische, die wir entdecken. Große Papageienfische oder Drücker gehören der Vergangenheit an.
Falterfische schwimmen uns direkt vor die Linse
Farbenprächtige Riesenmördermuschel – diese ist winzig – vielleicht zehn Zentimeter
Unsere Go Pro ist leider schon fast ein Jahr kaputt. Auf Tahiti konnten wir uns keine neue kaufen, da Go Pro seinen Verkauf nur noch über einen Selbstvertrieb vornimmt. Händler mit Lizenzen gibt es nicht mehr. Schicken lassen, können wir uns auch keine. Man mag es nicht glauben, aber DHL Deutschland versendet noch immer nicht Französisch Polynesien. Die Post in der Heimat hat doch nicht etwa was mit der Impfstoff-Verteilung zu tun?
Damit wir überhaupt Unterwasser-Aufnahmen machen können, haben wir uns im Oktober die einzige (!!) Unterwasserkamera gekauft, die wir finden konnten. Eine Coolpix W150. Nicht the best horse im Stall – aber besser als nichts. So können wir wenigstens ein paar Schnappschüsse schießen.
Über Wasser ist die Coolpix leider auch nur mittelprächtig
Im Planschbecken vor unserem Motu
Wasserspiele
Und was ist mit Drohnen-Bildern? Die Frage kommt zu Recht. Wir sind Feiglinge.
Von Bord aus zu landen und zu starten … nein, Hilfe, wir trauen uns noch nicht. Dazu muss einer (also ich) die Drohne vor der Landung aus der Luft abfangen. Zum Landen an Deck wäre theoretisch zwar Platz, aber die Sensoren, die verhindern, dass die Drohne an Hochspannungskabeln oder Äste fliegt, sorgen auch dafür, dass die Drohne nicht nah an unseren Wanten und Stagen heran fliegen kann. Rückwärts fliegen lautet der Trick. Haben wir an Land erfolgreich probiert. Zweimal ist mir der Griff nach dem Biest erfolgreich gelungen. Aber auf dem engen Kahn? Ich bin der Feigling.
5




















Es ist erst wenige Tage her, dass ich den Besuch zweier Radfahrer bekam, die im Tiefschnee – ganz ohne Schneeketten! – den Weg nach Wandsbek genommen und gefunden hatten, um uns einen Besuch abzustatten. Die Zeit war knapp, jedenfalls bei mir, weil die Uhr tickte, ich ein System zum Airport zu bringen hatte …darum wurde der Besuch vergleichsweise recht kurz, eigentlich garnicht meine Art!
Es ging, wie sollte es wohl anders sein, um die Ausrüstung einer blaugestreiften Yacht mit einer Heckverzierung. Die Beratung ging schnell! Etwas länger wurde der Schnack, als ich erfuhr, dass die Tochter des einen Radfahrers sich derzeit im Pazifik „rückwärts“ quält. Die SY Thula hatte vor einigen Wochen die Entscheidung gefällt, sich gegen die häufigen Flauten im Stillen Ozean Richtung Panama zu kämpfen, eine Herausforderung der besonderen Art, insbesondere wenn Diesel knapp an Bord, man wirklich auf den Wind angewiesen … und der kaum vorhanden ist. Derzeit befindet sich die Thula nur noch wenige hundert SM entfernt von den Perleninseln.
Nachdem ich nun die Iridium Mobiltel. erfahren hatte, konnte ich tun, was mir schon lange am Herzen gelegen hat, denn ich war durch ein Foto auf der Website der Segler aufgeschreckt, welches die Ruder Position des Windpilot Systems abenteuerlich falsch montiert gezeigt ( Achterkante Ruders nach vorn montiert!).
Jedenfalls konnte ich endlich meinen Hinweis an die Segler loslassen … zum Glück hatte man den Fehler bereits selbst gemerkt. Immerhin ist die Windpilot Anlage bereits ca 30 Jahre alt und mir in Erinnerung geblieben, weil von der Vindö 452 insgesamt nur wenige Schiffe gebaut worden sind.












Ein Buchtitel, der im Kopf neugieriger Segler ein Bild sublimiert, das, einem Tsunami nicht unähnlich, den Leser bereits von der ersten Seite, unvermittelt mit einer Flutwelle kompakter Informationen überrollt, fast Atemlosigkeit hinterlässt. KISS ist Seglers Sehnsucht und ständiger Lebensbegleiter weil er mit Einfachheit, weniger Probleme beim Segeln verbindet, dies zumindest hofft. Dieses Buch ist erfrischend anders als andere, teils seitenstarke Bücher von Autoren, die durch bloße Wahl des Titels, eigene Referenz zu erreichen suchen, indem sie den Begriff Blauwasser verwenden, einem Terminus immerhin, dessen Verwendung im deutschen Sprachraum hier und dort stille Ehrfurcht zu erzeugen in der Lage ist, vermutlich um daraus Distanz und Lufthoheit zu generieren? 
