Spektakulärer Start in die Kieler Woche 2020

Der Termin ist ein anderer, das Spektakel auf dem Wasser bleibt. Auch nach der Corona-bedingten Verlegung vom Juni in den September geizt die Kieler Woche nicht mit aufregenden Segelmomenten. Seesegler*innen und Zuschauer*innen an der Kiellinie surften mit dem Start ins Geschehen gleich auf einer Adrenalinwelle. 130 Yachten wurden vor dem Sportboothafen Düsternbrook auf die Mittelstrecke geschickt, die dänischen Profis um Nicolai Sehestedt versuchten auf ihrem fliegenden Kat den Angriff auf die Rekordzeit Kiel-Eckernförde, und der holländische Renner „van Uden“ schlug auf der Startlinie quer und legte sich vor der Flotte der Teilnehmer um die Deutsche Seesegel-Meisterschaft auf die Seite.

Doch der Reihe nach: Wind aus West, ein grauer Himmel mit blauen Flecken und ein paar Schauern bildeten das Szenario zum ersten Tag der Kieler Woche. Kein Problem für die Seesegler, wird dieses Wetter der Kieler Woche doch seit Jahren als typisch angedichtet. Mit dem ersten Start wurde es auch sofort rasant. Die Multihulls wurden auf den freien Weg nach Eckernförde geschickt – mit einer klaren Ansage des dänischen Rockwool-Teams. Die Katamaran-Experten sind seit diesem Jahr Part des hochprofessionellen SailGP-Circuits. Da die Formel eins des Segelsports aber pausiert, haben sich Steuermann Nicolai Sehestedt und seine Crew die Rekordjagd in der Ostsee zur Aufgabe gemacht. Der Kieler-Woche-Auftakt mit der Regatta Kiel-Eckernförde stand dabei auch im Fokus des rot-weißen Teams, das dafür seinen foilenden GC32 auf den Kurs brachte.

Die Referenzzeit auf dem knapp 30 Seemeilen langen Kurs zwischen Kiel und Eckernförde steht seit 2014 bei einer Stunde, 47 Minuten und 22 Sekunden durch den 70-Fuß-Trimaran Musandam-Oman Sail. Die „Rockwool“ ist zwar nur halb so groß, schaltet aber mit seinen Foils auf Flugmodus. Und mit dem Start hoben die Dänen auch gleich ab. Punktgenau mit dem Startschuss rollten sie den Gennaker aus und zogen dicht an der Kiellinie entlang. Zu dicht, um diesen Schlag lange durchstehen zu können. In Landabdeckung klatschten die Rümpfe auf das Wasser. Sehestedt musste zwei frühe Halsen hinlegen und kreuzte damit hinter dem Sach-Team auf dem nicht-foilenden M32-Katamaran „itelligence“ den Kurs. Bis kurz vor Friedrichsort benötigten die Dänen, um sich wieder an den Zarnekauern vorbeizuarbeiten. Im Anschluss flogen sie zwar dem Ziel entgegen, aber der Wind stand nicht dauerhaft kräftig genug durch, um den Rekord zu ermöglichen. Fünf Minuten fehlten dem „Rockwool“-Team schließlich zum Rekord von 2014.

Die „Rockwool“ (Dänemark) um Steuermann Nicolai Sehestedt verpasste den Geschwindigkeitsrekord von Kiel nach Eckernförde um fünf Minuten. Der Rekord steht seit 2014: Eine Stunde, 47 Minuten und 22 Sekunden benötigte der 70-Fuß-Trimaran Musandam-Oman Sail

Währenddessen hatten sich auch die Yachten des Welcome Races und der Aalregatta auf den Weg gemacht, die naturgemäß deutlich länger für die Strecke nach Eckernförde brauchen werden. Bis zum Abend werden die Flotten der ORC- und Yardstick-Wertung im benachbarten Ostseeort erwartet, um dort bei einem frisch geräucherten Aal im Päckchen des Eckernförder Hafens zu liegen und einer Siegerehrung unter Corona-Bedingungen zu erleben. Nur per Funkaufruf und nach Crews sortiert dürfen die Preisträger zum Empfang der Trophäen aufmarschieren.

Den Abschluss des Startreigens vor Kiel bildeten die 28 Crews der Deutschen Seesegel-Meisterschaft. Die wurden von den Wettfahrtleitern Eckart Reinke und Ralf Paulsen allerdings auf einen anderen Kurs geschickt. Da es für die Meisterschaftssegler bereits am Sonntag zu den Up-and-Down-Rennen auf der Außenförde geht, werden sie am Samstagabend wieder in Schilksee erwartet. Bis dahin müssen sie aber ein gehöriges Stück Arbeit erledigen. Bis vor Schleimünde führt der Kurs für die großen Yachten nach ORCi-Vermessung. Rund 65 Seemeilen hat Reinke abgesteckt, die Klassen der mittleren und kleinen Schiffe müssen immerhin 45 Seemeilen segeln. „Die Kieler Woche in diesem Jahr kann an Land nicht so viel bieten, wie sonst üblich. Daher können wir auch bis spät in den Abend hinein segeln. Das werden wir auch in den kommenden Tagen so handhaben“, erklärt Reinke.

Vor dem langen Kurs gab es zum Start für die schnelle „van Uden“ zunächst einmal einen Schreckmoment. Das Junioren-Projekt ist von Skipper Gertjan Poortman in den vergangenen Wochen auf Performance getrimmt worden. Und nun wollte die junge Crew auch zeigen, was in ihr steckt. Mit Hochgeschwindigkeit und exaktem Timing rauschte die Ker 46 an die Linie, der Gennaker ging auf – alles sah perfekt aus. Doch der Gennaker war nicht ganz oben, eine Böe drückte ins Tuch, die „van Uden“ lief aus dem Ruder, schlug quer und legte gleich einen doppelten Sonnenschuss hin. Der Abstand zu den verfolgenden Booten reichte zwar, um die Yacht rechtzeitig wieder aufzurichten, aber die schnelle Führung war dahin.

So setzte sich die „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn an die Spitze. Die frisch aus Australien importierte Mills 45 hatte sich schon zum Blueribboncup vor zwei Wochen als schnellste Yacht in der deutschen Ostsee-Regattaszene präsentiert und wird nun auch am Abend als First Ship Home wieder in Schilksee erwartet. Ob es auch berechnet zu einer Topplatzierung reichen wird, muss sich zeigen, denn die Konkurrenz ist stark. Mit der „Sportsfreund“ um Steuermann Gordon Nickel und der „Intermezzo“ von Jens Kuphal sind die amtierenden Europa- und Deutschen Meister dabei. Und bei den Yachten der mittleren und kleinen Kategorie zielen die Wetten über den Gesamtsieg auf die „Immac Fram“ um Skipper Kai Mares, auch wenn die sich zum Start in die Kieler Woche noch etwas zurückhielt, um dann das Feld aufzurollen.

Nach den Seeseglern gingen ab 13 Uhr auch die zehn Klassen auf den Dreiecksbahnen vor Schilksee auf die Bahn. Drei Rennen sind für die Jollensegler geplant.