Formel eins auf dem Kartoffelacker
Es hat mäßig angefangen, wurde dann mit Böen über 30 Knoten noch sehr herausfordernd. Aber wir haben fast alle Rennen nach Plan geschafft“, berichtete Regatta-Organisationsleiter Dirk Ramhorst. Eine Herausforderung für die Wettfahrtleitungen war der Aufzug der Windjammerparade. „Einige Boote sind durch die Regattabahn gefahren und mussten feststellen, wie schnell ein 49er oder Nacra17 da ist. Zum Glück ist nichts passiert. Aber das muss noch besser kommuniziert werden“, so Ramhorst. Für den Abschlusstag erwartet er einen sonnigen Tag mit noch mehr Wind, der wohl einige Teilnehmer vom Start abhalten wird.
49erFX:
Holprig wie ein Kartoffelacker präsentierte sich der Parcours auf der landnahen Bahn für die 49erFX. Und in wechselhaften Winden mit kurzer Welle lieferten die Skiff-Frauen eine Formel-Eins-Show mit Hochgeschwindigkeit, einschließlich diverser Überschläge ab. Die Ergebnisse purzelten kräftig durcheinander, nur einige wenige Teams zeigten beständige Top-Ergebnisse. Allen voran Tina Lutz und Susann Beucke. Auf ihrem Hausrevier haben sie in der gesamten Serie von elf Wettfahrten noch keinen Ausrutscher stehen. Und mit dem Sieg in der letzten Tageswettfahrt katapultierten sie sich auf Gesamtrang eins. Damit können sie ganz beruhigt in den Abschlusstag gehen, sogar schon den Sekt kaltstellen. Denn in der nationalen Olympia-Ausscheidung sind sie von den zwölftplatzierten Konkurrentinnen Victoria Jurczok/Anika Lorenz nicht mehr einzuholen. „Uns fehlen die Worte. Wir sind super happy mit dem Tag, sind über unsere Möglichkeiten hinausgewachsen. Von außen hat es wohl souverän ausgesehen. Aus der Innensicht hat es sich aber gar nicht so angefühlt“, berichtete Susann Beucke und erklärte: „Es zittert alles. Seit Monaten stehen wir unter Anspannung. Heute Abend feiern wir etwas im Familienkreis.“ Tina Lutz ergänzte: „Ich bin völlig fertig.“ Nach der Erfüllung der Olympia-Kriterien wäre der Kieler-Woche-Sieg das i-Tüpfelchen. Die Verfolgerinnen Stephanie Roble/Maggie Shea (USA) hängen aber mit nur einem Punkt Rückstand dicht am Heck. Auf die drittplatzierten Britinnen Charlotte Dobson/Saskia Tidey ist das Punktepolster dagegen schon groß.
49er:
Je länger der Tag dauerte, desto heftiger wurden die Bedingungen. Die Skiff-Männer bekamen als Starter der Spätschicht die volle Breitseite des Wetters ab. Dennoch brachte die Goldflotte mit den 26 besten Teams vier Rennen über die Bahn. Dabei zeigten die deutschen WM-Dritten Erik Heil/Thomas Plößel, dass sie trotz Trainingsrückstand mit heftigen Winden umzugehen wissen. Mit zwei Siegen, allerdings auch einem 16. und einem 13. Rang kletterten sie auf Gesamtplatz fünf. Während es die bisherigen Zweiten, die Polen Lukasz Przybytek/Pawel Kolodzinski, hart traf, und sie auf Rang zehn zurückgespült wurden, bleiben die Dänen Jonas Warrer/Jakob Precht Jensen trotz mäßiger Ergebnisse auf Platz eins – gefolgt nun von Bart Lambriex/Pim van Vugt (Niederlande) und Lucas Rual/Emile Amoros (Frankreich).
Finn:
Nach der Frühstart-Disqualifikation des Schweizers Nils Theuninck in der ersten Tageswettfahrt steuert Nicholas Heiner (Niederlande) einem scheinbar sicheren Kieler-Woche-Sieg entgegen. Der Finn-WM-Dritte von 2017 und ehemalige Laser-Weltmeister (2014) ergänzte seine Top-Serie durch die Ränge 2, 1, 1 und muss nun am Abschlusstag nur noch ein solides Rennen in den beiden ausstehenden Wettfahrten ins Ziel bringen, um Nils Theuninck und den Argentinier Facundo Olezza auf Distanz zu halten.
Laser Radial:
Hannah Anderssohn liegt als beste Deutsche im Laser Radial auf Rang sieben. Foto: www.segel-bilder.de
Die junge Ungarin Maria Erdi musste in den schwierigen Bedingungen des Samstags einige Federn lassen, wahrte aber ihren Medaillenplatz vor dem finalen Tag. In der Top-Position scheint Marit Bouwmeester (Niederlande) unangefochten, denn der Rückstand der zweitplatzierten Dänin Anne-Marie Rindom beträgt bereits zwölf Punkte. In den Verfolgerrollen geht es für die besten Deutschen um wichtige Punkte in der Olympia-Ausscheidung. Und das Rennen wird vor der Europameisterschaft in Polen im Oktober, die abschließend über die Nominierung entscheidet, spannend. Hannah Anderssohn (Warnemünde) hat nach Punkten als aktuelle Siebte fast mit Svenja Weger (Kiel) auf Rang 13 gleichgezogen. Dabei hatte Anderssohn ihre Karriere eigentlich schon beendet: „Nach dem Sommer 2019 habe ich das Thema Segeln beiseite gelegt. Ich hatte täglich Schmerzen und wollte das nicht mehr auf mich nehmen. Es war eine schwere Entscheidung, die ich aber für meinen Körper getroffen habe“, berichtete die ehemalige Bewohnerin des Kieler Segelinternats. Doch aus der Zusammenarbeit mit einem neuen Athletiktrainer kam sie fitter und schmerzfreier heraus als je zuvor und stieg wieder in den Laser ein, um Spaß zu haben. „Es ist toll, hier wieder mit den Mädels zusammen zu sein. Ich will das einfach genießen, gucke gar nicht auf die Olympischen Spiele, sondern schaue nur von Rennen zu Rennen. Die Hauptsache ist, dass ich die Kieler Woche als zweite Regatta in diesem Jahr schmerzfrei zu Ende bringe.“ Svenja Weger haderte etwas mit den Bedingungen: „Die kurze Welle liegt mir nicht, und für diesen Wind fehlen mir ein paar Kilos. Ich hoffe darauf, dass wir morgen eine etwas längere Welle haben.“
Laser Standard:
Philipp Buhl kämpfte sich am Samstag auf Rang zwei vor. Foto: www.segel-bilder.de
Im starken Wind von Melbourne hat Philipp Buhl im Februar mit dem Gewinn des WM-Titels seine Karriere gekrönt. Zur Kieler Woche zeigt er, dass er mit kräftigen Böen immer noch bestens umgehen kann, auch wenn er sich nach eigenen Worten derzeit nicht in WM-Form fühlt. Mit den Platzierungen 3, 5, 1 kletterte er auf Rang zwei, liegt vor dem finalen Tag zwischen den Briten Michael Beckett und Elliot Hanson.
Nacra 17:
Segeln am Limit waren die Bedingungen für die Nacra17. Doch die Italiener Ruggero Tita/Caterina Banti scheinen dieses Limit nicht zu kennen, flogen zu drei Siegen. Sie zeigten eine Beständigkeit, der kein anderes Team aus der Spitzengruppe folgen konnte. Und so könnten sich die Italiener vor dem Abschluss am Sonntag nur noch selbst schlagen. Selbst die Weltmeister John Gimson/Anna Burnet (Großbritannien) haben nur noch eine winzige theoretische Chance auf den Sieg. Und das deutsche Heimteam, Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer, wird den Blick von Rang drei eher nach hinten richten müssen, um den Podiumsplatz abzusichern.
Formula 18:
Die Kieler Woche war für die Seriensieger Helge und Christian Sach (Zarnekau) beendet, bevor der dritte Tag begonnen hat. Beim Einsegeln fiel ihnen der Gennaker ins Wasser und brachte soviel Druck auf den Gennakerbaum, dass dieser abbrach. Mit viel Mühe schafften die Brüder alles Eqipment zurück an Land, beendeten den Tag aber ohne Resultat. „Das Ding ist für uns gelaufen“, so Helge Sach. Auf dem Plan steht jetzt noch der Start bei der Berliner Meisterschaft und dann endet die Saison auch schon für die Sieger der deutschen Bestenermittlung. An der Spitze der F18-Katamrane drehen die Katamaran-Multitalente Cedric Bader/Nicolaj Björnholt unbeirrt ihre Kreise. Das französisch-dänische Duo steht nach weiteren drei Siegen bereits vor den beiden Abschlusswettfahrten als Sieger fest. Erste Anwärter auf die weiteren Podiumsplätze sind Mikko und Kirsikka Räisänen (Finnland) und Robert Schütz/Rea Kühl (Krefeld).
OK-Jolle:
Eine Kenterung in der letzten Tageswettfahrt scheint Mads Bendix nicht von seinem ersten Kieler-Woche-Sieg abhalten zu können, möglicherweise aber sein enges Zeitbudget. Der Däne hat bereits sein Boot verpackt und ist auf dem Weg zurück in die Heimat: „Ich muss arbeiten. Das war vorher so geplant. Aber wie ich hörte, wollen die Top-Fünf alle nicht mehr raus auf das Wasser“, so Bendix. Der Laser- und Finnsegler hat seine Olympiaambitionen vorerst auf Eis gelegt und hält sich in der OK-Jolle fit: „Es macht Spaß und ist ein gutes Niveau.“ Das Gesamtergebnis nach drei Tagen weist ihn auf Platz eins vor Andre Budzien (Schwerin) und dem Schweden Thomas Hansson-Mild aus.
29er:
Kämpfen nicht nur um den Kieler-Woche-Sieg sondern auch den Titel beim 29er Eurosaf. Insgesamt sind 90 Skiffs vor Kiel am Start. Richard Schultheis/Max Körner führen vor Antonia Schultheis/Ole Ulrich in der Gesamtwertung. Auf dem Foto führt die Schwester. Foto: Sascha Klahn/Kieler Woche
Die maltesische Doppelführung bei den Nachwuchs-Skiffs hat weiterhin Bestand, und die Vergabe von Gold und Silber auf der Kieler Förde wird wohl zur Familienangelegenheit. Richard Schultheis/Max Körner führen vor Antonia Schultheis/Ole Ulrich und den Dänen Jens-Christian und Jens-Philip Dehn-Toftehöj.