Kategorie: Zu zweit auf See

19. Tag auf See

Innerhalb der letzten 24 Stunden gab es an Bord zweierlei zu feiern: Gestern Abend haben wir die 2000ste Meile geloggt und heute früh standen nur noch 1000 Seemeilen bis Barbados auf dem GPS. Wir haben also mehr als zwei Drittel im Kielwasser. Das Wetter meint es derzeit gut mit uns. Seit gestern Nachmittag blauer Himmel, angenehmer Wind und gutes Vorankommen. Sind ein 128er Etmal gelaufen. Auch an Bord wird es wieder lebendiger. Cati hat sich für heute viele Aufgaben gesetzt. Gleich heute früh um sechs Uhr hat sie Kartoffeln aufgesetzt, damit wir heute Abend Kartoffelsalat mit Würstchen essen können. Dabei hat sie noch eine Süßkartoffel gefunden, die schon ein Weilchen am Schimmeln war. Bääh … Anschließend hat sie eine Backmischung angerührt. Aus einer Packung bekommen wir immer zwei Brote. Die Wellen sind heute etwas kleiner, da lässt es sich besser backen. Da unser Backofen-Thermostat ja ein wenig eigenwillig ist, bedarf es nämlich ständiger Überwachung (durch mich), damit das Brot nicht schwarz wird. Wir haben noch übermäßig viel Butter an Bord, also hat Cati heute auch gleich noch eine Kräuterbutter angerührt. Das wird heut Abend vielleicht lecker ; ) Anaonsten steht heute Duschen an. Die letzten Tage war es zu rau und zu kalt dafür. Wir haben einen schwarzen Baustellen-Eimer, den wir mit Seewasser füllen und ein paar Stunden in die Sonne stellen. Dann wird das Duschwasser schön warm. Ansonsten nichts neues von Bord. Wir genießen das ruhig(er)e Wetter und das gute Vorankommen. Vor allem die Sonne und die Chance mal wieder im Cockpit zu sitzen, ohne unfreiwillig geduscht zu werden. Vielleicht gibt es morgen schon wieder was zu feiern: Die letzte Woche auf See. Aber wir wollen noch nicht zu übermütig werden. Das Wetter kann uns auch immer noch einen Strich durch die Rechnung machen … Johannes

18. Tag auf See

“Ich glaub, die Genua steht schon wieder back”, höre ich Cati im Halbschlaf. Ein Blick auf die Uhr: Es ist ein Uhr nachts. War klar, dass heute Nacht wieder was kommen muss. Also springe ich schlaftrunken in Boxershort ins Cockpit. Tatsächlich, die Genua steht back. Das kann mal passieren, wenn man so platt vor dem Wind segelt, wie wir gerade. Dann eiert das Boot mal kurz über eine Welle, läuft ein wenig aus dem Ruder und zack, kommt der Wind zu weit von der Seite. Also raus, schnell am Rad kurbeln und zurück in die Koje. Es regnet ein wenig, grrr … Das Ruder wird gelegt … und plötzlich fängt es an zu wehen, dass “Maverick” sich schlagartig auf die Seite wirft. Der starke Regen fliegt waagerecht übers Cockpit hinweg. “Schnell, meine Jacke”, rufe ich. Schaffe es bei dem starken Wind aber kaum, die wegwehende Jacke über die Arme zu stülpen. Eine gefühlte Ewigkeit lang prescht der Regen über uns hinweg. “Maverick” scheint das geahnt zu haben und hat also beigedreht. Ich wusste das nicht und stehe nun im Regen. “Das ist ein Squall!” rufe ich durch den Regen zu Cati, die überraschend entspannt im Niedergang steht und mir beim Nasswerden zuschaut. Mit einem Mal hören der Wind und der Regen auf, von einer Sekunde auf die andere. “So schnell wie der kommt, geht der auch wieder.” Ich bringe das Schiff zurück auf den alten Kurs und klettere zurück unter Deck. “Was bleibt, ist die nasse Unterhose …” Das Wetter scheint gerade wahrlich verrückt zu spielen. Heute morgen ebenfalls nur grauer Himmel und dicke dunkle Wolken, aus denen noch zwei Squalls kamen. Ein starker, ein halbwegs starker. Es ist dann allerdings recht einfach, die Genua wegzudrehen (wenn man schnell genug ist) und das Schiff mit drittem Reff im Groß beizudrehen. Die Wellen sind nämlich kleiner geworden, nur noch drei bis vier Meter. Gestern waren wir noch eine Halse nach Süden gefahren, was aber ein Fehler war. Trotz unseres 122er Etmals haben wir nur etwa 80 Meilen aufs Ziel gutgemacht. Heute Morgen wieder zurück gehalst und zuerst ein wenig zu weit nach Norden gekommen. Vor dem Wind läuft es sich unter Selbststeueranlage nicht so doll, wegen möglicher oben genannter Halsen. Am besten immer zwischen Vor- und Raumwind, mit dem Groß in Lee. Jetzt laufen wir aber erfreulicherweise wieder genau aufs Ziel zu. Jetzt stehen noch 1092 Seemeilen auf dem GPS. Morgen früh sollten wir unter 1000 sein. Aber das haben wir gestern auch schon gesagt … Plötzlich hat der Himmel vor einer Stunde aufgerissen. Herrlicher Passatwind und fast keine Wolken mehr. Unsere Lebensgeister sind förmlich wieder erwacht. Cati hat aufgeräumt und das Bad geputzt, ich gerade meinen 3-Wochen-Bart aus dem Gesicht gekratzt. Nun liegt Cati im Bikini in der Sonne und ich sitze schwitzend unter Deck am Rechner, tippe diese Zeilen hier … Fliegende Fische werden seltener. Vorgestern ist einer im Cockpit gelandet und ist wohl über Nacht in Richtung Lenzrohre gerobbt. Hat es aber nicht geschafft, drei Zentimeter davor zum Erliegen gekommen. Schade. Irgendwie immer ein schlechtes Gewissen, so viele tote Fische an Deck. Aber wie soll man die abwimmeln, die kommen ja von selbst. Außerdem fahren wir gerade mal wieder durch gigantische Seegras-Felder. Die größten bisher. Große, leuchtend gelbe Pflanzenknäule. Verrückt. Soweit die News von der “Maverick”. Viele Grüße von See! Johannes

17. Tag auf See

Das Leben an Bord der “Maverick too” bleibt holperig. Der Wind hat zwar ein bisschen nachgelassen, doch die Wellen sind immernoch um fünf Meter hoch und bescheren uns schnelle Surfgänge von den Bergen hinunter in die Täler. Das ganze Schiff zittert und knattert dann. Das Etmal sieht entsprechend aus, wieder 142 Seemeilen geschafft. Wir hätten auch mehr Meilen laufen können, doch ich versuche immer wieder die “Maverick” am Surfen zu hindern, damit sie nicht mal irgendwann aus dem Ruder läuft und quer zur Welle gerät. Heute Mittag ist das trotzdem passiert. Die Steuerleinen der Windsteueranlage waren wohl zu schlaff. Ich habe neue Leinen eingezogen, die noch relativ viel Reck haben. Plötzlich ist die Bewegung anders, das Schiff schaukelt von rechts nach links. “Wir sind aus dem Ruder gelaufen”, sagt ich, springe zum Luk, da knallt es auch schon und das ganze Seitendeck an Backbord ist bis zu den Fenstern unter Wasser. Wir stehen noch am Kartentisch, staunen, da kommt die nächste Welle. Mit einem gewaltigen Knall trifft sie den Bug. Als hätten wir einen festen Gegenstand gerammt. Wir sind richtig zusammengezuckt. Schnell raus an Deck, das Schiff auf Kurs bringen. “Cati guck du nach der Bilge, kommt Wasser?” – “Nöö, alles wie immer.” Gut. Würde mich aber wundern, wenn der Knall keine Schäden hinterlassen hätte. Und tatsächlich, im Vorschiff finde ich Spuren des Aufschlags: Zwischen Rumpf und Seitendeck sind Dreieck-Holzleisten an den Rumpf geklebt, die eine Wandverkleidung zwischen Deck und Wand tregen. Offenbar hat uns die Welle also auf Höhe der Vorschiffskoje so hart gegen den Rumpf getroffen, dass er gefedert hat und dieses Holzdreieck abgerissen ist. Wahnsinn. Was für eine Kraft da gewirkt hat. Ansonsten habe ich keine weiteren Schäden gefunden, ist aber gut möglich, dass das Winkellaminat daneben am Schott auch abgerissen ist. Das soll uns aber noch nicht jucken, denn es ist kein tragendes Schott, sondern nur ein Raumteiler. An Deck sind keine Spuren des Aufpralls zu sehen. Gegen Nachmittag erfahre ich per Kurzwelle von Herbert, der 400 Meilen vor uns segelt, dass er eine ähnliche See erlebt und zudem mit Seegras zu kämpfen hat, das sich um seine Windsteueranlage wickelt. Wir durchsegeln ebenfalls riesige Seegrasfelder, aber unsere kräftige Monitor schüttelt das Gras einfach wieder ab. Das Gespräch bricht immer wieder ab. Irgendwann finde ich endlich den Fehler, der mir schon seit Wochen die Kommunikation schwer macht: Das Kabel zwischen Funkgerät und Tuner scheint an einer Stelle beschädigt zu sein. Wenn ich es in eine bestimmte Richtung knicke, ist der Empfang um Welten besser. Das muss ich in der Karibik dann wohl mal tauschen. Es sei denn, wir kommen vorher noch an einem Mediamarkt vorbei … Viele Grüße! Johannes

16. Tag auf See

Das Leben an Bord gleicht inzwischen einer Achterbahnfahrt. Der Wind hat letzte Nacht, Punkt 1 Uhr, wieder zugelegt. Zwischendurch hatten wir immer wieder 6 bis 7 Beaufort, in Böen 8. Ganz schön viel. Die Wellen bauen sich immer höher auf und kommen immernoch schräg von achtern. Das ist eigentlich das Schlimmste. Mit dem Wind können wir umgehen, aber die Wellen werfen uns immer wieder heftig auf die Seite, was das Leben hier an Bord nicht einfacher macht. Auch draußen im Cockpit sitzen geht wieder nur im Ölzeug, weil die Wellen regelmäßig ihren Weg ins Cockpit finden. Etwa 400 Meilen vor uns segelt Leidensgenosse Herbert mit seiner “Maya”. Seit Tagen versuchen wir uns über Kurzwelle zu erreichen, aber ich konnte ihn bisher nie zu den verabredeten Terminen hören. Eben um 14.30 Uhr hab ich dann in den Seglerfunk reingehört, konnte ganz schwach Dietmar von der “Summer” auf den Kanaren hören, der Herbert einen Wetterbericht durchgegeben hat, der ja auch für uns gültig sein wird. Der Wind soll wohl erst in vier Tagen abflauen. Dann haben wir also noch ein paar ruppige Tage vor uns. Cati ist vorhin beim Kaffeeaufbrühen in einer Welle mitsamt dem Handfilter quer durch die Kajüte geschossen und hat überall Kaffeepulver verteilt. Ihre Rettungsweste hat jetzt Kaffee-Aroma. Der Boden vor dem Kocher wurde in den letzten Tagen dreimal gewischt. Einmal lagen dort Cocktailfrüchte (von Aldi), dann Reiswasser – und vorgestern eine Uncle-Bens-Sauce, die den kurzen Weg aus dem Glas in den Topf nur über Umwege gefunden hat. Bei dem permanenten Gerolle fühlt man sich manchmal wie schwerelos. Man gießt etwas in ein Gefäß, etwa Saft in ein Glas, hält den Auslaufstutzen der Safttüte genau über das Glas – dann kommt eine Welle und die Flüssigkeit fließt über das Glas hinweg auf den Fußboden … Der Wetterbericht sagt aber auch, dass die Wellen in den nächsten Tagen ihre Richtung ändern und mehr achterlich kommen sollen. Das wäre für uns ein großes Geschenk, denn dann rollen wir gleichmäßig und zu gleichen Teilen nach Steuerbord und Backbord und werden nicht mehr so überraschend von den großen Wellen auf die Seite geworfen. Es war cool, ein paar Minuten mit Herbert zu plaudern. Hab ihn wirklich perfekt empfangen. Ganz überraschend, denn obwohl er während der Wettervorhersage gar nicht zu hören war (zu nah für die hohe Frequenz, hab ich gedacht …) machte es plötzlich “klick” und wir haben uns prima verstanden. Leidensgenossen auf See. Er sagt, sein fast drei Meter längeres Schiff wird genauso durch die Gegend geworfen, dass sie Sorge haben, die Kinder werden von irgendwas schwerem getroffen. Beruhigend, dass es auf den größeren Booten genauso ruppig zugeht wie hier. Wenn ich allerdings das Segeln auf der “Maverick too” mit der Atlantiküberquerung 2005 auf meiner kleinen “Maverick” vergleiche, ist das schon ein himmelweiter Unterschied. Das Schiff hatte nur einen Meter Tiefgang und ist von den Wellen nur so durchgependelt worden. Dagegen segelt es sich hier auf diesem Boot noch ausgesprochen bequem ; ) Soweit die Neuigkeiten. Noch 1340 Seemeilen bis Barbados, Etmal: 142 Seemeilen. Johannes

14. Tag auf See

Jeden Morgen, wenn die Nachtwache vorüber ist, kocht Cati mir einen Kaffee und geht in die Koje. Ich setze mich dann mit einem Buch aufs Brückendeck und lese. Oder lege das Buch nach einigen Minuten wieder beiseite und schaue aufs Meer. Heute morgen war mein Platz unter der Sprayhood allerdings schon belegt. Dort lag ein winzig kleiner fliegender Fisch, etwa 5 Zentimeter lang. Er muss wohl bei Nacht an Deck gelandet sein. Die Morgensonne hatte ihn so ausgetrocknet, dass er am Antirutschbelag festklebte. “Das erinnert mich an meinen Fisch an der Raufasertapete”, hat Cati gemurmelt. In ihrer Teeniezeit hatte sie mal ein Aquarium und eines Tages war ein Fisch weg. Später fand sie ihn an der Tapete hinter dem Aquarium klebend … Wahrscheinlich hat unser Fisch hier im Cockpit gestern Nacht den Decksscheinwerfer gesehen und ist dem Licht entgegen gesprungen. Denn pünktlich um ein Uhr morgens, als ich gerade eingenickt war, fing es mal wieder an zu blasen. Ständig ist “Maverick” über sieben Knoten gelaufen, einige Male ins Surfen gekommen und von den Wellen, die gerade von Nordosten anlaufen, krachend auf die Seite geworfen worden. Also Ölzeug an und raus, das dritte Reff ins Groß und die Genua ein bisschen einrollen. Kaum ist der Scheinwerfer an, sehe ich den ersten fliegenden Fisch aufs Schiff zusegeln. Im letzten Augenblick hat er dann aber doch noch einen Bogen geflogen und ist zurück ins Wasser. Obwohl das Reffen im Scheinwerferlicht nach etwa zehn Minuten erledigt ist, fühle ich mich danach ganz schön erschöpft. Vor allem das Gekurbel an unseren 42 Jahre alten Winschen kostet Kraft, weil die ehemals raue Oberfläche inzwischen glatt ist und die Leinen einfach durchrutschen. Die Erschöpfung kam vielleicht aber auch durch das Antibiotika. Die Ärztin auf Madeira hatte mir damals extra noch gesagt “no sports”. Hmm … ist gerade schwierig. Mit drittem Reff laufen wir nun immer noch im Schnitt sechs Knoten. Das selbstgebackene Sonnenblumenkernbrot gestern war übrigens fantastisch. Wie aus der Bäckerei. Zumindest schmeckte es nach Monaten des weißen Toastbrots so. Seit wir im September aus Deutschland weg sind, gibt es ja kein Schwarzbrot mehr. Nur in England haben wir mal ein Brot nach “German style” bekommen. Cati hat die letzten beiden Avocados zu Guacamole verarbeitet. Jetzt haben wir noch eine Mango und einige Limetten. Dann gibts Dosenfrüchte. Freu mich schon auf den Fruchtcocktail von Aldi ; ) Nun zieht hier gerade eine dunkle Wolkenfront durch. Die Sonne ist weg, dafür regnet es. Vielleicht steckt auch noch ein bisschen Wind drin. Cati liegt auf der Koje und macht Sodoku, ich unser tägliches Kreuz un die Karte. 1430 Seemeilen hinter uns, 1615 to go … Johannes

13. Tag auf See

Das Leben an Bord ändert sich mehr und mehr. Die ersten eineinhalb Wochen haben wir eigentlich Tag und Nacht in Thermounterwäsche gelebt, über die wir während unserer Wachen dann noch jeweils Vlies und Ölzeug gezogen haben. Bis zu den Kanaren war es tagsüber noch relativ kalt, bis zu den Kapverden auch nachts. Gut, die Flautentage einmal ausgenommen. Cati hat drei Sätze Thermowäsche an Bord, ich nur einen einzigen. Irgendwie unfair. Deshalb konnte ich es auch kaum abwarten, zu den Kapverden zu kommen. Mit Erreichen der südlichen Breiten ist es an Bord nun deutlich wärmer geworden. Tagsüber sitzen wir mit kurzer Hose im Cockpit und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen – und selbst nachts reicht es, in Boxershort an Deck zu hüpfen, wenn die Windfahne etwas nachjustiert werden will. Auch das Bordleben ist zur Routine geworden. Die Wachwechsel alle vier Stunden nachts, das Kochen, das Abwaschen, die Salzwasserduschen. Heute hatten wir beide einen Riesenappetit auf frisches Brot. Glücklicherweise habe ich in Deutschland bei Lidl noch etwa 15 Backmischungen eingepackt. Unser Backofen hat allerdings eine kleine Macke: Das Thermostat erreicht die eingestellte Temperatur und die Gasflamme wird so niedrig gedreht, dass sie irgendwann ausgeht. Ich habe das bisher immer auf einen falschen Druckminderer geschoben, denn wir haben ein 50-mBar-Modell verbaut, der Hersteller schreibt 37 mBar vor. Aber nun haben wir den Ofen heute tatsächlich dazu gebracht, eine Stunde lang 220 Grad zu halten. Das Ergebnis ist ein tolles, frisches Sonnenblumenbrot. Was für ein tolles Geschenk hier draußen auf dem Atlantik. Solch im deutschen Alltag ganz normale Dinge sind es, an denen wir uns hier freuen, wie kleine Kinder ; ) Das Schiff läuft gerade super, wir machen seit dem Morgengrauen richtige Rauschefahrt. Immer 6 bis 6,5 Knoten. Allerdings etwas zu weit südlich, der Wind kommt direkt aus Nordost. Im Westen sollte er dann östlicher kommen, deshalb haben wir heute die Segel geschiftet und können nun etwas mehr West gutmachen. Das sollte so erstmal hinhauen. Wir haben schon 1310 Seemeilen zurückgelegt und so langsam gibt es ein paar Wartungsaufgaben. Eine Steuerleine der Windsteueranlage muss zum Beispiel heute noch getauscht werden, damit sie uns nicht bei Nacht wegfliegt. Ansonsten ist aber noch alles in Ordnung, keine Ausfälle am Boot. Ich bin wirklich begeistert. Ausfälle bei mir allerdings. Ich nehme seit gestern Abend Antibiotika. Bis eine Woche vor der Reise habe ich ja auf Madeira mit einer heftigen Grippe in der Koje gelegen und mir dabei wohl im Rahmen der Erkrankung auch noch die erste Blasenentzündung meines Lebens zugezogen. Damit war ich in Funchal sogar in der Klinik (53 Euro) und habe eine Packung Antibiotika verschrieben bekommen. Die habe ich damals weggeknuspert und dachte, damit wäre alles in Butter. Eine Woche nach der letzten Tablette haben wir abgelegt. Allerdings scheint die Krankheit noch nicht ganz weg gewesen zu sein, sondern kommt nun zurück. Das ist natürlich mitten auf dem Atlantik mehr als unpraktisch – und auch ein bisschen besorgniserregend. Hab gelesen, dass sie beim Mann auf die Nieren und andere Körperteile überspringen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Gut, dass ich hier nicht nach noch mehr Gefahren googeln kann. Blödes Gefühl trotzdem, mit den Kapverden im Nacken (gegen den Passat) und noch 2000 Seemeilen vor dem Bug. Glücklicherweise habe ich Cati eine Packung Antibiotika auf die Einkaufsliste geschrieben, als sie in Funchal die letzten Besorgungen gemacht hat – und nach Absprache per Mail mit meinem netten, segelnden Hausarzt futtere ich die nun jeden Tag. Wird schon wieder werden … Ansonsten laufen wir als erstes Barbados an, das noch 100 Meilen näher liegt, als die anderen Inseln der Windwards. Inzwischen zeigt das GPS nur noch 1700 Seemeilen bis dorthin an. 12,5 Tage bei dem Speed. Kommt uns gar nicht mehr so viel vor, dabei ist morgen oder übermorgen erst Bergfest. Meilenmäßig jedenfalls. Zeittechnisch wohl heute. Wir freuen uns anzukommen, am Strand zu liegen und im Wasser zu schwimmen. Aber uns ist hier draußen alles andere als Unwohl. Wir lieben unsere kleine Welt fast ohne Einflüsse von außen. Damals nach meiner ersten Atlantiküberquerung, nach 31 Tagen auf See, wollte ich sogar immer so weitersegeln … Johannes

12. Tag auf See

Wieder ein gutes Etmal. Gestern früh haben wir die ersten 1000 Seemeilen geknackt, nun sinds heut Nachmittag schon 1200. Es geht voran. Das Schiff und die Windsteueranlage haben eine Einheit gebildet. Auf den ersten tausend Meilen, bis nach Portugal, musste ich noch ein paar Feintunings durchführen, aber jetzt steuert sie einfach perfekt. Was für eine Erleichterung, uns nicht uns Steuern kümmern zu müssen. Ein verrücktes Gefühl: Hier in der Kajüte sieht es aus wie immer. Als wir in England waren genauso wie auf Madeira. Aber draußen zieht gerade einfach so der große Atlantik an uns vorbei. Es ist ein bisschen wie Busfahren. Man muss sich ständig an den Handläufen an der Decke festhalten, wenn man durch die Gegend läuft und das Schiff fährt einfach dem Ziel entgegen. Ganz ohne mein Zutun natürlich auch nicht, eben habe ich zum Beispiel ein bisschen ausgerefft, der Passatwind hat ein bisschen abgenommen und ein kleiner Regenschauer zieht durch. Heut früh lag der erste fliegende Fisch an Deck. Ganz klein, etwa sechs Zentimeter lang. Davon sollten wir in den nächsten Tagen noch mehr bekommen. Heute Mittag habe ich wieder gut eineinhalb Stunden mit meiner Kaffeetasse im Cockpit gesessen und den Wellen zugeschaut. Ein paar portugiesische Galeeren sind vorbeigetrieben und zwei Fliegende Fische sind im Geschwaderflug über die Wellen geglitten, aber ansonsten ist alles beim alten. Wolken und die tiefblauen Wellen. Immer das gleiche, aber trotzdem gleicht keine Welle der anderen. Die frischen Vorräte sind fast weggefuttert, gestern gab es Reis mit einer Uncle-Bens-Sauce. Die Bilge ist auch immer noch voll mit deutschen Konserven, auf die wir nun bald zurückgreifen müssen. Das GPS sagt etwas von “noch 14 Tage” bis in die Karibik. Gestern waren es noch 15. Das ist das einzige, an dem wir merken, wie die Tage vergehen. Und natürlich dieser Blog hier. 12. Tag auf See schon, wahnsinn. Wie die Zeit vergeht. Johannes

11. Tag auf See

In den letzten 24 Stunden sind wir ein 140er Etmal gelaufen. Fantastisch! Der Wind hat wieder etwas gedreht und wir laufen südlicher, als gestern. Je weiter wir nach Süden kommen, sollte er dann östlicher wehen und wir gehen zurück auf direkten Kurs. Heute sind wir beide irgendwie platt, wie erschlagen. Ob das an dem grauen Wetter liegt? Dicke Wolken am Himmel, gräuliche Stimmung. Dafür aber warm und die Wellen sind etwas kleiner geworden. Eben saß ich fast zwei Stunden mit einem (zum Beginn heißen, zum Ende hin kalten) Kaffee unter der Sprayhood und habe auf den Atlantik hinausgeschaut. Ich könnte das echt den ganzen Tag machen. Zusehen, wie “Maverick” von den Wellen angeschubst wird und dann hinuntersurft. Der Windsteueranlage bei ihrer Arbeit zuschauen. Sie hat ordentlich zu kurbeln, aber das Kielwasser sieht fast gerade aus. Ohne das Ding müssten wir ständig selbst steuern und wären noch müder, als ohnehin schon. Dabei machen wir doch gar nicht so viel. Die Nacht durchmachen (Wache), schlafen, lesen und Essen. Das erinnert mich an meine Studentenzeit ; )Trotzdem sagt Cati, ich hätte ganz schön abgenommen. Sich ständig auszubalancieren und bei jeder Tätigkeit abzustützen kostet Kraft und Anstrengung. Gestern war wie Weihnachten. Denn es gab Kartoffelsalat mit Würstchen, nach Cati-Art. Lecker. Als Folge, weil noch zu viele Kartoffeln und Eier übrig waren, gabs heute zum Frühstück “Mecklenburger Bauernfrühstück”. Eine Erinnerung an eine tolle Jugend mit meinem Vater rund um die Mecklenburger Seen. Als ich 14 war, haben mein Onkel und er uns einen alten Jollenkreuzer gekauft, Typ Atlanta Flamingo. Nach meiner 500-DM-Jolle das erste richtige Kajütboot. Eigentlich aber ein sehr merkwürdiges Schiff, mit Seitenschwertern. Also zwei Schwertern, die aus den Backkisten geklappt werden. Dazu eine winzige Kajüte, einer von uns musste immer draußen unter der Zeltpersenning schlafen. Das hat uns aber nicht gestört, wir hatten einen wunderschönen ersten Segelsommer auf der Müritz bis hinüber nach Plau. Bis heute eines meiner liebsten Segelreviere. Und an jeder Ecke gabs damals Bauernfrühstück (das ich auch an jeder Ecke gefuttert habe). Deshalb erinnert mich das Bauernfrühstück immer an unseren allerersten Törn zusammen. Cati hat schon wieder ein Buch durch, liest jetzt “Tagedieb und Taugenichts”. Ansonsten weiß ich von gestern nicht mehr viel. Ich glaub, wir sind im Transatlantik-Modus angekommen  Johannes

10. Tag auf See

Die letzten beiden Tage waren wir auf Raumwindkurs unterwegs, also mit dem Wind und den Wellen von schräg hinten. Die Wellen sind in den vergangenen 24 Stunden immer höher geworden, nun schon fast vier Meter, und das Geschepper hat uns heute absolut keinen Spaß mehr gemacht. “Maverick” wurde immer wieder brutal auf die Steuerbordseite geworfen, dass es nur so knackste und krachte. Wir hatten manchmal Sorgen, sie bricht uns hier auseinander. Ein komisches Gefühl zu realisieren, dass uns nur 9 Millimeter Plastik vom 5000 Meter tiefen Atlantik trennt … Aber das Schiff ist ja stabil gebaut – und trotz der vielen Wellen, die über Deck gebrochen sind, haben wir nichtmal Wasser in der Bilge. Heute Mittag, nach der Positionsbestimmung (131-Seemeilen-Etmal, yeah!) hatte ich dann die Nase voll von dem Geschepper. “Wir gehen auf Kurs Karibik!”. Glänzende Augen bei Cati. Endlich direkten Kurs. Wir waren ja erstmal auf Kurs Südsüdwest in Richtung der Kapverden gelaufen, um den Passat zu erreichen. Nachdem wir nun seit zwei Tagen mittendrin sind und den 20. Breitengrad erreicht haben, können wir also den nächsten Wegpunkt anliegen, der bei 15 Grad Nord und 35 Grad West liegt. Etwa 650 Seemeilen entfernt. Also raus die Großschot, Vormwind-Kurs. Den Bullen nachspannen, falls die Windsteueranlage eine Halse fahren sollte. Genua einrollen. Dann das Geraffel auf dem Vorschiff klarmachen, den Spibaum an die Genua hängen, mit dem Toppnant vorheißen. Windsteueranlage auf Vorwindkurs einstellen – und die Genua ausrollen! Sofort stabilisiert sich das Schiff und läuft wie auf Schienen nach Westen. Ich bin großer Fan der Butterfly-Segelstellung für Atlantiküberquerungen. Das hat damals gut geklappt und tut es diesmal auch. Wahrscheinlich ist das keine allgemeingültige Lösung für alle Schiffe, der Baum darf nicht zu lang sein, sonst kann die Baumnock in die Wellen tauchen. Aber auf den “Mavericks” funktioniert das super ; ) Dann ein Kontrollblick zur Windsteueranlage. Auweia, das war höchste Eisenbahn. Eine Steuerleine ist fast durchgescheuert. “Cati, zieh dir Ölzeug an, ich brauch dich kurz draußen.” Minuten später steuert Cati das Schiff durch die hohen Wellen, während ich das durchgescheuerte Stück Leine herausschneide und neu anknote. Ich habe die Leinen bewusst etwas länger gelassen, damit ich so die Scheuerstellen an den Blöcken von Zeit zu Zeit versetzen kann. Nach fünf Minuten ist die Arbeit erledigt, das Schiff läuft wieder unter Selbststeuerung. Alles geht von selbst. Kurs 250 Grad. “Wenn wir weiter nach Süden kommen, sollte das Schiff sich selbst in Richtung Karibik einpendeln, also auf 270 Grad gehen”, erkläre ich Cati. Zumindest war das damals so. Ich hoffe, dass das diesmal auch klappt. Das Schiff rollt zwar immer noch von einer auf die andere Seite, aber längst nicht mehr so ruppig. Die Logge springt zeigt ständig über sechs Knoten, manchmal sogar 7. Das GPS rechnet eine Dauer von 12 Tagen für die vor uns liegenden 2000 Seemeilen aus. Wow! Inzwischen hat es sich aber auf 15 eingependelt. Auch nicht so schlecht. Cati steht im Niedergang, sieht die hohen, tiefblauen Wellenberge an uns vorbeirauschen und hat Tränen in den Augen. “Ich, die kleine Cati aus dem Dorf Quetzen, segele hinaus auf den Atlantik!” Sie kann es nicht fassen. “Das ist alles so schön hier!”. Das finde ich auch. Der Grund, weshalb wir zwei Jahre zusammen in der Halle geschuftet haben, um das Schiff fertig zu bekommen. Und nun sind wir wirklich hier, auf dem großen Ozean. Und können unser Schiff nun 2000 Seemeilen einfach laufen lassen. Wir freuen uns drauf! Johannes

9. Tag auf See

Nicht, dass der Wind gestern noch nicht gereicht hätte … Kaum hatte mich Cati letzte Nacht um Mitternacht bei der Wache abgelöst, legt der Wind nochmal einen Zacken zu. “Maverick” krängt ordentlich weg und läuft aus dem Kurs, luvt enorm an. Da wir vorher im Nordost-Passat auf Raumwindkurs nach Süden gesegelt sind, legt mit dem Anluven natürlich auch das Schiff einen Zacken zu. Die mitlaufende Welle rattert immer schneller, bildet fast schon ein durchgängiges Surren. “Okay, dann halt das dritte Reff”, murmele ich und klettere aus meiner gerade angewärmten Koje. Cati hat zwei kleine P’s in den Augen, die einen Anfall von Panik markieren. “Keine Sorge, das ist alles normal”, versichere ich ihr – und denke mir “es ist normal, das sowas immer dann passiert, wenn ich in der Koje bin.” Also Ölzeug an, Rettungsweste, Lifebelt – und raus. Die Nacht ist stockdunkel. Klar, der Mond geht erst in einer Stunde auf. Gutes Timing. Im Licht des Decksscheinwerfers nehme ich Druck aus dem Groß, klinke mich in die Sicherheitsleine und klettere nach vorn, um zu reffen. Die Leinen sind nicht ins Cockpit umgelenkt, denn eigentlich hantiere ich gern auf dem Vordeck mit den Segeln. Das Groß hat natürlich immer noch genug Reibung am Mast und will nicht runterkommen. Jetzt Cati an Deck zu holen, damit sie das Schiff kurz in den Wind dreht, ist auch Quatsch. Also schnappe ich mir ein Tauende, befestige es an dem nächsten Reffhaken, der noch ein Stück über meinem Kopf baumelt und winsche das Segel runter. Geschafft. Die Reffhaken fest, das Unterliek über die blaue Reffleine spannen – und schon segelt “Maverick” wieder eine ganze Ecke aufrechter, bei gleichem Speed. Zurück ins Cockpit, ein Zeising holen. Damit lasche ich das überschüssige Tuch an den Baum, damit wir zwischen ihm und der Sprayhood besser nach vorn schauen können. Auch die Genau noch schnell zwei Umdrehungen einrollen, das sollte so passen. Als ich wieder unter Deck bin, sitzt Cati vollkommen beruhigt am Kartentisch. Das Schiff segelt ja wieder relativ aufrecht. Aber ich staune, dass ich fast eine halbe Stunde da draußen war. Wie die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert … Das Tagesetmal ist mit 120 Meilen wirklich nicht schlecht. Inzwischen laufen wir sogar durchschnittlich mit sechs Knoten, was ein nächstes Etmal von 140 Meilen ergeben könnte. Mal abwarten. Unser erster Wegpunkt ist nur noch 160 Seemeilen entfernt. Übermorgen früh könnten wir dann also nach rechts abbiegen und vor dem Wind Kurs auf die Karibik nehmen. Das sind dann noch etwa 2200 Seemeilen. Bis jetzt haben wir 770 Meilen im Kielwasser. Angesichts der vielen Flaute eigentlich gar nicht so schlecht. Cati ist nun erstmal geschafft und liegt mit einem Hörbuch im Ohr in der Koje. Ständig muss sie zurückspulen, weil sie wieder mitten im Kapitel eingepennt ist. Mal sehen, ob sie mit den Hörbüchern die ganze Überquerung hinkommt. Mit genug Nachschub hatte sie sich vor der Abfahrt bei ihrer Mutter versorgt. Das Wetter ist im Moment sehr wechselhaft. Heute früh sogar ein bisschen Regen, dann herrlicher Sonnenschein typisch 4000-Meter-tiefblauer Ozean, jetzt wieder bedeckt, mit kurzen Sonnenlücken. Die frischen Sachen gehen langsam zur Neige. Heute das letzte Mal Obstsalat. Das wird mir fehlen. Aber wir haben noch ein paar Fruchtcocktails von Aldi in Deutschland in der Bilge. Mal sehen, ob wir die finden ; ) Johannes

7. Tag auf See

Etmal: 78 Seemeilen Die Tage haben ein ganz merkwürdiges Muster angenommen. Morgens, zwischen 8 und 10 Uhr frühstücken wir bei herrlichem Sonnenschein im Cockpit und starten danach in den Tag, werfen den Motor an und tuckern los. Marschfahrt, um 5 Knoten. Dabei ist der Spritverbrauch sehr überschaubar. Den ganzen Tag wechseln wir uns alle paar Stunden am Rad ab und kochen zwischendurch Mittag. Gegen 20 Uhr, wenn die Sonne gleißend rot über dem weiten Horizont untergeht, machen wir “Feierabend”, kochen Abendessen. Das Schiff liegt ruhig auf der glatten See, bewegt sich kaum. Wie vor Anker. Ganz merkwürdige Tage. Fühlen sich an wie in sich abgeschlossene Tagestörns. Gestern saßen wir gegen 21 Uhr auf der Koje, haben unsere “Kubanische Reispfanne” gefuttert, der allerdings mittlerweile das Hähnchenfleisch und die Frühlingszwiebeln fehlen – die frischen Sachen gehen langsam aus oder werden schlecht – da schaue ich ungläubig auf den Backofen: “Guck mal, der hängt so schief. Haben wir etwa Lage?” Die Segel hatte ich auf Backbordbug festgelascht, damit der Baum nicht in der Dünung schwingt. Die Windsteueranlage auf Halbwindkurs eingestellt. “Tatsächlich, 3 Knoten Fahrt, genau auf Kurs!” ruft Cati. “Wir segeln wieder!” Was ein Geschenk. Endlich wieder etwas Wind. Die letzten Nächte haben wir das Boot im Prinzip immer mit gesetzten Segeln und eingestellter Windfahne treiben lassen. Die Monitor hat das Schiff auch ab 0,5 Knoten Fahrt schon auf Kurs halten können, während wir alle halbe Stunde mal draußen nach dem Rechten geschaut haben. Seit den Kanaren erst drei Frachter gesehen. Aber statt den üblichen 5 Meilen pro Nacht konnten wir gestern Nacht fast 30 gutmachen! Heute Morgen ab 6 Uhr war der Wind dann wieder weg. Selbst der große, blaue Gennaker ist immer wieder zusammengefallen. Also läuft nun seit 11 Uhr wieder die Maschine. Noch haben wir 85 Liter Diesel. Einen Tag wollen wir noch motoren, denn der 25. Breitengrad, ab dem der Passat eigentlich wehen sollte, ist nur noch 46 Meilen entfernt. Gestern habe ich erfahren, dass sich das für die Flaute zuständige Tief heute entgültig auflösen und ab Freitag der Passat in gewohnter Stärke durchsetzen soll. Das wäre perfekt. Bis dahin machen wir das beste aus der Flaute, liegen in der warmen Sonne und kuttern gemütlich über den platten Tümpel. Heut Mittag sehe ich plötzlich eine große Fontäne an Steuerbord. “Cati, die Kamera, ein Waaaaaaal!” Cati liebt Delfine, hat aber ziemliche Angst vor Walen. Eigentlich schon immer, aber vor allem seit unser Freund Thomas von der “Lilly Marie” auf dem Weg nach Madeira einen Buckelwal gerammt hat. Nichts ist kaputt gegangen, aber der Schrecken bei Cati bleibt. Ich selbst habe mal in St. Lucia eine Najad gesehen, die zwischen einen Mutterwal uns sein junges gesegelt ist. Die Mutter ist ausgeflippt und hat auf die Yacht eingeschlagen. Der Skeg war abgerissen und die Welle hing S-förmig aus dem Rumpf. Also haben wir uns dieses faszinierende Tier aus etwa 50 Metern Entfernung angeschaut. Er war auch nur etwas größer als unsere “Maverick”. Johannes

6. Tag auf See

Bis gestern haben wir uns hier noch gefühlt wie auf der Nordsee. Es war grau und regnerisch. Aber seit heute früh nun endlich Sonnenschein und Passatwolken. Wir kommen dem Passatgürtel also näher. Wir sind heute nun schon den zweiten Tag mit Maschine unterwegs. Nicht, dass wir einen größeren Teil dieses Ozeans per Motorkraft überqueren könnten – dafür reichen unserer 130 Liter Diesel nicht aus. Aber eigentlich soll der Passatgürtel spätestens einhundert Meilen südlich von uns beginnen. Zumindest, wenn er sich laut Lehrbuch verhält. Gestern schien es, als hätten wir uns unter Motor aus dem Tief befreit. Die dicken Regenwolken sind hinter uns geblieben und über uns ist seitdem klarer Himmel Aber es blieb sehr flau, wir sind die Nacht hindurch nur im Schnitt 1,5 Knoten gelaufen. Dabei lag das Schiff ruhiger, als in La Coruna im Hafen. Von Boris Herrmann habe ich die Wetterinfo, dass ein Tief für unsere Flaute zuständig ist und es sich wohl morgen auflösen soll. Dann kommt hoffentlich bald der Wind zurück – oder wir erreichen den Passatgürtel. Ansonsten macht das Leben hier an Bord aber großen Spaß. Heut früh habe ich Brötchen gebacken und wir haben in der warmen Morgensonne im Cockpit gesessen und gefrühstückt. Hätten sogar den Cockpittisch aufbauen können. Das sonnige Wetter ist herrlich, und der tiefblaue Ozean wunderschön. Wenn wir doch nur schneller vorankommen würden. Außerdem ist hier gerade eine Flottenparade der portugiesischen Galeeren. Alle hundert Meter treibt solch ein Tier an uns vorbei. Wer noch nie davon gehört hat, sollte sie unbedingt mal googeln, faszinierende Tiere! Johannes