Monat: Juni 2018

Benidorm: Ankern zwischen Hochhäusern. Oder: Die Zukunft unserer Städte. Wie wollen wir leben?

Auf dem Weg von Sizilien in die Bretagne erreichte ich 
das spanische Festland. Mein zweiter Ankerplatz dort nach dem beeindruckenden Felsen von Calpe: Benidorm. Wo der moderne Hoteltourismus geboren wurde.

Das Meer ist stahlblau. Keine Welle kräuselt seine polierte Oberfläche. 

Sie stehen im Morgenlicht, als wären sie übrig geblieben. Ein Relikt aus einer anderen Zeit, die Zukunft hieß. Als wären sie Kulisse eines Films gewesen, der in einer nahen Zukunft spielt. Kuben. Hochkant aufgestellte Quader. Säuberlich entlang des Küstensaums aufgestellte Bauklötze – ihre Gesichter allesamt dem Meer zugewandt. Als würden sie den Betrachter, der sich an diesem Morgen allein auf dem Meer befindet, unverwandt anblicken. Kein Mensch weit und breit.

Wer das Glück hat, Benidorm an einem Sommermorgen vom windstillen Meer aus zu sehen, kann nicht anders, als erst einmal begeistert zu sein. Bei diesem Anblick schwinden alle Vorurteile über den Massentourismus. Ja, auch Hochhausarchitektur kann Ästhetik besitzen, das wissen wir nicht erst seit Mies van der Rohe’s Seagram Building in New York, einem Meilenstein der Hochhaus-Architektur der 50er Jahre, der heute vor dem, was danach um ihn herum entstand, ganz unscheinbar wirkt. Doch das Gebäude war epochal neu in seiner Ästhetik, es nahm vorweg, was danach kam, und wurde darum überholt von allem, was sich genau an seiner wohlproportionierten Schönheit orientierte und genau diese  ab den Siebzigern einfach auf drei bis siebenfache Höhe hochrechnete.

Ankern vor den Hochhäusern Benidorms: Vor den Bauten auf dem Punta del Pinet findet man in der Cala Xio Timo einen ungewöhnlichen Ankerplatz vor dem Sandstrand.

Besteht unsere Zukunft darin, dass das, was uns heute normal erscheint, einfach ins drei bis siebenfache hochgerechnet wird, denke ich an diesem Morgen? Gut möglich. Als ich auf die Welt kam, brauchte man von München nach Benidorm noch unaussprechlich lang unterwegs. Heute geht das entschieden schneller. Als ich geboren wurde, 1960, lebten 3,0 Milliarden Menschen auf der Erde. Heute sind es 7,5 Milliarden. München, Anfang der Sechziger stadtplanerisch gefangen zwischen Kriegsschäden-Beseitigung und hastiger Wohnraumschaffung, hatte gerade die Millionenmarke bei den Einwohnern überspungen. Es kratzt heute an der 1,5 Millionen Einwohner-Marke. Wer sich heute auf YOUTUBE, dem „alte-Leute-Netflix“, verflossene München-Serien aus den Siebzigern ansieht, kann nur staunen, wie sehr deutsche Großstädte wie München überwiegend aus desolatem Altbau bestand.

Benidorm war vor 1960 ein einfaches Fischernest an der Küste. Es gab einen aktiven Bürgermeister, Pedro Zaragoza Orts, der kurz zuvor begonnen hatte, die schlammigen Gassen des kleinen Fischerortes teeren zu lassen, wie es auch im fernen Deutschland in den Dörfern auf dem flachen Land geschah. Und wie sie Wasserleitungen und Abwasserkanäle zu den Häusern graben ließ. Und der sich Gedanken über die Zukunft seines kleinen Dorfes machte. Fischerei? Schon gut. Aber der Erfolg steckte doch im sichtbar aufblühenden Tourismus. Pedro Zaragossa Orts ließ in Benidorm, um die Touristen unterzubringen, die ersten Hotelhochhäuser in Spanien überhaupt errichten. Er störte sich nicht daran, dass Spanien unter Franco noch immer eine faschistische Diktatur war. Er störte sich aber daran, dass in diesem Land Touristen das Tragen von Bikinis per Gesetz verboten war und erklärte stattdessen Benidorms Strände zur Bikini-Zone. Was gerne genutzt wurde von fortschrittlichen Spanierinnen ebenso wie von Touristinnen. Bis die GUARDIA CIVIL, Spaniens Carabiniere-Truppe, die ersten Damen wegen des Gesetzesverstoßes „Tragens eines Bikinis“ vom Strand weg verhaftete – „BILD berichtete“.

Der Bikini hat sich, wie wir wissen, heute durchgesetzt. Oder ist schon wieder out. Die Geschichte hat mal wieder „weitergerechnet“ und die vorhandenen Sommer-Stofffetzchen bis 2018 einfach weiter verkleinert.

Doch ist es nur damit getan, einfach alles hochzurechnen? Auch München stieg Ende der Sechziger in die architektonische Zukunft ein – wie Pedro Zaragoza Orts in Benidorm ein paar Jahre früher. Das ARABELLA-Hochhaus war ein Meilenstein. Von den einen verachtet als ein das Stadtbild entstellender Klotz. Geliebt von den anderen, für die das Leben in dieser Communuty aus Künstlern, Eigenbrödlern noch heute ein Stück extravaganter Teilhabe an der Zukunft ist. Wie die meisten seiner Bewohner ist auch das ARABELLA-Haus jetzt in die Jahre gekommen. Sanierungen stehen an, nicht nur an der Fassade, sondern tief an der Baustubstanz. Der Geschäftsführer des Betreibers rechnet vor, dass Abriß und Neuerrichtung dieser Immobilie weit günstiger käme als eine anstehende Kernsanierung, bei der das Gebäude für die Dauer der Arbeiten ohnehin geräumt und leerstehen müsse. Für mindestens mehrere Jahre. Was man in den Sechzigern in aller Euphorie übersah, wie gut doch alles einst werden würde, wär es nur schon da: Wie alle Gebäude benötigen auch Hochhäuser Zuwendung. Er heißt bei bei ihnen Instandhaltungsaufwand. Doch anders als ein ererbtes schlichtes Zwei-Familienhaus besitzen Hochhäuser offensichtlich ein Verfalldatum – das sich wieder einmal aus der Rechnerei ergibt.. 



Denn für die Hochhäuser werden Summen fällig, die nur eine Gemeinschaft starker Kapitalgeber stemmen kann. Man nennt sie „Investoren“, ein Wort, das mittlerweile einen bitteren Beigeschmack hat, weil man es häufig mit „Heuschrecken“ gleichsetzt. Doch selbst wenn man die Dinge einfach nur finanzmathematisch nüchtern betrachtet, ist klar, dass auch das einfache „Hochrechnen“ der Finanzierung gesellschaftlich Folgen haben wird, Gesellschaften verändern wird. Nicht mehr wer Menschen, sondern wer Geld für sich arbeiten lassen kann, hat den Schlüssel in der Hand, um zu den Gewinnern der Zukunft zu gehören. 


Doch nun brummt mir der Schädel an diesem Morgen von all der Rechnerei. Sagen wir einfach: Die Hochhäuser von Benidorm sehen an diesem windstillen Morgen vom Meer betrachtet wunderschön aus. Ob der Fischer, der auf seinem alten Kahn in aller Frühe seinem altehrwürdigen Handwerk nachgeht, das auch findet? Ich würde ihn gerne fragen, was er über die Zukunft denkt. Doch es ist nicht der rechte Ort und nicht die rechte Stunde dafür. Verschieben wir es also einstweilen.

Neues „Forum Sportschifffahrt“ gegründet

ADAC intensiviert Zusammenarbeit mit dem Deutschen Segler-Verband e.V. und dem Deutschen Motoryachtverband e.V.

Der ADAC e. V. und die beiden Spitzenverbände im Bereich Sportschifffahrt, Deutscher Segler-Verband e. V. (DSV) und Deutscher Motoryachtverband e. V. (DMYV), intensivieren ihre Zusammenarbeit und gründen das „Forum Sportschifffahrt“. Das gaben die drei Organisationen auf einer Pressekonferenz anlässlich der diesjährigen „Kieler Woche“ bekannt.

Forum Wassersport: ADAC, DMYV und DSV intensivieren ihre Zusammenarbeit

Das neue „Forum Sportschifffahrt“ hat drei relevante Schwerpunktthemen definiert, die die Verbände gemeinsam bearbeiten werden:
• Nachhaltige Steigerung der Attraktivität des Bootssports und des Bootstourismus
• Stetige Weiterentwicklung des Zugangs zum Bootssport sowie
• Nachhaltigkeit und Effizienz in der Vertretung der Interessen der Vereine und Bootssportler

Mona Küppers, Präsidentin des DSV: „Eines unser wichtigsten Anliegen ist es, den Seglerinnen und Seglern auch in Zukunft gute Bedingungen zur Ausübung ihres Sports zu ermöglichen. Deshalb freue ich mich, dass wir als Interessenvertretung künftig gemeinsame Synergien nutzen können.“

Kurt Heinen, Vizepräsident für Tourismus des ADAC e. V.: „Wir sind davon überzeugt, dass durch die vertiefte Zusammenarbeit mit DMYV und DSV im ‚Forum Sportschifffahrt’ die Attraktivität des Bootssports und Bootstourismus weiter gesteigert werden kann. Das gilt für das Sportboot-Führerscheinwesen ebenso wie für die Beratung der Skipper, etwa mit Hilfe digitaler Informationen.“

Winfried Röcker, Präsident des DMYV e. V. bekräftigt: „Durch die intensivere Zusammenarbeit der drei wichtigsten deutschen Organisationen für Bootssport und Bootstourismus können politische Entscheidungen noch effektiver mitgestaltet und im Sinne der Bootssportler bestmöglich umgesetzt werden.“

Einstimmig vertreten die drei Verbände die Meinung, dass es auch künftig einer qualitativ hochwertigen Ausbildung für den Sportbootführerschein bedarf. Im neu gebildeten „Forum Sportschifffahrt“ werden daher Ausbildungs- und Prüfungsstandards diskutiert und gegebenenfalls konkrete Maßnahmen mit weiteren Verbänden sowie dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt.

Auch die Außendarstellung der Verbandstätigkeit soll optimiert werden. Attraktivität und Sichtbarkeit der Mitgliederorganisationen werden durch zeitgemäße Mitgliederleistungen und -vorteile gemeinsam weiterentwickelt.

Nicht zuletzt bekommt die Interessenvertretung in Politik und Gremien größeres Gewicht. Durch die Zusammenarbeit des ADAC, DMYV und DSV können die Interessen der Bootssportler künftig noch besser gebündelt und vertreten werden, etwa mit Blick auf den Erhalt von freizeitlich genutzten Nebenwasserstraßen.

Seit mehr als 100 Jahren betreut die ADAC Sportschifffahrt die rund zwei Millionen wassersportaffinen Mitglieder. In dieser Zeit hat sie sich zu einem kompetenten Partner mit zahlreichen Leistungen rund um den Wassersport entwickelt. Darunter das ADAC Marina-Portal, die ADAC Yachtcharter-Suche, die bootstouristischen Informationen und der Internationale Bootsschein.

Der DMYV e. V. ist der Dachverband für den motorisierten Wassersport. Er vertritt die Interessen aller deutschen Motorbootsportler und fördert den motorisierten Wassersport – vom Breiten- über den Fahrtensport bis hin zum Leistungs- und Jugendsport. Darüber hinaus ist der DMYV e. V. Träger der nationalen Sporthoheit innerhalb des motorisierten Wassersports und ist mit der Prüfung und Erteilung des Sportbootführerscheins beliehen sowie zur Ausstellung des Internationalen Bootsscheins (IBS) ermächtigt.

Der DSV ist der Dachverband der deutschen Segel-, Wind- und Kitesurf-Vereine, der Landesseglerverbände und der Klassenvereinigungen. Mit fast 1.300 Vereinen und mehr als 180.000 Vereinsmitgliedern gehört er zu den 20 größten Spitzensportverbänden Deutschlands. Der DSV hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Rahmenbedingungen für die Ausübung des Segelsports zu verbessern und seine Mitglieder in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu zählen u.a. der Verbraucherschutz für Seglerinnen und Segler und die Vertretung ihrer Interessen. Der DSV ist vom BMVI mit der Prüfung und Erteilung von Sportbootführerscheinen und Funkzeugnissen beliehen.

Warum Bahía de Caráquez?

Di., 19.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1480, 13.337 sm von HH

Bahía ist ein 15.000-Seelen-Kaff ohne besondere Highlights.
Vor zwei Jahren hat ein schweres Erdbeben 70% aller Häuser in Mitleidenschaft gezogen. Sämtliche Hochhäuser -achtstöckig gilt hier schon als Hochhaus- sind unbewohnbar zerstört.
Das Beben hat einen kleinen lokalen Tourismus zum Erliegen gebracht. Die Wunden des Erdbebens sind lange nicht verheilt und an vielen Fassaden deutlich sichtbar.
Mit einem Ausschlag von 7,8 ereignete sich das Beben direkt vor der Küste im Norden Ecuadors und richtete in der gesamten Küstenregion große Schäden an. Ein befürchteter Tsunami blieb aus.

Bei der Anfahrt auf Bahía de Caráquez

Bei der Anfahrt auf Bahía de Caráquez

Erbebenschäden
Unbewohnbare Hochhäuser werden abgerissen und neue sind im Aufbau
Jedes Haus weißt solche Schäden auf

Ecuador gilt als eines der Erdbeben gefährdetsten Länder der Erde. Vor der Küste drängt sich die Nazca-Platte mit einer Geschwindigkeit von acht Zentimetern im Jahr unter die Südamerikanische Platte. Zusätzlich sorgen noch neun aktive Vulkane für seismographische Erschütterungen.
Die Verschiebung der Nazca-Platte ist verantwortlich für die Auffaltung der Anden, die sich nur 200 Kilometer hinter uns bis auf fast 7.000 Meter erheben.

Warum Bahía de Caràquez? Die Antwort ist einfach: weil es der einzig bezahlbare Ort für uns in Ecuador ist. Ein paar Kilometer südlich gibt es eine Marina mit der Option, die Einrichtungen eines angeschlossenen Resorts zu nutzen. Zu teuer. Über 900 USD möchte man dort monatlich sehen. Für eine kurze Zeit ist das okay, für ein halbes Jahr deutlich zu viel.

Ein Segler-Paradies ist Ecuador nicht. Vorgelagerte Inseln oder eine Küstenlinie mit sicheren Buchten gibt es kaum. Die Küste Ecuadors wird von dem ungebremsten Pazifik überrollt. Im Süden gibt es gar einen berühmten Wellenreiter-Hotspot.
Die Küstenorte bieten Seglern keinen Unterschlupf. In Manta ist die Fischerei-Flotte von Ecuador stationiert. Fünftausend Boote sind dort registriert. Schwimmende Hightech-Fischfabriken, Kutter und kleine Motorboote strömen von dort auf den Pazifik. Im Ort wird in Fischfabriken der Fang verarbeitet. Manta ist Industrie dominiert und sicherlich keine attraktiver Standort auf Dauer.
Guayquil, noch südlicher, ist eine 3,5 Millionen Stadt, deren geschützte Bucht alle Nachteile einer Großstadt mit sich bringt: schmutziges Wasser und große Distanzen.

Daher haben wir uns für Bahía entschieden. Mit 300 USD monatlich sind die Mooring-Bojen auch kein Schnäppchen. Dafür liegen wir mit einer Bug-und Heckmooring vertäut, die ein Wechsel unserer Lage bei Ebbe und Flut verhindern. Die Strömungen sind beträchtlich, in beide Richtungen fließt das Wasser zeitweise mit 2,5 Knoten.

Für 300 USD gibt es ein prima Internet, heiße Duschen, einen vernünftigen Dinghy-Steg und Wäsche-Service gegen Gebühr. Am Steg dürfen wir kostenlos Brauchwasser in Kanistern holen (unseren Wassermacher haben wir still gelegt. Wie üblich bringt auch der Chone eine Menge Sediment aus den Bergen mit und die Filter wären schnell verstopft. Außerdem gehen wir bald auf Tour und dann muss er sowieso eingemottet werden).

Ein Platz für unsere Fahrräder zum Unterstellen hat sich auch schon gefunden. Das Restaurant bietet zu guten Preisen Hamburger mit Pommes und Artverwantes. Und am Wochenende soll es sogar richtiges Essen geben, was gut schmeckt. Gene, ein ehemaliger US-Soldat und jetzt Besitzer der Marina ist ausgesprochen hilfsbereit und freundlich.

Beschauliches Bahía

Beschauliches Bahía

Touristen gibt es keine mehr auf der Promenade nach dem letzten Beben trotz kilometerlagem Flussstrand - im Hintergrund - vor der Brücke- die Marina

Touristen gibt es keine mehr auf der Promenade nach dem letzten Beben trotz kilometerlagem Flussstrand – im Hintergrund – vor der Brücke- die Marina

Marina Amistad in Bahía de Caráquez

Marina Amistad in Bahía de Caráquez

Eine Bergtour am Meer.

Auf dem Weg von Sizilien in die Bretagne erreichte ich 
das spanische Festland bei einem markanten Felsklotz, dem Penyal d’Ifac.

Wer das Meer liebt, ist ebenso gern in den Bergen. Vielleicht, weil beides Natur pur ist, ungeschminkt und rauh. Vielleicht, weil beides Erdgeschichte ist. Vielleicht, weil mich hier nichts anderes mehr ablenkt. Von mir selbst. Von dem, wo ich jetzt gerade sein will. Ich spüre mich dort am meisten, wo jede Ablenkung verschwunden ist. Nichts, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Kein Verkehr, der meine Aufmerksamkeit voll und ganz gefangen nimmt. Kein Telefonklingeln, das sie aufsaugt. Kein Geräusch, kein grellbunter Anblick, der sich meiner Gedanken unerlaubt bemächtigt, sie wegsaugt wie Radiowerbung, sie beim Schopf packt und sie willenlos hinter sich herschleift irgendwohin, wo ich gar nicht sein will. Das Meer, die Berge sind der Ort, an dem ich ich mich selber finde.

Da liegt er vor mir, der Penyal d’Ilhac, der unübersehbare Klotz, vor dem ich gestern Abend Levjes Anker fallen ließ. Ein unübersehbarer Klotz ragt der Penyal d’Ifac vor dem Ort Calpe aus dem Meer. Ein einziger Stein, 2 Kilometer lang und einen halben breit, 337 Meter hoch. Grau. Breit. Unübersehbar. Vollgesogen mit alten Geschichten. Ich lasse Levje am Morgen in der Bucht zurück rudere in meinem Dinghi hinüber und lasse es einfach an einem groben schmalen Kiesstrand zwischen zwei Felsvorsprüngen zurück wie die Häuser des Ortes, der hier endet. Eine breiter Schotterweg führt hinauf, niederes Gestrüpp, die mittelalterliche Siedlung Pobla d’Ilfac, die zu Füßen der mächtigen Steilwand liegt, muss hier irgendwo sein. Wieviel Angst um sein Leben muss, Sorge vor dem Morgen muss man haben, um sich sein Haus an einem solchen Ort zu wählen? Der Penyal d’Ilhac erinnert mich an andere Felsen, an denen ich war. Die letzte Katharerfestung in Südfrankreich, der Montsegur. Der Felsen von Monemvasia im Osten des Peloponnes. Die Klippen von Moher an der Westküste Irlands, die wiederzusehen mein heimlicher Antrieb ist, auf diese Reise um die Westküste Europas herum zu gehen.

Noch vor einem halben Jahrhundert endete vor dieser Steilwand der Weg auf den Felsen. An der senkrecht aufragenden Wand gabs kein Vorbei, kein Drüber, kein Drumherum. Vom Meer her ist der Felsen von allen Seiten unzugänglich – zu steil ragen die Klippen aus dem Meer, und so sehr sich mancher Krieger bei seinem Anblick ausgemalt haben mag, wie unbezwingbar die eigene Festung auf dem Gipfel des Penyal d’Ilhac wäre: Es gab keinen Weg, dort oben eine zu errichten. Die Felswand sperrte die Insel, die nur von kreischenden Möwen und einer Handvoll Turmfalken besiedelt wird, gegen die Welt ab.



Um 1960 herum kam man auf die Idee, für die Besucher eine Attraktion zu schaffen. Man grub an der Ostseite, wo die Steilwand am schmalsten ist, einen mannshohen knapp hundert Meter lange Höhle mit einem Ausgang auf der anderen Seite der Steilwand. Langsam klettere ich in den Tunneleingang, gewöhne meine Augen ans Licht. Der Boden ist holprig, keine Treppenstufen, doch grob gemeisselte ruppig rutschige Erhebungen im Boden. Zwei Ketten an der Wand, an der sich ein Pärchen, das mir von oben entgegenkommt, langsam über die den marmorglatten Boden in Turnschuhen zum unteren Ausgang bewegt.



Dann bin ich durch. Unter mir das Meer. Über mir die Möwen. Der Weg ist gut, ein gut ausgebauter Gebirgspfad, an Engstellen oder über Abgründen geben Ketten sicheren Halt. Auf meinen ersten Segelreisen nach Griechenland oder in Türkei habe ich mir angewöhnt, solche Touren in Flipflops zu machen. Das klingt zunächst verrückt – ist es aber nicht. Ungeeignetes Schuhwerk wie Flipflops zwingt zu einer ganz anderen Art des Gehens. Ich begann, im felsigen Gelände auf jeden meiner Schritte zu achten, nirgendwo meinen Fuß unbewusst aufzusetzen. Flipflops zwingen zur Achtsamkeit bei jedem Schritt. War ich nicht konzentriert, schlug ich mir die ersten Male ganz schnell den Zeh blutig. Das passiert mir nur die ersten Male. Danach wusste ich, dass ich meinen Fuß erst aufsetzen konnte, wenn ich genau wusste, wohin ich ihn aufsetzte. Richtig in Bergen gehen, den Boden nutzen, nicht gegen den Boden zu gehen, habe ich erst in Flipflops gelernt. Nicht in Bergschuhen, mit denen man den Fuß im sicheren Gefühl guter Ausrüstung einfach gedankenlos überall hinsetzt.



Der Penyal d’Ilhac ist gerade mal 337 Meter hoch. Keine große Sache, möchte man denken, doch der Klotz kann es in sich haben. Der Weg wurde nun schwieriger. Glattgeschliffene rutschige Buckel mit tiefen Furchen darin, es war ein ums andere Mal schwierig, für den Fuß den richtigen Ort zu finden. Diesmal war ich froh um die Zustiegsschuhe, die ich mir vor wenigen Wochen für Touren wie diese geleistet hatte. Doch selbst mit fester Sohle war es nicht einfach, guten Tritt zu finden, selbst wenn das ganze nur ein ansteigender Weg und keinesfalls Kletterei war. Die meisten der Pärchen, denen ich begegnete, trugen einfache Sniker oder Ausgeh-Sandalen. Mit Bergschuhen oder Zustiegsschuhen waren die wenigsten unterwegs.

Gegen Mittag gabelte sich der Weg geradeaus ging es weiter zum südlichen Aussichtspunkt. Nach rechts zum Gipfel, wo die Möwen kreischten. Jetzt war ich schon soweit oben – die halbe Stunde schaffe ich jetzt auch noch da hoch. Ein Schild warnte: „Muy peligro“ – so schwierig kann das doch nicht werden. Doch der Weg verschwand. Er war jetzt nur noch eine gedachte Linie roter Punkte, die in den steil abfallenden Karen über zerfurchte Felsplatten, glatt geschliffene Buckel, senkrecht aufstehende Felsklingen führte. Das war nicht ohne – eben nicht klettern. Aber ein Weg, der den Namen nicht unbedingt verdiente, mühsam war. Wege: Noch vor dreihundert Jahren waren selbst in unseren Breiten Wege anders als heute nicht gepflegt, sondern ungewartet. Und ohne Nutzung.

Das tückische an solchen Wegen ist: Hoch kommt man meistens. Der Abstieg ist bei solchen Wegen die Schwierigkeit. Ich bin nie geklettert. Doch die wenigen Male, die ich es versucht hatte, hatte sich mir tief eingeprägt: Hoch kommt man immer – weil man die Schwieirgkeit, den richtigen Tritt, den Halt zu finden, auf Augenhöhe vor sich hat. Der Abstieg ist stets das Schwierigere, weil man das Problem nicht mehr auf Augenhöhe hat.

Dann der Gipfel. Ganz oben auf dem Berg. Ein Plateau. Ein weiter Blick in die Ferne. Möwengeschrei. Klippeneinsamkeit.  

Levje in der Bucht vor dem Strand von Calpe.

Als ich von meiner Bergwanderung zurückkomme, steht der Wind in die Ostbucht, Levje hängt unter vollen Zug an ihrem Anker und wippt in den Wellen. Zeit, loszurudern. Ich habe Mühe, in „Peanuts“, meinem kleinen 1,60m großen Dinghi zu Levje gegen den Wind zurückzurudern. Immer wieder vertreibt mich der Wind, schwappen Wellen ins Dinghi. Ich muss kraftvoll rudern. Und überhöre fast das Knattern eines Rettungshubschraubers, der über dem Penyal d’Ifac steht. Kurz oben am Grat niedergeht. Und lange 10 Minuten braucht, um zwei Menschen am Drahtseil abzubergen.

Er kann es in sich haben. Der Penyal d’Ifac.

Einklarieren in Ecuador

Di., 12.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1472, 13.337 sm von HH

Am Tag nach unserer Ankunft kommen die Offiziellen an Bord: Vier Mann und eine Frau werden mit einem kleinen Kahn zu uns gebracht. Eine wilde Fragerei prasselt auf uns ein. Die Dame von ‚Gesundheit‘ lässt sich unsere Medikamente zeigen und erkundigt sich, wogegen sie sind. Ein Schapp mit Vorratsdosen wird inspiziert und tatsächlich das Haltbarkeitsdatum kontrolliert.
Sie geht allerdings nicht selbständig an Schränke, sondern ist zufrieden mit dem, von mir präparierten, Fach. Dass wir im großen Stil preiswertes Bier und Wein aus Panama ins Land schmuggeln, kümmert keinen.

Gonzo hält ebenfalls den Kopf flach und zeigt sich nicht. Von den drei zugelaufenen Geckos ist er der einzige der noch bei uns ist. Die anderen haben wir vermutlich in der Shelter Bay Marina mit unserer letzten Schlauch-Putz-Aktion von Bord gespült.

Unsere Gelbfieberimpfung kontrolliert die Gesundheits-Tante ebenfalls. Die ist elf Jahre alt und wird von ihr anstandslos akzeptiert. In den letzten Jahren hat sich die Auffassung der WHO wohl herumgesprochen, dass eine Gelbfieberimpfung ein Leben lang hält (und nicht nur zehn Jahre, wie mal angenommen).

Viele Formulare und Fragen später, über unsere Seenot-Rettungs-Signale, unser Notruder, der frisch gewarteten Feuerlöscher und anderer Kleinigkeiten, sind wir fertig und bekommen einen Stempel für drei Monate. Alle sind ausgesprochen höflich und korrekt. Von uns angebotene Cola Dosen werden ‚für später‘ mit von Bord genommen.

Das Cockpit voll mit Immigration- und Gesundheits-Inspektoren

Das Cockpit voll mit Immigration- und Gesundheits-Inspektoren

Wir sind nicht die einzigen Segler in der Marina: die ‚Kokopelli‘ aus USA und die ‚Alrisha‘ aus Österreich kennen wir bereits. Neu dazu kommt die ‚Taitonga‘ aus Frankfurt.
Somit wird der erste Abend gleich ein buntes Treffen alter und neuer Mitsegler. Allerdings sind fast in Aufbruchsstimmung. In drei Wochen werden wir wohl recht einsam sein, wenn nicht Frischfleisch nachrückt und sich die ‚Alrisha‘ noch auf Landreise in Peru befindet.

Die Alrisha bei unserer Ankunft

Die Alrisha bei unserer Ankunft

Das Mooringfeld mit einer Handvoll Gast-Yachten - Hinter den Segelbooten tauchen die Sandbänke bei Ebbe auf

Das Mooringfeld mit einer Handvoll Gast-Yachten – Hinter den Segelbooten tauchen die Sandbänke bei Ebbe auf

Von Ibiza zurück zum spanischen Festland. Ein unvergesslicher Morgen.

Auf meiner ersten Etappe für mein neues Buchprojekt 
bin ich auf Levje nach Menorca und Mallorca nun auf der westlichsten Balearen-Insel Ibiza angekommen. Und breche zurück zum spanischen Festland auf.

Anders als viele andere Gegenstände des täglichen Lebens kennt man sein Schiff auf vielerlei Arten. An seinem Äußeren, weil man sich bestimmte Stellen am Rumpf gemerkt hat, an denen der Lack weg ist. An den Geräuschen, die ein Schiff beim Segeln produziert, die einen nerven, wenn sie da sind. Oder besorgt dreinblicken lassen, wenn sie einmal nicht da sind. Ich kenne mein Schiff an seinem Mast, ertappe mich dabei, wenn ich irgendwo in der Stadt unterwegs war und mich dem Hafen wieder nähere, unwillkürlich nach dem einen Mast Ausschau halte, den ich unter hundert anderen im Hafen kenne. Levje II hat wie ihre Vorgängerin ein 7/8-Rigg, bei dem das Vorstag nicht im Masttopp, sondern 1/8 darunter angeschlagen ist.

Sein Schiff kennen heißt aber auch, die Signale zu kennen, die mein Schiff mir gibt, wenn ich in den Wellen zuviel gerefft habe und sie plötzlich zu stark zu geigen anfängt. Das Geklapper im Rigg zu deuten. Und auszureffen. Oder zu wissen, wenn ich ihm zuviel zugemutet habe.

Um halb sieben schlich ich mich auf leisen Sohlen aus dem Hafen von Sant Antoni de Portmany im Nordwesten Ibizas. Leise, weil alle meine Nachbarn noch schliefen und nur die Fischer auf der Pier gegenüber vor ihrer kleinen Hafenbar beim Auslaufen lärmten. Es war ein prächtiger Morgen. Tiefblauer Himmel. Absolute Windstille. Nur einmal die Ahnung einer Böe aus Nordwest, leicht, doch unmissverständlich. Sonst störte nichts die Schönheit und Majestät dieses Morgens auf dem Meer. Ich legte leise ab. Und sank hin beim leisen Tuckern von Levjes Motor und dem majestätischen Vorbeigleiten an den verschlafenen Hafenliegern nach dem Gröhlen und Lärmen in der Nacht.

Hätt ich nur mal ein bisschen die Augen aufgemacht. Wär ich nur aufmerksamer gewesen. Denn kaum hatte ich die Hafenmole hinter mir, kam uns arger Schwell aus Nordwest entgegen. Mein Schiff war nicht seeklar, ich hatte nichts aufgeräumt: Alle Fender noch draußen. Alle Leinen lagen an Deck, wie ich sie losgeworfen hatte. Unter Deck stand das Frühstücksgeschirr und die Thermoskanne noch neben der Spüle. Wenn mich etwas aus der Fassung bringt, dann sind es Leute, die ihr Schiff aus dem Hafen steuern, wenn es noch nicht seeklar ist.



Während ich überlegte, ob umdrehen und im Schutz der Hafenmole erstmal aufräumen nicht die bessere Lösung wäre, kam schon die unmissverständliche Antwort von unten. Das erste Poltern von Dingen, die nichts mehr an ihrem Platz hält und sich freudig über den Boden ergießen. Ein dumpfes Wumms als Abschluß. „Lieber Gott, lass es die Bücher sein. Und nicht die Kamera. Oder das Macbook. Oder die Thermoskanne.,“ denke ich, während ich die Fender am Seezaun staue. Levje jachtert schlimm in den Wellen, im Nu habe ich 17, 20 Knoten Wind auf dem Windmesser. 
„Jetzt mach aber fix, dass Du Deine Segel endlich hochkriegst.“ Starkwind, Böen, das Auf und Ab in den Wellen in der Bucht von Sant Antoni: Das ist alles so gar nichts für eine Ausfahrt unter Motor. Es ist mal wieder der Moment, wo man wie der hinduistische Gott Schiwa gerne viele Arme gleichzeitig hätte, um alles zu regeln und meine Welt im Gleichgewicht zu halten. 



Endlich stehen die Segel. Jetzt abfallen auf den richtigen Kurs, den die elektronische Seekarte vorgibt. Doch dann sehe ich, dass unser Kurs, den ich eingab, zwischen den westlich vorgelagerten Inseln hindurchführt. Ibiza ist anders als ihre Schwestern, die Insel der überspülten Riffe und Felsen, man findet viele hier, die man nur bei Wind erkennt, weil sich dann die Wellen daran brechen. Wo wir durch sollen, ist es gerade mal eine zwei Fußballfelder breite und nur 4 Meter tiefe Passage zwischen den Untiefen. Bei diesem Seegang und unseren 2 Metern Tiefgang scheint mir das ein unkalkulierbares Risiko – noch dazu, wo ich die Passage nicht kenne und selbst bei ruhigem Wetter noch durch bin. Also in den sauren Apfel beißen und die 4 Seemeilen Umweg um die Insel machen: Hoch an Wind, der Windmesser geht über 20 Knoten, und auch gleichzeitig das Vorsegel mit aller Kraft dicht ranholen und das Groß reffen. Shiva, der vielarmige Gott der Glückverheißung möchte ich gerade jetzt sein. Bei Windstille nehme ich mir vor, nachzulesen, wofür er sonst noch alles steht. 

Zwei Wenden, die mir so gotteslästerlich schlecht geraten, dass selbst die Riesen-Motoryacht, die wegen der Wellenhöhe ganz demütig nahe an meinem Bug verbeischleicht, irritiert dreinschaut. Naja, wir sind wohl nach zwei Hafentagen auf Ibiza etwas aus der Form. Doch dann haben wir die Nordumfahrung der Felsen von Sa Conillera erreicht. Ich halte gut Abstand – NAVIONICS sagt, dass eine halbe Seemeile vor den Felsen die Wassertiefe nur sieben Meter beträgt. Vorsichtshalber fahr ich also einen ganz großen Bogen. Kaum vorbei, muss ich feststellen, dass mein Tiefenmesser unverändert 79 Meter anzeigt und NAVIONICS halt von der Zahl „79“ mal eben die „9“ wegließ und nur die „7“ übrigblieb.



Mich darüber zu wundern, bleibt wenig Zeit. Mein Segeltrimm stimmt nicht. Ich rutsche im starken Seegang auf meinem Lieblingssitzplatz hinter dem Steuer einmal die Schiffsbreite entlang auf die andere Seite, wo die vorstehende Schotklemme mich schmerzhaft stoppt und mich an meine morgendliche Dämlichkeitkeit erinnert. 

Doch irgendwann sitzt alles. Die 20 Knoten Wind werden bei 8 Knoten zu purer Lust. Der Anblick der unbewohnten Felseninsel hinter den Wellenkämmen, das Schweben der Möwen über den Inseln: Meine Welt ist wieder in Ordnung. Ich bin wieder da, wo heute morgen alles begann: Was für ein schöner Morgen.

Wenn da nicht das Gefühl bliebe, die Dinge mal wieder alles andere als souverän angepackt zu haben. Ich denke in solchen Momenten oft an Gudrun Caligaro, die Einhandsegelerin, die mit Mitte 40 die Welt auf einem 8-Meter-Schiff umrundete und auf der ganzen Strecke nur sieben Mal anlegte, weils gar so schön war da draußen. In Ihrem Buch mag ich die Stellen, in denen sie streng mit sich ins Gericht geht und sinngemäß schreibt: „Nicht mein Schiff ist irgendwie unzulänglich. Oder das Meer. Ich allein bin es, dessen Unzulänglichkeit mir und meinem Schiff hier draußen immer wieder Probleme schafft.“

Sechs Stunden später. Es ist halb eins. Seit fast drei Stunden sehe ich das spanische Festland halbrechts vor mir. Ich habe jetzt die Hälfte der 68 Seemeilen bis nach Calpe geschafft. Nicht nur ich überlege, einzuschlafen, der Wind hat gerade die gleiche Idee. Mit einem kurzen Nickerchen wirds deshalb nichts, weil ich zur Sicherheit das Radar mit eingestelltem Alarm mitlaufen lasse. Alle zwei Minuten ertönt jetzt „Kolisionsalarm“, wenn ein Schiff in meine vor mir definierte „2-Meilenzone“ eindringt. Die Technik ist sinnreich und funktioniert. Doch sie ist nervig, wenn wie jetzt vor dem Festland der Schiffsverkehr deutlich zunimmt. Tatsächlich ist hier viel los. Segler, Fähren, Motoryachten – und Containerschiffe. Denn die Balearen-Inseln sind nur zum allerkleinsten Teil „Selbstversorgerer“. Jede Tüte Spaghetti, jede Tube Zahnpasta, jeder Kochtopf, jede Steckdose, jede Radmutter: Alles und jedes wurde und wird für die 875.000 Mallorquiner, die 95.000 Menorquiner, die 140.000 Ibithenk und 12.000 Formenteros  auf Containerschiffen. Und für die fast 14 Millionen jährlichen Besucher der Balearen auch. Die Inseln hängen am Tropf, was ihre Versorgung angeht, sind sie ausgesprochen fragile Existenzen. Oder maßlose Verschwender wertvoller Ressourcen – je nachdem. So wie wir alle.



So geht Levje die zweite Hälfte der Tagesetappe jämmerlich klappernd im alten Mistral-Schwell an. Meinem müdes Hirn malt erst eine Glühlampe, das Zeichen für „Idee“, und dann das große gelbe Blisterteil an die Innenwand seines Gehäuses. Aber Lust auf einen erneuten unfreiwilligen Tauchgang wegen „Schot-im-Propeller“ hab ich heute keine. Ich lasse das. Und freue mich lieber am Anblick des markanten, großartigen Felsens von Calpe, der am späten Nachmittag vor mir auftaucht und vor dem ich ankern und draußen die Nacht verbringen will. Vielleicht geh ich ja morgen da hoch? Wer weiß?

Golden Globe Race – Update

SAME PROCEDURE AS EVERY DAY?

GGR # 3

Durch Wasser und Wälder …

  Liebe Leser, wer unseren Tracker bei Marinetraffic verfolgt, hat schon gesehen: Wir haben unser übliches Revier in den Bahamas verlassen und uns nach Norden bewegt. Von Nassau aus sind wir zunächst nach West Palm Beach in Florida gesegelt, um…

SV Goyave – Daniel Jouve FRA

30.000 SM SINGLEHAND AROUND THE WORLD – TODAY

Dear Peter,
You haven’t heard from me since a long time, have you?
But, today I just cross a key milestone along my journey: 30,000 miles of singlehanded sailing around the globe and I wanted to share this event with you. 30,000 miles of which probably 29,950 have been steered by « Peter » my WindPilot Pacific.

FANTASTIC is the word which comes to my mind when I realize the massive work « he » has been doing during these past 11 years.
Winds from 4 to 45 knots from any directions, crossed swells up to 6m, Peter doesn’t mind, keeping Goyave (my Ovni 36) on track with a terrific precision.

Who said that wind vanes don’t perform well downwind? Surely not WindPilot!

How much care did I give to this outstanding crew member? Nearly nothing! Of course, replacing the steering lines and the blocks a few times as well as the  teltale so efficient by light winds, but NOTHING ELSE in 30,000 miles. That’s incredible!

I have a little tradition, but please keep it for you ok? After each substantial passage, I make a toast of my favorite single malt with him.

All this to say how much thankful I am to you and my best companion.
Thank you some much for this brilliant creation, Peter.
Your most rewarded customer.

Daniel & Goyave 14.06.2018 from Belitung, Indonesia

Über die Barre in den Rio Chone

Mo., 11.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1471, 13.337 sm von HH

Die Nacht verbringen wir im sogenannten ‚waiting room‘ am Anker. Bereits nach wenigen Minuten ist klar, warum der ‚waiting room‘ nicht Ankerplatz genannt wird. Es ist nämlich gar kein Ankerplatz – die Dünung vom Pazifik rollt ungebremst auf uns zu. Wir haben mehr Seegang als auf der gesamten Tour. Bei Ebbe kommt die Strömung aus dem Fluss und wir liegen unglücklich mit dem Heck gegen die Wellen. Der Druck ist so enorm, dass ein 16 mm Tampen wie ein Bindfaden reißt. Dieser Tampen hält unsere Ankerkralle, besser gesagt, hielt unser Ankerkralle, denn nun liegt sie auf dem Meeresboden (Eine Ankerkralle dient dazu, den Zug der Kette von der Winsch zu nehmen und sie somit zu entlasten. Die Kralle wird in ein Kettenglied eingehengt und der Tampen am Bug des Schiffes belegt. Nun wird ein Stück Kette herausgelassen, so dass die Kette in einer Bucht lose und ohne Zug auf der Ankerwinsch liegt).

Über Funk melden wir uns in der Marina ‚Puerto Amistad‘. Dort haben wir eine Boje reserviert. Gene, der Chef der Marina schickt uns Ariostos als Lotsen. Eine Stunde vor Hochwasser können wir in den Chone rein. Aber Ariostos ist nicht zufrieden: „Heute stehen ungewöhnlich hohe Wellen vor der Flussmündung. Ihr müsst bis Hochwasser warten.“ Über Handy steht er in Kontakt mit seinen Kollegen in einem kleinen Motorboot. „Wie hoch sind die Wellen? Okay, jetzt soll es los gehen.“

Ariostos übernimmt das Ruder. Die Wellen werden durch abnehmende Wassertiefe immer steiler. Sie heben uns sacht an und nehmen uns im Surf mit auf ihren Weg. 6 Knoten, 7 Knoten, fast 8 Knoten Speed bekommen wir auf die Logge. Ariostos tut cool: „Alles gut!“
Als wir die flachste Stelle passieren, ist er dann aber auch sichtlich erleichtert: „Perfecto! Todo es perfecto“! Beim Skipper ist eher nichts perfekt, der wischt sich heimlich die feuchten Hände an der Hose ab.

Wir tuckern dann noch eine Meile flussaufwärts. Hinter einer Kurve des Chone liegt Bahia de Caraquez. Eine Marina mit Stegen ist ‚Puerto Amistad‘ nicht. Es gibt Mooringbojen, die als sicher gelten und offensichtlich auch gewartet werden. Hier können wir Atanga beruhigt alleine lassen, wenn wir Landausflüge unternehmen.

Hier noch ein paar Bilder unserer düsteren, sonnenlosen, aber ruhigen Überfahrt:

Blick nach hinten
Blick nach vorn
Wenn du weißt, gleich geht es wieder los
Und wieder eine Walze in der blauen Stunde

Hoffnung für eine Stunde, es zieht wieder zu

Hoffnung für eine Stunde, es zieht wieder zu

Fischer kommen morgens zum 'hallo' sagen vorbei

Fischer kommen morgens zum ‚hallo‘ sagen vorbei

Tramper

Tramper

Schietwetter
Pechschwarze Nacht und dann auch noch Regen
Schnittchen vom Käpt'n geschmiert
Jede Sonnen-Minute ist ein Geschenk

Dusche bei fast Flaute am ersten Tag

Dusche bei fast Flaute am ersten Tag

Musikalische Videobotschaft für die Glüxpiraten

 Video
Meine musikalische Videobotschaft für Babs und Eric von den https://gluexpiraten.de/
Mit Bordmitteln komponiert, produziert & gefilmt. Man verzeihe mir die Textunsicherheit. Gleichzeitig Filmen, Spielen, Singen und Segeln überstieg etwas meine Multitaskingfähigkeiten für diesen nagelneuen Song.

Bergauf gehts

Bevor es am 8. Juni weiter geht, treffe ich mich am Abend vorher mit Dietmar, an Bord seiner Segelyacht O.ELA zu einem Sundowner. Man ist das lange her, dass ich einem anderen Einhandsegler begegnet bin.
Dietmar ankert am anderen Ende dieses Baggersees und so fahre ich etwa eineinhalb Kilometer mit dem Schlauchboot zu ihm rüber.
Er ist vor einigen Wochen in Neuss gestartet und kommt jetzt die Donau runter. Mit O.ELA will er bis nach Griechenland segeln. Und so tauschen wir Erfahrungen aus und plaudern übers Leben. Ein richtig cooler Abend war das.
Als ich zurück zu Nomade fahre, ist es bereits dunkel. Ich packe nur noch schnell den Außenborder und das Schlauchboot weg und falle schließlich in die Koje.

Die Fahrt am nächsten Tag verläuft unspektakulär, ja fast schon langweilig. Am Nachmittag biege ich in einen breiten, aber flachen Altarm ein und nehme mir viel Zeit fürs loten.
Nachdem der Ankerplatz erkundet und der Haken eingefahren war, habe ich mich auf die Nacht vorbereitet und bin früh schlafen gegangen. Heftige Gewitter waren angekündigt und es hat nicht lange gedauert, da war ich wieder hellwach. Um mich herum ein regelrechtes Feuerwerk. Ich kann mich an kein heftigeres Gewitter vor Anker erinnern, als an jenes in dieser Nacht. Drehende Sturmböen, die dafür gesorgt haben, dass der Anker ausgebrochen ist und Regen, als hätte jemand dort oben Tore geöffnet.

Während der Fahrt am folgenden Tag, wäre ich nach etwa 2 Stunden am Steuer am liebsten wieder schlafen gegangen, so müde war ich durch die nervige Nacht.
Aber wenigstens war die geplante Strecke an dem Tag nicht so lang.
Gegen 10 Uhr war ich in Komarno, in der Slowakei und habe dort an der allerersten (für mich benutzbaren) Tankstelle seit dem Schwarzen Meer festgemacht. Ein Anruf und wenige Minuten später war der Besitzer da und hat mir den Tank gefüllt. Endlich keinen Diesel mehr schleppen!
Kurz nach dem Boxenstopp habe ich den Anker an einem der letzten guten Plätze in der Slowakei fallen gelassen. Auf der Innenseite einer Kurve, mit gutem Abstand zum Fahrwasser. Im laufe dieser Reise sind mir diese Plätze mit die liebsten geworden. Das Boot liegt mit ein wenig Justage an Ankerkette und Leinen wie angenagelt im Strom, egal aus welcher Richtung der Wind kommt.
Und während ich so da liege, baut am Ufer neben mir ein Angler sein Gerät auf und holt kurze Zeit, nachdem die Ruten ausgeworfen sind, einen Recurvebogen und einen kleinen Cube als Ziel raus. Da war ich überrascht und fast neidisch. Sabrina und ich gehen ebenfalls unheimlich gerne Bogenschießen, kommen aber viel zu selten dazu, weil es nicht viele Parcours in unserer Umgebung gibt und öffentliche Flächen durch Überregulierung kaum noch legal begehbar und erst recht nicht benutzbar sind.
Ich habe jedenfalls mit Genuss durchs Fernglas zugeschaut. Der Typ war wirklich gut. Kein Pfeil ging daneben.

Ok, nächster Tag!

10. Juni, 80 Kilometer, Geschwindigkeit wegen starkem Gegenstrom oft nur noch 5 Ka Em Ha! Achso, ne Schleuse war auch noch mit dabei, inkl. Wartezeit, aber danach ging es im Oberwasser auch wieder zügig vorwärts. Oberhalb der Schleusen steht das Wasser ja quasi, weil es aufgestaut ist.
Leinen waren dann, nicht weit vor Bratislava, an einem schwimmenden Restaurant auf der Ungarischen Seite der Donau fest und hier wurde Nomade zu meiner Überraschung regelrecht gefeiert. Für mich ist es halt ziemlich normal, zu sagen, dass ich aus Istanbul komme, wenn ich gefragt werde: „Woher?“ Aber so langsam werden die Reaktionen doch immer ausgefallener, auf diese Antwort.
Immer mehr Leute wurden dazu geholt, Fotos gemacht und ich musste einige Hände schütteln.
Die Begeisterung lag sicherlich auch daran, dass hier eine Segelschule ihren Liegeplatz hat. Die erste, die ich in der Donau sehe.
Wenn ich so daran zurück denke, wie ich selbst vor wenigen Jahren meinen ersten Schein gemacht habe und mir vorstelle, dass da ein Einhandsegler von so weit her vorbei gekommen wäre, ich wäre mit Sicherheit genauso aus dem Häuschen gewesen.
Eine Ketsch war jedenfalls noch nie hier, meinte der Segellehrer…

Ich hätte am liebsten noch länger mit den Leuten dort gequatscht, aber ich musste nochmal los. Meine Euros gingen mir nach dem Boxenstopp in Komarno so langsam aus, also bin ich am Abend mit dem Faltrad nochmal 19 Kilometer geradelt, um den Vorrat an Scheinen wieder aufzufüllen.

Schlafen!

Weiter bergauf!

36 Kilometer, noch langsamer als gestern! Zermürbend!

Leinen fest in einem Behördenhafen in Österreich. Ich bin den Leuten vor Ort ziemlich dankbar dafür, dass ich dort festmachen durfte, denn eigentlich hätte ich ohne Erlaubnis nicht mal dort reinfahren dürfen. Man hätte ein Bußgeld verhängen können, hat man aber nicht.
Nicht unerwähnt sei allerdings, dass ich mit 3 verschiedenen Institutionen telefonieren und diskutieren musste, um die Erlaubnis zum übernachten zu bekommen.

12. Juni

52 Kilometer, 13 Stunden, nochmals langsamer als am Vortag. Laut Schifffahrtsbehörde ist das heutige Teilstück in den Donauauen das schwierigste und weist das stärkste Gefälle im gesamten Fluss auf. Und das merkt man auch. Negativrekord: 0,6kn Fahrt über Grund auf der Innenseite einer Kurve, bei 6,8kn durchs Wasser!
Anker fallen lassen um 22 Uhr unerlaubterweise in einem schmalen Altarm. Warum ist schnell erklärt:
Alle kleinen Häfen in und um Wien sind für Nomade entweder zu flach, die Stege zu filigran, die Marina nicht erreichbar, bzw. voll.
An der Schleuse Freudenau habe ich darum gebeten, für ein paar Stunden Schlaf im Wartebereich festmachen zu dürfen. Antwort: „Nein!“
Das war kurz vorm dunkel werden, bei Regen und Gewitter.
Nach mittlerweile mehr als 350 verschiedenen Schleusen im Laufe der Zeit, bei denen ich an einigen (gerade spät Abends) ein paar Stunden oder sogar Tage bleiben durfte, war diese Absage hier in Freudenau eine Premiere. Ist mir noch nie zuvor passiert und ich hatte absolut (gerade in der Situation) nicht damit gerechnet.

Also weiter, jeden Ponton und jede Kaimauer abgesucht, so lange ich noch etwas sehen konnte. Aber überall Verbotsschilder. Verbotsschilder für alle, Verbotsschilder für Kleinfahrzeuge. Nomade ist nun mal ein Kleinfahrzeug, auch wenn sie mit knapp 15m Länge über alles und 20 Tonnen Gewicht, gar nicht so klein ist. Aber sie ist halt zu klein für die Plätze der Großen und zu groß für die meisten Yachthäfen. Das war mir natürlich vorher klar, aber das in Wien wirklich jede noch so kleine Kaimauer mit Verbotsschildern zugepflastert ist, war enttäuschend.
Also blieb nichts anderes, als dieser (ebenfalls illegale) Abstecher in den unsicheren Altarm. Hier hat mich wenigstens im Dunkeln keiner gesehen.
Entsprechend früh bin ich weiter, wieder auf der Suche nach einem Liegeplatz. Mir ging es nach den anstrengenden Tagen gar nicht mehr darum, vorwärts zu kommen, ich wollte einfach nur mal irgendwo in Ruhe bleiben. Und so habe ich am13. Juni eben alle Möglichkeiten auskundschaftet, mit dem Ergebnis, dass ich am Telefon überwiegend niemanden erreicht habe.
In einem Yachthafen, der tief genug war, mit stabilen Stegen und der theoretisch Platz geboten hätte, habe ich jemanden erreicht. „Theoretisch Platz“ hieß in der Praxis: Man hätte ein Boot am langen Steg ein Stück vorziehen müssen, dann hätte es gepasst. Antwort am Telefon: „Nein, da ist ihr Boot zu groß für. Da liegen ja schon zwei Mitglieder… bla, bla, bla… versuchen sie es doch mal dort…“

„Dort“ habe ich es dann versucht und der Platz war wirklich vielversprechend. Ein Anleger der Stadt und der Werft. Unterhalb der Überschrift stand auf einem Schild geschrieben: „Da bleibt man gerne liegen.“

Also hab ich die Leinen fest gemacht, gerne meine Papiere geschnappt und bin ins erstbeste Büro getigert, welches ich finden konnte. „Nein, hier sind sie verkehrt, sie müssen dort fragen.“
Nächstes Büro: „Nein, hier sind sie verkehrt, sie müssen dort fragen.“
Richtiges Büro: „Ja, bei mir sind sie richtig.“
Richtiges Büro: „Sie liegen wo? Ja, prinzipiell können sie da schon bleiben, aber ich bin nicht befugt, das zu entscheiden. Da müssen sie…“

Während mir die wirklich hilfsbereite Dame alle wichtigen Kontaktdaten des Entscheidungsträgers aus dem Computer rausgesucht und aufgeschrieben hat, kam ein anderer (wichtiger) Entscheidungsträger zufällig ins Büro und hat mir eine Absage zum Festmachen erteilt. Wortwörtliche Begründug: „Da haben mal welche Müll abgeladen und … nein, also … nein. Da bleiben? Nein, das geht überhaupt nicht.“

Dabei dachte ich, ab hier wird alles einfacher…

Jetzt liege ich an der Schleuse Greifenstein. Die haben es mir offiziell (wobei, so sicher bin ich mir da nicht) erlaubt.

Seit heute morgen ist Hochwasser. Die Pegel steigen kräftig. Ist mir aber ehrlich gesagt egal. Ich brauche sowieso ne kurze Pause.

Achso, Bilder! Ja, hab ich jede Menge gemacht, aber zum bearbeiten und hier reinbasteln fehlt mir gerade echt die Lust. Habt ihr hoffentlich Verständnis für. Mache ich vielleicht mal nachträglich…