Monat: Oktober 2018

Virginia – Bahamas: Dritter Tag auf See

Liebe Leser, wir sind wieder mal auf See, auf dem Weg vom Norden der USA hinunter in die Bahamas. Etwa 800 Seemeilen lagen vor uns, als wir am Montag gegen Mittag in Deltaville gestartet sind. Die Route führte uns zunächst…

El Cajas – ein Ausflug, der nicht ganz glatt läuft

Sa, 27.Okt.18, Ecuador/Cuenca, Tag 1610, 13.337 sm von HH

Cuenca hängt heute, nach zwei Tagen Sonnenschein, voll tiefer Wolken. Wir wollen in den Nationalpark ‚El Cajas‘ zum Wandern. „Das sieht nicht gut aus!“ Achim murrt. „Wenn die Wolken hier schon tief hängen, wie sieht es dann auf viertausend Meter aus?“
Ich habe eine Eingebung: „Bis wir da sind, scheint die Sonne. Schau mal, da hinten wird es schon heller.“ Unser Taxifahrer, der uns zum Bus-Terminal bringt, teilt meine Einschätzung: „Noch eine Stunde und die Wolken brechen auf!“ Wir sollen uns beide irren.

Ein normaler Überlandbus nach Guayaquil schmeißt uns am ‚Centro de Refugio‘ im Nationalpark raus. Es ist grau,  als wir am Startpunkt der Wanderungen ankommen. Die Jungs bei denen wir uns zum Wandern registrieren müssen, machen uns wenig Hoffnung: „Heute wird es neblig bleiben“.

Eingepackt in Windbrecher und Regen-Gummihose wählen wir den kürzesten Wanderweg. Die Wolken hängen so tief, dass es nieselt. Die feuchte Kälte kriecht unter die Jacken. Achim läuft vor mir weg und sein Rücken und Körperhaltung sind  eine einzige Anklage: „Was für eine Würg-Idee!“

Da stapft er durch die Páramo

Da stapft er durch die Páramo

Ich bin nicht so kälteempfindlich und bin vor allem verzaubert von der Landschaft. Grad bei diesem Wetter. ‚El Cajas‘ ist eine tundra-artige Landschaft oberhalb der Baumgrenze, die von Feuchtgebieten durchzogen ist. Schachtelartig sind über 200 Lagunen miteinander verbunden. Regenwasser wird kaskardenartig von einem Tümpel zum anderen weiter geleitet. Ein Traum aus Moosen, Flechten, Farnen und wunderschönen Exoten. Páramo nennt sich diese Vegetationsform. Gehölze kommen nur noch in Krüppelfom vor. Es dominieren Horstgräser und Schopfrosetten. Mein Gärtner-Herz kann sich nicht satt sehen an dieser Schönheit.

Schopfrosette

Feinsten

 

Zauberhafte Natur

Zauberhafte Natur

Wir stapfen durch diese einmalige Landschaft, mal nieselt es heftig, mal kommt sogar ein Sonnenstrahl durch die tonnenschweren Wolken. Achims Laune bessert sich. Er gibt es nicht zu, aber wahrscheinlich nimmt auch ihn die mystische Landschaft gefangen.
Zum Glück haben wir unsere Gummihosen, die feuchten, hüfthöhen Gräser würden uns bis auf die Knochen aufweichen.

Ein Moos-Paradies

Ein Moos-Paradies

Trotz Nebel einfach zauberhaft

Trotz Nebel einfach zauberhaft

Unsere Runde um eine der Lagunen ist nach zweieinhalb Stunden geschafft. Alles mehr oder weniger ebenerdig. Bei kleinen Steigungen müssen wir hecheln. Wir sind nicht so austrainiert wie bei unserer ersten Rundreise, viertausend Meter sind viertausend Meter. Inzwischen ist uns beiden warm, Achim kann auch wieder lächeln. ;-)

Mit Sonne wäre es auch nicht schlecht

Mit Sonne wäre es auch nicht schlecht

 

Wir melden uns bei der Parkaufsicht ab und treten den Rückweg an. Der Reiseführer sagt, man soll vom ‚Centro de Refugio‘ einfach zur Straße gehen und einen der Buse aus Guayaquil anhalten. Im Bushäuschen sitzt bereits eine vierköpfige Familie. Nach zwanzig Minuten kommt noch ein junges Pärchen dazu. Bei der Familie fällt immer häufiger das Wort ‚frio‘ – kalt. Nach weiteren zehn Minuten gesellt sich eine weitere 4er-Gruppe dazu. Du meine Güte, der eine Bengel hat nur ein T-Shirt an, der zweite kurze Hosen. Die Mädchen haben immerhin Handschuhe.

Nach vierzig Minuten Wartezeit sind Achim und ich durchgefroren. Achim strahlt wieder die ‚Würg-Idee‘ aus. Aber da kommt der Bus. Kollektives Aufatmen. Alle sprinten zum Straßenrand und winken dem Bus. Der Bus winkt zurück. Und fährt vorbei. Das ist das erste mal in Südamerika, dass wir stehen bleiben. Wahrscheinlich ist er voll und eine Gruppe von zwölf Personen aufzunehmen, ist ihm zuviel. Fassungsloses Entsetzen. Die Familie hat nun schon andertalb Stunden Wartezeit hinter sich. Eigentlich weniger als stündlich käme ein Bus vorbei, erzählen sie uns.

Das junge Pärchen verliert die Nerven, setzt sich ab und geht die Straße entlang. Sie halten den Daumen raus und, kaum zu fassen, keine zweihundert Meter weiter werden sie sofort mitgenommen.
„Komm, das machen wir auch“, annimiere ich Achim. Er will sich erst nicht recht vom Bushäuschen entfernen. Dem einzigen Schutz vor dem Nieselregen. Ich kann ihn überzeugen. Meine stille Hoffnung ist die Neugierde der Einheimischen auf uns Ausländer. Und wir haben Glück, nach nur zehn Minuten hält ein älterer Herr neben uns. Si, si, er will auch nach Cuenca, wir sollen einsteigen. Der Opa kommt vom Forellen-Fischen in den Bergen, erzählt er uns. Kann er nicht verleugnen, die Karre riecht deutlich nach Fisch. Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Es sind immerhin dreißg Kilometer bis Cuenca, nicht zu schaffen. Wie erwartet ist er neugierig, woher wir kommen, wie lange wir bleiben, wie es uns gefällt, das volle Programm, er quetscht uns aus.

Der Fisch-Opi wohnt im Centrum von Cuenca, kennt sogar die Straße von unserem Hostal (ein Taxifahrer am Busbhnhof kannte sie nicht) und setzt uns direkt vor der Tür ab. Angebotenes Geld lehnt er ab, wir wären ‚Amigos‘, es sei ihm ein Vergnügen gewesen.

Das ist Südamerika. Habe ich schon mal gesagt, dass ich es liebe?

In Cuenca

Fr., 26.Okt.18, Ecuador/Cuenca Tag 1609, 13.337 sm von HH

In Ecuador herrscht ein ewiger Wettkampf, ob Quito oder Cuenca schöner ist. Unesco Kulturerbe sind sie beide und ebenfalls fast gleich alt: ungefähr 500 Jahre.
Cuenca ist mit 350.000 Einwohnern nur ein Viertel so groß und hat für uns schon daher die Nase vorne. Vom Busbahnhof brauchen wir nicht eine halbe Stunde, sondern sind mit dem Taxi in fünf Minuten an unserem Hostal. Das liegt ruhig am Rand der Altstadt, direkt am Rio Tomebamba, der sich durch die Stadt schlängelt.

Der Tomebamba schlängelt sich durch Cuenca

Der Tomebamba schlängelt sich durch Cuenca

Amaryllis auf der falschen Seite der Fensterbank in unserem Hostal

Amaryllis gehören doch innen auf die Fensterbank? In unserem Hostal sind es die Balkonblumen. :-)

Altes Gemäuer gibt es genug in Cuenca und für jeden Sonntag eine andere Kirche. Eine moderne Straßenbahn steht kurz davor in Betrieb genommen zu werden. Junge Leute, die optisch auch in Hamburg leben könnten, Sneakers, kaputte Jeans und modische Brillen in Sandwich-Optik, flanieren neben Indigena in traditionellen Klamotten. Quito hat mehr Prunk, Cuenca mehr Ruhe und Charme.

Kleines Schläfchen während der Mittagszeit
Cuenca zeigt Flagge für den Unabhängigkeitstag nächste Woche
Die Kuppeln der neuen Kathedrale in Cuenca

Das mächtige Portal der Kathedrale

Das mächtige Portal der Kathedrale

Wir haben uns aus Vilcabamba um tausend Höhenmeter auf 2550 Meter hoch gearbeitet. Im wahrsten Wortsinn. Der Bus hätte gut fünfzig PS mehr gebrauchen können, dann hätten wir für die 250 Kilometer vielleicht eine Stunde weniger gebraucht. Endlos ziehen sich die Schleifen, Biegungen und Steigungen die Anden entlang.
Statt Landwirtschaft, wie im Norden, wird hier hauptsächlich Viehwirtschaft betrieben. Unsere Holsteiner Schwarzbunte hält sich tapfer an den steilen Hängen. Dazwischen gibt es Abschnitte, da hat Ecuador den Anden ganz schön übel mitgespielt. Etliche Berge zeigen anklagend ihre von Erosion kaputte Flanken. Je näher wir Cuenca kommen, desto besser wird es. Großflächig hat eine Wiederaufforstung mit Kiefern stattgefunden.

Nach sechst Stunden empfängt Cuenca uns mit strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Selbst abends reicht eine dünne Jacke. Ganz klar, auch hier gewinnt Cuenca gegenüber Quito.

Tradition in Cuenca

Tradition in Cuenca

Alderney. Die vergessene Insel der Festungen.

Es wird Zeit, die Geschichte meiner Einhand-Segelreise von Sizilien 
 bis Südengland um die Westküste Europas zu Ende zu erzählen. 
Nach den Balearen, Gibraltar, Portugal, Nordspanien
und der Nordküste der Bretagne erreichte ich  im September 2018 die Kanalinsel Guernsey. 

Die Kanalinseln haben es wahrhaft in sich. Schon der Weg von Guernsey nach Alderney, zur nördlichsten der Kanalinseln, war ein Abenteuer. Von Guernseys Haupthafen setzte starker Strom nach Norden. Soweit so gut. Doch das Fahrwasser war mit Klippen und Sandbänken gespickt. Und weil Hochwasser war, sah man sie nicht, sah nur die dünnen Stangen im Wasser, die sie markierten und verrieten, wie stark die Strömung wirklich war: Es war, als stünden die Stangen nicht im Meer, sondern in einem reißenden Fluss. Fast 10 Knoten betrug die Geschwindigkeit, wir schossen an den Stangen vorbei, ich hatte alle Hände voll zu tun, um ihnen und den darunterliegenden Untiefen bloß nicht zu nahe zu kommen. Ich war bei schwachem Wind unterwegs – wie möchte es in diesem tückischen Revier erst bei Starkwind zugehen? Wenn Wind gegen Strom zwischen Untiefen und Klippen hohe Wellen aufwerfen würde, wäre Manövrieren unter Segeln in diesem Revier bei einem Tidenhub von 7 Metern tollkühn. 

Eine Stunde nördlich St. Peter Port wird das Fahrwasser freier. Ich hatte in St. Peter Port herumgetrödelt, an der Tankstelle Levje mit zollfreiem Diesel bis zum Rand betankt, vor dem Hafen fotografiert. Das rächte sich jetzt, das Zeitfenster, in dem der Strom mit uns war, schloss sich. Als er gegen uns drehte, verlangsamte sich meine rasche Fahrt, plötzlich krochen wir nur noch dahin.

Alderney ist keine drei Stunden von Guernsey entfernt, als ich näherkam, hatte ich einen markanten Felsen zur Linken, die Insel Ortac, die aus der Ferne aussah wie ein mit Puderzucker bestäubtes Stück Schokokuchen. Vogelschwärme umkreisten ihn, und was nach Puderzucker aussah, waren Massen brütender Seevögel. Doch was es mit ihnen auf sich hatte, das sollte ich erst in Alderney erfahren.

Nicht anders als der Vogelfelsen Ortac ist Alderneys Hafen ein einsamer Ort, auch wenn 40 Boote im Hafen unter der britischen Festung lagen. Verlassenheit aller Orten. Braye Bay ist von einer ungewöhnlich langen und hohen Mauer eingefasst. Keine der üblichen neuen Molen aus hellen Betonpylonen, sondern eine alte Mauer aus jenen düsteren Quadern, als wäre dies Alderney Schauplatz einer Episode aus Game of Thrones. Und als gäbe es Klippen und gefährliche Hindernisse rund um die Kanalinseln noch nicht genug, läuft die Mauer der Braye Bay unter Wasser weiter, wo über Wasser nichts mehr zu sehen ist. Unter Wasser zieht sich ihr Sockel für den Bau der Mauer noch einmal soweit nach Nordwesten. Ich getraute mich nicht, einfach drüber hinwegzufahren, sondern folgte vorsichtig dem offiziellen Weg in den Hafen. Anlegen kann man in Bray Bay nicht. Stattdessen liegen entlang der Mauer Bojen aus. Ich wollte lieber näher ans Ufer heran, um nicht so weit rudern zu müssen, und lasse Levjes Anker vor dem langen Sandstrand fallen – keine leichte Übung: Wieviel Kette muss man in einem Revier mit 7,80 Metern Tidenhub stecken, um bei jedem Wind sicher zu liegen?

Ich ruderte in meinem winzigen Dinghi an Land, vorbei an den zwischen Bojen vertäuten Holzkäfigen, die im Wasser treiben, während ein Fischer von einem Trawler seinen Fang in die Käfige entlehrt: Große Seespinnen, Seekrabben, die bestimmt zu Hunderten in der treibenden Kiste aufbewahrt wurden.  Mein Dinghi zog ich den langen Strand weit hinauf. Ebbe hatte eingesetzt, Geruch von Seetang und rottendem Seegras, von Salz und Fäulnis, ich stapfte durchs hohe Gras am Ufer und begann meine Wanderung über die Insel unterhalb des alten Forts. Durch hohes Seegras laufen Gleise einer Schmalspurbahn, sie führt hinauf in die „Quarries“, die alten Steinbrüche

auf der anderen Seite der Insel, wo man vor eineinhalb Jahrhunderten die Quader zum Bau von  Hafenmauer und Befestigung gewann. Heute rumpelt hier an seltenen Tagen eine kleine Diesellok mit zwei ausrangierten Waggons der Londoner U-Bahn mit Touristen entlang, doch davon ist jetzt weit und breit nichts zu sehen. Ich folgte der schmalen Straße durch das Kiefernwäldchen hinüber auf die andere Seite der Insel, sah in der Ferne den Hochbunker, es ist nur einer von vielen, den deutsche Truppen im II. Weltkrieg hier errichteten.

Dann erreichte ich mein Ziel auf der anderen Seite der Insel, die Longy Bay auf der südöstlichen Seite Alderneys. Ein langer Sandstrand mit dem Fort du Raz auf der vorgelagerten Insel, zu der ich jetzt bei Ebbe hinübergehen könnte. Aber deswegen bin ich nicht hier. Von hier aus ist die Küste der Normandie zum Greifen nah, nur getrennt durch den Kanal, die Alderney Races mit seinen tückischen Strömungen. Nein, ich bin hier wegen des alten römischen Forts in der Longy Bay,

das sich hier befinden soll. Es liegt tatsächlich wenige Schritte neben dem Strand und neben dem deutschen Bunker. Ein einfaches Steingeviert, es sieht spätrömisch aus, mit der diagonal vermauerten Steinreihe in der oberen Reihe. Ich kenne derlei Schmuck aus einem ganz anderen Teil der Welt, aus dem westgriechischen Preveza und der byzantischen Mauer von Nikopolis. Doch dieses Kastell ist klein, gerade 30 x 30 Meter misst es, und auf den ersten Blick sieht man, dass es in Fluchtzeiten errichtet wurde, nicht mehr aus den mächtigen Quaderblöcken der früher Kaiserzeit, sondern aus einfachen Feldsteinen. Doch seine Form ist streng rechteckig und nicht so willkürlich wie mittelalterliche Wehrmauern es oft sind: Ein Rechteckt mit gerundeten Ecken. Ein Tor nach Norden.

Die Rückwand des Kastells hat man als Rückwand für das viktorianische Herrenhaus genutzt. Das Holzgatter am Eingang steht halb offen, ich betrete das Gebäude, nicht ohne vorher laut zu rufen. Aber niemand zeigt sich. Und so streife ich herum in der alten Festung. Neben dem Herrenhaus steht ein deutscher Bunker, als ich mir dessen Eingang näher ansehe, bin ich elektrisiert: Über dem Eingang ist das Relief einer Pflanze in den Beton eingelassen. Ich erkenne die Pflanze sofort. Und das Symbol. Es ist

ein Edelweiß. Das Abzeichen, das ich selber an der Mütze trug, 1980, als ich in einer Kaserne vor den Bergen meinen Wehrdienst leistete. Das Abzeichen der Gebirgstruppe. Und eine Jahreszahl – deren erste drei Ziffern ich erkennen kann. 1942? Warum waren sie hier gewesen?

Ich bin noch dabei, das Abzeichen zu fotografieren, als ein junger Mann vor mir steht und mich streng ansieht. Er ist Anfang vierzig, drahtig, man sieht ihm an, dass er viel draußen ist, doch er ist kein Militär, als er mich anspricht: Eigentlich sei dies alles nicht öffentlich, sagt er. Er wohne hier, was ich hier täte. Ich frage ihn, ob er denn die Pflanze dort oben kennen würde? „Edelweiß“, er spricht das Wort mit starkem englischen Akzent aus, er hieße Justin. Für was das Zeichen steht, weiß Justin nicht. Ich erzähle ihm von den Gebirgstruppen. In meiner Heimat vor den Bergen sehr verehrt, damals jedenfalls, in und um die Kaserne. Doch wenige Jahre später sehr umstritten. Ein Teil von ihnen hatte schlimme Kriegsverbrechen begangen, hatte auf der westgriechischen Insel Kephallenia 4.000 entwaffnete italienische Kriegsgefangene feige niedergemäht, eines der Verbrechen, ohne Not begangen, bei dem mir noch heute der Atem stockt. Es gäbe einen Film darüber, „Correllis Mandoline“. Justin sieht mich an: Er kenne den Film. Dann denkt er einen Augenblick nach. Und erzählt. Ja. Die Deutschen. Sie wären hier auf Alderney nicht beliebt gewesen. Als sie die Insel besetzten, waren die Einwohner Alderneys evakuiert worden, zu ihrer eigenen Sicherheit. Doch als sie sechs Monate nach Kriegsende im Dezember 1945 wieder zurückkehrten, kannten sie ihre Insel nicht wieder. Überall Bunker, Tunnels, Geschütze. Fenster, Türen, Möbel: Was brennbar war, verheizt. Die Deutschen hätten hier vier Lager errichtet: zwei für Soldaten. Zwei für die über 6.000 polnisch-russischen Kriegsgefangenen und separat die jüdischen Zwangsarbeiter, man hielt sie hier wie Sklaven. Sie legten über 30.000 Minen an den Stränden. Alderney, die irgendwie verwaist erscheinende Insel, ist also gleich dreifach eine Festungsinsel. Erst die Römer. Dann die Briten mit der langen Mauer. Zuletzt die Deutschen. Für die ersten war die Insel wohl ein Ort der Zuflucht. Für die letzten der Ort, an dem sie belagert wurden, die Briten hatten die Insel einschlossen und ließen nichts mehr durch. Die Zustände auf der Insel, vor allem in den Lagern, müssen schrecklich gewesen sein. Wie so oft zahlten die Zeche die Falschen.

Und die Vögel auf der Felseninsel Ortac draußen in der Bucht? Justin erzählt, sie wären „Gannets“, Basstölpel. Ortac sei die größte Bastölpel-Kolonie überhaupt auf der Welt, er sei Naturschützer, ihretwegen sei er da. Justin schaut kurz hinauf auf das Edelweiß und lacht. Die Alten auf Alderney sagten, die Gannets wären gekommen im Jahr, in dem die Deutschen kamen, 1940. Vorher wären kaum welche da gewesen. Doch jetzt gründeten auf dem Felsen ihre Kolonie.

Ja, er sei öfter draußen, auf Ortac, um Vögel zu beringen. Das Anlegen sei schwierig, der Felsen sei steil, und die Arbeit auch. Was mir aus der Ferne wie weißer Puderzucker erschienen war, sei Kot, durch den man nur hinaufgelänge, wenn es zwei Tage nicht regnete, denn sonst seien die Felsen zu rutschig, wegen des hoch liegenden Kots. Es herrsche fürchterlicher Gestank, doch Justin erzählt, wie Wunden schnell heilten, wenn sie mit dem Kot in Berührung kämen.

Alderney. Sie wirkt, als wäre sie wahrhaft eine vergessene Insel. Vielleicht ist gerade deshalb an diesem vergessenen Ort die Vergangenheit unvergessener und lebendiger als auf den vielen anderen Inseln, auf denen ich war.

Unter Geiern

Mi., 24.Okt.18, Ecuador/Vilcabamba Tag 1607, 13.337 sm von HH

Meine kaputten Wanderschuhe bescheren uns einen Tag Pause. Da ist keiner böse drum. Wir schlendern durch den netten Ort, geben unsere Wäsche zum Waschen und schlecken Eis im Schatten. Außerdem hat unser Hostal (das Schönste für uns in gesamt Ecuador) hat einen herrlichen tropischen Garten in dem man in der Hängematte chillen kann. Groß-ar-tig!

Der chillige Garten vom Hostal Rendez-Vous

Kirche von Vilcabamba

Am nächsten Tag hat der Schuster meine Stiefel fertig. Alle Sohlen und Schichten neu verklebt und zusätzlich genäht – eine Arbeit für die Ewigkeit für nur fünf Dollar.
Wir können wieder in die Berge.

Der beliebteste Wanderweg in Vilcabamba hat einen schlechten Ruf. Es soll dort schon zu Überfällen auf Wanderer gekommen sein. Unser Wirt bestätigt diese Gerüchte, wir sollten dort besser nicht laufen. Ich kann mir das angesichts der zurückhaltenden Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Ecuadorianer nur schwer vorstellen, dass dort hinter Felsen böse Buben lauern sollen. Bislang sind wir überall unbedarft durch die Landschaft marschiert und haben uns nie Sorgen gemacht, dass wir am Ende des Tages keine Wertsachen mehr haben könnten. Wir hören in diesem Fall auf den Rat und suchen uns eine andere Strecke aus.

Diese Tour gefällt mir deutlich besser als vor zwei Tagen. An Feldern vorbei, geht es natürlich bergan, aber wir haben eine schöne Sicht auf das gesamte Tal und sattfrische grüne Felder. Wir passieren schnieke Haciendas und kleine Bauernhöfe. Wer hier ein Grundstück kaufen möchte, muss zehn Dollar für den Quadratmeter zahlen. Unverbaubarer Blick ins Tal inklusive.

Hacienda auf unserem Weg
So grün kann es hier auch aussehen
Valle Vilcabamba

Wir schrauben uns den Berg hoch. Wieder wenig Schatten, es ist schon heiß hier, meine Güte. Mal ist der Wanderweg beschildert, mal lassen wir uns von der Macht leiten. Die Wirtschaftswege und Trampelpfade für die Bauern sind alle miteinander verbunden und solange wir Vilcabamba sehen, kann es nicht so verkehrt sein. Das Schlimmste, was passieren kann, dass wir abgebaute Höhe wieder hoch kraxeln müssen.

Auf einem Grat zwischen Wiesen und Feldern, sehen wir plötzlich einen Schatten über uns. Zwei Geier kommen kreisend näher: „Was laufen da wohl für zwei Leckerbissen durch die Mittagshitze?“ Sie beäugen uns neugierig. Ihre Kreise werden enger. Dabei kriechen wir noch gar nicht auf allen Vieren. Die Geier kreisen. Jetzt keine Schwäche zeigen, bloß nicht stolpern. Die beiden verschwinden wieder.

Wunderschöner Weg - über uns kreisen die Geier

Wunderschöner Weg – über uns kreisen die Geier

Wir stapfen weiter. Da sind sie wieder. Nun zu viert. Sie sitzen tatsächlich vor uns auf dem Weg auf den Zaunpfählen. Was für eine Unverschämtheit. Hinterhältig lassen sie uns näher kommen. Hungrig gucken sie rüber.  :mrgreen: Sehen wir wie Vogelfutter aus? Dann hauen sie doch plötzlich ab. Zu wenig Aas-Geruch? Senf vergessen?
Ungefressen schaffen wir es ins Hostal zurück.

Vor uns auf dem Weg lauern die Geier

Vor uns auf dem Weg lauern die Geier

Ugly Bird

Ugly Bird

Fünf entspannte Tage haben wir in Vilcabamba verbracht. Kein Tag zuviel. Hier kann man es aushalten und hundert Jahre alt werden. Morgen geht es zurück im den Norden. Wieder sechs Stunden Bus fahren bis Cuenca.

Zum Wasserfall ‚Del Plato‘ (wo wir nicht ankommen sollen)

Mo., 22.Okt.18, Ecuador/Vilcabamba Tag 1605, 13.337 sm von HH

Der Trip dauert fünf Stunden und sei ‚medium difficult‘, preist eine Wanderkarte, die wir im Hostal bekommen haben. Ich finde ihn ‚medium Mist‘. Nach einer dreiviertel Stunde Marsch auf netten Wegen, vorbei an kleinen Höfen, geht es sofort steil bergauf.

Sand-Transport zum Hausbau

Sand-Transport zum Hausbau

Hier ist es noch gemütlich zu laufen

Hier ist es noch gemütlich zu laufen

 

Es ist früher Vormittag, die Sonne brennt. Es ist zum Laufen auf Ebene schon fast zu warm, erst recht zum Überwinden von 350 Höhenmetern. Und dann auch noch ohne Schatten.

Wir kämpfen uns den staubigen Weg hoch. Wie immer kämpfe ich mehr als Achim. Fit tänzelt er vor mir her. So wie es im Augenblich aussieht, wird das in Zukunft sogar noch schlimmer werden. Ich darf es verraten, Achim raucht seit über vier Wochen nicht mehr (hipp-hipp-hurrah, Jubel, Freude, ich drück dich, Begeisterung, gefällt mir riesig, Herzen-in-den-Augen-Emotij :-) )

Nichtrauchender Pfadfinder

Nichtrauchender Pfadfinder :-)

Als wir nach einer Stunde das Schlimmste hinter uns haben und es ‚leichter‘ werden soll, höre ich plötzlich ein ‚Flapp-Flapp-Fladder‘ an meinem Wanderschuh. Eine Sohle hat sich halb gelöst und schlackert lose herum. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass ich sie komplett verlieren werde. Nur auf dem Inlett den Berg runter, möchte ich auf keinen Fall. Außerdem muss der Schuh gerettet werden, es sind meine einzigen Wanderschuhe, die ich dabei habe.

Sofort sind wir MacGyver-artig unterwegs. Wir durchsuchen unsere Rucksäcke nach etwas zum Zusammenbinden. Ohne großartige Ausbeute. Da fällt mir das Gummi an meiner Hose unten am Knöchel ein. Das schneiden wir ab (die Hose ist übrigens nagelneu – ihr zweiter Einsatz). Durch einen dieser Nöppel, die Gummis auf Spannung halten, können wir das Gummi stramm ziehen und an den Schnürsenkelhaken befestigen. Das sieht vielversprechend aus. Achim hat dann noch die Idee, die Kanten mit Pflaster gegen Durchscheuern zu schützen. Das beste Tape, was wir dabei haben. Das funktioniert wunderbar. Das ‚Flapp-Fladder‘ ist weg. Ich kann normal weiter laufen. Wir drehen nicht um.

MacGyver im Einsatz
Notreparatur, die viele Kilometer halten soll

Der Weg ist jetzt schattiger und recht eben, so dass das Wandern wieder Spaß macht. Die Landschaft hat durchaus etwas, leider ist alles braun und verbrannt. Wir sind eindeutig zur falschen Jahreszeit hier. Nach der Regenzeit, wenn alles grün ist, muss es wunderschön hier sein.

Unten rechts liegt Vilcabamba

Unten rechts liegt Vilcabamba

Eine Stunde laufen wir noch weiter, dann hören wir ihn schon, den Wasserfall. Jedoch hat davor der Teufel einen steilen Abstieg in pralle Sonne gestellt. Wir können ihn deutlich sehen. Der bedeutet Kraxelei. Es ist jetzt Mittag und brüllend heiß. Was man runter geht, muss man auch wieder hoch. Wir schauen uns in die Augen und uns fällt gleichzeitig mein kaputter Schuh ein: „Unmöglich! Damit kannst Du den Abstieg nicht riskieren. Ist doch auch nur ein Wasserfall in der Trockenzeit!“ Wir drehen um.

Es ist einfach nur scheisse heiss

Es ist einfach nur scheiße heiß

Zurück ist es natürlich nicht so anstrengend. Aber die Hitze. Solche Temperaturen sind wir gar nicht mehr gewöhnt aus dem kühlen Bahía. Wir kämpfen uns zurück, die Strecke zieht sich. Nach guten fünf Stunden haben wir es geschafft und mein Schuh ebenfalls. Der liegt nun beim Schuster und ich kann ihn Morgen abholen.

Vilcabamba – wildromantisches Bergdorf

So., 21.Okt.18, Ecuador/Vilcabamba Tag 1604, 13.337 sm von HH

Die Strecke von Zaruma nach Vilcabamba zieht sich. Für knapp 200 Kilometer benötigen wir sechs Stunden plus Umsteige-Wartezeit. Eine zähe Anreise durch wild zerklüftete Berglandschaft, dünn besiedelt und wenig erschlossen. Die Anden erheben sich hier nur auf 2.500 Meter. Schließlich landen wir dann doch in Vilcabamba.

Vilcabamba, ein Dorf mit fünftausend Leutchen, liegt hübsch eingeschmiegt in einem Tal auf 1.600 Meter. Der Ort kommt spontan sympathisch rüber. Ein paar Hippies hängen ab, spielen Gitarre oder wollen ihren Schmuck verkaufen. Dazwischen sieht man ein paar Wanderer und hängen gebliebene Ausländer, die sich hier nieder gelassen haben.
Ein Paradies für Trekking und zum Reiten.

Vilcabamba

Vilcabamba

Vilcabamba gilt als das Tal der ‚Hundertjährigen‘. Eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung wird den Einwohnern nachgesagt. Das zieht auch Esoteriker an, die behaupten, hier sei das ‚Herz der Erde‘ zu finden.
Alles Schwindel, der auf der übertriebenen Altersangabe der älteren Vilcabamber beruht. Ein Abgleich von Dokumenten hat ergeben, dass Anwohner mit 60 behaupten 71 zu sein, fünf Jahre später sind sie bereits 80 und mit 87 Jahren auf wundersame Weise 121 Jahre alt.

Dramatische Berge umrunden Vilcabamba

Dramatische Berge umrunden Vilcabamba

Direkt von unserem Hostal aus können wir unsere erste Wanderung starten. Für Ecuador unüblich, gibt es ausgeschilderte Wanderwege. Keine Gefahr sich zu verlaufen.
Unseren ersten Trek wollen wir ruhig angehen lassen. Langsam soll die Cockpit-Fäule aus den Beinen vertrieben werden. Der zwickende Waden-Muskelkater vom kleinen Hausberg in Zaruma ist zum Glück bereits am Abklingen. Zunächst geht der Plan auf. Zu ebener Erde geht es an einem Plätscherbach entlang. Schon bald führt unser Weg einen ausgetrockneten Wasserfall den Berg hoch. Die Sonne sticht. Steht senkrecht über uns. Vilcabamba liegt im Trockenregenwald, da verlieren die meisten Bäume während der Trockenzeit ihr Laub. Die blattlosen Bäume spenden kaum Schatten. Es ist deutlich heißer als erwartet.
Wir schnaufen uns den Hang hoch, Trittsicherheit ist gefragt, der olle Weg hat es in sich.

In einem ausgetrockneten Wasserfall geht es steil hoch

In einem ausgetrockneten Wasserfall geht es steil hoch

quer durch Trockenregenwald
Samenkapseln

Weggefährte

Weggefährte

Auf dem Rückweg treibt es uns dann auch noch in einer langen Kurve um das Dorf herum, so dass wir erst noch dreieinhalb Stunden zurück sind. Schön, dass wir es ruhig angehen lassen wollen. :lol:

Die Dorfmark von Vilcabamba

Die Dorfmark von Vilcabamba

Zaruma – ein altes Goldgräberstädtchen

Fr., 19.Okt.18, Ecuador/Zaruma, Tag 1602, 13.337 sm von HH

Zaruma ist zauberhaft. Zum Glück. Die Anreise ist nicht ganz ohne: erst fünf Stunden Busfahrt bis Guayaquil, dort Ankunft um halb fünf Uhr morgens, dann zwei Stunden abhängen auf dem Busbahnhof. Unsere Augen sind rot und brennen. Und noch weitere fünf Stunden Busfahrt. In der Zeit ist man Business Class von Hamburg nach Singapore geflogen.

Aber jetzt ist alles wieder gut. Zaruma ist reizend und kann auf eine lange Gold-Geschichte zurück blicken. Hier hat schon mal jeder nach dem begehrten Metall gebuddelt. Erst die Kañari, ein indigener Stamm in Ecuador. Diese wurden vertrieben von den Inka. Nach dem Untergang der Inka-Kultur trieben die Spanier mit Hilfe von Sklaven den Goldabbau voran. Erst 1820 erlangte Zaruma Unabhängigkeit von Spanien und bis heute wird hier intensiv nach Gold gesucht.

Kleinstadt-Idylle

Kleinstadt-Idylle

Zaruma Neustadt

Zaruma Neustadt

 

Zaruma Altstadt

Zaruma Altstadt

Neben siebzehn internationalen Unternehmen soll es dreitausend Personen geben, die auf eigene Faust unter Tage nach Gold schürfen. Jetzt läuft Zaruma Gefahr zusammenzubrechen. 2017 stürzte im Zentrum bereits eine Schule ein. Ein weit verzweigtes Stollensystem hat Zaruma zu einem Schwamm werden lassen. Die private Buddelei wurde inzwischen verboten, aber ob dies Verbot eingehalten wird, ist nicht gesichert.

und Fronten

und Fronten

Zaruma ist wunderbar verwinkelt, durchzogen von Treppen und schmalen Gassen. Die erste Stadt in Südamerika, die wir sehen, die nicht im Schachbrett-System gebaut wurde. Die hundertjähren Holzhäuser mit ihren Balkonen und Balustraden versprühen den Charme einer echten Westernstadt.

Hundert Jahre alte Holzhäuser
Balkonen
und Fenstern
und Stiegen und Treppen

Die Fußwege sind mit Arkaden überdacht, die Fußwege aus Holz. Unzerstörbares Tropenholz. Seit Jahrzehnten benutzt und wie neu.

Holz-Bürgersteige

Holz-Bürgersteige

Nur fünfzehn Minuten vom Stadtzentrum entfernt finden wir die Mine ‚Sextina‘. So benannt, weil früher die Spanier einen Sechsten Teil an den König in Spanien vom gefundenen Gold abgeben mussten. Bereits die Inkas haben hier geschürft.
Die Sextina ist zwar seit 25 Jahren geschlossen, aber Besucher dürfen noch fünfhundert Meter in einen alten Stollen hinein, danach kommt ein Gitter.

Der Eintritt ist frei. Wir dürfen ohne Begleitung rein. Gut, verlaufen kann man sich nicht, es gibt nur einen Gang. Aber es verwundert uns dann doch. Es besteht Helmpflicht für alle Besucher und Gummistiefel stehen am Eingang bereit. Es ist ja unter Tage immer ein wenig unheimlich. Wird der Stollen nun auch noch diesen einen Tag länger halten? Man kann es nur hoffen. Jetzt bitte keinen Stromausfall. Am Ende des Stollen verstehen wir auch den Sinn der Helme, der Gang wird niedriger und am rohen Stein hauen sich die größeren Besucher schnell die Pläte auf.

Mine Sextina
Kleidsam in Gummistiefeln und Helm
Minenarbeiter

Die Menschen in Zaruma sind super freundlich, grüßen uns auf der Straße und freuen sich über uns Touristen. Ein Blick in das Gästebuch im winzigen Museum zeigt, dass ausländische Gäste sich hierher kaum verirren. Das wird diesem hübschen, gemütlichen Ort nicht gerecht. Dazu perfektes Wetter, sommerlich am Tag, frühlingshafte Temperaturen in der Nacht. Die Bevölkerung ist sehr hellhäutig, indigene Züge sind mit europäischen längst verschmolzen. Hier läuft auch niemand mehr in Trachten, so wie im Norden in den Bergen.
Die Region hat Geld.  Die Häuser sind gut in Schuß, die Autos groß. Zu groß für die verwinkelten Gassen. Der kleine Ort ist zu Stoßzeiten ein Chaos. Der einzige Wehmutstropfen an Zaruma.
Im Nachbardorf soll es einen Fußballplatz, der auf dem Schutt einer alten Mine errichtet wurde. Die Kinder sollen Fußball auf Goldresten  im Wert von 30 Millionen Dollar spielen.

Land in Sicht

So wenig Wasser wie aktuell war zuletzt im Oktober 2003 im Rhein. In Wesel hatte der Pegel damals mit 111cm eine neue Rekordmarke erreicht.
Gestern Nachmittag lag der Pegel bei 115cm. In Emmerich, Rees und Duisburg wurden die Pegelstände aus 2003 bereits unterboten. In Wesel könnte heute im Laufe des Tages der niedrigste Wert gemessen werden, seit mit den Aufzeichnungen zu Kaisers Zeiten begonnen wurde.

Nomade steht noch…

Unterwegs in Guernsey. Auf den Spuren meines Großvaters. Oder: Eine deutsche Geschichte.

Es wird Zeit, die Geschichte meiner Einhand-Segelreise von Sizilien 
 bis Südengland um die Westküste Europas zu Ende zu erzählen. 
Nach den Balearen, Gibraltar, Portugal, Nordspanien
und der Nordküste der Bretagne erreichte ich nach fast vier Monaten 
im September 2018 die Kanalinsel Guernsey. Ich blieb ein paar Tage auf der Insel. 
Lieh mir ein Motorrad. Und suchte die Insel nach Spuren ab aus der Zeit, 
in der mein Großvater auf der Insel gewesen war. Im II. Weltkrieg. Als Guernsey wie die anderen Kanalinseln von deutschen Truppen besetzt war. 

Die Einfahrt in den Hafen von St. Peter Port, Guernsey

Vielleicht war mein Großvater schuld. Vielleicht war er der Grund, weswegen ich hierher nach Guernsey gesegelt war. 

Mit meinem Großvater verbinden mich verschiedene Dinge. Seine Ungeduld. Sein Zähneknirschen, wenn etwas nicht gleich so läuft, wie er sich das vorstellt. Seine Neigung zu Halsschmerzen. Er hatte sie ausgeprägt, kam nach dem sonntäglichen Bier aus dem Wirtshaus mit Halsschmerzen heim. Es war dieser Satz, der sich mir von diesem einfachen Mann eingeprägt hatte: „S’oinzige Mol im Läaba, wo I koi Halsweah k’hett han: Des war z‘ Guensay“. ‚Das einzige Mal im Leben ohne Halsweh: Das war, als ich auf Guernsey war.‘

Guernsey. Wie war er da bloß hingekommen?

Er war ein kreuzbraver Mann gewesen, von einfachem Gemüt. So einfach wie das verschlafene Dorf an dem kleinen Fluss im Schwäbischen, wo man ihn nur den „Urle“ nannte, weil er Ulrich hieß, wie die meisten Männer meiner Familie. Hier war er geboren, hier hatte sein Elternhaus gestanden, hier hatte die Familie, deren Namen ich trage, mehrere Generationen gelebt. 

Von meinem Großvater weiß ich nicht viel. Dass er Maurer war, weil unter dem dürren Apfelbaum, wo wir unsere Ferien verbrachten, stets ein Holzbottich mit Kalk und Kelle bereitlag. Dass der „Urle“ im Dorf bekannt dafür war, Sommer wie Winter immer schon eine Viertelstunde vor Abfahrt des Zuges am Bahnsteig zu stehen, aus Sorge, er könne den Zug versäumen, obwohl er nur 50 Schritt vom Bahnhof hinter der Ligusterhecke entfernt lebte. Dass er Sonntags zum Bier und zum Kartenspielen ging – wie mein Vater und seine Brüder es auch taten. Dass er bei den „Veteranen“ war, den alten Herren, die bei der Prozession in Hut und ausgebeultem Anzug, doch mit klimpernden Orden behängt, nach Feuerwehr, Turnern, Sportverein stets den Schluss des feierlichen Zuges durchs Dorf bildeten. Dass meine Großmutter sich diebisch freute, wenn er sich zu diesen Anlässen versehentlich mal wieder ihr „Mutterkreuz“ ans Revers gesteckt hatte, das sie wie jede andere Mutter mit vier Kindern von der Partei bekommen hatte und ihr so garnichts bedeutete. Der Urle war einer, der in Dinge hineingeriet. Nicht einer, der Dinge aktiv lostrat.

Der Hafen von St. Peter Port, Guernsey. Im Hintergrund jenseits der steinernen Barre erkennbar der Yachthafen Victoria Harbour.

Guernsey. Wie war er da bloß hingeraten? Er, der so gut wie nie aus dem Dorf und seiner Umgebung herausgekommen war, außer als junger Turner in den Zwanzigern zu einem Wettkampf nach Dornbirn. Er war Maurer geworden, weil man als Sohn eines Kleinbauern, eines Handwerkers oder Tagelöhners im Dorf nur zwei Dinge werden konnte: Knecht auf einem Hof. Oder Maurer. Für mehr hatte es in der kinderreichen Familie für ihn nicht gereicht. Erst recht nicht für eine Arbeit bei den Juden des Dorfes. Sie waren die Unternehmer des Dorfes, die Rosshändler und Kaufleute, die Privatiers und Geschäftsleute. Irgendein Graf hatte sie vor Jahrhunderten in dem kleinen Marktflecken angesiedelt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das hatten sie über Jahrhunderte getan. Sie waren es gewesen, die aus eigener Tasche die 15 Kilometer lange Bahnlinie entlang des Flusses bauen ließen, um das ganze Flusstal bis in die nahe Kreisstadt mit der Welt und dem Handel zu verbinden. Das war in dem Jahr, in dem der Urle in dem kleinen Dorf geboren wurde. Und zugleich das Jahr, in dem in Deutschland die meisten Bahnkilometer gebaut wurden, 1902. Die Juden des Dorfes müssen gute Kaufleute gewesen sein, mit Sinn fürs Geschäft und ein Herrenleben. Meine Großmutter war ins Dorf gekommen, weil sie eine Anstellung gefunden hatte als Hausmädchen und Wäscherin bei den jüdischen Kaufmannsfamilien. Erst bei den Lammfromms. Dann beim Philipp Hummel. Vielleicht auch bei der Familie des Leoreiter oder wie immer sie hießen. Sie stammte aus einem einfachen Bauernhof und war plötzlich in vornehme Haushalte gekommen – das hatte sie fürs Leben geprägt. Im Dorf war sie dem Urle über den Weg gelaufen, vielleicht auf einem der Volksfeste, auf dem sie die Maßkrüge austrug, um sich etwas dazuzuverdienen. Vielleicht war der Urle auch unter den Burschen, die nachts die Leitern an die Häuser legten, um zu den Mägden durchs Fenster zu steigen. Ein Abenteurer war er nie. Als sie schwanger war mit 24, heirateten sie heimlich: Frühmorgens um sechs stand der Urle neben der Hanne vor dem Altar, ihr sich deutliche rundender Bauch erlaubte keine ausgelassene Öffentlichkeit. So standen sie – genauso wie 33 Jahre vor demselben Altar um 6 Uhr morgens mein Vater neben einer grazilen rothaarigen Frau stand. Meiner Mutter, in deren Bauch ich strampelte.

Vermutlich arbeitete der Urle als Maurer im Dorf, als die neue Zeit anbrach. Das Dorf hatte die wirtschaftlich schlimmen Jahre gut überstanden, die Bauern hatten Eier, Fleisch und Getreide in Hülle und Fülle, die jüdischen Kaufherren im Ort hatten reichlich zum Handeln. Was Vieh und Felder an Überschuss lieferten, kam zum Bahnhof, den die Juden des Dorfes aus eigener Tasche finanziert hatten wie die Bahnlinie, es wurde in die Viehwaggons verladen und von dort in die hungernden Städte transportiert. Im Dorf zeigten sich die Braunhemden im Wirtshaus, der Urle und die Hanne gehörten nicht dazu – warum auch? Was die Hanne bei den Lammfromms verdiente, konnte die Familie mit den zwei, bald drei kleinen Kindern gut gebrauchen. Zu Weihnachten bekam sie von ihren Dienstherrn einen schwarzen Mantel, ein Geldschein war mit Stecknadel ans Revers gesteckt. 

Irgendwann kam der Brief, der den Urle zur Musterung befahl. Es würde ein zweites Mal Krieg geben in Urles Leben – für den ersten großen Krieg war er gerade so eben zu jung gewesen. Und für den zweiten war er nicht mehr jung genug. Weil er ja Maurer war , hatte man besseres vor mit ihm als Wehrdienst. Man steckte ihn als Handwerker in die „Organisation Todt“. So hieß die Truppe nach ihrem Führer Fritz Todt. Sie trugen Uniform, doch statt der Waffe auf Paraden den Spaten. Anfangs war die „Organisation Todt“ für den Bau ziviler Projekte eingesetzt. Als sich der Krieg mit Frankreich ein Jahr vor Ausbruch abzeichnete, begann die Organisation Todt mit dem Bau von Bunkern entlang der französischen Grenze. Wo der Urle eingesetzt war, weiß ich nicht, doch die Hanne mit den drei Kleinen, der Liesl, dem kleinen Ulrich, den alle Ua riefen und dem Hansl, die sahen den Vater selten in den Jahren, grad alle vier Wochen kam er mal heim. Die Hanne war auf sich gestellt, arbeitete bei den Bauern, schenkte Bier aus als Bedienung. Und ging selbst dann noch heimlich zu den Juden, als Braunhemden und Scharfmacher die Synagoge des kleinen Dorfes in Brand steckten und die Lammfromms, die alten Hummels und die Leoreiters längst den gelben Stern tragen mussten.

Der Urle, der kam nur noch zu Heimaturlauben nach Hause. Es scheint, als wäre er gleich hinter den kämpfenden Truppen, die das riesige Frankreich in sieben Wochen überrollten, mit der Organisation Todt Richtung Atlantik und Ärmelkanal marschiert. Die Baupläne für das, was nun am Atlantik errichtet werden sollte, waren längst ausgearbeitet: In Frankreichs wichtigsten Atlantikstädten sollten gewaltige Bunker für die Uboot-Flotte errrichtet werden. Der Urle, der ein einfacher Mann aus einem kleinen Dorf im Schwäbischen war, stand nun plötzlich in St. Nazaire am Meer. Und baute Schalungen für die meterdicken Betonwände. Flocht Eisenarmierungen für bombendichte Decken. Rührte Mörtel. Er sah die Zwangsarbeiter, die auf den Baustellen eingesetzt wurden, Politische, Homosexuelle, nach Frankreich vor den Nazis geflohene, vornehme und gebildete Juden wie die, die er aus seinem Dorf kannte. Er sah sie während seiner 12 Stunden-Schicht von sieben bis sieben, er

Die britische Festung über dem Hafen von St. Peter Port, in der die deutsche Radarstation während des Krieges untergebracht war.

sah, wie sie schlecht behandelt, manchmal gequält wurden. Vielleicht verstand er die Welt nicht mehr, er war nun 40 und immer noch Maurer, doch er hielt den Mund. Als der erste Teil des Bunkers von Saint Nazaire, der noch heute am Hafen steht, als die ersten Finger fertig waren, wurde er mit weiteren Arbeitern, die wie er an der einfachen Uniform mit den weiten Hosen die gelbe Binde der Organisation Todt trugen, abkommandiert. Auf eine Kanalinsel sollte es gehen, Guernsey, diesmal sollten nicht U-Bootbunker, sondern Gefechtsstände entlang der Küsten der Insel gebaut werden. Betonierte Maschinengewehr-Nester, um die deutsche Radarstation in der alten britischen Festung über dem Hafen von St. Peter Port zu bewachen. Und vor allem Bunker entlang der Strände
und Geschützstellungen für die tschechischen Panzerabwehrkanonen, die im Fall einer Landung in die anstürmenden Soldaten feuern sollten. Der Urle, er rührte Mörtel, baute Schalungen, schleppte Mörteleimer und flocht Eisenarmierungen, nur eben diesmal auf Guernsey. Die Hanne, die ging jetzt nur noch heimlich, und wenn es dunkel war, zu den alten Lammfromms, um für sie zu arbeiten.

Der Strand der Cobo-Bay im Westen von Guernsey heute. Die Bunkeranlagen des II. Weltkriegs verschwinden hinter Steinmauern, die man als Blendfassaden errichtet.

Hatte er Augen für die Schönheit des langen Sandstrandes der Cobo-Bay auf Guernsey, der damals voller Minen, Sprengfallen und Stacheldrahtverhaue war? Hatte er Sinn für die Schönheit der Insel, während er und die Zwangsarbeiter an der langen Mauer eben dieser Cobo-Bay bauten, die den Strand zur tödlichen Falle machen sollte? Er entdeckte jedenfalls, dass hier am Meer seine Halsschmerzen endlich ein Ende hatten. Einer der Zwangsarbeiter, ein jüdischer Arzt, mit dem er darüber sprach, erklärte ihm, woher es kam. Dass das Seeklima eben gut sei für seine Bronchien, seine Atemwege, die ihm ein Leben lang zu schaffen machen würden. Der Urle baute brav weiter an seinen Bunker über dem Strand, in dessen einzige Öffnung millimetergenau die Schnellfeuerkanone eingebaut wurde, vor der heute die Strandbesucher sitzen.

Nur an manchen Stellen der Cobo-Bay sieht man noch die deutschen Bunker.

Es scheint, der Urle hat all die Jahre auch in Guernsey geschwiegen. Er hat sich seinen Teil gedacht. Nur einmal hat er den Mund nicht halten können. Er war auf einem der seltenen Heimaturlaube. Die Juden des Dorfes, die man zuerst in ihrer Synagoge zusammengepfercht hatte wie in einem Getto, man hatte sie längst an einem schönen Junitag durchs Dorf zum Bahnhof und in die Viehwaggons getrieben, wie einst ihr Vieh. Frau Lammfromm war an diesem Tag vor dem Haus, in dem die Hanne mit den Kindern lebte, stehengeblieben. Hatte noch einmal „Frau Käsbohrer“ gerufen, doch die Hanne, die Furcht in ihrem Leben nicht kannte, hatte in diesem einen Moment geschwiegen. Und nicht geantwortet. Sie sollte Frau Lammfromm nicht wiedersehen. Als der Urle auf Heimaturlaub kam, war das alles Geschichte. Es war im Wirtshaus, wo er den Mund nicht halten konnte, und draussen auf der Toilette beim Pinkeln über die Nazis knurrte: „Dia Bettsoicher, dia gottverreckte“, was man mit „Diese verfluchten Bettnässer“ übersetzen kann. Mehr hatte er nicht gesagt.

Am nächsten Morgen kamen sie, um ihn zu holen. Von Dachau war die Rede. Wie er denn das mit den „Bettsoichern“ gemeint hätte. Als sie ihn mitgenommen hatten, warf sich die Hanne in ihr schönstes Kostüm. Setzte sich eines der Kinder auf den Arm und ging schnurstracks zum Ortsgruppenleiter. Vielleicht hatte sie das Mutterkreuz umgehängt, sie kannte keine Furcht. Ich weiß nicht, wie sie es erreicht hatte, der Urle wieder freikam. Am Abend des nächsten Tages war er wieder daheim. Und machte sich, weil sein Heimaturlaub zuende war, auf den Weg zurück nach Guernsey. Von Saint Malo aus wurden sie auf einem Schnellboot hinüber in den Hafen von St. Peter Port Guernsey gefahren, doch englische Schnellboote lauerten den Deutschen jetzt regelmäßig vor Guernsey auf und feuerten auf sie. Die Besatzer waren längst selbst zu Belagerten geworden. Sie warteten auf den großen Angriff, die Landung von der sie wussten, dass sie unmittelbar bevorstand. Sie wussten nur nicht, wo. 

Vielleicht hat der Urle in diesen Jahren von Geschichten auf Guernsey gehört. Von dem 18jährigen Mädchen, das trotz des Verbots, an den Sandstränden der Insel im Meer zu schwimmen zu gehen, im Sommer einfach doch Schwimmen gegangen war. Sich zu den verminten Sandstränden hinausgewagt hatte, um einfach nur mal im Meer zu schwimmen. Natürlich hatte man sie erwischt. Man zog sie heraus. Und stellte sie vor Gericht. Doch sie hatte Glück, kam mit einer saftigen Geldstrafe davon. Vielleicht hatte der Urle von der Geschichte der verwittweten Frau mit dem kleinen Lebensmittelladen gehört. Mit ihrem Sohn hatte sie einen flüchtigen Zwangsarbeiter aufgenommen, heimlich, und versteckt. Das war verboten bei Todesstrafe, doch sie tat es trotzdem. Es war eine mißgünstige Nachbarin, Guernseyerin wie sie selbst, die sie an die Deutschen verriet. Sie kam zuerst nach St. Peter Port zur Vernehmung ins Gefängnis. Dann wurde sie nach Deutschland verlegt, da saß sie im Gefängnis. Weil man nicht wusste, wohin mit ihr, kam sie ins KZ. Und wurde dort kurz vor Kriegsende in die Gaskammer geschickt. Ihr Sohn überlebte – als einziger britischer Insasse. 

Ob der Urle einer der Deutschen war, die bei Privatleuten untergebracht war? Ob er dort, weil er wie andere deutsche Soldaten seine Kinder vermisste, die fremden Kinder auf dem Arm trug, denen der Vater ebenfalls fehlte?

Einer der Strände im Westen Guernsey. Hinter den hübschen Steinmauern verschwindet die Geschichte der deutschen Besatzung von 1940 bis 1945.

Als die Alliierten ein Stück weit östlich von Guernsey entfernt in der Normandie landeten, beschloss der Urle, dass für ihn als Angehörigen der Organisation Todt der Krieg vorbei sei. Er nahm sich mit anderen OT-Leuten ein Wehrmachtsfahrrad. Und radelte darauf von der Bretagne bis in sein Dorf an dem kleinen Fluss im Schwäbischen. Meist radelten sie nachts, tagsüber schliefen sie im Straßengraben, die Tiefflieger waren überall. Der Krieg, der war für den Urle vorbei. Auch wenn sich die Hanne, die den kleinen Hansl auf dem Fahrrad hatte, jetzt auch in dem kleinen Dorf im Schwäbischen vor den Tieffliegern in die Straßengräben werfen musste.

Nach Guernsey ist der Urle danach nie wieder in seinem Leben gefahren. Er blieb, was er war: Ein einfacher Maurer, von gelegentlichem Halsweh geplagt. Und ein kreuzbraver Mann, der sonntags ins Wirtshaus zum Karten ging. Was er sich über seine Zeit auf Guernsey dachte? Darüber sprach er nie. Nur wenn er Halsweh hatte, dachte er an die Insel. Den Rest, den er dort erlebt hatte: Den nahm er mit ins Grab.

Rundreise Süd-Ecuador

Di., 16.Okt.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1599, 13.337 sm von HH

Es geht wieder los: Busfahren in Südamerika. Diesmal möchten wir ganz tief in den Süden Ecuadors.
Mit dem Nachtbus fahren wir über Guayaquil bis nach Zaruma. Dort sollen wir Morgen Vormittag ankommen. Der Süden wird von Touristen relativ wenig besucht. Die meisten Gäste landen mit dem Flugzeug in Quito und da liegen die Attraktionen vor der Haustür. Daher quält sich kaum jemand zwanzig Stunden im Bus nach Zaruma.
Der Ort ist so untouristisch, dass auf booking.com, meiner Lieblingsplattform zur Zimmerreservierung, kein einziger Treffer zu finden war. Ein Hotel, was ich trotzdem im Internet gefunden habe, wollten bei einer Zimmerreservierung eine Anzahlung von 50 Prozent. Ich konnte den netten Jorge überzeugen, dass wir kein Bankkonto in Ecuador haben, alles sehr schwierig ist und dass wir wirklich, wirklich anreisen. Er hat dann die Anzahlung verzichtet. Na, hoffentlich hat das geklappt.

Rundreise Süd-Ecuador

Rundreise Süd-Ecuador

Nach ein paar Nächten in Zaruma, einem alten Goldgräberstädtchen, fahren wir bis kurz vor die peruanische Grenze, nach Vilcambamba. Dann sind wir auch wieder in den Bergen, zunächst nur auf 2.000 Meter. Die Anden haben hier einen kleinen Höheneinbruch, bevor sie in Peru richtig an Höhe gewinnen.
Bei unserer letzten Rundreise sind wir ja nicht höhenkrank geworden. Ob es an der Strategie der langsamen Steigerung der Höhen lag? Ist nicht zu beweisen, aber wir halten an der Taktik fest. Auch konditionell hat das ja gut geklappt. Unsere wunderbar aufgebauten Blutkörperchen sind durch die faule Zeit im Cockpit längst abgeatmet. Die müssen wir grad wieder neu züchten.
Der dritte Stopp in Cuenca liegt bereits auf 2.500 Meter. Von hier können wir sternförmig Ausflüge unternehmen, die uns fast auf 4.000 Meter führen: Nationalparks und Inka-Ruinen. Alles gut von Cuenca aus zu erreichen. Außerdem soll Cuenca die schönste Stadt Ecuadors sein.

Wir sind gespannt. Endlich ist mal wieder was los. Die dicken Projekte sind abgearbeitet und Bahía ist doch etwas langweilig auf Dauer. Also, auf geht’s, der Bus wartet nicht.

SV Atanga – Sabine + Joachim Willner DE

LAS PERLAS UND DIE PERLENINSELN

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