Firmenporträt: Oleu Segel
Die Segelmacher von Oleu haben sich von einem kleinen lokalen Betrieb zu einem global agierenden Unternehmen entwickelt. Sie sind nicht nur auf Sri Lanka ein gern gesehener Partner in den Werkhallen von Aqua Dynamics, sondern auch ein beliebter Arbeitgeber in der heimischen Region. Mit insgesamt über 40 Mitarbeitern an den Standorten in Heiligenhafen, Flensburg, Heikendorf und Fehmarn ist Oleu ein Vorzeigeunternehmen, das sich um Nachwuchs keine Sorgen zu machen braucht. Insgesamt zehn Auszubildende werden in den vier Produktionsstätten beschäftigt, fünf davon als Segelmacher-Lehrlinge, die anderen als Einzelhandels- und Bürokaufleute.
Gern nehmen die Geschäftsführer Oliver Leu und Sascha Schwarck den Besucher mit auf eine Rundreise durch die Oleu-Welt in Heiligenhafen. Das ist Firmenphilosophie, denn die gläserne Segelmacherei an der Marina, am Übergang von der Altstadt zum Graswarder und Strandbereich ist dafür gebaut, Besucher in die Werkstatt zu locken. „1987 sind wir mit dem Betrieb auf dem Nachbargrundstück gestartet. Irgendwann wollten wir uns erweitern, aber die Pläne für die Aufstockung kamen ins Stocken. Dann gab es eine deutschlandweite Ausschreibung für diesen Standort“, berichtet Oliver Leu. Die Gemeinde wollte bei der Neugestaltung des Marina-Areals einen Touristenmagneten schaffen. Und Oleu setzte sich mit dem Konzept einer Erlebnis-Segelmacherei durch.
Geballte Kompetenz im Designbüro von Oleu (im Uhrzeigersinn von hinten links): Oliver Leu, Sascha Schwarck, Sven Klann, Bjarne Lorenzen und Tim Femerling. Foto: ra
Nun wird an der
Promenade nicht nur das Handwerk gelehrt und ausgeübt, sondern den Touristen
auch ein maritimes Erlebniszentrum geboten. So kann man im Erdgeschoss den
Segelmachern über den Tresen hinweg direkt bei der Arbeit zusehen. Tauwerk kann
vom Publikum selbst hergestellt werden, es gibt ein Angebot für Kinder mit dem
Anfertigen von Schlüsselanhängern, und natürlich können die Kunden die
bekannten Blond-Taschen (eine Marke der beiden blonden Oleu-Chefs) am
Konfigurator selbst zusammenstellen. Zweimal die Woche gibt es zudem Führungen
durch die Werkstatt, und durch einen schnellen Umbau (die Tresenteile lassen
sich wegrollen) wird aus der Werkstatt ein Veranstaltungssaal.
Dieses Angebot lockt nicht nur die Touristen im Sommer an, sondern macht auch die Politprominenz auf die Segelmacher aufmerksam. Bundeskanzlerin Angela Merkel war schon zu Besuch, und vom Bundespräsidenten gab es eine Einladung für die beiden Geschäftsführer. Das Betriebsklima ist perfekt, Arbeits- und Ausbildungsplätze sehr beliebt. „Im Sommer arbeitet man direkt am Hafen, und im Winter ist es drinnen angenehm“, erklärt Oliver Leu, der sich selbst ebenso wie Sascha Schwarck kein besseres Umfeld als Heiligenhafen vorstellen kann. „Das war als Kinder unser Spielfeld hier – im Sommer wie im Winter. Wir sind richtige Heiligenhafener Hafen-Kater“, sagt Leu. Der 54-Jährige ist mit Ehefrau und drei Töchtern genauso wie sein 45-jähriger Kompagnon Sascha Schwarck (verheiratet, zwei Töchter) fest verwurzelt. Dennoch starteten sie von hier aus ein weltweit agierendes Unternehmen, das inzwischen mehr als 50 Betriebe auf den verschiedenen Kontinenten beliefert.
Den Grundstein legte
Oliver Leu nach seiner Lehre, die er in Heiligenhafen absolvierte. Trotz
fehlender Gesellenzeit durfte er mit Ausnahmegenehmigung die Firma aufbauen.
Nebenbei besuchte er die Meisterschule, hat seit 1993 seinen Meisterbrief. Sein
Partner Sascha Schwarck war zunächst Auszubildender bei Oleu, machte seinen
Meister bis 1999 und stieg zum 1. Januar 2000 als 50-prozentiger Teilhaber in
das Unternehmen ein. „Das war eine ideale Kombination. Zu diesem Zeitpunkt
hatte ich auch den X-Yachts-Vertrieb übernommen, und das ging allein nicht“, so
Oliver Leu. Allerdings sprengte die Firma damit auch die räumlichen
Kapazitäten. Die Segelmacher wollten wachsen, konnten das im regionalen Umfeld
aber nicht.
„Der Weg nach Sri Lanka war dann 2003 zunächst ein Zufall“, berichtet Sascha Schwarck. „Ein ehemaliger Mitarbeiter hat dort die Produktion bei Aqua Dynamics überwacht und erklärt: ‚Hier ist das Paradies‘.“ Also machte sich Schwarck auf den Weg zur Insel am Südzipfel von Indien, checkte die Gegebenheiten bei Aqua Dynamics, einer Fertigungsstätte für Gleitschirme und Kites, und begann, das deutsche Verständnis vom Segelmacher-Handwerk mit dem asiatischen zu verbinden. Unterschiede liegen im Produktionsverständnis: Während hierzulande Segel sehr individuell mit anderen Profilen und Zubehör (z. B. Mastrutscher) gefertigt werden, arbeiteten die Asiaten eher in Masse, spezialisiert in den einzelnen Arbeitsschritten.
Der Austausch zwischen den Mitarbeitern aus Sri Lanka und Deutschland gehört zum Standard. Foto: ra
Zu Beginn der
Kooperation mit Sri Lanka lockten die Heiligenhafener auch die niedrigen Löhne,
inzwischen ist es aber vor allem das Segelmacher-Knowhow auf der Insel. Die
großen Segelmachereien wie North oder Quantum lassen in Sri Lanka fertigen –
und eben auch Doyle-Oleu. Nach Quadratmetern berechnet kauft man bei dem
Großbetrieb Segelprodukte ein. Inzwischen ist eine Halle mit 2000 m² Fläche
voll mit den Oleu-Aufträgen für Yachtsegel ausgelastet, eine weitere Etage
fertigt Zubehör wie Blond-Artikel, 120 Mitarbeiter sind somit beschäftigt.
Diese und weitere Aufträge von anderen Unternehmen haben dem Betrieb in Sri Lanka eine riesige Entwicklung beschert. 1988 startete Aqua Dynamics unweit von der Hauptstadt Colombo in einer 500 m² großen Halle. Inzwischen haben sich die Segelmacher auf eine Fläche von 15.000 m² ausgebreitet. Und die Anlagen sind hochmodern. Oleu hat so Zugriff auf verschiedenste Zuschneideanlagen (Laser, Rundmesser, Ziehklinge, Hochfrequenzklinge), so dass jedes Tuch verarbeitet werden kann. Oleu kann zudem die Segellatten-Produktion nutzen und die eigene Druckerei für Segeltuch, die ein Bild exaktberechnet auf die Segelbahnen bringt. „Das ist ein wahnsinniges Knowhow, das dort entstanden ist. Inzwischen ist ‚Made in Sri Lanka‘ ein Gütesiegel für Segel. Man kann sagen, wir lassen deutsche oder europäische Tuche dort veredeln“, sagt Schwarck.
Firmenchef Oliver Leu zeigt, wie am Taschen-Konfigurator die Blond-Taschen selbst zusammengestellt werden können. Foto: ra
Und auch die
Arbeitsbedingungen sind in Sri Lanka ausgesprochen gut. Betriebsleiter
Ragalkaduwa (genannt: Bandula), der wie Sascha Schwarck immer wieder zwischen
Deutschland und Sri Lanka pendelt, um den intensiven Kontakt zu halten und
Absprachen zu tätigen, berichtet von einer enormen Entwicklung. Das Unternehmen
ist ISO-zertifiziert für seine umweltfreundliche Entsorgung und hohe
Recycling-Quote, die Energieversorgung läuft über Wasserkraft. Die Arbeiter
beziehen Spitzenlöhne, sind über das Unternehmen krankenversichert, werden für
Betriebstreue belohnt und erhalten für Überstunden (Regelarbeitszeit sind 40
Wochenstunden) und Dienst zu ungünstigen Zeiten erhebliche Aufschläge. 13
Monatsgehälter und eine Beteiligung am Unternehmensgewinn sind ebenso Usus wie eine
große Jahresparty mit allen Angestellten in einem Drei-Sterne-Hotel. Dazu befinden
sich auf dem Firmengelände eine Kantine sowie ein Volleyball- und Cricket-Feld.
„Die Leute sind sehr glücklich bei uns, wollen in keine andere Firma“, sagt
Bandula. Viele bleiben bis zur Rente, die für Männer bereits mit 55 Jahren und
für Frauen mit 50 Jahren erreicht ist.
Mit diesem Vorzeige-Unternehmen arbeitet Oleu gern zusammen. Aber obwohl viel Handwerk in Übersee produziert wird, sind auch die Produktionsstätten in Deutschland voll ausgestattet. Kunden, die ein Produkt „Made in Germany“ haben wollen, können rundum bedient werden. Und bei den anderen Segeln erfolgen nach der Lieferung aus Sri Lanka die Qualitätskontrolle und die individuellen Arbeiten in Heiligenhafen, bevor die Segel über die verschiedenen Doyle-Stationen an die Kunden ausgeliefert werden. Auch das Designbüro sitzt in Heiligenhafen. Die Segelmacher Tim Femerling, Bjarne Lorenzen und Sven Klann konstruieren im ersten Stock der gläsernen Segelmacherei im Jahr rund 1000 individuelle Segel aus 60 Doyle-Lofts weltweit. Exakt wird von hier aus für die Handwerker vorgegeben, wie der Bahnenzuschnitt ist, wo die Verstärkungen zu setzen sind, welches Garn zu verwenden ist und welcher Stich gesetzt werden muss. Jedes Detail wird in Deutschland festgelegt. Über dieses Computerdesign und den exakten Zuschnitt in Sri Lanka ist eine sehr hohe Effizienz im Produktionsablauf mit wenig Verschnitt gesichert. Und damit kann Oleu auch eine durchgängige Qualität bieten, die nicht an Stellen endet, die der Kunde nicht sieht. Dieser Anspruch hat den Heiligenhafenern auch prestigeträchtige Aufträge gesichert. So kommen die erfolgreichsten J/70-WM-Segel von Doyle-Oleu, und auch in die Entwicklung des neuen Laser-Segles von Laser Performance UK ist Oleu involviert.
Perfekte Arbeit aus Sri Lanka. Über den perfekten Zuschnitt und die Segeldruckerei können sogar solche Gennaker gefertigt werden. Foto: Oleu
Nicht ohne Stolz
blicken Oliver Leu und Sascha Schwarck in Heiligenhafen auf die Entwicklung der
eigenen Firma. Im ersten Stock ist ein kleines „Oleu-Museum“ eingerichtet mit
Fotos aus den Anfängen und den Meisterbriefen, der im Unternehmen tätigen
Segelmachermeister. Insgesamt acht Segelmachermeister und ein Obermeister fertigen
derzeit für Oleu in Deutschland. Die Auszubildenden bekommen internationale
Erfahrung, können Produktionsstätten von Partnerunternehmen weltweit besuchen.
Und sie lernen das Handwerk von der Pike auf in der Heimat. Allein in
Heiligenhafen sind auf den beiden Etagen insgesamt zehn Nähmaschinen im
Betrieb, dazu weitere Maschinen für das Rigging. Die Mitarbeiter danken es
nicht nur mit einem guten Betriebsklima, sondern auch mit immer neuen Ideen,
die sie im Umgang mit Kunden und Touristen aufschnappen und in die Produktion
einbringen. So haben sich neben den Blond-Taschen auch Hundeleinen und kleine
Taschen für Hundeschiete-Beutel bestens etabliert. „Im Hundebereich sind wir
ganz groß“, grinst Oliver Leu. Die neueste Idee sind Textilhüllen für Gymnastikbälle,
die als Schreibtischstuhl-Ersatz genutzt werden.
In Heiligenhafen geht fast nichts ohne ein Oleu-Produkt oder -Serviceangebot. So wird auch eine 250 Boote große Charterflotte sieben Tage in der Woche betreut. Weiterer Bedarf für Wachstum am Stammsitz besteht daher. Über den Bau einer 400 m² großen Halle im Gewerbegebiet wird verhandelt. Weitere Arbeitsplätze im Segelmacher-Handwerk könnten damit bei Oleu an der Ostsee entstehen.
Oleu im Netz: www.oleu.de