Frauen stürmen Männerdomäne
Und mehr als ein Dutzend weiblicher Teilnehmer will das Männerfeld aufmischen, wenn um 14 Uhr vor der Brücke des LYC (Roeckstr. 54, 23568 Lübeck) der Startschuss fällt.
Die Eisarschgilde, selbsternanntes Körperteil des Lübecker YC, ist glücklich, dass der Vorstoß einer Änderung der Ausschreibung beim Verein Gefallen gefunden hat. „Unser Antrag wurde von der Mitgliederversammlung mit überwältigender Mehrheit angenommen“, berichtet Chef-Organisator Jan Stemmler. Seine Crew hatte die Entscheidung des Vereins aber auch schon etwas vorweggenommen, als die Frauen vorbehaltlich des LYC-Votums eingeladen wurden. Und damit hatte die Eisarschgilde offenbar den Zeitgeist getroffen. 13 Seglerinnen stehen in der Meldeliste und sorgen damit auch für eine gesteigerte Anziehungskraft bei den Männern. Denn mit nunmehr über 90 Meldungen übertrifft die 51. Auflage des Eisarsch deutlich die Zahlen der vergangenen Jahre.
Ein großes Feld wird zum Eisarsch erwartet. Foto: segel-bilder.de
Die Organisatoren freuen sich über den frischen Schwung in der Traditionsveranstaltung. Und Charly Brüser, Gründungsmitglied der Eisarschgilde, hat auch gleich einen eigenen Frauen-Pokal gestiftet – ein schmucker Lübeck-Leuchter, der in keinem maritim angehauchten Haushalt fehlen sollte.
Der Showdown zwischen den arrivierten Männern, immerhin sechs ehemalige Eisarsch-Sieger haben gemeldet, und den Herausforderinnen dürfte spannend werden. Mit 90 Booten entscheidet schon die Positionierung an der proppenvollen Startlinie über die Chancen, und der Wind dürfte alle Gewichtsvorteile der Frauen davonpusten. Bei Böen weit über 20 Knoten werden sich einige Teilnehmer/innen wohl auch auf kalt-nasse Erlebnisse einstellen. Immerhin sind keine Eisschollen auf der Wakenitz zu erwarten.
2008 noch in Verkleidung, jetzt ganz offiziell: Heike Gercken segelt als einzige Frau zum zweiten Mal den Eisarsch. Foto: privat
Eine Frau im Feld wird sogar als Eisarsch-Wiederholungstäterin an den Start gehen. Heike Gercken hatte sich 2008 inkognito ins Männerfeld gemischt. Die Neustädterin nutzte zur 40. Auflage den Aufruf der Veranstalter, im Nikolauskostüm zu segeln. Damals fiel das Eisarsch-Datum auf den 6. Dezember. Und mit roter Kapuze, Brille und tiefergelegter Stimme kam Heike Gercken an die Startlinie, obwohl sie ihren Namen gar nicht verändert hatte, aus der Heike, aber ein Heiko in der Meldeliste wurde. „Auf dem Wasser war es dann allerdings etwas unbequem – gerade in den Manövern mit den ganzen Segelklamotten und dem Kostüm“, berichtet sie von ihrem Coup. Denn Heike Gercken trug nicht nur den roten Mantel, sondern darunter auch ein Engelskostüm. Und mit dem Zieldurchgang verwandelte sie sich in ebenjenen, um zu zeigen, dass auch Frauen sehr wohl segeln können.
„Damals war es tatsächlich noch etwas anders als Frau im Segelsport. Von einigen Männern wurde man schon komisch angesehen“, berichtet die Pionierin des Eisarsch-Frauensegelns. Dabei hat Heike Gercken eine lange Segel- und Wassersportvita aufzuweisen. Nachdem sie in der Jugend als Kanutin begonnen hatte und dort auch in der Nationalmannschaft paddelte, kam sie später zum Surfen und wurde als Mitglied des Windsurfing Club Travemünde sogar zweimal Weltmeisterin im Kursrennen. In ihrer Zeit an der Uni Bremen stieg sie schließlich auf das Segeln um, war Mitglied der Segelgemeinschaft der Universität Bremen, segelte erfolgreich Yachten auch bei internationalen Meisterschaften sowie diverse Jollen. Acht Jahre war sie zudem Jugendwartin im Neustädter Seglerverein. „Jungs und Mädchen gemeinsam im Boot und auf dem Wasser war für mich Alltag. Daher freue ich mich, dass auch beim Eisarsch jetzt endlich zusammenfindet, was ganz natürlich zusammengehört. Alle können miteinander einvernehmlich segeln, ohne Ausgrenzung oder Vorurteile.“
Vor elf Jahren segelte Heike Gercken im Mittelfeld. Das strebt sie auch jetzt an, aber sie glaubt auch, dass einige Konkurrentinnen ganz vorn mitmischen können: „Für mich zählt eher das Dabeisein. Aber ich weiß, dass einige richtig gute Frauen dabei sind.“