Kategorie: Blogs

SV Shalom – Christoph Vougessis GER

VON KUBA ZU DEN BAHAMAS

Moin Herr Foerthmann,
Ich sitze gerade auf dem Steg der palm cay marina und trinke Kaffee.
Viel ist seid Guadeloupe passiert.
Nachdem Anna sich mit dem Flieger nach Kuba aufgemacht hatte, gab es einen fliegenden Wechsel in der Manschaft an Bord. Albin, welchen ich während meines 3 monatigen Aufenthaltes auf La Gomera kennengelernt habe und welcher danach mit einem Segelboot über den Atlantik getrampt ist, hat genug von Guadeloupe und will weiter. Also biete ich ihm einen Platz an. Auf die Frage wohin ich denn segeln will meine ich, dass ich das selber noch nicht wüsste, aber Lust hätte einmal Jamaika zu sehen. „Man kann nicht die Karibik verlassen, ohne Jamaika gesehen zu haben“. Also machen wir kurzerhand Pläne für eine Überfahrt nach Jamaika. Ein Zwischenstopp ist nicht geplant. Ich überprüfe das Wetter und es sieht wirklich gut aus, um zügig gen Westen zu gelangen.WEITERLESEN

Woran kann es nur wieder gelegen haben? Mein Beitrag zum ESC 2017


Emotionen pur – Lilly Lou von „Rock the Bob“ schreibt ihre Texte noch selbst

Ich habe vom diesjährigen ESC Contest eigentlich nur drei Dinge mitbekommen.
– Den Gewinnertitel am Ende der Show interpretiert von dem portugiesischen Geschwisterpaar
– Das Unverständnis der Medien ob des vorletzten Platzes
– Den deutschen Titel bei YouTube, um mitreden zu können
Mit erscheint die Sache doch recht eindeutig. Lieber NDR, hier meine Analyse und Hilfestellung für das nächste Jahr:
Es geht bei Musik um Emotionen. Wenn ich einen Song höre der mich anspricht, macht dieser mich glücklich, bringt mich zum Weinen oder Lachen, lässt mich Tanzen (selten), mich über mein Leben nachdenken, von Urlaub träumen etc. Doch welche Emotionen habt ihr von dem deutschen Titel erwartet? Gut, das Wolle Petri Gitarrenintro ist Geschmackssache, aber ansonsten ist der Song handwerklich OK. Und wird von der mir unbekannten Lady auch ganz OK interpretiert, von einigen nicht ganz getroffenen Tönen mal abgesehen. Aber emotional bleibt nichts hängen. Weder die Musik oder die Interpretin erreichen mich. Man merkt, dass sie alles richtig machen möchte und sich viele Punkte wünscht. Perfect Life=Perfect Score? Aber mir sonst nichts weiter zu sagen hat. Solides deutsches Handwerk (in englischer Sprache) ohne emotionalen Inhalt. Dazu eine Band mit der Ausstrahlung von NASA Raumfahrttechnikern.
Um Emotionen zu transportieren müssen Interpret und Titel zusammenpassen. Auch hier verstehe ich bei dem deutschen Titel nicht, warum diese Frau mit Frisur diesen Song singt. Weil sie es kann? Warum soll ich mir das noch einmal anhören wollen und dafür Punkte vergeben? Für weitere 3 Minuten Langeweile?
Oder wähle ich dann doch lieber für Portugal? Ich verstehe zwar kein Wort (obwohl ich es gerne würde), spüre aber das der Sänger etwas zu sagen hat, er den Song wirklich fühlt und ich vor allem sofort emotional bei der Sache bin. Die Zeit bleibt stehen, die Welt dreht sich etwas langsamer und ich spüre Trauer, Sehnsucht, Verlust, Hoffnung. Auch ohne Worte. Diesen Song würde ich gerne noch einmal hören.Schade das es in unserer Radiolandschaft dafür kein Format mehr gibt. Der deutsche Song würde dort jedoch gar nicht weiter stören.
Anderes Beispiel: Lena und Satellite. Welch perfekte Kombination. Durchgeknallte Alte, durchgeknallte Interpretation und ein schräger Song. Macht gute Laune, hatte Erotik und Suchtpotential. Volle Punktzahl…bitte gleich nochmal! Derselbe Song von der diesjährigen Kandidatin oder dem Portugiesen interpretiert… hmmm, wäre wohl schwieriger gewesen.
Also lieber NDR, was wollt ihr das nächste Mal machen? Der Welt Emotionen verkaufen oder irgendwie wieder alles richtig machen? Die in Amerika produzierte Fahrstuhlmusik, die auf vielen eurer Sender läuft und nicht weiter stören soll oder der eine Song, der einmal aufhorchen lässt? Wenn ihr einen Titel mit passendem Interpreten findet, der voller Emotionen ist, dann wird Europa das schon zu würdigen wissen, glaubt mir. Denn Musik ist der Soundtrack unseres Lebens in seiner ganzen Bandbreite und nicht nur die unaufdringliche Hintergrundmusik, die uns im Formatradio präsentiert wird. Mein Leben macht mich wütend, traurig, glücklich, neugierig, aggressiv oder sentimental. Aber sicher nicht gelangweilt.

Woran kann es nur wieder gelegen haben? Mein Beitrag zum ESC 2017


Emotionen pur – Lilly Lou von „Rock the Bob“ schreibt ihre Texte noch selbst

Ich habe vom diesjährigen ESC Contest eigentlich nur drei Dinge mitbekommen.
– Den Gewinnertitel am Ende der Show interpretiert von dem portugiesischen Geschwisterpaar
– Das Unverständnis der Medien ob des vorletzten Platzes
– Den deutschen Titel bei YouTube, um mitreden zu können
Mit erscheint die Sache doch recht eindeutig. Lieber NDR, hier meine Analyse und Hilfestellung für das nächste Jahr:
Es geht bei Musik um Emotionen. Wenn ich einen Song höre der mich anspricht, macht dieser mich glücklich, bringt mich zum Weinen oder Lachen, lässt mich Tanzen (selten), mich über mein Leben nachdenken, von Urlaub träumen etc. Doch welche Emotionen habt ihr von dem deutschen Titel erwartet? Gut, das Wolle Petri Gitarrenintro ist Geschmackssache, aber ansonsten ist der Song handwerklich OK. Und wird von der mir unbekannten Lady auch ganz OK interpretiert, von einigen nicht ganz getroffenen Tönen mal abgesehen. Aber emotional bleibt nichts hängen. Weder die Musik oder die Interpretin erreichen mich. Man merkt, dass sie alles richtig machen möchte und sich viele Punkte wünscht. Perfect Life=Perfect Score? Aber mir sonst nichts weiter zu sagen hat. Solides deutsches Handwerk (in englischer Sprache) ohne emotionalen Inhalt. Dazu eine Band mit der Ausstrahlung von NASA Raumfahrttechnikern.
Um Emotionen zu transportieren müssen Interpret und Titel zusammenpassen. Auch hier verstehe ich bei dem deutschen Titel nicht, warum diese Frau mit Frisur diesen Song singt. Weil sie es kann? Warum soll ich mir das noch einmal anhören wollen und dafür Punkte vergeben? Für weitere 3 Minuten Langeweile?
Oder wähle ich dann doch lieber für Portugal? Ich verstehe zwar kein Wort (obwohl ich es gerne würde), spüre aber das der Sänger etwas zu sagen hat, er den Song wirklich fühlt und ich vor allem sofort emotional bei der Sache bin. Die Zeit bleibt stehen, die Welt dreht sich etwas langsamer und ich spüre Trauer, Sehnsucht, Verlust, Hoffnung. Auch ohne Worte. Diesen Song würde ich gerne noch einmal hören.Schade das es in unserer Radiolandschaft dafür kein Format mehr gibt. Der deutsche Song würde dort jedoch gar nicht weiter stören.
Anderes Beispiel: Lena und Satellite. Welch perfekte Kombination. Durchgeknallte Alte, durchgeknallte Interpretation und ein schräger Song. Macht gute Laune, hatte Erotik und Suchtpotential. Volle Punktzahl…bitte gleich nochmal! Derselbe Song von der diesjährigen Kandidatin oder dem Portugiesen interpretiert… hmmm, wäre wohl schwieriger gewesen.
Also lieber NDR, was wollt ihr das nächste Mal machen? Der Welt Emotionen verkaufen oder irgendwie wieder alles richtig machen? Die in Amerika produzierte Fahrstuhlmusik, die auf vielen eurer Sender läuft und nicht weiter stören soll oder der eine Song, der einmal aufhorchen lässt? Wenn ihr einen Titel mit passendem Interpreten findet, der voller Emotionen ist, dann wird Europa das schon zu würdigen wissen, glaubt mir. Denn Musik ist der Soundtrack unseres Lebens in seiner ganzen Bandbreite und nicht nur die unaufdringliche Hintergrundmusik, die uns im Formatradio präsentiert wird. Mein Leben macht mich wütend, traurig, glücklich, neugierig, aggressiv oder sentimental. Aber sicher nicht gelangweilt.

Durch den Regen in die dänische Südsee – Törnbericht

Durch manche Segeltage muss man sich durchbeißen. Und das Ziel dabei nicht aus den Augen verlieren. Mein Ziel ist es ein paar Tage die Vorsaison in der dänischen Südsee zu genießen. Der Weg dahin führt durch 40 Seemeilen Dauerregen, Wind von 5-6 Bft. samt der dazugehörigen Ostseedünung. Die Hälfte davon gegenan. Könnte nerven, tut es aber nicht. Ich will heute Strecke machen, mein Ziel ist Lyö oder Söby. Auf jeden Fall muss Aerö passiert werden. Und bei viel Wind ist das Reisetempo ja meist hoch. OK, zwei kurze Kreuzschläge muss ich einbauen, aber ansonsten bekomme ich fast immer Anlieger hin und bin mit 6 Knoten unterwegs. Und noch viel besser, hinter der einsamen Tonne im Südosten vor Als geht es vor den Wind. Eine Kursänderung von 60 Grad und mehr steht an. Da kann ich mich ernstaft 2 Stunden drauf freuen. Andersherum wäre es schlimmer, aber so heißt es durchhalten und belohnt werden. Die Klamotten halten dicht und die Kälte des Aprils ist vorbei. So what? 

Und jeder der segelt kennt das Gefühl, wenn man vom Amwindkurs auf Raumwindkurs geht. Der Unterschied beträgt eine Jahreszeit. Es regnet trotzdem weiter, aber sommerlich und ausgerefft. Mit 6,5 kn geht es weiter Richtung Südsee, die Meilen fliegen dahin. Am Kap von Aerö noch einmal hart in den Wind und die paar Meilen bis Söby erkämpfen. Zum Einreffen habe ich nun keine Lust mehr. Ich komme gerne nach einem Regentag auf dem Wasser in den Hafen. Raus aus den Klamotten, mir wird wohlig warm. Es hört sogar auf zu regnen. Ortsbesichtigung, Supermarktbesuch. Mehr geht nicht. Und ich bin mitten drin in der Südsee und kann es morgen ruhig angehen lassen. Zur Belohnung sitze ich eine Stunde am Wasser und schaue der Fähre beim An- und Ablegen zu. Langweilig? Ja! Darum bin ich hier. Habe ja grad vier Auftritte am Stück hinter mir.


 Südseestrand :-)


 Die Rapsfelder riecht man bis auf See


Söby

Der Regen lässt endlich nach
Um 0830h weckt mich der beliebteste Hafenmeister Dänemark 2012. Um die Uhrzeit macht er sich bei mir jedoch nur unbeliebt. Und labert mich auch noch zu, um seinen Titel zu verteidigen. Er hat früher als Holzhändler gearbeitet und blablabla. Mir doch egal. Mir sind Automaten lieber. Aber es gibt eine schöne Bäckerei samt Café und Dänemarkpuddingdingens. So kann der Tag beginnen. Es weht nur ein laues Lüftchen, und ich beschließe einen Schnellstart. Bedeutet: Motor an, Leinen los und ab. Anziehen, Segel auspacken etc. kann ich auf See machen. Dazu kommt es eh nicht. Flaute! Also fahre ich unter Motor nach Drejö. Inselsammeln. Hier war ich nämlich noch nicht. Netter Hafen, schöne Einfahrt, kein Wind, perfekter Anleger. Gefolgt von einer Stunde Fußmarsch über das Inselidyll. Und einer langen Kaffeepause. 

 Keiner hier


 Inselrundgang

Feierabend für heute? Laut Wetterbericht ist Südost 5-6 für abends angesagt. Der Hafen ist nach Südost geöffnet. Könnte dann schaukelig werden. Also weiter, 3 Meilen bis Birkholm. Hier auf dieser winzigen Insel wollte ich immer schon mal die Nacht verbringen. Perfekt. 

 Später bekomme ich noch Gesellschaft




 Dänische Südsee Atmo



 Die am Hafen angekündigte Dusche befindet sich auf der anderen Seite der Insel. Ist sie für alle Insulaner?

 Einwohner von Birkholm


 Club Med – Dänische Version

 Noch mehr Südsee Atmo

In der Tat hat der Wind in der Nacht stark aufgefrischt und so habe ich es nicht eilig aus der Koje zu kommen. Mangels Internet rufe ich Mike von klassisch-am-wind für einen Wetterbericht an. Samstag soll ich ja auf seinem Folkeboot-Treffen auftreten, da wird er sich schon Mühe geben. Über den Tag abflauend und westdrehend, morgen dann umlaufend mit Tendenz Ost. Mein Plan ist es morgen von Marstal aus in die Schlei zu fahren, passt also. Von Birkholm bei dem Wind nach Marstal zu fahren wäre nur unter Maschine möglich. Langweilig. Ich habe eine andere Idee. Ich umrunde Birkholm nördlich und fahre dann auf einem nicht ausgetonnten Weg bis zur Fahrrinne nach Rudköbing. Dort war ich noch nie, und es verspricht aufregend zu werden. Laut Törnführer ist die Passage bis 1,50 Meter Tiefgang machbar. Meine 1,60 bekomme ich da auch noch rüber. Laut Karte und Navionics ist die geringste Tiefe mit 2,2 Metern angegeben. Ich schaue auf den bei Navionics angezeigten Tiefenlinien dann vorbeugend auf das Echolot um Schwankungen durch Tide oder Windverhältnisse nicht zu übersehen. Das passt aber alles gut. Trotzdem passiere ich die erste flache Stelle mit dem Diesel. Sollte ich auflaufen, kann ich mich vom vorlich einfallenden Wind unter Segeln krängend sicher wieder freibekommen. Das Echolot geht bis auf 2,6 Meter. Alles easy. Weiter geht es unter Segeln. Nördlich vorbei an Styrsö. Dann wird es nochmal flach und eine Untiefe liegt im Weg. Wieder fahre ich unter Maschine. Diesmal geht die Anzeige bis auf 2,2 Meter. Der Sandboden ist so gut zu sehen, als wären es nur 60 Zentimeter. Ganz langsam krieche ich über das Flach bis die Zahlen wieder größer werden. Bei 3 Metern geht die Fock hoch, denn ich will nun vor dem Wind nach Rudköbing. Dort mache ich im Handelshafen fest und werde sehr nett von Andreas mit den Worten: „Ich habe alle deine Videos gesehen“ begrüßt. Andreas sagt, dass er von Guido und mir stark darin beeinflusst wurde, einmal eine längere Segelauszeit zu nehmen und er nun mittendrin sei. 3 Wochen sind um, 1 Woche liegt noch vor ihm. Sein Unternehmen ist in Obhut von Frau und Kindern. Klasse. Es ist ein tolles Gefühl Motivator zu sein. Leute geht Segeln, macht mal Pause, das Leben wartet nicht auf euch!! Rudköbing ist typisch dänisch. Fachwerk und kleine bunte Häuschen. Soft-Eis und Beschaulichkeit. 


 Anfahrt nach Rudköbing


 Handelshafen


 Rudköbings Straßen
Zurück am Hafen sehe ich das der Wind auf West gedreht hat. Also auf nach Marstal. Wieder vorbei an Styrnö, diesmal Ost- und Südseite. Der Wind tut mir den großen Gefallen sich der Form von Aerö anzupassen und damit immer nordwestlicher zu kommen. Ohne einen Kreuzschlag kann ich so bis in den Hafen von Marstal segeln. Hier geht meine Tour durch die dänische Südsee dann morgen zu Ende und mich zieht es in die Schlei. Wieder einmal bin ich begeistert von diesem einmaligen Segelrevier. Wenig Wellen, viele kleine Häfen und mögliche Routen. Und nach der regnerischen Anreise fühlten sich die letzten beiden Tage an, als wäre es bereits Hochsommer. Das Leben ist schön. 


 Anfahrt Marstal

Menschen am Meer: Bei der Köchin des Winzers Livio Felluga. Oder: Wie man im Friaul Risotto macht.

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul, der nordöstlichsten Ecke Italiens.


Es gibt Abende, die beginnen unscheinbar wie das Knarzen einer Stiege, die man schon tausendmal betrat. Und enden fulminant wie der wirbelnde Bolero Ravels. Ein bisschen liegt es schon vom Meer weg, das Haus, in dem der Winzer Livio Felluga lebte. Ein altes Haus, irgendwo auf einem der Hügel des Friaul, im Collio, den sanften Hängen an der Grenze zu Slowenien.


Es ist eine Weingegend. Und sie bauen hier allerhand an. Den friulischen Tocai, der so hieß, bis die EU sagte, so dürfe er nicht mehr heißen, wegen des Tocai der Ungarn. Also tauften sie ihn um in „Friulano“, so heißt er jetzt und ist doch immer noch, was er einst war: ein ausgezeichneter Fischbegleiter, der mich nie enttäuschte. Aber auch an richtige „Rockertypen“ von Rebsorten wagten sie sich hier heran. Livio Felluga, der einer – wenn nicht DER – bekannteste Winzer des Friaul war, getraute sich sogar an die Refosco-Rebe, den Refosk, ein rauer Geselle, den die Slowenen hinter der Grenze servieren und der jeden braven Italiener schon beim ersten Schluck schmerzhaft das Gesicht verziehen lässt.


Aber mit Refosk begann der Abend im Haus des Winzers nicht. Sondern mit den Polpette oben. Kleinen Bällchen aus – ja was denn nun eigentlich? Fleisch wars keins. Fisch auch nicht. Aber umwerfend lecker wars, zusammen mit etwas Prosciutto crudo und dem Käse und der Quiche (die italienischen Leser werden sich jetzt entrüstet abwenden, weil es natürlich nicht Quiche, sondern irgendwie anders heißt.)

Jedenfalls waren die Polpette so beschaffen, dass der riesige Teller mit den gebackenen Kugeln sofort weg war. Ich nahm mir jedenfalls vor, die Köchin zu fragen, die plötzlich mitten im Raum und inmitten der Gesellschaft stand. Sie verstummte, die Abendgesellschaft und folgte augenblicklich der befehlsgewohnten Stimme der Köchin, die weiter Polpette auf Teller lud.


Leda sei ihr Name, sagte die Köchin mir, als ich mich später von der großen Tafel weg in ihre Küche schlich, um sie nach dem Geheimnis ihrer Polpette zu fragen. Aber als Leda begann, von sich zu erzählen, da vergaß ich, warum ich zu ihr in die Küche geschlichen war. Eigentlich dachte ich ja: Gleich wirft sie mich raus, die resolute Leda. Stattdessen erzählte sie mir Eindringling geduldig, was es als nächstes auf die Teller käme: Gratinierter Spargel. Die trug sie auf die Teller auf. Und ich, der ahnte, dass da ein Gedicht auf warmen Tellern daherkommen würde, schlich schnell hinaus auf meinen Platz am anderen Ende der langen Tafel.


Er war natürlich der Hammer, der gratinierte Spargel. Ich war platt, schon allein weil er schon nicht so fahl und bleich dem kochenden Wasser entstiegen war, wie er das oft in Deutschland tut, bemitleidenswert bleich und schlabberig, sondern in seiner vollen Kraft und mit Kräutern und Butter bedeckt. Leda wusste da etwas, was den meisten von uns abhanden gekommen war: Dass sich nämlich das Auge nicht täuschen lässt, schon gar nicht bei dem, was auf dem Teller liegt. Und dass man selbst dem Spargel seine Würde in seinem Aussehen lassen muss, will man ihn richtig geniessen. 


Kaum war das mit dem Spargel vorbei, ließ ich schnöde meine Tischnachbarn Tischnachbarn sein. Und schlich zu Leda in die Küche. Sie erinnerte mich an meine Großmutter im Gebrodel ihrer Küche, wie sie da im Risotto rührte. Und gleichzeitig die sattgelbe Polenta, die auf dem hinteren Gasbrenner riesige Blasen warf, nicht aus den Augen ließ. Was das denn für ein Risotto sei, fragte ich Leda ehrfürchtig, die mich gar nicht wahrnahm vor lauter Risotto-rühren und Risotto-kosten und -rühren und -kosten. Sie zu fragen, ob ich wohl auch mal dürfe, das traute ich mich dann doch nicht. Zu erhaben war der Moment, ich war zu ehrfürchtig, einer Meisterin des Risotto bei der Arbeit zuzuschauen. „Ich bin jetzt 73“, erzählte Leda. „Mit 18 kam ich hier ins Haus zu Livio Felluga und seiner Familie. Und seitdem habe ich für ihn gekocht. Meine Eltern hatten eine Trattoria hier im Dorf – da hab ich alles gelernt. Auch das hier.“ Was das wohl für ein Risotto sei, frage ich Leda.


„Sklobet“, sagte sie ungerührt. Und deutete auf die grünen Kräuter im Risotto, während sie beiläufig ein großes Stück Butter ins Risotto wirft und mit dem großen Holzkochlöffel weiterrührt, den ich aus der Küche meiner Großmutter kannte. „Sklobet???“, fragte ich Leda wie ein Trottel. 

„Eehhh, Sklobet, eben,“ sagte sie. „Non so la parola tedesca“ – „Ich kenne das deutsche Wort nicht, aber lateinisch heißt es ‚Silene vulgaris’“. Sprachs und rührte. Und kostete. „Aha“, sage ich, der ich mich immer wie ein König fühlte, wenn ich ‚Taraxacum officinalis‘ von ‚Anemone Silvestris‘ unterscheiden konnte. Wiki half weiter, ein bisschen jedenfalls. Aber nicht so richtig. „Taubenkopf-Leimkraut“ stand da. „Aha“. Schon mal gehört? Oder gar gegessen?? „Ist ein typisch friulanisches Gericht, man kann es nur machen, wenn die Pflanze noch nicht blühte – ich hab heute einen ganzen Eimer davon gesammelt“, erzählte Leda, während sie mit einer Hand nach der Parmesan-Reibe griff. Und gleichzeitig im Risotto immer weiter rührte. Und kostete.


Irgendwie war sie immer noch nicht zufrieden. Trotz der Berge Parmesan, die sie wieder und wieder zwischen die Risottokörner rührte. „Noch nicht richtig“, sagt sie zu sich selber, als wäre ich ein Geist und gar nicht die da, so versunken war Leda auf der Jagd nach dem richtigen Geschmack. „Muss genügen für heute“, schüttelte sie gleichmütig den Kopf, als wäre sie ein Golfer, der Tag um Tag einsam seine Runden auf dem Golfplatz dreht, auf der Jagd nach dem eigenen Rundenrekord, der heute eben wieder nicht gelang. 

Nur widerstrebend verlasse ich Leda in ihrer Küche. Eigentlich will ich ja gleich wieder zu ihr zurück in die Küche. Aber über ihrem Risotto kann ich bloß die Augen verdrehen vor Wonne. Ich zwinge mich zum langsam essen. Aber irgendwann ist „Schluss mit lustig“ und „Alles hat ein Ende“ – aber mich hält es nicht auf meinem Platz, ich bin ein schlechter Gast an der Tafel und sause wieder zu Leda in die Küche. Da ist Leda schon beim nächsten Gang. „Gleich gibts Perlhuhn mit dunkler Polenta“, schnurrt sie, als hätte sie auf mich gewartet. Perlhuhn also. Und an meinem inneren Auge ziehen meine Erfahrungen mit staubtrockenen Perlhuhn-Beinchen vorbei. In jedem meiner Lebensjahrzehnte etwa eines. Aber ich vertraue Leda – vielleicht, weil ihre zerarbeiteten, verbogenen Hände mich an die Hände meiner Großmutter erinnern. „Weißt Du, ich hab das Perlhuhn diesmal anders gemacht als sonst. Ich wollte mal etwas neues ausprobieren. Ich habe es mit Essig gewaschen. Und einen Tag mit etwas Knoblauch eingelegt – nicht viel. Und jetzt habe ich es einfach mit einem Salbeiblatt in eine Scheibe frischen Lardo gewickelt, Bauchspeck. Und bei niedriger Temperatur im Ofen geschmort.“

Ob sie denn in den 55 Jahren, die sie für Livio Felluga gekocht hat, den Winzer, nicht öfter mal Lust hatte, etwas anderes zu machen?

„Das schon. Aber mir hat einfach Livio Felluga gefallen. Ich hab heimlich anderes ausprobiert. Aber es hat mir nicht gefallen. In Versuchung war ich öfter. Aber ich bin bei Ihm und seiner Familie geblieben.“

Was denn ihr Lieblingsessen sei?

„Lieblingsessen? Hab ich keins. Wenn ich allein bin, ess ich Brot mit Marmelade. Und Salat. Ich mag nicht für mich kochen. Aber wenn ich FÜR jemanden koche: dann bringe ich Höchstleistung“, sagt sie, während Flavia ihr die Teller für das Perlhuhn reicht. Flavia, die so jung aussieht. Und doch auch schon 27 Jahre neben Leda im Haushalt der Familie Felluga arbeitet.

„Ich probiere auch immer etwas neues aus – so wie heute, mit dem Perlhuhn. Das alte zu wiederholen – ist langweilig. Das Neue reizt mich – aber bei den Sachen, die ich ausprobiere, bleibe ich innerhalb der Tradition.“

„Und die Moderne?“, frage ich, während sie dem Geschmack auf ihrem Löffel nachsinnt.

„Die mag ich nicht. Schäumchen und so. Bah. Nein. Mich reizt die Tradition – und neues mit den alten Rezepten zu machen. Manches verstehe ich auch nicht. Und den Hype um die ‚Barbabietola‘, die Rote Beete, den verstehe ich ja überhaupt nicht.“

Ledas Perlhuhn? Es ist vielleicht das wundervollste Geflügel, das ich je aß. Zart und voll Geschmack und von überirdischer Art. Danach? Ganz schnell zu ihr in die Küche.

Was ich denn für ein Sternzeichen sei, fragt sie mich. „Sagittario – Schütze“, antworte ich. Da lächelt sie nur wissend, Leda della Rovere, die 55 Jahre für den Winzer Livio Felluga arbeitete. Ihr Lächeln bleibt ihr Geheimnis – so wie sie das der einfachen Polenta für sich behält.

Und sie? „Ich bin Sternzeichen Löwe“, und lacht. Da wundert mich nichts mehr – denn Löwe ist mein Aszendent.

Livio Felluga, der Winzer, für den Leda kochte, starb vergangenes Jahr am Weihnachtstag im Alter von 102 Jahren. Leda della Rovere wünsche ich ein mindestens ebenso langes Leben. Und wenn ich Glück habe: Dann stehe ich eines Tages noch einmal neben ihr, in ihrer Küche, und darf zusehen, wie sie kocht. Vielleicht erzählt ihr einer der friulanischen Freunde von diesem Post. Denn etwas hat Leda in ihrem Leben ganz sicher noch nie probiert. Internet.

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Hier ist Kochen drin:

JETZT als PRINT oder als eBook ab € 9,99

unter millemari.de/Ein-sommer-lang-sizilien.

sowie in jeder Buchhandlung oder bei AMAZON.


Menschen am Meer: Bei der Köchin des Winzers Livio Felluga. Oder: Wie man im Friaul Risotto macht.

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul, der nordöstlichsten Ecke Italiens.


Es gibt Abende, die beginnen unscheinbar wie das Knarzen einer Stiege, die man schon tausendmal betrat. Und enden fulminant wie der wirbelnde Bolero Ravels. Ein bisschen liegt es schon vom Meer weg, das Haus, in dem der Winzer Livio Felluga lebte. Ein altes Haus, irgendwo auf einem der Hügel des Friaul, im Collio, den sanften Hängen an der Grenze zu Slowenien.


Es ist eine Weingegend. Und sie bauen hier allerhand an. Den friulischen Tocai, der so hieß, bis die EU sagte, so dürfe er nicht mehr heißen, wegen des Tocai der Ungarn. Also tauften sie ihn um in „Friulano“, so heißt er jetzt und ist doch immer noch, was er einst war: ein ausgezeichneter Fischbegleiter, der mich nie enttäuschte. Aber auch an richtige „Rockertypen“ von Rebsorten wagten sie sich hier heran. Livio Felluga, der einer – wenn nicht DER – bekannteste Winzer des Friaul war und der noch mit 90 im Geländewagen durch seine 155 Hektar Weinberge fuhr, um Reben zu kontrollieren, traute sich sogar an die Refosco-Rebe ran, den Refosk, ein rauer Geselle, den die Slowenen hinter der Grenze servieren und der jeden braven Italiener schon beim ersten Schluck schmerzhaft das Gesicht verziehen lässt.


Aber mit Refosk begann der Abend im Haus des Winzers nicht. Sondern mit den Polpette oben. Kleinen Bällchen aus – ja was denn nun eigentlich? Fleisch wars keins. Fisch auch nicht. Aber umwerfend lecker wars, zusammen mit etwas Prosciutto crudo und dem Käse und der Quiche (die italienischen Leser werden sich jetzt entrüstet abwenden, weil es natürlich nicht Quiche, sondern irgendwie anders heißt.)

Jedenfalls waren die Polpette so beschaffen, dass der riesige Teller mit den gebackenen Kugeln sofort weg war. Ich nahm mir jedenfalls vor, die Köchin zu fragen, die plötzlich mitten im Raum und inmitten der Gesellschaft stand. Sie verstummte, die Abendgesellschaft, und folgte augenblicklich der befehlsgewohnten Stimme der Köchin, die weiter Polpette auf Teller lud.


Leda sei ihr Name, sagte die Köchin mir, als ich mich später von der großen Tafel weg in ihre Küche schlich, um sie nach dem Geheimnis ihrer Polpette zu fragen. Aber als Leda begann, von sich zu erzählen, da vergaß ich, warum ich zu ihr in die Küche geschlichen war. Eigentlich dachte ich ja: Gleich wirft sie mich raus, die resolute Leda, aus ihrer Küche. Stattdessen erzählte sie mir Eindringling geduldig, was als nächstes auf die Teller käme: „Asparagi gratinati.“ Gratinierter Spargel. Die trug sie auf die Teller auf. Und ich, der ahnte, dass da auf warmen Tellern ein Gedicht daherkommen würde, huschte schnell hinaus auf meinen Platz am anderen Ende der langen Tafel.


Er war natürlich der Hammer, der gratinierte Spargel. Ich war platt, schon allein weil er nicht so fahl und bleich dem kochenden Wasser entstiegen war, wie er das oft in Deutschland tut, bemitleidenswert leblos und schlabberig, sondern in seiner vollen Kraft. Und mit Kräutern und Butter bedeckt. Leda wusste da etwas, was den meisten von uns abhanden gekommen war: Dass sich nämlich das Auge nicht täuschen lässt, schon gar nicht bei dem, was auf dem Teller liegt. Und dass man selbst dem Spargel seine Würde in seinem Aussehen lassen muss, will man ihn richtig geniessen. 


Kaum war das mit dem Spargel vorbei, ließ ich schnöde meine Tischnachbarn Tischnachbarn sein. Und schlich zu Leda in die Küche. Sie erinnerte mich an meine Großmutter im Gebrodel ihrer Küche, wie sie da im Risotto rührte. Und gleichzeitig die sattgelbe Maismehl-Polenta, die auf dem hinteren Gasbrenner riesige Blasen warf, nicht aus den Augen ließ. Was das denn für ein Risotto sei, fragte ich Leda ehrfürchtig, die mich gar nicht wahrnahm vor lauter Risotto-rühren und Risotto-kosten und -rühren und -kosten. Sie zu fragen, ob ich wohl auch mal dürfe, lag mir auf der Zunge. Aber ich traute mich nicht. Zu erhaben war der Moment, ich war zu ehrfürchtig, Leda beim Risotto zuzuschauen. „Ho 73 anni – Ich bin 73“, erzählte Leda. „Mit 18 kam ich hier ins Haus zu Livio Felluga und seiner Familie. Seitdem habe ich für ihn gekocht. Meine Eltern hatten eine Trattoria hier im Dorf – da hab ich alles gelernt. Auch das hier.“ Was das wohl für ein Risotto sei, frage ich Leda.


„Sklobet“, sagte sie ungerührt. Und deutete auf die grünen Kräuter im Risotto, während sie beiläufig ein großes Stück Butter ins Risotto wirft und mit dem großen Holzkochlöffel weiterrührt, den ich aus der Küche meiner Großmutter kannte. „Sklobet???“, fragte ich Leda wie ein Trottel. 

„Eehhh, Sklobet, eben,“ sagte sie. „Non so la parola tedesca“ – „Ich kenne das deutsche Wort nicht, aber lateinisch heißt es ‚Silene vulgaris’“. Sprachs und rührte. Und kostete. Und rührte. „Aha“, sagte ich, der ich mich immer wie ein König fühlte, wenn ich ‚Taraxacum officinalis‘ von ‚Anemone Silvestris‘ unterscheiden konnte. Wiki half weiter – ein bisschen jedenfalls. Aber nicht so richtig. „Taubenkopf-Leimkraut“ stand da. Leimkraut. „Aha“. Schon mal gehört? Schon mal gesehen?? Oder gar gegessen??? „Ist ein typisch friulanisches Gericht, man kann es nur machen, wenn die Pflanze noch nicht blühte – ich hab heute einen ganzen Eimer davon gesammelt“, erzählte Leda, während sie mit einer Hand nach der Parmesan-Reibe griff. Und gleichzeitig im Risotto immer weiter rührte. Und kostete.


Irgendwie war sie immer noch nicht zufrieden. Trotz der Berge Parmesan, die sie wieder und wieder zwischen die Risottokörner rührte. „Noch nicht richtig“, sagt sie zu sich selber, als wäre ich ein Geist und gar nicht da in ihrer Küche, so versunken ist Leda auf ihrer einsamen Jagd nach dem richtigen Geschmack. „Muss genügen für heute“, schüttelt sie gleichmütig den Kopf, als wäre sie ein Golfer, der Tag um Tag einsam bei Sonne und Regen seine Runden auf dem Golfplatz dreht, auf der Jagd nach dem eigenen Rundenrekord, der heute eben wieder nicht gelang. 

Nur widerstrebend verlasse ich Leda in ihrer Küche. Eigentlich will ich ja gleich wieder zu ihr zurück in die Küche. Aber über ihrem Risotto kann ich bloß die Augen verdrehen vor Wonne. Ich zwinge mich zum langsam essen. Aber irgendwann ist „Schluss mit lustig“ und „Alles hat ein Ende“und der Teller mit dem Risotto und dem Leimkraut ist leer – aber mich hält es nicht auf meinem Platz, ich bin ein schlechter Tischnachbar und sause wieder zu Leda in die Küche. Da ist Leda schon beim nächsten Gang. „Gleich gibts Perlhuhn mit dunkler Polenta“, schnurrt sie, als hätte sie auf mich gewartet. Perlhuhn also. Und an meinem inneren Auge ziehen meine Erfahrungen mit staubtrockenen Perlhuhn-Beinchen vorbei. In jedem meiner Lebensjahrzehnte waren es ein bis zwei solcher trockener Erfahrungen. Perlhuhn. Das will was. Aber ich vertraue Leda – vielleicht, weil ihre zerarbeiteten, verbogenen Hände mich an die Hände meiner Großmutter erinnern, denen Kässpatzen und Käsekuchen in unnachahmlichem Geschmack entsprungen waren.

Da reißt mich Leda aus meinen Gedanken: „Weißt Du, ich hab das Perlhuhn diesmal anders gemacht als sonst. Ich wollte mal etwas neues ausprobieren. Es dauerte einen Tag. Ich habe es mit Essig gewaschen. Und einen Tag mit etwas Knoblauch eingelegt – nicht viel. Und jetzt habe ich es einfach mit einem Salbeiblatt in eine Scheibe frischen Lardo gewickelt, Bauchspeck. Und bei niedriger Temperatur im Ofen geschmort.“

Ob sie denn in den 55 Jahren, die sie für Livio Felluga gekocht hat, den Winzer, nicht öfter mal Lust hatte, etwas anderes zu machen? Einfach woanders zu arbeiten?

„Das schon. Aber mir hat einfach Livio Felluga gefallen. Ich hab heimlich anderes ausprobiert. Hab Gelegenheitshalber auch für andere gekocht. Aber gefallen hat es mir nie. In Versuchung war ich öfter. Aber ich bin bei Ihm und seiner Familie geblieben.“

Warum?

„Mir hat Livio Felluga gefallen.“

Was denn ihr Lieblingsessen sei?

„Lieblingsessen? Hab ich keins. Wenn ich allein bin, ess ich Brot mit Marmelade. Und Salat. Ich mag nicht für mich kochen. Aber wenn ich FÜR jemanden koche: dann bringe ich Höchstleistung“, sagt sie, während Flavia ihr die Teller für das Perlhuhn reicht. Flavia, die so jung aussieht. Und doch auch schon 27 Jahre neben Leda im Haushalt der Familie Felluga arbeitet.

„Ich probiere auch immer etwas neues aus – so wie heute, mit dem Perlhuhn. Das alte zu wiederholen – ist langweilig. Das Neue reizt mich – aber bei den Sachen, die ich ausprobiere, bleibe ich innerhalb der Tradition.“

„Und die Moderne?“, frage ich, während sie mich scheinbar vergisst, weil sie dem Geschmack auf ihrem Löffel nachsinnt und einen Moment ganz weit weg ist.

„Die mag ich nicht. Schäumchen und so. Bah. Nein. Mich reizt die Tradition – und neues mit den alten Rezepten zu machen. Manches verstehe ich auch nicht. Und den Hype um die ‚Barbabietola‘, die Rote Beete, den verstehe ich ja überhaupt nicht.“

Ledas Perlhuhn? Es ist vielleicht das wundervollste Geflügel, das ich je aß. Zart und voll Geschmack und von überirdischer Art. Ich wusste nicht, dass ein Perlhuhn so schmecken kann. Danach? Ganz schnell zu ihr in die Küche.

Was ich denn für ein Sternzeichen sei, fragt sie mich, als ich neben ihr stehe und ihr beim Verteilen des Desserts zusehe. „Sagittario – Schütze“, antworte ich. Da lächelt sie nur wissend, Leda della Rovere, die 55 Jahre für den Winzer Livio Felluga arbeitete. Ihr Lächeln bleibt ihr Geheimnis – so wie sie das der einfachen Polenta für sich behält.

Und sie? „Ich bin Sternzeichen Löwe“, und lacht. Da wundert mich dann gar nichts mehr. Nicht mehr, warum die Tischgesellschaft auf Leda hört. Nicht mehr Livio Fellugas Sohn Marco, der mir lachend später erzählt „Leda – oh ja, sie ist der Chef im Haus.“ Nicht mehr, warum Leda ausgerechnet mich still in ihrer Küche duldet. Denn Löwe ist mein Aszendent. Als ich es ihr erzähle, lacht sie schallend. Und wir nehmen uns in den Arm.

Livio Felluga, der Winzer, für den Leda kochte, starb vergangenes Jahr am Weihnachtstag im Alter von 102 Jahren. Leda della Rovere wünsche ich ein mindestens ebenso langes Leben. Und wenn ich Glück habe: Dann darf ich eines Tages noch einmal neben ihr stehen, in ihrer Küche. Und darf ihr zusehen, wie sie kocht. Vielleicht erzählt ihr einer der friulanischen Freunde von diesem Post. Denn eines hat Leda in ihrem Leben ganz sicher noch nie ausprobiert. Internet.

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Peter Foerthmann – 70 Jahre

UNPLUGGED

Mit 70 Jahren fliegt meine Lebensdrohne in einer Höhe, bei der man Weisheit und Lebenserfahrung vermuten könnte, aber wir wissen, dass Äusserlichkeiten eines Menschen nicht zwingend Rückschlüsse auf das Funktionieren seiner Birne erlaubt. Erst im menschlichen Nahkampf nämlich offenbart sich, ob wir für das Leben genug gestählt, ausreichend versiert, genetisch solide ausgestattet, über eine sichere Kompass Nadel verfügen, einen Schubs Chuzpe natürlich nicht zu vergessen. Ach ja, und Glück – zumindest ein Quäntchen. Denn das unserer – nicht immer unbeschwerten! – Jugendzeit folgende, lebenslange soziale Kampfgetümmel selektiert gnadenlos, hinterlässt wenige Sieger und so viele Verlierer – fängt bei den kleinen Hosenscheissern an und ist in der Senioren Ranch noch lange nicht zu ende, weil erst die Qualität von Erbauseinandersetzungen den finalen Beweis zu Tage fördert, mit welchem Typus Menschlikus wir umgeben sind. Ein schneller frecher Bogen, den ich hier spanne, ich werde das sofort relativieren und konkretisieren, weil ich zum Glück noch lebendig bin, vermutlich, weil Neid und Gier in meiner Birne keine Heimat haben und ich darum unbeschwert – manchmal sicher blauäugig! – fröhlich bin.

Vielleicht ein Alleinstellungs Merkmal? WEITERLESEN

Und was ist wenn Sturm ist

Ich selbst habe bisher noch keinen Sturm auf See erlebt. Nur mal Binnen, vor Anker, aber das ist eine andere Geschichte. Im Ärmelkanal und in der Biskaya hatten wir mit Eos auch mal Windstärke 7, aber eben noch keinen Sturm oder stürmischen Wind, der ja erst bei 8 Beaufort beginnt und bei 9 als „vollwertiger“ Sturm bezeichnet wird.

War mir ganz recht so und es durfte von mir aus auch noch lange so bleiben, denn die Erfahrungen mit Eos in der Biskaya bei Windstärke 7 waren mir eigentlich vollkommen genug.

Am 8. Mai bin ich, nach tagelangem warten in Korinth, morgens gen Westen gestartet. Ich hatte diesen Ort so satt! Immerhin war es in der Nacht vor dem anstehenden Törn einigermaßen ruhig. Vielleicht lag es auch daran, dass Nomade diese Nacht nicht das einzige Schiff hier war. Am Vorabend ist noch eine Ketsch aus Holland angekommen und eine Charteryacht.
Der Wetterbericht meldete 4 bis 5 Beaufort aus West, wie immer, hier im Golf.
Eigentlich fahre ich bei 5 Beaufort nicht raus, wenn es nicht unbedingt sein muss, denn wenn es blöd kommt, liegt der Wetterbericht auch mal 2 Windstärken daneben und es wird unangenehm. Erst recht fahre ich bei so einem Wetter eigentlich nicht raus, wenn ich das Revier nicht kenne, noch mehr nicht, wenn es sich um Gegenwind handelt und ganz bestimmt nicht, wenn es sich um den ersten Einhandtörn mit Nomade handelt. Aber da war eben Korinth und die Tatsache, dass es in den nächsten Tagen nicht besser wird.
Also raus hier und nur weg. Den Plan bin ich am Vortag X Mal durchgegangen und hatte einige Schutzhäfen und Buchten in der Karte markiert, falls es doch nicht klappen sollte und ich beidrehen müsste.
Die Holländer sind eine Weile vor mir raus und waren immer in Sichtweite, die Charteryacht direkt neben mir, alle mit gleichem Kurs: Galaxidi

Galaxidi, auch so ne Geschichte. Dass ich jemals wieder nach Galaxidi wollen würde, hätte ich vor über einem Jahrzehnt auch nicht gedacht. Damals, ich war gerade Anfang 20, habe ich dort auf der Mole gesessen, aufs Meer geschaut, und war schwer enttäuscht, weil mein Ersatzwehrdienst, den ich in diesem kleinen Dorf ableisten wollte, nicht geklappt hat und ich wieder nach Hause geflogen bin.
Und jetzt? Jetzt war das kleine Dorf plötzlich wieder mein Ziel.

In der Bucht stand immer noch unangenehmer Schwell vom Sturm am Vortag. Es dauert im Golf unheimlich lange, bis der sich ganz abgebaut hat. Vermutlich durch permanente Reflexionen an den steilen Felsküsten.

Anfangs klappte alles wunderbar. Es war fast windstill und ich kam mit etwa 6 Knoten unter Maschine gut voran. Als der Wind dann einsetzte, konnte ich sogar eine Weile die Genua setzen und hoch am Wind aufs erste Kap zu halten. Danach hatten wir den Wind wieder genau auf den Bug und das Segel wurde eingerollt.
Es dauerte auch nicht lange, da drehte der Wind schnell auf. So wie gemeldet.
Die Wellen wurden allmählich etwas höher, aber das machte Nomade nichts aus. Sie ist da durchgepflügt, als ob es keine Welle gegeben hätte. Die Charteryacht hatte zu dem Zeitpunkt bereits beigedreht, auf einen kleinen Hafen an der Südküste und es dauerte nicht lange, bis die Holländer vor mir auch plötzlich ihren Kurs auf diesen Hafen geändert haben. Da ist mir wirklich kurz das Herz etwas tiefer gerutscht. Sollte es da vorne jetzt etwa noch heftiger werden?
Kurze Zeit später wurde meine Frage beantwortet. Ja, es wurde heftiger. Erst 6, dann 7 und ich hätte zu dem Zeitpunkt genau das gleiche gemacht wie die Crew der Stahlketsch aus Holland. Nur hatte ich das Problem, Einhand unterwegs zu sein. Gegen den Gedanken an ein Anlegemanöver mit Buganker und Heckleinen in einem kleinen Hafen bei so viel Wind habe ich mich gesträubt. Das wäre wahrscheinlich schief gegangen. Zur Not wollte ich lieber vor dem Wind in eine der geschützten Buchten an der Nordküste ablaufen oder eben wieder zurück nach Korinth.
Aber jetzt schon aufgeben, wo Nomade das noch ohne Probleme schaffte? Also bin ich weiter in Richtung Galaxidi gefahren, bis es irgendwann wirklich nicht mehr ging. Mittlerweile hatte der Wind auf 8 Beaufort zugelegt und der Seegang wurde auch für Nomade zu stark um da genau im 90° Winkel rein zu fahren. Ganz gestanden hat sie noch nicht, aber wir sind nur noch sehr langsam vorwärts gekommen und es kam festes Wasser übers Deck, wenn sie mit dem Bug kurz in die ruppige See eingetaucht ist.
Also bin ich ein paar Grad abgefallen und habe Kurs auf das Kap Pagkalos gesetzt. Ich wollte versuchen, hoch am Wind bis kurz vors Kap zu fahren, um dann unter Landschutz nach Norden zu segeln und eine kleine Ankerbucht anzulaufen.
Das war noch ein weiter weg und ich war mir am Anfang auch nicht sicher, ob wir das schaffen können. Aber sie lag wunderbar stabil im Wasser. So ganz anders, als ich das von Eos bisher kannte. Keine Bauchklatscher, kein Gezappel und ich hätte nie gedacht, das ich jemals bei solchen Bedingungen einen Anflug von Freude hätte entwickeln können. Aber genau das passierte irgendwann, als mir absolut klar war, das Nomade mit diesen Bedingungen keine Probleme hatte. Im Gegenteil, es hat ihr überhaupt nichts ausgemacht und sie war nicht zu stoppen.
Manchmal, wenn sie in sehr steilen Wellen kurz mit dem Bug abgetaucht und das Wasser übers Deck und gegen die Scheiben geflogen ist, hatte ich sogar ein Grinsen im Gesicht. Denn das für mich überraschende an diesem Trip war, dass ich auch diesmal nicht seekrank geworden bin. Keine Spur von Übelkeit oder schlechten Gedanken! Nichts, nicht mal ein flaues Gefühl im Magen. Ich weiß es natürlich nicht sicher und ich will mich auch noch nicht zu früh freuen, aber ich denke, es liegt sehr viel am Schiff.
Nach ein paar Stunden waren wir endlich am Kap und ich war so zufrieden wie selten zuvor auf See, dass dieser Plan so aufgegangen ist. Der erste stürmische Wind und es hat problemlos funktioniert. Darüber war ich glücklich.

Erst kurz vor der Landspitze habe ich den Kurs nach Norden geändert und wenige Minuten später war Ruhe im Schiff. Der Wind hatte bereits eine Weile vorher wieder abgenommen und wir konnten die letzten Meilen ganz gemütlich durch den Golf fahren, bis zu einer kleinen abgelegenen Bucht, die gut nach Westen geschützt war.
Ich habe etwa 150m vorm Ufer geankert und hier übernachtet. Der Golf hat sich am Abend und in der folgenden Nacht allerdings weiter aufgeschaukelt. Irgendwann war der Schwell auch in dieser Ecke angekommen und hat Nomade ordentlich schaukeln lassen.
Am nächsten Morgen bin ich deshalb noch 5 Seemeilen weiter, bis in die geschützte Bucht von Antikyra gefahren, denn für diesen und den folgenden Tag war wieder sehr starker Wind gemeldet.
In Antikyra, dem kleinen Fischerdorf, gefiel es mir sehr gut. Freundliche Menschen, völlig entspannt und ein sehr hübscher kleiner Hafen. Anfangs stand auch noch kein nennenswerter Schwell hier drin, am Nachmittag wurde es aber immer heftiger und Nomade ist schwer ins rollen geraten. Trotz langer Festmacher und Wind, der uns von der Pier wegdrückte, ist sie irgendwann längsseits gegen die Mauer geschaukelt. Mit einem lauten Knall hat sich dabei einer der alten Fender verabschiedet. Wieder einer weniger. Jetzt habe ich noch 4 neue und einen alten.
Abends konnte ich Nomade dann um die Ecke herum an einen nahezu schwellfreien Platz verlegen und zwei ruhige Nächte verbringen.



Die Tage habe ich in Antikyra mit Reparaturen verbracht. Vor allem die Genua hat mir viel Arbeit und Kopfzerbrechen bereitet. Sie hat es leider hinter sich und ist wieder an mehreren Stellen gerissen. Das ist sehr schade, denn über 90% des Segels sind in sehr gutem Zustand und sie steht wirklich gut. Allerdings wurde sie während der langen Zeit an Land nicht von der Rollanlage genommen und die griechische Sonne hat das Achterliek verbrutzelt. Dort löst sie sich jetzt nach und nach auf.
Ich habe wieder mit Segeltape geklebt und viel genäht. Einsetzen kann ich sie aber definitiv nur noch bei wenig Wind. Ich hoffe, sie hält noch bis Frankreich durch.

Nach der langen Westwindphase sollte für den Donnnerstag laut Wetterbericht endlich mal ein paar Stunden Ostwind einsetzen und ich hatte die Hoffnung, dass der Volvo diesmal etwas länger still bleiben könnte.
Also bin ich wieder los und kurz nach dem Kap setzte dann, dreimal dürft ihr raten, ja, Westwind ein!
Gegen den Wetterbericht hier im Golf von Korinth war der Wetterbericht in der Biskaya ein Traum. Da habe ich mich manchmal schon fast beschwert, wenn die Windrichtung mal 20° daneben war, oder sich um 2 Windstärken verschätzt wurde. Hier kann man die Prognose selbst wenige Stunden vorher nur als vagen Anhaltspunkt verwenden. Nur eins ist fast immer sicher, egal was gemeldet wird: Der Wind kommt aus Westen!
Und die Stärke? Irgendwas zwischen 1 und 9. Ein Schotte, der hier schon Jahre segelt, hat mir in Kilada erzählt, dass er mal bei gemeldetem schwachen Wind raus gefahren ist und bei Windstärke 10 mit Hängen und Würgen in den nächsten Hafen kam.

Dieses Wetterphänomen mit seinen schnellen Wechseln und der Unberechenbarkeit liegt an der Form des Golfs und seinen hohen Bergen, auf deren Gipfeln auch jetzt im Mai noch Schnee liegt. Der Golf wirkt dabei wie eine Düse. Der Wind wird kanalisiert und beschleunigt. Thermik und lokale Unterschiede spielen dabei auch noch eine große Rolle und lassen die Vorhersagen ungenau werden.

Aber ich bin jetzt in Trizonia, einer kleinen Insel am Ende des Golfs. Hier gibt es ein aufgegebenes Marina-Projekt, das von Aussteigern und Abenteurern entdeckt wurde. Die Brücke von Patras konnte ich auch bereits sehen und hier warte ich nun auf ein günstiges Wetterfenster für die nächste Etappe durch den Golf von Patras und höre mir die interessanten Geschichten in dem bunten Hafen an.

Trizonia, Insel der Aussteiger und Abenteurer.

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Eine Vollmondnacht im Hafen. Oder: Warum kann’s eigentlich nicht immer so sein?

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.

Es ist Mai in der Marina San Gorgio di Nogaro am Fluss Corno. Waren die letzten Nächte zuhause noch regenreich und kühl, so ist es hinter den Alpen warm geworden. Selbst jetzt, weit nach Mitternacht, bin ich ohne Jacke unterwegs durch den Hafen, der im Licht des Vollmonds liegt. Auf der Jagd nach guten Fotos. Auf der Jagd nach guten Gedanken.

Das eine ist dabei so schwer wie das andere. Und doch: Seit ich seit ein paar Stunden am Meer bin, am Wasser, ist alles federleicht und alle Schwere abgefallen. So, als wäre im Wasser in minimaler Dosierung ein Botenstoff enthalten, irgendein Pheromon, das aus dem Wasser aufsteigt, das ich in feinster Dosierung hier am Meer inhaliere. Und das mein Leben leicht macht, sobald ich auch nur ein Millionstel davon einatme. Wenn ich nur wüsste, was es ist? 


Vielleicht Vielleicht ist es der Anblick des für einen Moment still daliegenden Flusses, der nur für einen Wimpernschlag verharrt in dieser Nacht zwischen Ebbe und Flut? Vielleicht ist es der Gesang einer Nachtigal, der vom anderen Ufer des Corno zum Hafen herüberdringt? Die sich wiederholenden Refrains, die kehligen Lieder des kleinen Vogels, der so klein und unscheinbar auf Fotografien wirkt, dass ich mich jedes Mal wundere, woher er die Stimmkraft nimmt und singt, eine ganze Nacht lang, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Ein Lied nach dem anderen.

Vom Westen die Wolken, in lockeren Haufen. Mal lassen sie den Mond hell über dem Hafen scheinen. Und dann ist alles auch gleich wieder abgedunkelt. Und der Mond ist hinter einer dichten Decke verschwunden. Ich schlendere durch den Hafen, bin müde, und kann mich trotzdem nicht entschließen, auf Levje endlich ins Bett zu kriechen. Die Nacht im Hafen unter dem Vollmond ist zu schön. Zu außergewöhnlich. Warum kann es eigentlich nicht immer so sein?

Ja: Warum eigentlich nicht? Es ist Mitternacht – und keine andere Tageszeit ist besser dafür geschaffen, um ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein seinem besten Freund. Ehrlich zu sein zu seinem Partner. Und: Ehrlich zu sein zu sich selber. Versuchen wir es also, wo der Vollmond gerade leuchtet. Vielleicht ist zweierlei dafür verantwortlich. Zum einen: Äußere Zwänge. Dinge, die von außen an uns herangetragen werden. Ein „Funktionieren müssen“ im Beruf, ein „Funktionieren müssen“ im Eingespanntsein in unsere Doppelt-, Drei- und Vierfachfunktionen, irgendwo auf der Landkarte zwischen „Wollen“ und „Müssen“. Da gerät manches unter die Räder.


Aber noch wichtiger ist das zweite: Dass wir einfach oft verkennen, wer der einzige Mensch ist, der uns helfen kann. Nämlich wir selber. Wie oft deuten wir reflexartig auf irgendjemand, um ihm die Verantwortung zuzuschieben für unser Unglücklichsein? Ein Boss. Ein Kollege. Unser Partner. Ein fieses Gesicht aus der weltweiten Politik, das gerade Schlagzeilen macht. Dabei sind jedes Mal wir der einzige Mensch, der tatsächlich etwas ändern könnte.

Ob die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir versuchen würden, uns zu ändern, statt sinnlos auf unserer Umgebung herumzuhacken? 

Ich weiß es nicht. Aber dass diese Nacht mit dem Vollmondnacht über dem Hafen von San Giorgio einmalig ist; dass ich sie missen würde, wenn ich nicht hierher aufgebrochen wäre, mich auf den Weg gemacht hätte: Das weiß ich ganz sicher.

Wenn Ihnen dieser Post gefiel: Liken Sie ihn – mit einem Klick hier drunter ins Kästchen bei „Tolle Geschichte“.

Eine Vollmondnacht im Hafen. Oder: Warum kann’s eigentlich nicht immer so sein?

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.

Es ist Mai in der Marina San Gorgio di Nogaro am Fluss Corno. Waren die letzten Nächte zuhause in Deutschland regenreich und kühl, so ist es hinter den Alpen warm geworden. Selbst jetzt, weit nach Mitternacht, bin ich ohne Jacke unterwegs durch den Hafen von San Giorgio, der im Licht des Vollmonds liegt. Auf der Jagd nach guten Fotos. Auf der Jagd nach guten Gedanken.

Das eine ist dabei so schwer wie das andere. Und doch: Seit ich nun ein paar wenige Stunden am Meer bin, am Wasser, ist alles federleicht. Und alle Schwere abgefallen. So, als wäre im Wasser in minimaler Dosierung ein Botenstoff enthalten, irgendein Pheromon, das aus dem Wasser aufsteigt, das ich in feinster Dosierung hier am Meer inhaliere. Und das mein Leben leicht macht, sobald ich auch nur ein Millionstel davon einatme. Wenn ich nur wüsste, was es wirklich ist, das hier am Meer alles leicht macht? 


Ist es der Anblick des für einen Moment still daliegenden Gezeitenflusses, der nur für einen Wimpernschlag reglos verharrt in dieser Nacht, genau zwischen Ebbe und Flut? Ist es der Gesang einer Nachtigall, der vom anderen Ufer des Corno zum Hafen herüberdringt? Die sich wiederholenden Refrains, die kehligen Lieder eines winzigen Vogels, der so klein und unscheinbar auf Fotografien wirkt, dass ich mich jedes Mal wundere, woher er die Stimmkraft nimmt und singt, eine ganze Nacht lang, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Ein Lied nach dem anderen.

Vom Westen die Wolken, in lockeren Haufen. Mal lassen sie den Mond hell über dem Hafen scheinen. Und dann ist alles auch gleich wieder abgedunkelt. Und der Mond ist hinter einer dichten Decke verschwunden. Ich schlendere durch den Hafen, bin müde, und kann mich trotzdem nicht entschließen, auf Levje endlich ins Bett zu kriechen. Die Nacht im Hafen unter dem Vollmond ist zu schön. Zu außergewöhnlich. 

Warum kann es eigentlich nicht immer so sein?

Ja: Warum eigentlich nicht? Es ist Mitternacht – und keine andere Tageszeit ist besser dafür geschaffen, um darüber nachzudenken. Und ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein wie zu seinem besten Freund. Ehrlich zu sein wie zu seinem Partner. Und: Ehrlich zu sein zu sich selber. Versuchen wir es also, wo der Vollmond jetzt gerade zwischen zwei schnell ziehenden Wolkenbänken leuchtet. 

Vielleicht ist zweierlei dafür verantwortlich. Zum einen: Äußere Zwänge. Dinge, die von außen an uns herangetragen werden. Ein „Funktionieren müssen“ im Beruf, ein „Funktionieren müssen“ im Eingespanntsein in unsere Doppelt-, Drei- und Vierfachbelastungen und -funktionen im Leben, irgendwo auf der Landkarte zwischen „Wollen“ und „Müssen“. Wir sind eingespannt im Beruf. Im Haushalt, den wir zu führen haben. Wir sind Konsumenten, die ständig wie die Ameisen neue Dinge in ihren Bau tragen. Wir sind auch „Steuerbürger“, so nannte mich ein Finanzbeamter einmal, in der dauernden Verwaltung unseres selbst. Und der über 10.000 Dinge, die ein Deutscher im Durchschnitt heute besitzt. Wo es doch vor 500 Jahren keine 10 Dinge waren, die ein durchschnittlicher Deutscher sein eigen nannte. Da gerät manches unter die Räder.


Aber noch wichtiger ist das zweite: Dass wir einfach oft verkennen, wer der einzige Mensch ist, der uns helfen in all diesen Belastungen Erleichterung bringen könnte. Der einzig, der wirklich „was ändern könnte“. Nämlich wir selber. Wie oft deuten wir reflexartig auf irgendjemand, um ihm die Verantwortung zuzuschieben für unser Unglücklichsein? Ein Boss. Ein Kollege. Unser Partner. Ein fieses Gesicht aus der weltweiten Politik, das gerade Schlagzeilen macht. Es gibt täglich viele Angebot, wem wir die Schuld zuschieben könnten. Dabei sind jedes Mal wir der einzige Mensch, der tatsächlich etwas ändern könnte.

Ob die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir versuchen würden, UNS zu ändern, statt sinnlos auf unserer Umgebung herumzuhacken? 

Ich weiß es nicht. Aber dass diese Nacht mit dem Vollmondnacht über dem Hafen von San Giorgio einmalig ist; dass ich sie missen würde, wenn ich nicht hierher aufgebrochen wäre, mich auf den Weg gemacht hätte: Das weiß ich ganz sicher.

So wandere ich dahin, zwischen den still daliegenden Booten. Ich höre immer noch die Nachtigall, als ich zurück bin, auf Levje. Ich höre sie solange, bis ich endlich eingeschlafen bin.

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Übrigens: Danke für Ihre vielen Likes zu meinem Post über 
„Maurizio und das blaue Ungetüm“. Circa 3.000 Leser haben ihn in drei Tagen gelesen. 
Eben traf ich Maurizio, er strahlte übers ganze Gesicht, als er sagte: 
„Tutti lo sanno!“ „Alle habens gelesen – alle wissen es“. Na denn…

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Tage zum vergessen

Am 3. Mai haben wir früh morgens bei Flaute die Leinen in der Zea Marina gelöst und sind langsam aus dem Hafen getuckert. Filou war schon etwas aufgeregt und hat sich wohl gefragt, warum sich sein neues Zuhause plötzlich bewegt. Angst hatte er keine, nur neugierig war er und wir waren nach der ersten Anspannung schnell wieder gelassen und guter Dinge für den Törn nach Korinth.

Windstärke 2 bis 3 aus Nord war gemeldet. Darauf haben wir einige Tage gewartet. Ideale Bedingungen für Filous erste Seefahrt waren also zu erwarten. Die Realität sah nach einer Weile völlig anders aus. Zwar stimmte die Stärke zunächst noch, aber der Wind drehte kurz nach der verkehrsreichen Zufahrt auf Patras auf West! Exakt die Richtung, in die wir wollten.
Erst hatte ich noch die Hoffnung, dass es sich nur um eine Ablenkung am südlichen Kap von Salamina handelt, doch auch danach weiterhin Westwind und er drehte kontinuierlich auf.
Was Sabrina, mir und Nomade nichts ausmachte, wurde für Filou sehr unangenehm. Bei Windstärke 5 hatte sich der Gegenwind dann eingependelt, der Seegang wurde unangenehm ruppig und Filou schwer seekrank. Die Details erspare ich euch, aber es tat uns in der Seele weh, ihn so zu sehen.

Wäre der Platz in der Marina nicht wegen einer Bootsausstellung weg gewesen, wir wären wahrscheinlich wieder umgedreht. Andere Häfen hätten unsere Situation nicht wirklich entscheidend verbessert. Also hat sich Sabrina so gut es ging um Filou gekümmert, während ich versucht habe, die unangenehmsten Wellen so anzusteuern, dass Nomade nicht ganz so wild darüber springt. Eine Qual war das, ihn so krank und hilflos zu sehen. Wir wissen ja beide, wie schlimm Seekrankheit sein kann. Nur kann Filou, im Gegensatz zum Menschen, nicht wissen dass es auch irgendwann wieder vorbei ist.
Bis es soweit war, vergingen Stunden. Stunden der Anspannung und Zweifel. Irgendwann wurde es dann ruhiger. Der Wind war nach wie vor stark, aber der Seegang ließ mit jeder Meile Richtung Kanaleinfahrt wieder nach.
Dort angekommen, haben wir an der Pier festgemacht. Sabrina ist zur Kanalverwaltung gelaufen und hat sich um den Papierkram gekümmert, während ich mit Filou eine Runde gelaufen bin. Es ging ihm schnell wieder besser, bis zu dem Moment, als ein Rudel aus 6 Streunern, die ich nicht gesehen hatte, urplötzlich angerannt kam und sehr aggressiv reagiert hat. Ich hatte so eine ähnliche Situation schon mal mit dem Auto in den Bergen auf der Peloponnes erlebt, wo 3 Herdenschutzhunde ohne Vorwarnung das Auto angegriffen haben. Diesmal waren es 6 dieser großen Hunde und Filou bei mir an der Leine.
Er ist sofort losgerannt und ich bin, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, hinter ihm her. So schnell es ging, in Richtung Nomade. Filou und ich waren schneller als das Rudel. Am Schiff hatten wir etwas Abstand gewonnen. Ich hab Filou geschnappt, aufs Boot gehoben und der Spuk war vorbei! Aufs Schiff haben sie sich nicht getraut und sind wieder abgezogen.
Was für ein Schreck! Zum Glück ist nichts passiert.

Die Fahrt durch den Kanal konnten wir nicht genießen. Wir waren nur froh, dass die Situation so glimpflich ausgegangen ist und Filou im Kanal ruhige Bedingungen hatte.
Nach der Durchfahrt war es nur noch ein kurzes Stück bis zum kleinen Hafen in Korinth. Der Anleger klappte problemlos und es hat nicht lange gedauert, bis es Filou wieder besser ging.

Der erste Eindruck von Korinth und seinem Hafen war sehr gemischt. Die Steganlage vergammelt und von Booten verlassen, viel Müll überall und eine lautstarke Schlägerei zwischen Jugendlichen, kurz nach dem Ankommen.
Aber gut, nach ein paar Minuten sollte man keine Stadt beurteilen. Wir sind deshalb los gelaufen um uns etwas umzusehen. Filou bei uns an der Leine und wieder der Alte. Völlig entspannt und neugierig.
Nach wenigen Metern kam uns der erste Streuner entgegen. Laut war er, aber nicht aggressiv. Er hat kurz die Lage gecheckt, gezeigt wessen Revier das hier ist und alles war ok.
Also sind wir weiter. Tiefer in die Stadt, die so schmutzig war, wie bisher keine andere Stadt in der ich war. Nur in der Fußgängerzone ging es, ansonsten flog der Müll nur so durch die Gassen. Und es war sehr auffällig, wieviel mehr Männer hier unterwegs waren als Frauen. Keine Familien, keine Kinder, fast ausschließlich Männer. Männer, die offensichtlich nichts zu tun hatten. Doch, etwas hatten sie zu tun. Die Leute auf der Straße ganz genau zu mustern und an ihrem besonders coolen Gang zu arbeiten. Naja…
Eine Weile später, der nächste Streuner. Diesmal ein ruhiger Geselle, der bald wieder seines Weges gezogen ist.
Als wir bereits auf dem Rückweg waren ist es dann passiert. Ohne Vorwarnung oder den leisesten Ton wurde Filou von einem Streuner gebissen! So ein Verhalten habe ich noch nie bei einem Hund erlebt! Das Biest hat sich von hinten herangepirscht und hat ihn einfach in die Rute gebissen! Filou hat laut gejault, Sabrina hat ihn mit einem Ruck weggezogen und sich vor ihn gestellt. Der Streuner wollte bereits nachsetzen, da habe ich ihn laut angeschrien, einen Schritt in seine Richtung gemacht und mich gebückt, um etwas aufzuheben, was da gar nicht lag.
Es war ein Bluff, den mir mal jemand erzählt hat und ich hätte nie gedacht, dass er wirklich funktioniert. Aber der Hund hat unmittelbar den Kopf eingezogen und ist abgedackelt!
Warum? Weil er gedacht hat, ich hebe einen Stein auf, um ihn damit zu bewerfen. Das ist das traurige an der ganzen Situation. Denn so aggressiv dieser Hund auch war, so ist er vermutlich nicht von sich aus geworden. Das haben Menschen zu verantworten und sicherlich ist er mehr als einmal mit Steinen beworfen worden.
Wir drei waren jedenfalls bedient. Bedient von den Streunern, die hier ganz anders sind als in den gemütlichen Dörfern und bedient von Korinth, mit seinem Müll und der geladenen Grundstimmung.
Also ab zum Boot und zwischendurch Filous Rute untersuchen. Etwas geschwollen war sie an der Bissstelle, aber geblutet hat sie nicht. Der andere Hund hat allerdings sichtbar kräftig zugebissen.

Kurz vorm Boot, die nächste Überraschung. Drei Jugendliche haben sich auffällig unauffällig das Schiff angeschaut. Wir sind deshalb unauffällig vorbei geschlendert, um zu sehen, ob das nur Neugierde ist, oder etwas anderes dahinter steckt.
Es hat nicht lange gedauert, da war der erste auf dem Schiff. Mehr mussten wir nicht sehen, um zügig die Richtung zu ändern. Die drei hatten das mitbekommen und sind erschrocken wieder runter gesprungen. Gesagt haben wir nichts. Wir sind nur auf dem Steg stehen geblieben und haben sie an uns vorbei gehen lassen. Innerlich habe ich gekocht, aber was willst du in der Situation schon anderes machen. Die Jungs hatten die Köpfe jedenfalls fast auf dem Boden, als sie sich vorbei gemogelt haben.
Was für ein Scheißtag!

Der nächste Tag, der Donnerstag, sollte eigentlich ein ruhiger für uns werden, denn Sabrinas Flug ging am Freitag, sehr früh morgens. Durch Filous Seekrankheit mussten wir allerdings umplanen und es musste schnell gehen.
Ihn für die nächsten Etappen an Bord zu lassen, wäre eine schlimme Quälerei geworden. Denn der Golf von Korinth, durch den ich als nächstes muss, wird von Westwinden beherrscht, die nicht selten Sturmstärke erreichen. Auf ruhiges Segelwetter kann man hier nicht warten. Da sind 5 Beaufort gegenan fast schon Luxus. Also haben wir entschieden, dass Filou mit Sabrina nach Hause fliegen wird. Dieser Plan B stand von vornherein fest, sollte er nicht seefest sein. Wenn er sich überhaupt eines Tages ans Segeln gewöhnen kann, dann nur in ganz kleinen Schritten, mit viel Zeit. Hier im Golf wäre das nicht möglich.
Also umplanen, zumal der Schwell im Hafen, der ihn nun wieder seekrank macht, die Bestätigung ist.
Ich beschreibe euch diesen Tag nicht im einzelnen, das wäre zuviel. Aber während Sabrina telefoniert und das Internet durchforstet hat, bin ich kilometerweit durch die Stadt gelaufen, um einen Mietwagen zu organisieren. Abends um 19 Uhr hatte ich ihn und Sabrina ist es gelungen, einen Flug für für die beiden für den nächsten Tag nach Amsterdam zu bekommen. Bei einer Gesellschaft, die auf Hunde spezialisiert ist. Auch wenn der Flug unangenehm für ihn wird, so hat das Flugzeug wenigstens einen extra Raum, der klimatisiert ist und nicht so laut.
Während Sabrina am Abend ihre Sachen gepackt hat, war ich mit dem Zusammenbau von Filous Flugbox beschäftigt.

Am nächsten morgen, der Aufbruch.
Klappte alles völlig problemlos und Filou ist während der Autofahrt zum Flughafen ganz gut drauf gewesen. Übergeben musste er sich auch nicht.
Die Wartezeit am Flughafen haben wir vor dem Gebäude auf einer Wiese verbracht.
Als es dann soweit war, sind wir zusammen rein gegangen. Filou war plötzlich der Star. Durfte an der Leine umher laufen, wurde permanent gestreichelt und fotografiert und war plötzlich: Fluggast

Nach dem einchecken wurden wir zur Kontrolle für ungewöhnliche Gegenstände geschickt. Während Sabrina die Formalitäten erledigt hat, kam eine Zollbeamtin auf Filou und mich zu. Sie fragte, ob er fliegt und wohin. Dann schaute sie ihn genau an, streichelte ihn, klopfte mir auf die Schulter und meinte mit einer Träne im Auge zu mir: „Danke, dass ihr ihn mitnehmt.“
Ich war völlig perplex und hätte selbst fast geheult!
Wir haben uns dann noch kurz unterhalten und es stellte sich heraus, dass sie sich selbst um Streuner kümmert. Ihr war sofort klar, dass Filou auch mal einer war.

Danach ging alles ganz schnell. Filou musste in die Box, was ohne Probleme geklappt hat und ist zusammen mit Sabrina durch die Sicherheitskontrolle gegangen. Dort musste er nochmal kurz raus, damit die Box geröntgt werden konnte. Dann war er weg und wurde in Richtung Flugzeug gebracht. Auch Sabrina musste nun los und ich war wieder allein.
Während für Filou nun der schwere Teil begann, habe ich weiterhin am Flughafen gewartet. Ich wollte erst los fahren, wenn wirklich sicher war, dass beide im Flugzeug und unterwegs sind.
Sabrina konnte nach dem Bording sehen, wie Filou in seiner Box zum Flugzeug gebracht wurde und ich konnte kurze Zeit später, mit Blick auf die Startbahn sehen, wie die beiden abgehoben sind.

Ich stehe eigentlich total auf fliegen, aber bei diesem Start, der lehrbuchmäßig ablief, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Mir tat Filou Leid.

Danach ging es zurück zum Boot und nicht lange, nachdem ich dort wieder angekommen war, kam auch die erleichternde Nachricht aus Amsterdam: Flugzeug gelandet!
Die zweite Nachricht dann unangenehm: Eine halbe Stunde lang, starke Turbulenzen!
Die dritte Nachricht: Ich hab Filou wieder, es geht ihm gut, er freut sich total!

Da hab ich vor Freude feuchte Augen bekommen und war froh, das wir diese Entscheidung getroffen haben. Denn in Korinth hat Nomade am Anleger getanzt. Hier war plötzlich Sturm!
Aber Filou war in Sicherheit und es ging ihm gut. Mein Papa hat die beiden dann mit dem Auto nach Deutschland gebracht und mein Schwager ist mit Sabrina am nächsten Tag nach Belgien gefahren, um unser Auto am Flughafen Charleroi abzuholen. Von dort aus ist Sabrina ja nach Athen geflogen. Ein Flug mit Filou dorthin war aber nicht zu bekommen.

Und jetzt? Jetzt geht es ihm in Wesel gut. Mein Papa kümmert sich um ihn, während Sabrina auf der Arbeit ist und der Hund meiner Eltern (wir leben ja im gleichen Haus) hat Filou sofort als neues Familienmitglied akzeptiert.

Und in Griechenland? Hier ist die Kacke am dampfen! Nomade hatte sehr spät abends nochmals Besuch von drei Jugendlichen. Eine sehr angespannte Situation an Deck war das. Ansonsten wurde ich angepöbelt und um Geld „gefragt“. Da ja allerdings Sturm war, konnten wir nicht dort weg.

Vom ersten Einhandtörn mit Nomade berichte ich dann beim nächsten Mal.

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Aufruf zum Schwerwettertraining (Mein Beitrag zu Scheindiskussionen)

Beiträge zu Sinn und Unsinn von Segelscheinen ja funktionieren immer recht gut, daher hier einmal mein bescheidener Beitrag zu diesem Thema. Geschrieben nach einem kurzen, stürmischen Törn sitzend vor, und ich hoffe das letzte Mal in dieser Saison, dem Wärme spendenen Heizlüfter unter Deck. Mein Törn beginnt in Schausende in der Flensburger Förde. Hier gibt es  eine schmale Einfahrt über ein Flach. Weisse Wellenköpfe hetzen quer zur Einfahrt. Der sehr böige Wind drückt die Masten der Boote heulend zur Seite. Kein Wetter zum Auslaufen, wie mir die Hafenmeisterin probiert einzureden. Aber was soll ich hier den ganzen Tag in Schausende? Also gehe ich einmal ans Ende der Hafenmole und schaue mir das Elend an. Wind 6 plus knackige Böen. Sehr kabbelig, aber kein Vergleich zur offenen Ostsee. Zwei weitere Boote sind draussen und stampfen im 2. Reff. Zusammen mit dem heulenden Wind, sieht das erst einmal spannend aus. 

Noch vor 2 Jahren wäre ich nur sehr ungerne ausgelaufen, heute gehe ich da anders ran. Mein Kurs liegt ja mehr oder weniger vor dem Wind bis Flensburg. Sobald ich draussen bin, wird es also unproblematisch. Bleibt die schmale Ausfahrt fast quer zum Wind. Unter Maschine easy, aber was wenn sie ausfällt? Dieses Gedankenspiel mache ich mir bei jeder Ein- und Ausfahrt in Häfen. Einmal vor der Großenbroder Fähre hat es mir diese Praxis bereits einmal Stress und Schäden erspart. Es sind nur gut drei Kabel (welch schönes Wort) , die überwunden werden müssen. Ich rolle etwas Fock aus. Sollte eigentlich reichen um die nötigen ca. 75 Grad Höhe zu laufen. Sonst eben einfach bis zum nächsten Pfahl der die Einfahrt säumt und Leine drüber. Nicht der beste aller Pläne, es ist aber auch höchst unwahrscheinlich, das ich ihn brauchen werde. Dann folgt das Ablegen mit langer Vorleine auf Slip um das Boot hinten zwischen die Pfähle zu bekommen, das hat sich bei mir Einhand und mit Seitenwind bewährt. Klappt auch. So wie die Ausfahrt unter Diesel. Nur unter dem Stückchen Fock habe ich nach Kurswechsel auf Süd schnell 5,5kn auf der Logge. Es bläst ja doch ganz ordentlich. 
 

Was hat das Ganze nun mit Segelscheinen zu tun, kann man sich nach den vielen Zeilen berechtigterweise fragen? Meine einfache Antwort: Erfahrung ist durch keinen Schein zu ersetzen. Wäre ich früher nicht oder nur höchst gestresst ausgelaufen, rufe ich nun einfach Erfahrungswerte zur nüchternen Risikoabschätzung ab. Wind, Welle, die Lage der anderen Boote draußen, Ablegemanöver, Ausfahrt. Alles schon gehabt, auch bei noch mehr Wind und vor allem Welle. Alle Manöver sind im Kopf abruf- und visualisierbar. Ich habe nichts davon beim SBF oder SKS gelernt. Hätte ich aber gerne. Und so schaue ich auf die einzigen Boote die heute neben mir draußen sind. Vor Glücksburg mit Kapuzenmännchen. Vermutlich Schulungsschiffe des DHH, die tapfer im 2. Reff Wenden und Halsen fahren. Focks flattern im Wind, die Boote bocken in der Welle, krängen teils kräftig. Jeder der Teilnehmer muss ordentlich ran, kann aber später bei seinem ersten Starkwindtörn sagen: „Solche Verhältnisse hatte ich schon mal, nicht schön, aber im 2. Reff geht das.“ Das sind die wertvollen Lernmomente! Dann noch jeder einmal am Ruder, wenn bei Starkwind angelegt wird, da nimmt man dann auch echt was mit. Und alles unter 6 Bft. ist später nur noch halb so schlimm, bis einfach. „Das hatte ich schon viel härter, damals vor Glücksburg….“. Ich als mehr oder weniger Autodidakt musste mich da mühsam Windstärke um Windstärke herantasten. So eine Schwerwetterfahrt hätte mich doch sehr viel weitergebracht, als das dumpfe Lernen hunderter von Fragen. Schwerwetter sollte eigentlich Vorschrift sein, so wie die Autobahn- und Nachtfahrt beim PKW Führerschein. Das würde vielen, unangenehmen Aha-Momente von Neuseglern vorbeugen, die noch nicht wissen, das Segeln nur zu Hälfte Genuss und zur anderen harte Arbeit ist. 

Den Vorteil der Scheinebüffelei sehe ich eher darin, dass man sich einmal mit allen Aspekten der Seefahrt befassen muss und die nötigen Begriffe lernt. Um sich darauf aufbauend weiterbilden zu können. Sonst vergisst man das alles schnell, oder schreibt es als irrelevant ab. Bis, ja bis Rasmus es einmal nicht mehr gut mit einem meint. Denn dann ist keine Zeit mehr zum Nachlesen, dann muss das sitzen. Wenigstens im Kopf. Ein Freund von mir spricht immer noch von Seilen, Segel raffen, die Stange vom Groß etc. Gut, es sind nur Begrifflichkeiten, aber die Segelleistungen stehen doch direkt im Verhältnis zu den fehlenden Vokabeln. Da fehlt dann definitiv die Erfahrung um die auswendig gelernten Phrasen in korrekte Handlungen umzusetzen. Fazit: Ein Schwerwettertraining ist nicht unbedingt für Fortgeschrittene, sondern gerade und ganz besonders für Anfänger geeignet! Einmal die See von ihrer rauen Seite erlebt zu haben, gibt eine unglaubliche Sicherheit bzw. sagt einem, ob das mit dem Segeln überhaupt das Richtige für einen ist. Vorschlag: Einmal mit Rainer Tatenhorst von der Yachtschule Eichler bei viel Wind Helgoland und zurück. Das schafft was weg .-)