Kategorie: Atanga

Reisen unterhalb der Holzklasse

Fr.,13.Jul.18, Ecuador/Riobamba, Tag 1504, 13.337 sm von HH

„Wollen wir es riskieren?“, ich bin froh, dass Achim zuerst die Frage stellt. „Klar, was kann schon schief gehen?“, finde ich.
Wir stehen am kleinen Busbahnhof in Riobamba von wo aus die umliegenden Andendörfer angefahren werden. Um 9:00 Uhr soll, laut Reiseführer, der einzige Bus am Tag nach Tzalaron abfahren. Ein Bus der richtigen Gesellschaft steht schon abfahrbereit. Ob er nach Tzalaron fährt, kann der Fahrer nicht beantworten, er kennt den Ort nicht einmal.
Ein weiterer Busfahrer schüttelt ebenso sein Haupt: „Nee, der Bus fährt bereits um 7:00 Uhr.“ Immerhin kennt er Tzalaron.

Wir warten, ist ja schließlich noch nicht neun. Ein weiterer Bus der Tzalaron-Linie fährt vor. Der Fahrer sagt, der richtige Bus sei weg, aber er fährt bis Punin und auf halber Strecke könne er uns am Abzweiger nach Tzalaron raus lassen. Dort kämen ständig ‚Camionetas‘ (kleine Lastwagen) vorbei, die würden uns schon mitnehmen.
„Wollen wir es riskieren?“ „Klar, was kann schon schief gehen?“, antworte ich und springe in den Bus.

Nach 45 Minuten stehen wir dann an der besagten Abzweigung. Mitten in der Pampa und etwas ratlos. Wir stehen auf dreitausend Meter, es ist wolkig, windig und kalt. Und nun? Lange brauchen wir nicht warten, da kommt ein Camioneta um die Ecke. Auf unser Handzeichen hält er an und deutet nach hinten. Na, dann. Als ich mir den Schal enger um die Nase wickel, freue ich mich erneut, dass Achim zuerst die Frage gestellt hat.

Nach fünf Minuten steigt ein Mütterchen zu, verzieht sich in die äußertse Ecke der Ladefläche und zieht die Decke über den Kopf. Ein Haufen Stroh auf der Ladefläche und Ketten an der Seite sind ein klares Indiz, der nächste Passagier könnte auch vierbeinig sein.

Unsere erste Mitfahrerin verzieht sich in die Ecke - ohne Socken

Unsere erste Mitfahrerin verzieht sich in die Ecke – ohne Socken

Laufend halten wir an und eine Indigina nach der anderen klettert auf die Ladefläche. Bei einigen muss der Fahrer helfen und greift den Damen beherzt unter die Arme. Die kichern und freuen sich über die Hilfe und kauern sich dann neben uns. Ihr Klamotten erweisen sich als äußerst praktisch, weil absolut schmutzresistent, während meine Hose aussieht wie aus dem letzten Krieg. Einige der Mädels haben Interesse an uns und fragen woher wir kommen. Anderen sind wir völlig egal.

Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Schattige Luxusfahrt

Schattige Luxusfahrt

Nette Mitfahrerin, die sich amüsiert, dass wir so weit aus DE kommen

Nette Mitfahrerin, die sich amüsiert, dass wir so weit aus DE kommen

Nach dreißig Minuten und zu Eiszapfen gefroren, erreichen wir Tzalaron auf 3.300 Höhenmetern. Dort ist heute Markt. Einer der letzten seiner Art, preist der Reiseführer ihn an: einen originaleren Andenmarkt findet man in ganz Ecuador nicht mehr.

Schafe, Schweine und Kühe werden getrennt gehandelt

Schafe, Schweine und Kühe werden getrennt gehandelt

Außer uns sind tatsächlich keine weiteren Ausländer vor Ort.
Die Reaktion auf uns ist unterschiedlich: totale Ignoranz, freundliches Grüßen oder die Gesprächsaufnahme: woher kommt ihr, wielange bleibt ihr, habt ihr Kinder, nein, warum nicht? Sogar unser Alter wird erfragt, ob da mit den Kindern nicht doch noch was zu retten ist.

Natürlich sind wir ein Fremdkörper zwischen den ganzen Bauern und Händlern, die ihr Vieh oder Grünzeug verkaufen. Insbesondere Achim fällt auf wie ein Schwein auf dem Sofa, ist er doch fast doppelt so groß, wie die kleinen Indios. Aber wir fühlen uns nicht unwohl. Eine sympatische, zurückhaltende Freundlichkeit überwiegt.

Schafhandel ist Frauensache

Schafhandel ist Frauensache

Ferkel Handel ist Frauensache
Typische Haartracht
Passendes Schuhwerk auf 3300 Meter
Mit echtem Seemanns-Knoten
Handelseinig
Filzhut-Handel - modisch werden hier keine Kompromisse gemacht

Da wir hier nicht viel zu tun haben außer die Szenerie zu bestaunen, wird uns kälter und kälter. Wir trauen uns an ein heißes Süppchen aus dem Kessel. Dünne Gemüsebrühe mit einem Stück Kartoffel, Reis und etwas Huhn. Trotz des südamerikanisch unausweichlichem Korianders ist das Süppchen etwas fad. Aber es wärmt. Gegessen wird in Vollmontur. Geheizte Räume sucht man hier vergeblich. Ecuador kennt keine Heizungen, weder auf dem Bauernmarkt noch in der Stadt.

Suppenküche

Suppenküche

Etwas Warmes braucht der Mensch

Etwas Warmes braucht der Mensch

Irgendwann heißt es dann: „Und wie kommen wir wieder zurück?“ „Keine Ahnung, lass uns mal bei den Pritschenwagen fragen.“ Schnell werden wir uns einig. Einer der kleinen Laster wird uns, natürlich auf der Ladefläche, runter bis nach Punin nehmen.
Ich bin froh, dass die Schafswolle auf einem andern Wagen einen Platz findet und schon geht es los. Ein Mütterchen steigt noch dazu, aber nach fünfzehn Minuten wieder aus. Diesmal sitzen wir etwas windgeschützter, dafür ohne Kopffreiheit und mit direktem Zugang zu den Auspuff-Gasen.

Anden Frauen
Heimweg für alle
Der Rückweg ist schon fast warm

An Punin fährt unserer Fahrer dann vorbei. Gab es wohl ein Missverständnis oder hat er uns vielleicht vergessen? Wir verharren gespannt. Es geht bergab, das ist schon mal richtig. Nach 45 Minuten lässt er uns in Riobamba raus, also irgendwo raus. Wir haben keine Ahnung wo wir sind und Riobamba hat immerhin 280.000 Einwohner.
Wir lassen uns von der Macht leiten und gehen tatsächlich in die richtige Richtung. Was soll jetzt noch passieren? Bald erkennen wir unseren Busbahnhof vom Morgen. Den Rest des Tages verbringen wir damit im warmen und sonnigen Riobamba (2.750 Meter) unsere Knochen zu wärmen.

Von Wasserfällen und Tieren

Mi./Do.,11./12.Jul.18, Ecuador/Baños, Tag 1502/3, 13.337 sm von HH

Kräftige Mietze so ein Puma

Kräftige Mietze so ein Puma

Wer hätte gedacht, dass uns bereits am vierten Tag in Ecuador ein leibhaftiger Puma vor die Linse laufen würde.

Wir schonen unseren Muskelkater und schlagen uns mal nicht in die Büsche, sondern machen Sachen, die Touristen so machen in Baños: wir gucken Wasserfälle und gehen in den Zoo.

Der ‚Pailon del Diabolo‘ – der Kessel des Teufels – ist das Wahrzeichen von Baños. Als einer der zehn spektakulärsten Wasserfälle der Welt wird er vermarktet. Und ja, in der Tat, nicht schlecht das Teil.
Durch Treppen und Balkone, die man an die Felsen gebaut hat, kommt man dem Kessel hautnah. Mit viel Getöse und noch mehr Gischt donnert das Wasser zwischen den Felsen durch. Da es bereits den ganzen Vormittag regnet, führt der Wasserfall soviel Wasser, dass wir die unteren Balkone nicht betreten können ohne pudelnaß zu werden. Ein hübsches Touristen-Spektakel, besonders für die Kinder, die sich quietschend naß regnen lassen.

Pailon de Diabolo

Pailon de Diabolo

Der Diabolo kommt von rechts

Der Diabolo kommt von rechts

Ein Blick in den Schlund

Ein Blick in den Schlund

Ein Balkon hängt fast im Diabolo

Ein Balkon hängt fast im Diabolo

Der nächste Vormittag gehört dem Zoo. Die Lage vom Zoo ist nicht schlecht. Auf einer großen Felsen-Insel, mitten in der Schlucht des Pastaza, stehen labyrinthartig angeordnet die Gehege. Die Gestaltung und Größe der Käfige entspricht dem Standard in Deutschland der 90er Jahre. Aber die Tiere sehen alle gut aus, die Gehege sind sauber und das Futter frisch.

Der Zoo von Banos liegt perfekt eingeschmiegt in die Landschaft

Der Zoo von Banos liegt perfekt eingeschmiegt in die Landschaft

Überwiegend in Südamerika heimische Tiere (bis auf den Tiger und ein paar Vögel) wohnen hier. Da wir in Natura wohl kaum einen Puma zu Gesicht bekommen, ja, noch nie einen gesehen haben, ist dies eine gute Gelegenheit.

Give me five - als der tiger das das erste mal gemacht hat, waren Achims Augen so groß wie die Pfoten

Give me five – als der Tiger das das erste mal gemacht hat, waren Achims Augen so groß wie die Pfoten

Am Nachmittag düsen wir dann in knapp zwei Stunden mit dem Bus weiter nach Riobamba (2.750 Meter hoch), unserer nächsten Sation. Unser Hotel ist schnell gefunden im Zentrum der Altstadt. Die drei dicken Decken auf dem Bett verheißen nichts Gutes. Doch noch scheint die Sonne und wir schlendern mit einfacher Jacke durch die Stadt auf der Suche nach etwas Eßbarem. Es wird dunkel, es wird kalt, wir immer hungriger. Wir laufen zig Blocks kreuz und quer ohne Erfolg. Es gibt keine Restaurants in der Altstadt. Das einzige, was wir finden, sind Schnell-Imbisse: Hühnchen und Pommes oder Hühnchen und Reis.
Meine Pommes sind hart, kalt und von gestern. Ich gehe mit meinem Teller zum Tresen zurück und brauch gar nicht mein Beschwerde-Spanisch ausgraben. Die Tante hinterm Tresen weiß genau, was ich auf dem Teller habe. Kann man ja mal versuchen, war wohl ihre Idee. Fünf Minuten später habe ich frische Fritten. Riobamba muss sich noch etwas ins Zeug legen, damit wir es mögen.

 

Bitte, nenn‘ es nicht Spaziergang!

Di.,10.Jul.18, Ecuador/Baños Tag 1501, 13.337 sm von HH

‚Unschwieriger Spaziergang auf schmalen Pfaden‘, so beschreibt unser nutzloser Wanderführer unsere heutige Tour. Gelächter! Achim wüntschte sich, er hätte seine Machete dabei gehabt und ein Gewehr. Der erste Teil ist in der Tat unschwierig, leicht bergauf und parallel zum Rio Pastaza, der sich in einer tief eingeschnittenen Schlucht schlängelt.
Der Weg ist gut zu erkennen und wird auch von den Bauern genutzt, wie an frischen Esel-Äpfeln auf dem Weg zu erkennen ist. An den steilen Hängen ackern sie mühsam Zuckerrohr und Orangenbäume stehen voller Früchte. Idylle? Was wie der perfekte Okö-Hof wirkt, ist entbehrungsreich und mühsam.

Harmloser Wanderweg am Pastaza

Harmloser Wanderweg am Pastaza

 

Pastaza Schlucht

Pastaza Schlucht

Was man so Brücke nennt

Was man so Brücke nennt

Für Achim hört die Idylle spontan auf als drei Hunde hinter einem Schuppen lauf kleffend auf ihn zustürmen. Der größte Köter gebärdet sich am gefährlichsten und lenkt mit seinem Theater prima die Aufmerksamkeit auf sich. Sein Trick geht auf: der Kleinste kneift Achim hinterrücks in die Wade. Vorbei an diesen Monstern traue ich mich keinen Meter weiter. Nur hundert Meter zuvor hatte der Bauer uns einen Dollar abgeknöpft, weil der Wanderweg über sein Privatgelände führt. Dahin gehe ich zurück und hole ihn zur Hilfe. So funktioniert es, er beruhigt seine Hunde und wir können unbeschadet vorbei.

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Mit tollem Blick auf die Schlucht geht es nun heftig bergauf. Vor uns liegen nahezu senkrechte Steilwände, die müssen wir umlaufen. Am höchsten Punkt passieren wir noch einmal einen winzigen Hof. Längst sind die zwei Stunden verstrichen, die der Wanderführer für diese Tour angibt. Haben wir schon die Hälfte? Wir wissen es nicht. Der Bauer weist uns den richtigen Weg. „Si, si, dahinten geht es weiter“.
Wir sind unsicher. Ein Weg ist kaum zu erkennen. Hier läuft wohl nur selten jemand. Der kaum sichtbare Trampelpfad verschwindet im Gras.
Zeitweise verlieren wir komplett die Spur, laufen in die Irre und müssen erneut suchen. Aus flachem Gras, haufenweise Minze, wunderschönen Wildblumen und Kräutern, wird echter Wildwuchs. Wir kommen nur mühsam voran. Das schöne Wetter verzieht sich. Das Gestrüpp wird dichter, erste Lianen peitschen ins Gesicht, Kletten haften in den Haaren und an unseren Jacken, Das meterhohe Gras ist feucht und weicht Hose und Schuhe auf.

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

Unser "Weg" (?)

Unser „Weg“ (?)

Achim geht als Leithammel vorweg

Achim geht als Leithammel vorweg

Dafür geht es kontinuierlich bergab. Gefühlt sind wir richtig. Einen Blick auf die Schlucht haben wir schon lange nicht mehr. Die Sicht ist durch Bäume, Schilf und Gestrüpp versperrt. Zum Glück, denn links neben dem Weg geht es senkrecht runter. Im Grunde wandeln wir auf einem schmalen Grat an dem steilen Hang. Wer über ein Grasbüschel stolpert muss darauf hoffen, dass das Dornengestrüpp den freien Fall bremst. ‚Spaziergang auf schmalen Pfaden’….pfffft.

Nach einer Stunde Kampf ist der Pfad leichter zu erkennen. Die Bergflanken sind wieder beackert, erste Felder tauchen auf und die Wege werden von Bauern genutzt. Gerettet! Schon bald taucht auch die, im Wanderführer versprochene, ‚Tarabita‘ auf. Eine Tarabita ist eine einfache Seilbahn, die in den Anden von Ecuador und Kolumbien genutzt wird, um Schluchten zu überqueren. Ein einfaches Körbchen hängt an einem Seil und mit Hilfe einer Rolle und der Schwerkraft werden die Köbe von einer Seite zur anderen geschickt. Unsere Tarabita hat zusätzlich einen Motor, der den Korb hin und her schickt.

Typische Gondel der Tarabita

Typische Gondel der Tarabita

Wir sind nur froh, dass die Tarabita nicht außer Betrieb ist. Todesmutig steigen wir ein. Die Tiefe unter uns ist beeindruckend. Wow. Erst sind nur ein paar Meter uns als wir über einem Fluß schweben. Aber plötzlich verwandelt der Fluß sich in einen Wasserfall und unter uns ist nur noch Abgrund. Zu Achims ‚Freude‘ stoppt der Korb in der Mitte, damit wir ausgiebig Zeit haben, die Aussicht zu genießen. :mrgeen:

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht - hundert Meter unter uns

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht – hundert Meter unter uns

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Viereinhalb Stunden haben wir für den unschwierigen Spaziergang gebraucht und sind total im Eimer. Mit dem Bus fahren wir nach Banos zurück, schnell was Essen und Füsse hoch.

 

Baños – im Süden der Allee der Vulkane

Mo.,09.Jul. 18, Ecuador/Baños Tag 1500, 13.337 sm von HH

Aktion ‚rote Blutkörperchen züchten‘ läuft. Gleich beim ersten Ausflug verdoppelt sich meine Anzahl. Was der Wanderführer als leichten Spaziergang deklariert, entpuppt sich als schweißtreibender Ausflug.Und dann kommt auch nach der halben Strecke auch die Sonne raus. Ich verfluche das Hemdchen unter dem langärmeligen T-Shirt, unter dem Fleece, unter dem Windbrecher.
Der Rucksack schwillt zum Ballon durch die ganzen abgelegten Klamotten.

Morgens habe ich das alles noch gebraucht. Mit leichtem Niselregen und gefühlten 10 Grad empfängt uns Baños. Unsere Nachtfahrt verläuft mittelprächtig: Mein Sitz lässt sich nicht nach hinten verstellen, ausweichen ist nicht, alle Plätze sind belegt. Dazu ist es kalt wie im Eisschrank und eine Mitfahrerin meint, den ganzen Bus mit ihrem Telefonat unterhalten zu müssen. Kennen wir alle, diesen Typ. Die bauen sich in der S-Bahn auf und prädigen, was für ein toller Hengst sie doch sind. „Nachher habe ich eine Video-Konferenz mit Singapore und mein Kollege Frank ist der größte Idiot aller Zeiten.“ Die junge Frau schrillt mit ihrer Stimme den Bus zu und erzählt ihrer Freundin in Echtzeit das geschen der letzten Woche.
Der Rest der Fahrt ist dann okay. Einmal umsteigen, klappt prima und bereits um 6:00 Uhr morgens stehen wir vor unserem Hostal. Bei besagtem Nieselregen. Zum Glück ist unser Zimmer schon frei und wir sind herzlich willkommen zu dieser Unzeit. Und um 8:00 gibt es sogar ein Frühstück geschenkt.

Das miese Wetter nutzen wir, um den 18.000 Einwohner-Ort zu erkunden. Eine Schönheit ist der Ort nicht. Typico equadorianisch ebenfalls nicht mehr. Dazu kommen zuviele Touristen nach Baños. Zum Moutain-Biken, Bungee Springen und Rafting.
Baños liegt eingekesselt in ein schmales Tal, umgeben von sensationeller Landschaft. Die versteckt sich noch im Nebel. Vom Tungurahua, einem sehr aktiven Vulkan, der über Baños trohnt, ist nichts zu sehen. Im Ort gibt es allerdings Hinweisschilder mit der Flucht-Route im Falle eines Ausbruchs.
Unregelmäßig, alle paar Monate, meldet sich der Tungurahua mit lautem Grummeln oder einer Aschewolke zu Wort.

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Friedhof von Banos
Gemüse- und Obstsäfte für kleines Geld
Banos - eingekesselt von Bergen

Kirchenportal

Kirchenportal

Nach dem Mittag lockert es auf und wir entscheiden uns, diesen ‚Spaziergang‘ zu unternehmen.Der Weg ist einfach, aber mörderisch steil. Wir forschen nach einer Abkürzung, die sich in einem Nebenweg anbietet. Nein, Fehlanzeuge, die Bauersleute auf die wir treffen, schicken uns zurück auf den fiesen Weg. Hier nur privado.Wir beißen uns durch. Der Lohn ist eine schöne Sicht auf Baños und rote Blutkörperchen.

Baños - malerische Lage

Baños – malerische Lage

 

Achim fragt nach eienr Abkürzung
Sieht harmlos aus, ist aber steil wie die Hölle

Rundreise in Ecuador

So., 08.Jul. 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1499, 13.337 sm von HH

Überraschend geht es bereits heute Abend los. Bei einem zweiten Besuch am Busbahnhof hat Bahía dann doch noch seine Geheimnisse über Busfahrzeiten gelüftet: die günstigste Verbindung für uns ist der Nachtbus. Wir werden knapp zehn Stunden zum ersten Ziel nach Baños unterwegs sein (auf einmal ist das vermeintliche kleine Land doch ganz schön groß).

Unsere Route ist maßgeblich von der Höhenlage unserer Wunschorte geprägt. Damit wir uns gut an die hohen Lagen gewöhnen, wollen wir uns langsam steigern. Zur Vermeidung von Höhenkrankheit wird geraten, nicht höher als 800 Meter als am Vortag zu übernachten.

Die beiden parallelen Andenketten, die in Längsrichtung durch Ecuador verlaufen, liegen nur ca. 30 bis 40 Kilometer auseinander. Dieses 250 Kilometer lange Hochbecken wird nach Humboldt die ‚Avenida de los Vulkanos‘ genannt. Die Allee der Vulkane.
Nirgends auf der Welt gibt es so eine geballte Vulkandichte wie in Ecuador. Ein Drittel der 73 Vulkane Ecuadors liegen auf diesem Abschnitt zwischen Quito und Riobamba. Die meisten noch aktiv, viele über 5.000 Meter hoch. Da ist es nicht so leicht ein Plätzchen für uns Normal-Null Lungenatmer zu finden. Quito als höchste Hauptstadt der Welt scheidet als Startpunkt aus. Bei knapp dreitausend Metern soll Schnappatmung vorprogrammiert sein, sobald man sich in den steilen Gassen bewegt.

Wir versuchen also zunächst nach Baños (1.800 m) zu gelangen. Dort züchten wir die ersten vier Tage zusätzliche rote Blutkörperchen und arbeiten uns dann langsam hoch.
Drei Wochen haben wir geplant für Vulkane in großartiger Anden-Landschaft, für indigene Märkte und koloniale Altstädte. Wir hoffen auf Lamas, Guanakos und Alpakas zu treffen, und auf wilde Meerschweinchen, der Grill-Delikatesse Ecuadors. Außerdem besteht Hoffnung auf einen Kondor und auf warmes Wasser in den Unterkünften. Dem wichtigsten Punkt bei der Wahl des Hostals. Nachts wird es bitterkalt in den Bergen. Seit Tagen suchen wir Mützen, dicke Jacken und Handschuhe hervor. Alles Klamotten, die eingeschweißt in den Tiefen des Schiffsbauchs verschwunden waren.

Eiskalte Tropen am Äquator warten auf uns. Wir freuen uns auf eine ganz neue Erfahrung und laden Euch ein: seid mit dabei, wir versuchen von unterwegs zu berichten.

Ecuador Rundreise

Ecuador Rundreise

Neues Video online: durch den Panamakanal

Sa., 07.Jul. 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1498, 13.337 sm von HH

Ich hinke wie immer etwas her, aber jetzt ist das Video über unsere Passage durch den Panamakanal doch noch vor unserer Landreise fertig geworden.
Die meisten Aufnahmen stammen von unserer eigenen Durchfahrt. Außer die Anfahrt unter der halbfertigen Brücke und durch den Gatun See. Diese Szenen sind auf der ‚Lalamanzi‘ entstanden als ich bei Muzzi und Rob als Linehandler mitgefahren bin.
Falls sich jemand wundert, warum wir plötzlich auf einem dicken Katamaran unterwegs sind – alles nur Show.

Viel Spaß bei der Fahrt durch den Kanal.

Verrücktes Treffen in Bahía

Di., 03.Jul. 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1494, 13.337 sm von HH

Achim hat einen Ex-Kollegen Martin. Martins Frau stammt aus Ecuador. Die beiden machen gerade Urlaub im Nachbarort Canoa zusammen mit ihren drei Söhnen. Zusätzlich dabei sind der Vater, Bruder und Schwägerin aus Quito. Also volles Haus. Mit einem Mini-Bus tuckert ‚La Familia‘ zu uns rüber nach Bahía, um die ‚Verrückten‘ in ihrem kleinen Segelboot kennen zu lernen. Als wir in Ecuador angekommen sind, hat Achim Martin gefragt, ob er zufällig dieses Jahr wieder in das Heimatland seiner Frau fahren würde. Tja, und gut drei Wochen später sitzen wir an einem Tisch.
Die Welt ist eben doch nur ein Nest. Martin lädt uns alle zum Mittagessen ein und wir verbringen einen unterhaltsamen Nachmittag im quirligen Dreisprachen-Mix.
Herzlichen Dank an die gesamte ‚Familia‘.

La Familia von Martin (und wir)

La Familia von Martin (und wir)

Aus erster Hand erfahren wir, wo es in Quito das beste Eis gibt und welche Touristenfallen wir meiden sollen. Das kommt gerade recht. Meine Organisation unserer Landreise ist bereits weit fortgeschritten. Die Planung gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ecuador ist relativ klein, nur so groß wie Deutschland ohne Bayern und Niedersachsen. Eine Anreise per Flugzeug wie in Mexiko und Kolumbien wird nicht nötig sein.

Die Haupt-Schwierigkeiten bei der Planung bereiten die Berge. Ecuador wird in Nord-Süd-Richtung von zwei Kordilleren der Anden dominiert und bilden eine der spektakulären Attraktionen des Landes. Diese Gebirgsketten nehmen ein Drittel des Landes ein und haben eine mittlere Höhe von über 3.000 Metern. Wer hier nicht auf dem letzten Loch pfeifen will , muss sich akklimatisieren. Ab 2.500 Metern droht die Höhenkrankheit. Durch langsame Steigerung der Höhe kann man dem Entgegen wirken. Aber wo beginnt man eine Tour, wenn alles so verflixt hoch gelegen ist?
Und wie soll die Tour verlaufen, wenn wir nicht in die Ebene zurück wollen?

Wie in Südamerika üblich wird jedes Dorf mehrmals täglich von Bussen angefahren. Allerdings von diversen Busgesellschaften, deren System nur schwer durchschauen ist. Bahía ist nicht gerade der Nabel Ecuadors und alle Wege führen über Quito. Mit der höchstgelegensten Hauptstadt der Welt auf 2.800 Metern wollen wir zur Vermeidung der Höhenkrankheit nicht beginnen.
Ich finde mit ‚Baños‘ einen geeigneten Ort auf 1.800 Metern. Allerdings ist noch unklar, wie wir dort hingelangen können. Widersprüchliche Angaben erhalte ich im Internet und am Busbahnhof.
Montag soll es los gehen. Bleiben noch ein paar Tage Zeit zur Recherche und den Ecuadorianern ihr Geheimnis der Busverbindungen zu entlocken.

Ecuador wird durch die Anden in zwei Hälften geteilt. Schwierig zu überwindende natürliche Hindernisse.

Ecuador wird durch die Anden in zwei Hälften geteilt. Schwierig zu überwindende natürliche Hindernisse.

Fischer am ‚Rio‘ Chone

Fr., 29.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1490, 13.337 sm von HH

Fischer soweit das Auge reicht. Auf der Jagd nach Garnelen, Wels und Thunfisch. Wieder andere sammeln Austern und kleine, schwarze Muscheln.
Der Rio Chone ist die ersten Kilometer ein schlanker Meeresarm gefüllt mit Brackwasser. Mit Süßwasser wird er durch den echten Rio Chone gespeist, eher ein Bach als ein richtiger Fluss. Durch den Gezeitenwechsel fühlen sich sowohl Salz- als auch Süßwasserfische wohl. Das ruft die Fischer auf den Plan. Den ganzen Tag fahren sie in ihren kleinen Booten an uns vorbei.

Das Ufer vom Chone fällt bei Ebbe großflächig trocken

Das Ufer vom Chone fällt bei Ebbe großflächig trocken

Schlickrutscher

Schlickrutscher

Fischer auf dem Chone

Fischer auf dem Chone

Einen Vater mit seinem Sohn können wir von der Brücke aus beobachten. Anderthalb Fische sind ihre mickrige Ausbeute. Nicht genug, um den Sprit für den Außenborder zu finanzieren.
Auf dem Markt kostet ein Kilo Garnelen 5 EUR. Fisch sogar nur 3 EUR. Unsere Beobachtung muss ein schlechtes Beispiel gewesen sein, anders ist es nicht zu erklären.

Viel Arbeit für 2 Fische

Viel Arbeit für 2 Fische

 

In unserem Dinghy haben wir mehrfach morgens einen toten Fisch und sogar schon eine Garnele gefunden. Die Fregattvögel und Pelikane hauen sich den ganzen Tag die Bäuche mit Fisch voll. Es scheint noch genug Fisch für alle zu geben.

‚Encebollado‘ ist das typische Gericht der Küstenbewohner in Ecuador. In einem kräftigen Sud aus Maniok (oder Yucca) plus roten Zwiebeln, Tomaten und Kreuzkümmel wird Thunfisch-Filet gegart.
Abgerundet wird mit frischem Koriander und es gibt ein Beutelchen frittierte Bananen-Chips dazu.
Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein kräftiges Mittagessen. Von unserem Ankerplatz aus können wir eine der ‚Encebollado‘-Buden beobachten. Bereits um 7:00 Uhr morgens findet die Suppe reichlich Abnehmer. Mittags um 12:00 ist der Laden bereits wieder geschlossen
Ein Selbsttest zeigt, dass Fischsuppe zum Frühstück gewöhnungsbedürftig ist. Schmackhaft, aber die falsche Tageszeit.

Gut besuchte Encebollado-Bude - hier gibt es den kleinen Teller für 2 USD

Gut besuchte Encebollado-Bude – hier gibt es den kleinen Teller für 2 USD

Fischsuppe zum Frühstück

Fischsuppe zum Frühstück

Das Brackwasser des Chone und anderer Flüsse an der Küste ist die ideale Voraussetzungen für die Garnelenzucht. Rechts und links des Chone steht nur noch ein schmaler Mangrovengürtel, der Rest wurde abgeholzt, um Platz für Zuchtbecken zu schaffen. In Ecuador sind bereits Zweidrittel der Mangrovenwälder vernichtet. Die Bauern, die vorher hier Landwirtschaft betrieben, wurden umgesiedelt. Wichtige Brutstätten für Jungfisch vernichtet. Ecuador ist einer der größten Garnelen-Lieferanten weltweit.

Aber es geht ein Ruck durch das Land. Vor ein paar Jahren wurde mit feinmaschigen Netzen vor der Küste Jagd auf Garnelen-Brut gemacht. Von diesem Wildfang überlebt nur knapp 50 Prozent, um zur erntefähigen Garnele zu wachsen. Heute werden die Becken mit Zucht-Jungtieren bestückt und der Bestand im offenen Ozean geschont. Es gibt vielerorts Bemühungen die Mangroven wieder aufzuforsten und einige Zuchtfarmen verzichten bereits komplett auf den Einsatz von Antibiotika.
Die moderne Garnelen-Zucht in Ecuador setzt auf ‚Öko-Siegel‘.

Mit dem Fahrrad unterwegs: Die Reihenhäuser der Fischer - aufgebrochene Straßen durch Erdbeben

Mit dem Fahrrad unterwegs: Die Reihenhäuser der Fischer – aufgebrochene Straßen durch Erdbeben

Ausflug nach Canoa

Mo., 25.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1486, 13.337 sm von HH

Mit dem Bus sind es 30 Minuten zum ’schönsten Strand‘ Ecuadors. Kann man das glauben? Wirbt doch jeder Ort, dass sein Strand der Schönste sei. Mit den Crews der Breakaway und Taitonga (den letzten bewohnten Schiffen vor Ort) wollen wir uns selber überzeugen.
Südamerikanisch üblich kommt alle paar Minuten ein Bus und für kleines Geld werden wir nach Canoa geschaukelt.

Der Tourismus, hauptsächlich kommen neben den Einwohnern Quitos noch Argentinier und Chilenen zum Urlaub machen, schläft. Der Strand ist abgesehen von ein paar Fischern noch leer. Wir sind zu früh. Die Sonne steckt noch hinter fetten Wolken. Vor Mittag wird sie es nicht schaffen ein paar wärmende Strahlen zu schicken. Ecuador ist ein Ferienparadies für Langschläfer.

Morgens gehört der Strand noch den Fischern

Morgens gehört der Strand noch den Fischern

 

Den Fischern ist das egal. Die ganze Familie ist wach, um das Boot mit vereinten Kräften ins Wasser zu rollen. Geschütze Buchten, gar einen Hafen gibt es nicht. Der achtzehn Kilometer lange Strand endet in Steilküste. Wer hier fischen will, muss durch die rollende Dünung. Flach steigt der Strand bei Ebbe an. Heute sei das Meer ruhig, erzählt mir ein Junge, der Hängematten vermietet. Bei ruhiger See werden hauptsächlich Shrimps gefangen, bei rauer See überwiegend Fisch.

Wellenbretter und kleine Buden mit Liegestühlen stehen zwischen den Fischerbooten

Wellenbretter und kleine Buden mit Liegestühlen stehen zwischen den Fischerbooten

Zwei bis drei Fischer sitzen im Boot, weitere zwei Jungs werden zum Anschieben durch die Wellen benötigt. Um ins tiefere Wasser zu gelangen, wird sich zuerst mit Stangen vorwärts gestakt bis der Außenborder in Wasser gelassen werden kann. Wehe dieser springt nicht gleich an. Die nächste Welle trägt das Boot sofort ins Flache zurück. Die Schiebe-Jungs müssen aufpassen, dass sie nicht überrollt werden. Der Außenborder-Mann muss aufpassen den Außenborder rechtzeitig wieder hochzuziehen. Man mag sich den Stress nicht bei rauer See vorstellen.

Die ganze Familie hilft mit

Die ganze Familie hilft mit

 

Einige haben nur Holzstämme zum vorwärts rollen

Einige haben nur Holzstämme zum vorwärts rollen

Komfortabler geht es mit einer Achse und zwei Rädern

Komfortabler geht es mit einer Achse und zwei Rädern

Jetzt kommt der Außenborder zum Einsatz

Jetzt kommt der Außenborder zum Einsatz

Wenn der Außenborder mal läuft, wird geschickt parallel zu den Wellen Speed aufgenommen. Eine Vermeintliche Lücke in der Brandung wird genutzt, um ins offene Wasser zu gelangen.
Jetzt schon wieder aufpassen: die ersten Wellensurfer sind bereits im Wasser.

Sportlich über die Brandung

Sportlich über die Brandung

Schwimmer müssen die Köpfe einziehen

Schwimmer müssen die Köpfe einziehen

Weiter im Norden Ecuadors sind 90% der männlichen Bevölkerung wirtschaftlich anhängig vom Fischfang. Alternative Arbeitsangebote gibt es kaum. Fast die Hälfte der Einwohner lebt unter der Armutsgrenze. Canoa bietet ein paar Möglichkeiten im Tourismus: Strandbude oder Wellenbrett- und Hängemattenverleih.
Beim Erdbeben vor zwei Jahren stürzten fast alle Bretterbuden an der sandigen Uferpromenade ein. Hilfe von der Regierung gab es zunächst nicht. Man wollte damit erzwingen, dass die Menschen sicher weiter im Landesinneren ansiedeln. Jetzt scheint sich die Lage etwas entspannt zu haben. Ein Ort mit Atmosphäre. Ein kultiger Mix aus Fischerdorf und Touristen-Meile.

Schönheiten liegen am Strand

Schönheiten liegen am Strand

Canoa - sympathischer Touristenort mit uriger Gelassenheit
Sanddollar
Canoa - mit der Sonne kommen die Gäste

Klimapumpe Humboldtstrom

So., 24.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1485, 13.337 sm von HH

Grau, grau, grau, so zeigt sich jeden Tag der Himmel. Ständig sieht es nach Regen aus, ohne dass ein Tropfen fällt. Mittags kommt mal die Sonne durch für zwei, drei Stunden. Das bedeutet nicht automatisch, dass sich blauer Himmel zeigt. Die Wolkendecke reißt nicht auf, der Himmel bleibt auch in den guten Stunden milchig grau.
Die Temperaturen steigen nicht über 25 Grad. Luft und Wasser sind identisch. Achim, die alte Frostmemme, sitzt mit seinem dicksten Faserpelz im Cockpit. Ich komme noch mit einem langärmligen Shirt aus. Der ‚eiskalte‘ Wind lässt uns schaudern. Nachts kühlt es auf 20 Grad runter, Deckenpflicht. Also bitte, wir sitzen fast auf dem Äquator. Nur im Ort ist es deutlich wärmer, dort können wir uns eine Jacke sparen.

Frostgefühl bei 25 Grad

Frostgefühl bei 25 Grad

Wo sind wir bloß gelandet? Jetzt wo man es weiß, finden sich überall Hinweise. Selbst im Reiseführer lese ich die Warnungen: „An der Küste zeigt sich manchmal über Monate nicht die Sonne.“
Die niedrigen Temperaturen stören nicht, machen sie doch das Leben beim Kochen und Schlafen um einiges leichter. Die fehlende Sonne schlägt etwas aufs Gemüt.

Und wer ist schuld? Der Humboldtstrom. Ist ja nicht so, dass wir es nicht gewusst haben.
– Der Humboldtstrom fließ parallel zur Südamerikanischen Westküste. Check.
– Er ist 7 bis 8 Grad kälter als der offene Ozean auf gleicher Breite. War bekannt.
– Die Luft wird durch die niedrige Wassertemperatur ebenfalls abgekühlt. Logisch.
– Die kühle Luft über dem Meer kann nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen. Die für die Tropen typischen Regenfälle bleiben an Land aus. Ja, kannte man, schon von gehört, die trockensten Wüsten der Welt liegen in an der Westküste Südamerikas. Für unser Wohlbefinden eher uninteressant.
– Bedingt durch den Temperaturunterschied der Luftschichten kommt es häufig zu Nebel-und Wolkenbildung an der Küste. Aha, schön drüber weg gelesen, einfach ignoriert, nicht wahrgenommen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Vor zwei Jahren in Französisch Guyana haben wir uns noch den Hintern abgeschwitzt. Nur ein paar Kilometer nördlich des Äquators. Tropische Regengüsse, üppige Natur und feuchte Nächte erfüllten alle Tropen-Klischees. Ein faszinierender Unterschied.
Alexander von Humboldt war übrigens der erste, der einen Zusammenhang zwischen dem kalten Meeresstrom und er Wüstenbildung erkannte. Daher wurde das kalte Wasser aus der Antarktis nach ihm benannt.

Jetzt hängen wir also unter unserer privaten Dauerwolke. Zu ändern ist es nicht. Gene meint, dass es bald besser werden müsste. Im Sommer gäbe es mehr Sonnentage und Sommer beginnt ab Juni.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Dauerwolke über Bahía

Dauerwolke über Bahía

Bahía de Caráquez

Do., 21.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1482, 13.337 sm von HH

Bahía hat, wie gesagt, keine touristischen Highlights.
Das Dollste, was man im Ort machen kann, ist auf den Hausberg zu steigen. Dort steht ein überdimensionales Kreuz mit einer Wendeltreppe im Inneren.
Die Stufen zum Aussichts-Kreuz verheißen schon nichts Gutes. Auch hier hat das Erbeben vor zwei Jahren große Schäden hinterlassen.

Treppe zum Aussichts-Kreuz

Treppe zum Aussichts-Kreuz

Viel Zutrauen entwickeln wir nicht zu dem Kreuz. Mit Gott-Vertrauen versuchen wir unser Glück, der Rundblick scheint verlockend. Auf den seitlichen Auslegern rufen wir uns ‚Verhalten im Falle eines Erdbebens‘ ins Gedächtnis. Die Risse in der gesamten Konstruktion sind alarmierend.
Beinahe täglich soll es draußen vor der Küste rumpeln, wie diese interessante Seite verrät. Meistens sind es nur kleine Stöße, die am Festland kaum mehr zu spüren sind.

Aussichts-Kreuz mit Tücken

Aussichts-Kreuz mit Tücken

Kleines Ankerfeld im Rio Chone

Kleines Ankerfeld im Rio Chone

Bahía macht trotz (oder gerade wegen) seiner Schlichtheit Spaß. Die Menschen sind ultra freundlich, rufen ihre Hunde zurück, damit die nicht so auf uns einbellen, wenn wir sie passieren. Jede der Hütten am Berg hat mindestens zwei Hunde. Manchmal sogar eine ganze Handvoll.
Die Leute grüßen und winken als wir durch ihr Viertel kommen. Die meisten sind Mestizen, eine Mischung aus Ureinwohnern und Europäern. Schwarze sieht man kaum in Bahía.

Die Kirche ist aus rosa und hellblauem Wellblech - gewagtes Design

Die Kirche ist aus rosa und hellblauem Wellblech – gewagtes Design

Nur ungefähr 70% der Einwohner Ecuadors sind katholisch

Nur ungefähr 70% der Einwohner Ecuadors sind katholisch

Der Ort ist auffällig sauber, es gibt kaum Schmuddel-Ecken und selbst der Gemüse-Markt sieht ständig frisch gefegt aus. Die Preise sind niedrig (Ein Kilo Tomaten gibt es für 50 Cent), die Auswahl ist groß: Neben Radieschen und Brokkoli liegen die Exoten wie Maracuja und Drachenfrucht. Leinsamen, Sesam und Hülsenfrüchte aller Art werden lose angeboten. Alles ist frisch und knackig. Nur fünf Minuten Fußweg und ich bin im Einkaufshimmel. Wir zahlen das gleiche wie die Einheimischen, einen Langnasen-Aufschlag gibt es nicht.
Auf der anderen Seite der Marina gibt es einen großen Supermarkt, der nicht die größte Auswahl hat, aber doch genug, um zufrieden zu sein.
Die Menschen sind närrisch nach Fotos. Sobald ich meinen Fotoapparat hebe, wird gewunken und sich in Pose geworfen. Wer zufällig vor der Kirche steht und meine Knipserei mitbekommt, bedankt sich, dass ich ein Foto von ihn (? okay, kann man so sehen) gemacht habe.

Man achte auf den sauberen Fußboden auf dem Markt. Das haben wir schon ganz anders gesehen.

Man achte auf den sauberen Fußboden auf dem Markt. Das haben wir schon ganz anders gesehen.

Erdbeeren, Bohnen, Melonen, Brokkoli, der Markt gibt alles her

Erdbeeren, Bohnen, Melonen, Brokkoli, der Markt gibt alles her

Fußball können wir in einer Sports-Bar gucken und beim Friseur war ich ebenfalls schon.
Open-Air-Buden meide ich seit Mexiko  Unvergessen: Mexiko und wähle einen richtigen Salon neben dem Supermarkt. Für 11,50 USD gibt es Waschen, Schneiden, Föhnen, wie ein Aushang verspricht. Alles sieht nach europäischem Standard aus. Trotzdem bekomme ich die Haare mit kaltem Wasser gewaschen. Mein Misstrauen wächst. Die Friseurin lacht mich an als ich meine Brille auf die Ablage lege: „Oh, meine Augen sind auch schlecht, in der Nähe sehe ich nix“. Warum trägt sie dann keine Brille als sie anfängt zu schneiden? Ich erwarte eine Katastrophe.
Zu Unrecht. Ich meine, ich habe den besten Schnitt seit Lissabon. Geht doch. Bahía, ich glaube wir werden dicke Freunde.

Der erste gute Haarschnitt in Übersee
Schöner Platz für unsere Räder in der Marina
Kindergeburtstag und sofort wird gewunken

 

Warum Bahía de Caráquez?

Di., 19.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1480, 13.337 sm von HH

Bahía ist ein 15.000-Seelen-Kaff ohne besondere Highlights.
Vor zwei Jahren hat ein schweres Erdbeben 70% aller Häuser in Mitleidenschaft gezogen. Sämtliche Hochhäuser -achtstöckig gilt hier schon als Hochhaus- sind unbewohnbar zerstört.
Das Beben hat einen kleinen lokalen Tourismus zum Erliegen gebracht. Die Wunden des Erdbebens sind lange nicht verheilt und an vielen Fassaden deutlich sichtbar.
Mit einem Ausschlag von 7,8 ereignete sich das Beben direkt vor der Küste im Norden Ecuadors und richtete in der gesamten Küstenregion große Schäden an. Ein befürchteter Tsunami blieb aus.

Bei der Anfahrt auf Bahía de Caráquez

Bei der Anfahrt auf Bahía de Caráquez

Erbebenschäden
Unbewohnbare Hochhäuser werden abgerissen und neue sind im Aufbau
Jedes Haus weißt solche Schäden auf

Ecuador gilt als eines der Erdbeben gefährdetsten Länder der Erde. Vor der Küste drängt sich die Nazca-Platte mit einer Geschwindigkeit von acht Zentimetern im Jahr unter die Südamerikanische Platte. Zusätzlich sorgen noch neun aktive Vulkane für seismographische Erschütterungen.
Die Verschiebung der Nazca-Platte ist verantwortlich für die Auffaltung der Anden, die sich nur 200 Kilometer hinter uns bis auf fast 7.000 Meter erheben.

Warum Bahía de Caràquez? Die Antwort ist einfach: weil es der einzig bezahlbare Ort für uns in Ecuador ist. Ein paar Kilometer südlich gibt es eine Marina mit der Option, die Einrichtungen eines angeschlossenen Resorts zu nutzen. Zu teuer. Über 900 USD möchte man dort monatlich sehen. Für eine kurze Zeit ist das okay, für ein halbes Jahr deutlich zu viel.

Ein Segler-Paradies ist Ecuador nicht. Vorgelagerte Inseln oder eine Küstenlinie mit sicheren Buchten gibt es kaum. Die Küste Ecuadors wird von dem ungebremsten Pazifik überrollt. Im Süden gibt es gar einen berühmten Wellenreiter-Hotspot.
Die Küstenorte bieten Seglern keinen Unterschlupf. In Manta ist die Fischerei-Flotte von Ecuador stationiert. Fünftausend Boote sind dort registriert. Schwimmende Hightech-Fischfabriken, Kutter und kleine Motorboote strömen von dort auf den Pazifik. Im Ort wird in Fischfabriken der Fang verarbeitet. Manta ist Industrie dominiert und sicherlich keine attraktiver Standort auf Dauer.
Guayquil, noch südlicher, ist eine 3,5 Millionen Stadt, deren geschützte Bucht alle Nachteile einer Großstadt mit sich bringt: schmutziges Wasser und große Distanzen.

Daher haben wir uns für Bahía entschieden. Mit 300 USD monatlich sind die Mooring-Bojen auch kein Schnäppchen. Dafür liegen wir mit einer Bug-und Heckmooring vertäut, die ein Wechsel unserer Lage bei Ebbe und Flut verhindern. Die Strömungen sind beträchtlich, in beide Richtungen fließt das Wasser zeitweise mit 2,5 Knoten.

Für 300 USD gibt es ein prima Internet, heiße Duschen, einen vernünftigen Dinghy-Steg und Wäsche-Service gegen Gebühr. Am Steg dürfen wir kostenlos Brauchwasser in Kanistern holen (unseren Wassermacher haben wir still gelegt. Wie üblich bringt auch der Chone eine Menge Sediment aus den Bergen mit und die Filter wären schnell verstopft. Außerdem gehen wir bald auf Tour und dann muss er sowieso eingemottet werden).

Ein Platz für unsere Fahrräder zum Unterstellen hat sich auch schon gefunden. Das Restaurant bietet zu guten Preisen Hamburger mit Pommes und Artverwantes. Und am Wochenende soll es sogar richtiges Essen geben, was gut schmeckt. Gene, ein ehemaliger US-Soldat und jetzt Besitzer der Marina ist ausgesprochen hilfsbereit und freundlich.

Beschauliches Bahía

Beschauliches Bahía

Touristen gibt es keine mehr auf der Promenade nach dem letzten Beben trotz kilometerlagem Flussstrand - im Hintergrund - vor der Brücke- die Marina

Touristen gibt es keine mehr auf der Promenade nach dem letzten Beben trotz kilometerlagem Flussstrand – im Hintergrund – vor der Brücke- die Marina

Marina Amistad in Bahía de Caráquez

Marina Amistad in Bahía de Caráquez