Ein Dorf steht Kopf
Mo., 08.Apr.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1772, 17.385 sm von HH
Schon seit zwei Wochen wissen wir, dass ab Mittwoch eine Feier auf Mangareva ansteht. In der Mehrzweckhalle haben wir die Englischlehrerin getroffen, die uns davon berichtete: „Es gibt Musik, Tanz und Gesang. Und jeden Tag gibt es Essen für Alle. For free!“, erzählt sie uns begeistert. Sie half den Dorf-Kinder dabei, die Teller für die Feierlichkeit zu präparieren. Der Bürgermeister möchte kein Plastikgeschirr, also werden halbe Kokosnüsse geschliffen und poliert. „Ihr müsst unbedingt kommen. Es werden Tänzer aus den anderen Atollen erwartet – Marquesas, Tuamotus und den Austral-Inseln.“
Herstellung des Essgeschirrs für die Feier
Jetzt ist es nicht mehr zu übersehen, dass etwas Großes auf uns zu kommt. Das sowieso schon schnieke Dorf wird jetzt richtig auf Vordermann gebracht. Mit dem liebsten Gerät der Dorfgemeinde, dem Motor-Rasentrimmer im XXL-Format, wird jeder Halm, der vorwitzig hervor lugt, nieder gemäht. Es wird geharkt, geschnitten und aufgeräumt. Die Betonstraße ist auch rechtzeitig fertig geworden, nur auf dem Festplatz wird noch gearbeitet. Der kleine Fähranleger, alle Laternenpfähle und das Rathaus sind mit Palmen, Farnen und Blüten geschmückt.
Als ich morgens zum Einkaufen gehe , hält mich ein Opa an. Schnell kramt er ein paar Brocken Englisch aus: „Am Mittwoch. Um 12:00 Uhr. Essen! Umsonst! Unbedingt hingehen!“
Am Nachmittag fängt es am Fähranleger zu trommeln an. Zufällig bin ich vor Ort, weil ich auf dem Weg zum Internet bin. Südseeschönheiten warten mit Blumengirlanden auf die Gäste aus den Nachbaratollen. Sie selber haben kunstvoll geflochtene Kränze auf dem Kopf.
Südseemädchen mit wunderschönen Kränzen
Spalier für die Gäste – im Hintergrund dröhnen die Trommeln
Für heute ist ein Sonder-Flugzeug eingesetzt worden. Normalerweise gibt es nur dienstags und samstags eine kleine Maschine aus Tahiti. Die Trommler trommeln. Die Mädchen lächeln. Und es duftet nach Minze. Wo kommt denn bloß dieser Duft her?
Kunstvolle Kränze
Als sich die kleine Fähre sich von der Flughafeninsel her nähert, werden die Trommeln lauter. Die Mädchen schwingen die Hüften. Es wird gelacht und gerufen. Die Stimmung ist großartig. Ich habe Gänsehaut und die Nackenhaare stellen sich auf. Die Gruppen aus Hiva Oa und Hao werden wie eine Mischung aus Rockstars und lang vermisster Familienmitglieder begrüßt. Blumenkränze werden umgelegt. Küsschen verteilt. Die Blumenkränze haben unterschiedliche Qualitäten. Dünne Girlanden, üppige Blütenranken und für den Chef der Hiva Oa Truppe gibt es dicke Bänder aus Minze (aha!) mit eingeflochtenem Hibiskus.
Voluminöser Minzkranz
Die Jungs von den Marquesas sind wilde Kerle mit Schweine-Hauern als Kette um den Hals.
Außer mir und Hank, unserem holländischen Nachbarn, sind keine anderen Ausländer dabei. Ich werde freundlich in die Mitte genommen. Darf Fotos machen und man posiert ausgesprochen gerne für mich.
Der Jonny Depp der Südsee ist auch dabei
Die angekommenen Gäste bedanken sich für den Empfang mit einer Art Sprechgesang. Einer spricht-singt vor, die anderen fallen ein. Lieblich ist der Gesang nicht, es wird eher geschrien. Grob, mit rauer Stimme. Es fällt viel das Wort ‚Rikitea‘, der Rest bleibt mir verborgen. Aber die Botschaft wird klar. Die kehligen Worte gehen unter die Haut. Wieder die aufgestellten Nackenhaare.
Wenn schon die Begrüßung ein Fest der Sinne ist, wie mag dann die eigentliche Feierlichkeit werden?
Junge und alte Blumenmädchen
Jonny