Kieler-Woche-Langstrecke stellt hohe Anforderung
Für die großen Yachten nach ORC-Wertung hatte die Wettfahrtleitung um Ralf Paulsen und Eckart Reinke einen 65 Seemeilen langen Kurs von der Kieler Innenförde bis nach Schleimünde, hinaus auf die Ostsee und wieder zurück in die Innenförde abgesteckt. Fast exakt zehn Stunden benötigte dafür die „Morningstar“ von Jussi Rissanen, die damit um 21.40 Uhr das Ziel abschloss. „Die Meisten hatten wir im Hellen im Ziel. Daher ging unser Zeitplan auf. Die ,Morningstar‘ war länger unterwegs als erwartet, kam schließlich 20 Minuten vor dem Zeitlimit ins Ziel“, berichtete Ralf Paulsen.
Nach der Ankunft hatten die Crews einen Tag Zeit, um sich auf das Silberne Band, die Langstrecken-Regatta über Nacht, vorzubereiten. Gestartet wird das Rennen am Freitagabend um 17 Uhr wieder vor dem Sportboothafen Düsternbrook.
Zum Senatspreis bestätigte die „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn (Kiel) ihre hohen Ambitionen für Langstrecken-Rennen in der Zukunft. Nach knapp sieben Stunden Segelzeit hatte die Mills 45 nur wenige Minuten Rückstand auf die deutlich größeren „Milan“, eine STP 65 von Uwe Lebens (Norderstedt), und die „Calypso“, eine Maxi 75 von Gerhard Clausen (Hamburg). Damit holte sich die „Halbtrocken 4.5“ den Sieg in der ORC I.
Die mittleren und kleineren Yachten waren auf dem 45-Meilen-Kurs unterwegs. Und in der ORC II bewies Alf Henryk Wulf (Stuttgart) mit der „Stardust“, dass eine X41 neben den Up-and-Down- auch starke Langstrecken-Qualitäten besitzt, und holte sich den Sieg. Top in der ORC III+IV war die J/97 „Black Jack“ von Kai-Gunnar Kersten (Aumühle), die Yardstick-Wertung gewann die Crew um Martin Görge mit der „Hunky Dory“.
Bei den beiden deutschen Titelentscheidungen bildet der Senatspreis die erste von zwei Regatten, die addiert werden. Teil zwei folgt mit dem Silbernen Band. Zur Deutschen Meisterschaft ORC Double Hand haben Knut Freudenberg/Nils Reichert mit der „Halbtrocken“ die Führung übernommen. Das Duo hat im vergangenen Jahr bereits die Premiere dieser Meisterschaft gewonnen. Ihren ersten Titelkampf auf deutscher Ebene führen die Dehler 30od zur Kieler Woche durch. Hier führen Camilla Hoesch/Joshua Weber (München) vor Robert Stanjek/Morten Bogacki (Berlin/Kiel).
Während die Dehler 30od zu ihrer Premiere einer deutschen Bestenermittlung mit acht Booten ein ansehnliches Feld aufboten, ist die Deutsche Meisterschaft der Zweihand-Segler mit gerade einmal vier Yachten, die das Ziel erreichten, enttäuschend. Im vergangenen Jahr waren es immerhin elf Crews.
Camilla Hoesch/Joshua Weber (Bayerischer Yacht-Club/links) gewannen Teil eins der Dehler 30od-Bestenermittelung vor Robert Stanjek/Morten Bogacki (Yachtclub Berlin-Grünau/Düsseldorfer Yachtclub/vorn) mit der frisch getauften „Humboldt“. Foto: www.segel-bilder.de
„Wir sind auch enttäuscht, wissen noch nicht, woran es liegt. Das müssen wir noch ergründen“, sagt Johannes Christophers, Leiter der DSV-Abteilung Technik und Seeregatten. „Das Format mit den langen Strecken – gerade über Nacht – kommt möglicherweise nicht so an. Und wir hatten ein paar Regelwerk-Diskussionen über den Einsatz von Autopiloten.“ Dennoch sieht Christophers auch gute Ansätze mit Blick auf die Paris 2024, wenn das Offshore-Segeln mit Zweier-Mixed-Crews seine olympische Premiere feiert: „Bei der IDM und den Dehler 30od haben wir insgesamt drei Mannschaften, die sich aktiv an unserem Double-Hand-Training beteiligen, am Start. Jetzt hoffen wir darauf, dass wir die Szene ausweiten können, um im nächsten Jahr vielleicht eine eigene kleine Regattaserie starten zu können. Zehn Teams haben bereits Interesse angemeldet.“
Auch Bundestrainer Tim Kröger hätte gern mehr Olympia-ambitionierte Crews auf der Bahn gesehen: „Nun ist es eben so. Ich freue mich, dass die aktiven Teams aus dem Sommer hier dabei sind. Aber Double Hand Seesegeln ist eben ein sehr komplexes Thema. Es müssen viele lose Enden zusammengeführt werden. Es gehört Technik, Taktik und Strategie dazu, aber eben auch Kenntnis von Meteorologie, Schlafmanagement, Arbeitsteilung und Segelauswahl. Das Anforderungsprofil ist breit und hochwertig.“ Mit Max Gurgel/Lena Weißkichel (Kiel) sowie Marlene Brudbek/Maurice Oster (Wilhelmshaven/Hamburg) im IDM-Feld sowie Camilla Hoesch/Joshua Weber bei den Dehler 30od kann Bundestrainer Kröger seine drei derzeit ambitioniertesten Crews auf dem Kurs beobachten. Auch Morten Bogacki vom Offshore Team Germany, der bei den Dehler 30od mit Ex-Starboot-Segler Robert Stanjek segelt, hat Olympia-Ambitionen angemeldet. „Ein paar mehr haben wir noch in der Pipeline. Bis Olympia werden wir also noch einige Akteure kommen und gehen sehen. Die Zeit bis zu den Spielen ist allerdings nicht mehr lang. Wir werden ordentlich Gas geben müssen“, so Kröger. Aktuell steht er durch den Corona-bedingten Ausfall diverser Regatten sowie die Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr vor dem Problem, wie die Förderung ab 2021 aussehen soll. „Eigentlich war die Kadernominierung für dieses Jahr ein Ziel. Aber dazu brauchen wir vermittelbare Werte und nachvollziehbare Kriterien, die wir dem DOSB für eine Kaderernennung anbieten können. Aber das Tolle ist, dass unsere bisherigen Teams arbeiten, ohne ständig nachzufragen, wie es weiter geht. Die wissen eben auch, dass wir unerwartet immer noch in einem vorolympischen Jahr stecken.“