Monat: Juli 2018

Von Cadiz nach Faro. Von Spanien nach Portugal.

Seit Mitte Mai segle ich nun nach Westen. Von Sizilien kommend erst zu den Balearen. 
Und dann durch die Straße von Gibraltar die spanische Küste entlang. 
Und heute steuere ich mein Schiff einhand Richtung Portugal.

Cadiz am Morgen. Ein Harfenton weckt mich. Es ist dunkel um mich. Und ich mag die Augen noch nicht öffnen. Ich öffne kurz die Augen, sehe auf dem Bildschirm 5.10 Uhr. Draußen ist alles still. Der Westwind, der in Cadiz in diesem Sommer immer nachmittags auffrischt, ist abgeflaut. Ich überlege kurz, mich umzudrehen und weiterzuschlafen. Doch in meinem Hirn macht sich der Gedanke breit, dass ich mich, wenn ich nicht jetzt lossegle, mitten auf der Strecke Nachmittags um 15 Uhr jener starke Westwind überfiele. Die Vorstellung, mich bis Mitternacht bei Starkwind übermüdet in einen unbekannten portugiesischen Lagunenhafen wie Faro hineintasten zu müssen, lässt mich schnell wach werden. Nein. Lieber jetzt aufstehen. Und ablegen. Überraschungen wirds auf der 100 Seemeilen langen Strecke, für die ich 20 Stunden auf See sein werde, sicher genug geben.

Ich werfe einen kuzen Blick aus Levjes Heckfenster. Im Liegen kann ich die Hafenmole und die neue Brücke über den Hafen von Cadiz sehen. Alles ist noch an seinem Platz. Was bedeutet: Levje ist noch an ihrem Platz. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Draußen an Deck erwacht meine Lust, aufzubrechen. Im Osten das erste Grau. Cadiz ist noch das Reich der Lichter – der Tag ist noch nicht da, die Nacht noch nicht vergangen. Ich bitte Miguel, den Marinero mit dem netten kleinen Hund, den er rasiert hat wie Idefix, der diese Woche die Nachtschicht hat, doch an der Tankpier auf mich zu warten. Ich möchte Levje noch betanken, wer weiß, wann ich in Portugal an eine Tankstelle rankomme. Der Griff der Zapfpistole ist eiskalt, als mir Miguel den dicken Schlauch aus drei Metern Höhe herunterreicht. Auch die Stahlleiter ist klamm und feucht wie die Hafenmauer dahinter, als ich die drei Meter nach oben zu Miguel und Idefix klettere, um zu bezahlen. Noch ein Händedruck. Dann klettere ich die Leiter wieder vorsichtig hinunter. Ic fürchtet als Segler die großen Stürme. Und weiß doch, dass Unheil in jeder kleinen, achtlos ausgeführten Bewegung auf einer rutschigen Leiter stecken kann.  Segeln zwingt mich zur Achtsamkeit.

Dann werfe ich die nassen Leinen Los. Stoße Levje vom Land aus ab. Mache eine großen Schritt an Deck. Und lege den Gang ein. Ich mag den Moment, wo sich mein Schiff langsam, ganz langsam in Bewegung setzt. An den schlafenden Schiffen, an der Kaimauer ruhen, majestätisch langsam vorbeigleitet. Dann bin ich draußen.

Ein Kreuzfahrtschiff läuft im Halbdunkel ein. INDEPENDENCE OF THE SEAS steht groß auf ihrem Bug. Auf den 12 Stockwerken blitzen vereinzelt Lichte auf, ein Zeichen, dass manche Kreuzfahrtgäste das „Reich der Lichter“ drüben auf der Insel ebensosehr geniessen wie ich. Und es fotografieren. Ein Sardinenfischer mit seinem kleinen Beiboot im Schlepp kehrt möwenumschwirrt nach langer Nacht in seinen Heimathafen zurück.

Es dauert zwei Stunden, bis ich Levjes Motor abstellen kann. Es hat jetzt stabil 10 Knoten draußen, aus Nord. Da sollten Levjes Segel genug Kraft entwickeln, uns durch die widerlichen Kreuzseen an diesem Morgen zu ziehen. Kreuzsehen: Sie sind der Kater im Kopf des Seemanns. Wellen aus unterschiedlichen Richtungen, die das Boot ausgerechnet morgens so unangenehm schaukeln lassen, dass man sich am Morgen so fühlt, als hätte man drei Abende lang zuviel getrunken und geraucht. Kaum ist der Motor aus, rummst Levje immer noch jeden Augenblick wie ein ungefederter Präriewaggon samt seinem seinem Hausrat scheppernd in jedes Wellental, das sie zielsicher findet, wie in ein Schlagloch, während das Schiff vom Kiel bis zur Mastspitze hart vibriert.

Stunden später. Der Wind weht jetzt mit 15 Knoten. Gottseidank. Weg sind die widerlichen Kreuzsseen, der Nordwest hat sie weggebügelt. Geblieben sind Schaumkronen, die aus Nordwest anrollen. Vorboten, dass der Wind zunehmen wird – die Wellen ziehen schneller als das sie verursachende Windfeld. Der Wind ist angenehm frisch geworden, eine Brise, die lange über den Atlantik gestrichen ist und sich vollsog mit mit Salzduft, mit Gischtluft, mit dem unachahmlichen Geruch des Meeres.

Eben habe ich eine Viertelstunde geschlafen. Meine Schwachstelle als Einhandsegler ist der Schlaf. Ich weiß, wo mein Limit liegt. Ich brauche acht Stunden, um frisch zu sein. Letzte Nacht waren es keine fünf. Um auf mein Pensum zu kommen, muss ich jetzt mehrfach tagsüber schlafen. Der Autopilot segelt das Schiff nach einem vorgegebenen Winkel zum Wind. In Levjes Radar-Schirm habe ich einen Kreis im Abstand von eineinhalb Meilen um uns markiert. Sobald etwas diesen Kreis berührt, löst das einen Alarmton aus. Ich mich in Lee auf die Cockpitbank gelegt, wie ich bin. Und lasse mein Schiff einfach laufen. Der Wind hat zugenommen. Wir segeln jetzt sehr schräg. Das letzte, was ich vor dem Einschlafen durch die die Seitenscheibe sehe, ist, wie unter mir Gischt spritzen und Wellen durchziehen und unbeirrt weiter Richtung Kimm laufen. Geborgenheit im Unwirtlichen.

Eine Viertelstunde später bin ich wach. Der Wind hat zugelegt. Benommen einem Jollensegler-Reflex folgend, setze ich mich auf die andere Seite, um die Schräglage auszugleichen. Doch Levjes siebeneinhalb Tonnen und der Winddruck von mehreren Tonnen auf Segel und Mast sind unbeeindruckt. Noch 52 Seemeilen. 100 Kilometer bis Faro.

Am Nachmittag scheint es, als wolle eine geheime Kraft verhindern, dass wir unser Ziel erreichen.  Konstant weht der Wind jetzt aus der Richtung, in der Faro liegt. Man kann nicht gegen den Wind steuern. Nur an ihm entlang. Also liegt der Punkt, auf den ich jetzt zusteuere, etwa 35 Seemeilen östlich. Zusätzlich zu meiner Fahrzeit werde ich also 6 Stunden länger brauchen. Es wird Mitternacht werden. Eine Stunde später hat der Wind die 20, 22 Knoten erreicht. Es bläst jetzt richtig. Zu den Windstößen schlägt ein Fall sein hektisches takk-takk-takk-takk-takk an den Mast, als wollte es mich wie mein Wecker erinnern. Ich bin jetzt zu müde, um noch irgendetwas zu denken, zu tun, zu entscheiden. Ich stelle den Radaralarm an, suche noch einmal den Horizont ab. Alles frei. Und bin schnell eingeschlafen. Noch im Einschlafen denke ich, ich sollte noch einmal den Tiefenmesser kontrollieren und die Seekarte, ob irgendwelche Untiefen vor uns liegen. Ich sollte aufstehen, nachsehen, doch der Drang nach Schlaf ist übermächtig.

Eine halbe Stunde später bin ich wieder erholt. Der Wind hat nachgelassen und die Wellen auch. Unter ihren Reffs schleppt Levje sich lahm durch die Wellen. Ich löse beide Reffs, schon sind wir wieder mit über sechs Knoten hoch am Wind unterwegs. Trotzdem wird es Mitternacht werden.

Der Abend ist wie immer die schönste Stunde. Es gibt Inseln und Küsten, die kann man meilenweit von See her riechen. Allen voran die Küste Korsikas und ihr Duft nach Heidekräutern. Der Geruch von Griechenlands nördlichster Insel Othonoi in der Straße von Otranto, wenn der über die Insel streichende Nordwind sich so erhitzt, dass die Augen brennen. Und der Geruch der heißen Felsen in die Nase steigt. Die Tremiti-Inseln mit ihrem harzigen Kieferduft. Und eben jetzt die Küste südöstlich von Faro, während der Nordwind über sie streicht. Es ist ein faszinierender Duft. Hölzer, Kräuter, Heideblumen, auf Sand erhitzt, vom Wind fortgetragen. Ich rieche es, spüre den Aromen nach, während hinter mir breit der Vollmond aus dem Meer steigt. Ich möchte gerade nirgendwo anders sein.

Doch mein Versuch, noch vor der Dunkelheit einen halbwegs sicheren Ankerplatz an der langen Sandküste Portugals zu finden, misslingt. Zu unruhig sind die Wellen dort, als dass man ruhig die Nacht verbringen könnte. Also weiter. Womit ich nicht gerechnet hatte, sind die zahlreichen Muschel- und Fischfarmen, die dicht an dicht vor dieser Küste liegen. Die meisten von ihnen sind spärlich oder  beleuchtet – oder gar nicht. Eine Nachlässigkeit, die Levje schnell in Gefahr bringen kann, wenn ihr Propeller sich in einer der Leinen verfängt. Ich lasse das Radar mittlerweile immer mitlaufen – ich

möchte diese Erfindung an Bord nicht mehr missen, erkenne ich doch schon Meilen voraus die einzelnen Bojen an ihrem Radarschatten. Ohne das und eine aktualisierte  Seekarte würde ich hier schnell in der Dunkelheit ins Unheil geraten.

Kurz nach Mitternacht. Ansteuerung der Lagune von Faro. Ich folge dem Leuchtturm. Um keinen Fehler zu machen, folge ich einfach dem Fischer, der mich eben überholte. Ich lasse ihn eine Meile voraus fahren. Und folge ihm. Auf dem Radar und in der elektronischen Seekarte zeichnen sich die Konturen der Einfahrt und die Tonnen, die in der Dunkelheit das Fahrwasser markieren ab. Ich folge dem Fischer in die Einfahrt. Dann ist er, genauso wie die Lichter der Fahrwasserbefeuerung, vor den Lichtern Faros nicht mehr auffindbar. Aber mit Radar und Seekarte gehts auch. Ich folge dem Kanal ein Stück – dort, wo er nach links abzweigt, ist in der Seekarte ein Ankergrund verzeichnet. Als ich nach vorn gehe, um den Anker klar zu machen, sehe ich plötzlich Zipfelmützen auf dem Wasser. Und etwas Gischt. Strömung! Eine Untiefe, auf die ich zulaufe? Schnell bin ich im Cockpit. Drehe Levje auf dem Teller mit Vollgas. Doch der Sog gibt uns nur langsam frei. An dieser Stelle ist bei Flut eine schnelle Strömung. Sie gibt uns nur langsam frei. Adrenalin pur – jetzt nach Mitternacht in der Strömung noch auf Grund laufen! Ich steuere zurück ins Fahrwasser, diesmal finde ich daneben liegenden Ankerplatz sofort. Drei langsame Kreise in der Dunkelheit gedreht, und das Terrain unter Wasser auf Felsen abzusuchen. Dann lasse ich den Anker fallen. Räume das Deck auf. Schalte Ankerlicht und Rotlicht an. Schaue noch einem Moment meinem Schiff zu, dessen Ankerkette sich in der Flut straff spannt. Höre einen Moment auf die Geräusche der Nacht. Ich bin in Portugal.

Dann falle ich auf mein Bett. Und weiß am  nächsten Morgen nicht mehr, dass ich vermutlich noch im Fallen einschlief.

Neues Video online: durch den Panamakanal

Sa., 07.Jul. 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1498, 13.337 sm von HH

Ich hinke wie immer etwas her, aber jetzt ist das Video über unsere Passage durch den Panamakanal doch noch vor unserer Landreise fertig geworden.
Die meisten Aufnahmen stammen von unserer eigenen Durchfahrt. Außer die Anfahrt unter der halbfertigen Brücke und durch den Gatun See. Diese Szenen sind auf der ‚Lalamanzi‘ entstanden als ich bei Muzzi und Rob als Linehandler mitgefahren bin.
Falls sich jemand wundert, warum wir plötzlich auf einem dicken Katamaran unterwegs sind – alles nur Show.

Viel Spaß bei der Fahrt durch den Kanal.

GGR – Ertan Beskardes UK

SV MAKAIO – STEPHANIE SEIFERT – BERICHT AUS LA CORUNA

Ertan Bescardes UK

Portimão. Ein Fluss. Ein Storch. Eine Entschuldigung. Und: Sardinen in der Dose.

Seit Mitte Mai bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum.
Zum ersten Mal Portugals Festland betrete ich in Portimão, 
einem typischen Hafen an der Algarve.

Im Dunkeln war ich in Portugal in den Lagunen von Faro angekommen und hatte von der Küste noch wenig gesehen. Erst als ich früh am Morgen aus den Lagunen aufbrach und weiter nach Westen segelte, bekam ich einiges mit. Lange Sandstrände. Schmucke Feriendörfer, die sich wie fehlende Puzzlestücke in die Felslandschaft zwischen Faro und dem 40 Seemeilen weiter westlich gelegenen Portimão einpassten.

Sandstrände brauchen zu ihrer Entstehung meist  – Flüsse. So hatte ich es in der Adria erstmals bemerkt, wo die großen Sandstrände der nördlichen und westlichen Adria ihre Entstehung den Flüssen verdanken. Dem Isonzo, dem Tagliamento, der Piave und vor allem dem Po. Die Flüsse waschen Gesteinsmehl aus den Bergen zur Mündung. Die Gegenuhrzeiger-Strömung an den Ufern der Adria verteilt den Sand an deren Nord- und Westküsten. Tatsächlich liegen die Häfen Portugals überwiegend an Flüssen. Faro und sein Lagunendelta. Lagos am Bensafrim. Lissabon am Tejo. Und Portimao, mein Tagesziel am Arade. Die schmale Einfahrt in den Fluss zwischen den Felsen führt in die Marina. Und dann drei Kilometer flussaufwärts in die Stadt und den Hafen.

Neugierig auf Portugal brach ich, kaum dass die Leinen in Portimão fest waren, in die Stadt auf. Portimão ist anders als es die etwas schniecke, an ein Edelresort erinnernde Marina erwarten ließ. Nach einer halben Stunde kam ich in einstiges Industriestädtchen, das wohltuend einfach geblieben war und sein ehrliches Gesicht nicht verbarg. In der Innenstadt stehen viele der Fliesenbedeckten Häuserfronten leer. „Alugar-se“- und „Vende-se“-Schilder („Zu vermieten“, „zu verkaufen“) allenthalben. Um einen Ort kennenzulernen, muss ich ihn zu Fuss durchwandern. Ich brauchte eine Stunde, über den Fluss in die große Bootswerft auf der anderen Flusseite zu kommen. Genoss es, im Schatten eines Baumes auf dem Werftgelände ein Bier zu trinken und dem weichen Portugiesisch der Fischer und Werftarbeiter zuzuhören. Ich wanderte über den Fluss zurück in die Stadt, wo sich halb unter die Flussbrücke gekauert Portimãos Restaurantviertel verbarg. Auf dem Kamin eines Restaurants hatte ein Storch wenige Meter neben der vielbefahrenden Flussbrücke sein Meisterwerk von Storchenest errichtet und putzte hoch über dem Restaurantviertel und neben der Autobahnbrücke sein Gefieder. 

Ich wanderte vorbei am kleinen Bahnhof, aus dem ein älterer Farbiger trat, kleingewachsen, mit kurzem grauen Haar unter der braunen Kappe, und meinen Weg einschlug. Er trug eine braune Hose und ein Sakko, das von Größe und Farbe so gar nicht passen mochte zum restlichen Erscheinungsbild des Mannes – es war vielleicht ein Geschenk. Als ich schnelleren Schrittes an ihm vorbeiging und wir fast zusammenstießen, was sicher nicht die Schuld des Mannes war, entschuldigte er sich so höflich und würdevoll, als hätte er lange und anders, als seine Kleidung es vermuten ließ, in einem guten Haus gearbeitet. Seine Entschuldigung war formvollendeter als die meine, ich war berührt, und überlegte wie so oft, ihn anzusprechen. Doch die Frage, die Parzifal nicht wagte zu stellen, dies „Herre, wie wirret iuch?“, das einfach teilnahmsvolle Fragen, auch ich wagte es nicht. Und trage es wie Parzifal als Schuld auf meinen Aventiuren durch die Welt.

Den Alten von Portimão, der die Kunst der Entschuldigung beherrschte, werde ich nicht vergessen. Ich war noch von der Begegnung bewegt, als ich mein eigentliches Ziel, die Shopping Mall von Portimão erreichte. Zu den Dingen, die das vereinte Europa teilt, gehören die Shopping Malls. Moderne Einkaufszentren an Stadträndern schwappten aus USA zu uns herüber. Ich traf sie vom östlichen Kreta über Athen, das nicht gerade prosperierende Brindisi bis Sizilien. Immer wenn ich in ein neues Land komme und andere Telefondienstleister meinen bisherigen Internet-Zugang enwerten, suche ich sie auf. Sie sind der sicherste Ort, um an eine neue Datenkarte ranzukommen. Auch dafür werde ich Portimão preisen: Nach 3 Minuten verließ ich den Telefonladen mit einem funktionierenden Internet-Zugang.

Noch schnell in den Supermarkt. Und da stehe ich plötzlich vor einem mehr als fünf Meter langen Regal mit – Sardinendosen. Fasziniert bleibe ich stehen. Und betrachte die vielen Ettiketten. Fast alle enthalten sie – Sardinen.

Was denken wir zum Beispiel über die gelbe Schachtel. Sardinen in Zitronensaft. Das Etikett bewegt sich irgendwo zwischen ökologisch und gesundheitlich wertvoll. Aber ist mir heute nach Zitrone? Eher nicht. Ich glaube, ich bin heute eher klassisch drauf.

Ob das nicht was für heute Abend wäre? Minerva? Seit 1942? Das würde auf einer deutschen Verpackung niemals stehen. Welcher Hersteller wäre in Deutschland denn schon stolz darauf hinzuweisen, womit er 1942, im Jahr des Untergangs der Stalingrad-Armee, sein Geld verdiente? VW. Seit 1942?
In Portugal ist man da fein raus. Am weltweiten Morden beteiligten sich in Europa nur Portugal, Spanien und die Schweiz nicht. Für Portugiesen ist 1942 eine unbescholtene Zahl. Also Minerva: Sardinen geräuchert? In Öl? Mit einem Hauch Limettensaft? 

Oder wie wäre es mit dem Herrn mit dem Backenbart: Thunfisch von den Azoren mit getrockneter Tomate und „Manjerição“? Ich muss erst nachschlagen, um herauszufinden, dass Manjerição das portugiesische Wort für Basilikum ist. Auch keine schlechte Wahl.

Und was bringt uns die Santa Catarina? Katholisch wie ich bin, löst die Farbe natürlich pfingstliche Gefühle in mir aus, wenn der Priester zu m Fest der Erleuchtung nur noch ein Messgewand in dieser Farbe trug. Nochmaliges Nachschlagen im Internet erleuchtet mich, dass es sich beim Inhalt dieser Dose um Thunfischfilets von den Azoren handelt. Wunderbarerweise mit „Alecrim“. Nein, nicht mit Babynahrung, sondern mit Rosmarin.

Und Sardinen in scharfer Tomate? Nein, nicht heute.

Doch eines ist klar. Sardinenkonserven haben in Portugal eine ganz andere Tradition als bei uns. Aber wann und wie fand der Fisch eigentlich den Weg in die Dose?

Der Zeiger von Levjes Borduhr zeigt jetzt Mitternacht. Die Geschichte, wie die Sardine ihren Weg in die Dose fand, muss fürs heute ungeschrieben bleiben. Doch ich werde sie schreiben. Ganz bestimmt.

ADAC / BVWW fordern Entwicklungskonzept für den Wassertourismus

ADAC und BVWW fordern umfassendes Entwicklungskonzept
Bessere Rahmenbedingungen sollen den Wasser-tourismus fördern

ADAC und BVWW haben am 29. Juni 2018 ihr gemeinsames Positionspapier für die 19. Legislaturperiode „Handlungsbedarfe für die Sport- und Freizeitschifffahrt 2018“ im Rahmen eines wassertouristischen Expertenfrühstücks Bundestagsabgeordneten und deren Referenten vorgestellt. Das 13-seitige Positionspapier enthält einen umfassenden Forderungskatalog, für dessen Umsetzung die beiden Verbände um politische Unterstützung bitten.

Wassertourismus ist ein Wachstumsmarkt, dies unterstrich Kurt Heinen, Vizepräsident Tourismus ADAC in seinen einführenden Worten: „Der Wassertourismus in Deutschland ist ein Milliardengeschäft, von dem insbesondere ländliche und strukturschwache Räume profitieren. Aus Sicht des ADAC bestehen für die größte zusammenhängende Wasserfläche in Europa mit vielen naturnahen Gewässern weitere Wachstumschancen. Die Vereinfachung des Zugangs zum Wassersport, z.B. durch die Charterbescheinigung und die 15-PS-Führerscheinregelung, trägt bereits erheblich dazu bei, dass diese Potenziale ausgeschöpft werden.“

Das weitere Wachstum dieses Marktbereiches hängt von den richtigen Rahmenbedingungen ab. Deshalb lautet eine zentrale Forderung der beiden Organisationen, dass das bisherige Netz an Bundeswasserstraßen erhalten bleiben und dort, wo es notwendig ist, ausgebaut werden muss. Robert Marx, Präsident Bundesverband Wassersportwirtschaft brachte es auf den Punkt: „Der marode Zustand der maritimen Infrastruktur an den überwiegend touristisch genutzten Wasserstraßen ist besorgniserregend. Wir brauchen ein abgestimmtes Sanierungs- und Entwicklungskonzept sowie ausreichende finanzielle Mittel, die der Bund bereits 2016 im seinerzeit vorgestellten Wassertourismuskonzept als separaten Haushaltstitel in Aussicht gestellt hatte.“ Geschehen, so Marx, sei hingegen bisher nichts.

Auch die sonstigen Rahmenbedingungen bedürfen dringend einer Anpassung an moderne Erfordernisse. Das gilt für die Führerscheinausbildung ebenso wie für eine grundlegende Überarbeitung der Sportbootvermietungsverordnungen. Ein konsequent modular aufgebautes Führerscheinwesen soll höherwertige Ausbildungen erleichtern und fördern und im Bereich der Bootsvermietung sollen eine praxisgerechte Ausrüstung der Yachten sowie nachvollziehbare Zulassungskriterien die Sicherheit erhöhen.

Wachsam und die Interessen der Wassersportler vertretend werden sich die Verbände in die Umsetzung des „Bundesprogramms Blaues Band“ einbringen. Ziel dieses Programms ist die Renaturierung von Fließgewässern, insbesondere an den touristisch besonders interessanten Nebenwasserstraßen. Zwar unterstützen die Verbände eine ökologische Aufwertung der Gewässer, mahnen aber gleichzeitig eine gleichgewichtige Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Interessen an.

Der komplette politische Forderungskatalog für die laufende Legislaturperiode steht hier zur Verfügung.

In Cadiz beim Bäcker. Heute. Und vor 2.800 Jahren.

Seit Mitte Mai Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum.
Nach der Straße von Gibraltar erreichte ich Cadiz, den alten Hafen im Südwesten Spaniens. Doch wie alt der eigentlich wirklich war, sollte ich erst hier begreifen.

Als ich von Tarifa lossegelte, dauerte es lang, bis der Sog der Straße von Gibraltar uns losließ und nicht mehr zu spüren war. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas unter dem Schiff hing, was uns bremste. So hoch ich den Motor auch drehen mochte: mehr als vier Knoten waren nicht drin, solange ich mich von der Meerenge wegbewegte. Sobald ich testweise kehrt machte und auf die Meerenge zuhielt, schossen wir mit 7 Knoten dahin. Erst als wir am frühen Nachmittag Cabo de Trafalgar mit seinem türkisen Wasser und dem verführerischen Sandstrand erreichten, ließ der Sog der Meerenge nach. Gegen Mitternacht erreichte ich den Hafen von Cadiz. Ein freundlicher Marinero mit einem Hund, der in der Dunkelheit wie Idefix aussah, nahm meine Leinen an.

Cadiz hatte mich bei der Ansteuerung neugierig gemacht. Nicht nur, dass die Stadt am Ende einer schmalen Landzunge wie eine Insel vor der spanischen Küste liegt, nein. Auch der Hafen ist – ungewöhnlich genug – nicht dem Meer zugewandt, sondern dem Land. Die Stadt war ein Hufeisen und ihr natürlicher Hafen bietet Schutz, wie nur wenige andere. All das hätte mir auffallen sollen, ich kenne ich kaum einen zweiten Hafen, der so angelegt ist.

Am Morgen ging ich in die Stadt. Cadiz, die Inselstadt, hat fast 120.000 Einwohner. Stadtbusse rumpeln übers Pflaster, in den engen Gassen der Innenstadt ist an diesem Morgen schon auf den Beinen, wer auf den eigenen Rädern nicht unterwegs sein wollte. Und weil mein Herz nunmal für Bäckersfrauen schlägt, führte mich, als hätte als dies anders nicht sein können, mein erster Weg in eine Bäckerei. Mein innerer Kompass sucht, während ich die Cadiz‘ Straßenschluchten entlanglief, das Wort „horno“ – den spanischen Begriff für Ofen, aber eben auch für Bäckerei.

Und so stand ich plötzlich vor Anna in der Bäckerei der Antonia Butrón. In ihrer schwarzen Kochmütze hantierte sie an ihrem Ofen, aus dem sie gerade ein Blech herausholte, bedeckt mit einem duftenden Blätterteig-Fladen. Anna wusste etwas übers Leben. Und über Männer auch. Obwohl wir uns nie zuvor begegnet waren, hatte sie mit einem Blick nicht bloß erfasst, wes Geistes Kind ich war. Sondern auch die Leidenschaften, die wir im Leben teilten. Ohne ein Wort zu verlieren, nahm sie das große Messer. Holte das Tablett aus der Vitrine vor meinen Augen. Säbelte nach kurzem Bedenken ein Stück des in der Vitrine liegenden Blätterteig-Gebäcks ab. Und reichte es mir über die Theke.

„Dein Laden ist eine Sünde“, radebrechtete ich unter Aufbietung all meines Spanisch-Wortschatzes. Sie grinste im Wissen einer Frau über hungrige Männermägen. „Probier das“, sagte sie trocken. „Eine Empanada, gefüllt mit geröstetem Jamon und lauwarmer Dattel.“ Ich schloß die Augen. Eine lauwarme Geschmacksexplosion von süß und salzig auf meiner Zunge. „Aber falls Du nichts Salziges magst, hab ich auch das hier.“ Sie deutete grinsend auf die Schnitten, zwischen deren knusprigen Blätterteig mich ein dicker Belag aus Nutella erwartungsvoll anblickte. Als hätte sie in meiner Aura gelesen, dass es eine meiner Kinder-Heimlichkeiten war, mich mit einem Löffel über das Nutella-Glas herzumachen, wenn ich einmal allein zuhause war.

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Doch das mit dem Nutella ist lange her. Geschmäcker ändern sich, doch Leidenschaften bleiben. Ich entschied mich für die warme Dattel. Und für eine Empanada Lauch und Roquefort – bloß um zu sehen, ob sowas eigentlich unmögliches zusammen funktionieren konnte. Und für noch etwas – um mich am Mittag zu überraschen. Mit einer Empanada in der einen und einem Espresso in der anderen verließ ich Anna’s Laden, nicht ohne mir zu versprechen, am Abend zu den Empanadas zurückzukehren.

Mein zweiter Weg in Cadiz führte mich wenige Minuten von Anna’s Bäckerei entfernt ins YACIMIENTO ARQUEOLOGICO GADIR. Der Bau sah aus wie ein modernes Theater, ich löste ein Ticket an der Kasse. Wie in einem alten Kino umfing mich gleich hinter dem Eingang das Halbdunkel des Raums, aus dem mich eine Platzanweiserin mit Taschenlampe über eine dunkle Rampe in die Tiefe führte. Und in die Vergangenheit führt. Denn plötzlich stand ich im Dunkel einer säulengetragenen Halle. Ich nahm die Sonnenbrille ab. Erkannte Einzelheiten. An der Wand lief im Hintergrund ein Film. Meeresrauschen, Möwengeschrei. Zwei kleine Inseln, kahl und unbewohnt. Und ein antikes Schiff, das in den Sund zwischen den beiden langgestreckten Inseln einlief. Die Halle hatte keinen Boden. Stattdessen führten Steg darüber hinweg. Und darunter erkannte ich lehmgelbe Grundmauern. Wege. Kreisrunde Lehmringe im Boden. Bruchsteinmauern. … Ich stand nicht nur im ältesten Teil von Cadiz, sondern in einer der ältesten Städte Westeuropas. Älter als Athen. Älter als London. Älter als Rom. Dem Teil, den Menschen vor fast 3.000 Jahren gegründet hatten. Ich stand in der Stadt der Phönizier, die unter dem heutigen Cadiz liegt. In Gadir.

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Wie Cadiz, wurden viele Orte an der Südküste Spaniens und vor allem in Portugal nicht von eingewanderten Stämmen, sondern von Seefahrern gegründet. Von Reisenden, die in einem ganz anderen und weit entfernten Teil der frühantiken Welt zuhause waren. Es waren Händler aus dem Libanon, die die Küstenorte weit hinter dem Ende ihres Meeres, eben in Südspanien und Portugal, gegründet hatten. Seefahrer, die den 4.000 Kilometer langen Weg vom Ostende des Mittelmeers bis an die Küsten der Pyrennäen-Halbinsel nicht bloß einmal zurückgelegt hatten. Es ist eine der großen Fragen, was sie bewog, einfach ihre Heimatstädte Tyros, Byblos, Sidon auf ihren Schiffen zu verlassen und nach Westen zu Segeln. War es ein einzelner gewesen, ein König, der sie ausgesandt hatte? Um die Küsten nach noch mehr Rohstoffen abzusuchen – nach Kupfer und Zinn, denn beides im richtigen Verhältnis gemischt ergab Bronze? Nach den gedrehten Meeresschnecken, aus deren Saft man unter Lichteinwirkung den intensiv roten Farbstoff herstellen konnte, für den die Leute ein Vermögen auf den Tisch legten, um Kleider zu färben und Lippen zu bemalen? Nach Quarzsand zu finden, für die Produktion bunter Gläser? Um Gold zu suchen? Und Sklaven? Und Blei? Und Felle? Und Straußeneier, um sie den Toten als Symbol für ewiges Leben ins Grab zu legen. Und alles, was es sonst noch gab.

Sie waren Seefahrer. Und Händler. Händler sein, heißt: Etwas sammeln, wovon am einen Ort Überfluss herrscht. Es zu einem Ort bringen, wo daran Mangel herrscht. Vielleicht erklärt das die Unrast, die Neugier, mit der sie sich weiter und weiter nach Westen vorgewagt hatten, weiter als all die anderen frühen Seemächte des Mittelmeers.

Irgendwann um das Jahr 900 erreichte ein phönizisches Schiff auch jene Inseln, die eineinhalb Tagesreisen von jenem Ort lagen, an dem sich das weite Meer zu einem strömenden Gewässer verengte und den die Griechen „die Säulen des Herakles“ nannten. Immer weiter getrieben von der Suche nach Neuem, hatte ein Schiff die Inseln vor dem Festland angesteuert. Vielleicht hatten sie Sie hatten ihr Schiff den langen Sandstrand hinaufgezogen. Und weil die Insel sie an ihre Heimatsstadt im Libanon erinnerte, die auch alle Inseln waren, weil es Stämme in der Nähe gab, die gute Felle herstellen konnten und ihnen auch einen Silberklumpen gezeigt hatten, hatte die Hälfte der Mannschaft beschlossen, zu bleiben. Und  an diesem Ort einen Handelsposten zu errichten.

Was sie taten, taten sie gründlich. Oben auf dem Gipfel der Insel bauten sie die ersten Häuser. Aber nicht irgendwelche, sondern exakt so, wie die Häuser in ihren Heimatstädten im Libanon aussahen. Zwischen den Häusern legten sie zur Bucht hinunter Straßen an. Aber nicht irgendwelche. Sondern auf eine Schüttung aus mittelgroßen Steinen folgte eine Schicht aus Lehm, den sie mit einem Holzstampfer festklopften. Von der Stelle aus, wo ich stehe, erkenne ich die Hufabdrücke von Rindern im Lehm der Straße.

Steinhäuser. Sie bauten Kuben aus Steinen, mit Lehm verschmiert. Wenige Fenster. Ein auf Balken ruhendes Dach, das einen große Terrasse bildete. Darunter ein großer Raum. Eine kleine Küche daneben. Leben fand hauptsächlich im Freien statt.

In der Küche eines jeden Hauses befand sich ein Lehmofen. Er war zu ebener Erde errichtet und hatte die Form eines Bienenstocks, nur größer. Die Menschen, die im achten Jahrhundert vor Christus dort kochten, taten das im Sitzen:

und über eine der beiden Öffnungen: Eine größere oben, durch die der Rauch abziehen konnte. Eine kleine nach vorne, durch die man Brennmaterial schob und drinnen entzündete, Stroh und Äste. War der Ofen innen heiß, schob man, was Garen sollte, zwischen die heißen Lehmwände. Ein Huhn. Ein Zicklein. Einen Hund.

Eine phönizische Küche in Gadir, vor 3.000 Jahren. Mit dem dort gefundenen Lehmofen, dem Tannur.

Um es dann mit allherhand feinen und scharfen Soßen und Tunken anzurichten. Alles konnte man in diesem Lehmofen garen. Den „Tannur“, den Archäologen auch bei Grabungen in Israel entdeckten, ist in manchen Gegenden Nordafrikas heute noch der Standardherd. Er ist schnell und einfach selbst gebaut, wie Archäologen zeigten.

Sie nutzten den Tannur hauptsächlich, um Brot zu backen. Getreide, das sie vor dem Ofen auf dem tellerförmigen Mahlstein zerrieben. Mit etwas Wasser vermengten. Mit Kräutern versetzten. Und ohne Hefe zu runden Fladen kneteten, die sie an die heißen Innenwände des Lehmofens klebten. Vielleicht waren die Fladen ja mit etwas gefüllt? Gehackte Kräuter? Einfacher Käse? Gesalzener Fisch, den sie in eine Art Joghurt mit Lauch tunkten? Vielleicht gab es ja schon so etwas ähnliches wie die Vielzahl der Empanadas, die mir Anna in ihrem Laden gezeigt hatte? So sehr wir das Gefühl haben, diese Welt läge uns so unendlich fern – so nah ist sie uns doch.

Ihre erste Siedlung bestand, für etwa 200 Jahre. Dann zerstörte etwas die Siedlung, eine Flut, die über den Hügelkamm stieg. Ein Erdbeben, das die Inseln erschütterte und die Häuser einstürzen ließ. Der Ort auf dem Hügel der Insel wurde von den Überlebenden und denen, die aus dem Osten mit Schiffen kamen, anscheinend schnell wieder aufgebaut. Denn der Kontakt mit der Heimatstadt im Osten: Der blieb vermutlich so intensiv und eng wie zu den anderen Städten in der Umgebung. Doch das: Ist eine andere Geschichte.

Auf ein Neues: Da geht noch Watt!

Es gibt mal wieder etwas Neues zu berichten!
Nachdem ich 2014 die Ostsee erkundet hatte, grübelte ich, in welche Reviere es denn nun als Nächstes gehen könnte. Leider waren meinen Ambitionen nun auch wieder Grenzen durch Urlaubstage gesetzt. Also machte ich mich auf den Weg in meine Heimatregion, die Nordsee, um dort das Deutsche Wattenmeer mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Obwohl diese Region von Kiel beispielsweise keine 100km Luftlinie entfernt ist, ist sie doch für viele Skipper  mindestens genau so exotisch wie das Mittelmeer. Dabei beschäftigte mich vor allem ein Gedanke: Wenn Hunderttausende dort  Landurlaub auf Sylt, in St. Peter oder auf Norderney machen, warum ist dann auf dem Wasser selbst im Hochsommer so leer? Reicht wirklich nur der Einfluss der Gezeiten dafür?

Während der Planung und der Reise stieß ich auf zahlreiche Vorurteile: „Bei den Gezeiten muss man jeden Tag um 04:00 aufstehen“ – „Beim Trockenfallen würde mir da der Kiel abbrechen!“ – „Im Wattenmeer sehen doch eh alle Inseln gleich aus“.
Einige meiner Erlebnisse konntet ihr hier ja schon nachlesen. Vorweg: Der Kiel ist drangeblieben, und ich habe eine traumhafte Segelreise in einem wahnsinnig abwechslungsreichen und schönen Segelrevier hinter mir. Klar ist ein wenig mehr Sogfalt als auf einem Törn von Kiel nach Marstal gefragt, und doch sollte sich jeder mal in diese weltweit einzigartige Gegend vorwagen.

Die Eindrücke und Lehren von diesem Törn habe ich wieder aufgeschrieben und zusamengestellt. So erscheint nun, wie bereits „Im Zweifel für den Segelsommer“ im Verlag Delius Klasing, am 16. Juli  mein zweites Buch: Da geht noch Watt – Segeln an der Nordseeküste

Mit diesem Buch möchte ich euch die Faszination Segeln im Wattenmeer ein wenig näher bringen, im Plauderton ein paar Tipps und Hinweise mitgeben, und vielleicht auch ermutigen selbst mal dort vorbeizuschauen. Das Wattenmeer wird meiner Meinung nach in seiner Schönheit nämlich echt unter- und in seiner Bissigkeit überschätzt. Und auch die Nordseeerfahrenen unter euch könnten mit dem Buch ihren Spaß haben. Viele Geschichten und Bilder meiner Reise lassen vielleicht auch eure Erinnerungen wieder aufleben.

 

Die offizielle Buchbeschreibung liest sich so:

Die Nordsee ist eines der landschaftlich schönsten Urlaubsgebiete Deutschlands und lockt auch immer mehr Segler hinaus in ihre Fluten. Doch viele Skipper bleiben mit ihren Segelschiffen der Nordseeküste und ihrem malerischen Wattenmeer lieber fern. Zu groß ist der Respekt vor Ebbe und Flut, zu umständlich das genaue Timing für den Törn.

Dass sich ein Segelabenteuer auf der Nordsee durchaus lohnt, zeigt Ihnen Maximilian Leßner in Da geht noch Watt. Segeln an der Nordseeküste. Der passionierte Skipper segelte bereits allein über die Ostsee und spornte damit vor allem andere junge Segler und Amateure zum Nachmachen an. Jetzt nimmt er sich den Nationalpark Wattenmeer vor.

Abenteuer vor der deutschen Küste: Segeln auf der Nordsee

Maximilian Leßner zeigt dabei nicht nur in über 100 wunderschönen Fotografien, warum die Nordsee zu Recht als eines der schönsten Segelreviere Deutschlands gilt. Er schildert auch viele Segeltörns, die Sie selbst angehen können. In diesem Band finden Sie:

Segel-Mikroabenteuer vor Ihrer Haustür ohne lange Anreise
Törns für jeden Geschmack: Tagesausflüge, Wochenendreisen, mehrwöchige Sommertörns
den Mut zum Lossegeln, falls Sie noch zögern

Die Nordsee ist ein greifbares Traumziel in unmittelbarer Nähe zu den Heimathäfen der meisten deutschen Segler – kaum zu glauben, dass sie den meisten immer noch völlig unbekannt ist. Entdecken Sie eines der schönsten und abwechslungsreichsten Reviere der Welt und brechen Sie auf zu Ihrem eigenen Nordsee-Törn!

 

Bestellen könnt ihr das Buch ab dem 16.07 in jedem örtlichen Buchladen, z.B. Bei Amazon, beim Verlag Delius Klasing, und natürlich versandkostenfrei bei mir selbst per Email unter Kontakt. Vorbestellungen nehme ich ab jetzt entgegen  Bitte unbedingt eure Adresse angeben. Auch eine Widmung und den originalen Bootsstempel gibts natürlich auf Wunsch gern dazu. Auch das bitte extra angeben.

 

Und wenn ihr Lust habt die Infos zum Buch zu teilen und zu verbreiten, freue ich mich natürlich ganz besonders!

 

 

 

 

Verrücktes Treffen in Bahía

Di., 03.Jul. 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1494, 13.337 sm von HH

Achim hat einen Ex-Kollegen Martin. Martins Frau stammt aus Ecuador. Die beiden machen gerade Urlaub im Nachbarort Canoa zusammen mit ihren drei Söhnen. Zusätzlich dabei sind der Vater, Bruder und Schwägerin aus Quito. Also volles Haus. Mit einem Mini-Bus tuckert ‚La Familia‘ zu uns rüber nach Bahía, um die ‚Verrückten‘ in ihrem kleinen Segelboot kennen zu lernen. Als wir in Ecuador angekommen sind, hat Achim Martin gefragt, ob er zufällig dieses Jahr wieder in das Heimatland seiner Frau fahren würde. Tja, und gut drei Wochen später sitzen wir an einem Tisch.
Die Welt ist eben doch nur ein Nest. Martin lädt uns alle zum Mittagessen ein und wir verbringen einen unterhaltsamen Nachmittag im quirligen Dreisprachen-Mix.
Herzlichen Dank an die gesamte ‚Familia‘.

La Familia von Martin (und wir)

La Familia von Martin (und wir)

Aus erster Hand erfahren wir, wo es in Quito das beste Eis gibt und welche Touristenfallen wir meiden sollen. Das kommt gerade recht. Meine Organisation unserer Landreise ist bereits weit fortgeschritten. Die Planung gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ecuador ist relativ klein, nur so groß wie Deutschland ohne Bayern und Niedersachsen. Eine Anreise per Flugzeug wie in Mexiko und Kolumbien wird nicht nötig sein.

Die Haupt-Schwierigkeiten bei der Planung bereiten die Berge. Ecuador wird in Nord-Süd-Richtung von zwei Kordilleren der Anden dominiert und bilden eine der spektakulären Attraktionen des Landes. Diese Gebirgsketten nehmen ein Drittel des Landes ein und haben eine mittlere Höhe von über 3.000 Metern. Wer hier nicht auf dem letzten Loch pfeifen will , muss sich akklimatisieren. Ab 2.500 Metern droht die Höhenkrankheit. Durch langsame Steigerung der Höhe kann man dem Entgegen wirken. Aber wo beginnt man eine Tour, wenn alles so verflixt hoch gelegen ist?
Und wie soll die Tour verlaufen, wenn wir nicht in die Ebene zurück wollen?

Wie in Südamerika üblich wird jedes Dorf mehrmals täglich von Bussen angefahren. Allerdings von diversen Busgesellschaften, deren System nur schwer durchschauen ist. Bahía ist nicht gerade der Nabel Ecuadors und alle Wege führen über Quito. Mit der höchstgelegensten Hauptstadt der Welt auf 2.800 Metern wollen wir zur Vermeidung der Höhenkrankheit nicht beginnen.
Ich finde mit ‚Baños‘ einen geeigneten Ort auf 1.800 Metern. Allerdings ist noch unklar, wie wir dort hingelangen können. Widersprüchliche Angaben erhalte ich im Internet und am Busbahnhof.
Montag soll es los gehen. Bleiben noch ein paar Tage Zeit zur Recherche und den Ecuadorianern ihr Geheimnis der Busverbindungen zu entlocken.

Ecuador wird durch die Anden in zwei Hälften geteilt. Schwierig zu überwindende natürliche Hindernisse.

Ecuador wird durch die Anden in zwei Hälften geteilt. Schwierig zu überwindende natürliche Hindernisse.

Kroatien, Revier der Superlative – noch bezahlbar?

Die östliche Adria zwischen Istrien und Süddalmatien ist in Europa nautisch nicht mehr zu toppen. Klares Wasser, bezaubernde Inseln, Buchten, Land und Leute laden zu einem unvergessenen Urlaub ein.

Die überarbeitete Revierinformation für die kroatische und slowenische Adria beschreibt neben Revierbesonderheiten, Wind- und Wetterhinweisen aktuell und ausführlich drei Törns von Izola bis Dubrovnik.

 

Istrische Perlen und Kvarner Bucht – der Reiz zweier Länder: vom slowenischen Izola bis Ilovik, die Blumeninsel Kroatiens

Krka und Kornaten – die Küste und die Inseln Norddalmatiens
von Zadar bis Šibenik bieten Traumreviere

Der tiefe Süden – die großen Inseln Mittel- und Süddalmatiens zwischen Trogir und Dubrovnik prägen das Gesicht der südlichen kroatischen Adria

Jeder Törn wird ausführlich mit seinen Häfen beschrieben, es gibt jede Menge Tipps zu Hafeneinrichtungen, Anmeldeformalitäten aber auch Sehenswürdigkeiten und Einkehrmöglichkeiten für die Crew.

 

Gebühren für Bootsfahrer in Kroatien

ADAC Mittelmeerskipper-Treffen 2014

Für 2018 gilt die neue Verordnung über die Festsetzung der Kurtaxe, die sich sowohl nach der Bootslänge als auch nach der Aufenthaltsdauer berechnet. Die Gebühren haben sich vor allem für größere Boote, die sich über einen längeren Zeitraum in kroatischen Gewässern aufhalten, drastisch erhöht. Die Preisübersicht für 2018 finden Sie hier.

Auch die Gebühren für den Nationalpark Kornati sind für die Saison 2018 um rund 25 – 35% erhöht worden. Bodo Müller interviewte für das Magazin ‚boote‘ den Nationalparkdirektor Josip Zanze zu den Hintergründen, die zu diesen Preissteigerungen geführt haben. So soll sich die Finanzierung des Nationalparks mittelfristig über direkte Einnahmen tragen. Das Interview mit Josip Zanze finden Sie im Magazin „boote“, Heft 05/2018. Die Verwaltung  des Nationalpark Kornati hat die offizielle Preisliste 2018 veröffentlicht.

Tickets können im Online-Vorverkauf zu wesentlich günstigeren Preisen erworben werden. Angeboten werden die Tickets für einen Tag bzw. für drei und 7 Tage. Für Boote bis 6,99 Meter sowie für die Nebensaison werden ebenfalls günstigere Tarife angeboten.


In über 30 Marinas in Kroatien und Slowenien können Liegeplätze online über die ADAC HelloPort App oder auf dem ADAC Skipper-Portal gebucht werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Flüchtlinge von Tarifa.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. 
In Tarifa begegnen mir Flüchtlinge – zum ersten Mal auf dieser Reise.

Die Straße von Gibraltar hatte ich nun hinter mir und war mit dem letzten Licht in der südspanischen Hafestadt Tarifa angekommen. Nichts hatte ich gesehen von Afrika und seinem nördlichen Ufer, von Marokko. Nichts. Afrika war im Nebel verborgen geblieben. Während der Durchfahrt am Vortag ebenso wie an diesem Morgen. Nur die riesenhafte Schnellfähre nach Tanger, die an diesem Morgen in den Hafen glitt und Levje an der rauen Steinmole beben und springen ließ, dass ich um mein Schiff fürchtete, nur sie erinnerte daran, wie nahe ich am anderen Kontinent. 

Am Morgen wachte ich auf vom Lärm eines Hubschraubers über dem Hafen und ungewohnten Geräuschen neben mir. Gestern Nacht war der Hafen noch leer gewesen. Jetzt: Polizeifahrzeuge der GUARDIA CIVIL. Polizisten am Ufer. Auf dem Wasser deren Schnellboote. Rotkreuz-Schlauchboote. Ein Seenotkreuzer. Und darauf: Flüchtlinge. Vorne vermutlich Maghrebiner aus dem nahen Marokko. Im Heck nur Schwarzafrikaner. 

Vermutlich hatte man sie aufgegriffen in dieser nebligen Nacht, irgendwo draußen auf dem 16 bis 40 Kilometer breiten Meeresstreifen, der einfach nur eine Wasserstraße zu sein scheint. Und doch, wie ich am Vortag feststellen musste, ein so schwierig zu befahrendes Gewässer, selbst mit einem seetüchtigen Schiff wie Levje. Um wieviel schwieriger ist das dann mit dem kleinen grauen Schlauchboot, das hinten am Seenotkreuzer hängt und mit dem Flüchtlinge versuchten, übers Meer zu kommen?

Die meisten von ihnen sind junge Männer, ausnahmslos zwischen 20 und 30. Eigentlich sind dies die Menschen, die das Kapital eines Landes bilden. Die einen Staat tragen sollten. Dort leben. Dort arbeiten. Sich engagieren in ihrem Land. Ein Auskommen finden. Konsumieren. Steuern zahlen. Dafür sorgen, dass es in einem Land besser geht. Doch das funktioniert offensichtlich nicht in den Ländern, ist vermutlich eine der Ursachen für die Migrationsbewegung aus Nordafrikas nach Norden.  Vielleicht kommt auch ein Quentchen Abenteuerlust hinzu: Die Lust, etwas Verbotenes zu tun, so wie vor Jahren Schüler als Mutprobe außen auf den Trittbrettern der S-Bahnen mitfuhren oder sonstwie lebensgefährlichen Quatsch machen. Die Motivation der Leute, die ich auf dem Boot sehe, ist nicht klar, während ich beobachte, wie sie zu zweit in Handschellen ans Ufer gebracht werden und ein Kameramann dies filmt.

Und auch echte Verzweiflung ist dabei. Plötzlich fasst sich einer der Illegalen auf dem Vordeck des Seenotkreuzers ein Herz. Er reißt sich los. Fasst den Poller, zieht sich hoch und springt auf die Hafenmole. Und rennt einfach los, als gäbe es keine GUARDIA CIVIL, keine Polizeifahrzeuge, keinen rundum vergitterten Hafen, keinen Hubschrauber. Seine Flucht ist nach wenigen Metern zu Ende. Polizisten packen ihn, er wehrt sich verzweifelt. Ziehen ihn zu Boden. Drehen ihn auf den Bauch. Als er sich weiter wehrt, drückt ihm ein Polizist die Unterschenkel überkreuz auf die Oberschenkel. Dann bleibt er still liegen, während ihm die Polizisten Handschellen anlegen.

„Sie haben keine Arbeit. Sind magisch angezogen von dem, was sie den lieben langen Tag von der westlichen Welt aus dem Fernsehen oder dem Internet mitbekommen“, sagt Felippe. Er ist einer der Journalisten am Ufer. Er fotografiert und schreibt für die großen Agenturen Spaniens. „Die meisten von ihnen wollen einfach auch ein cooles Auto fahren. Einen coolen Job haben. Aber wie der Weg dorthin ist, das ist ihnen nicht klar. Sie sehen einfach nur das Glitzern und Gleißen unserer Welt. Und nicht die Schwierigkeiten.“ 
Aber in Marokko scheinen sich die Dinge doch wirtschaftlich gut zu entwickeln? „Da täuschst Du Dich. Da gibt es eigentlich nur Arm und Reich. Und dazwischen nichts. Eine Mittelschicht fehlt. Die haben keine Chance, sich da rauszuarbeiten.“ Und wieviele kommen jeden Tag in Tarifa an. Felippe denkt nach. „Schwer zu sagen. Um die 100 pro Tag allein hier in Tarifa. Manchmal mehr. Manchmal weniger. Letztes Wochenende waren es 700, die nur hier in Tarifa ankamen. Wie es in den anderen Städten aussieht, in Cadiz oder Malaga? So ähnlich.“
Und die Bevölkerung Tarifas? „Weil es täglich passiert, haben sich die Einwohner Tarifas an all das gewöhnt. Gefallen tut es keinem. Es ist wie Sonne und Regen. Es gehört einfach zum täglichen Bild – so wie für mich auch. Wir können es nicht ändern.

Während mir Felippe das alles erzählt, kümmern sich die Rotkreuz-Mitarbeiter auf der Pier um die Flüchtlinge. Sie haben ein Zelt aufgebaut. Sie leisten medizinische Hilfe. Untersuchen auf Krankheiten. Eine rotblonde Spanierin in weißer Rotkreuz-Kleidung spricht mit einer Schwarzafrikanerin, die verstört auf einem Poller sitzt und vor sich hin starrt. Die Polizisten geben sich energisch, aber nicht gewaltbereit. In Handschellen werden die jungen Leute aneinanderkettet auf die Pier gebracht. Tägliche Routine. 

„Die Marokkaner“, erzählt Felippe, „werden sofort zurückgebracht. Noch heute. Spanien hat mit Marokko ein entsprechendes Abkommen. Mit den Schwarzafrikanern ist das schwieriger. Oft existieren mit den Ländern, aus denen sie kommen, kein derartiges Abkommen.“

Was ich an diesem Morgen sehe, ist bedrückend. Ich bleibe ohnmächtig zurück. Ohnmächtig, weil ich  die eigene Ohnmacht und vor allem die beschämende Ohnmacht der Politik gegenüber diesen historischen Phänomenen spüre. Haben die recht, die losziehen auf eigene Faust, um Menschenleben zu retten? Wer weiß, wieviele Flüchtlinge jede Nacht vor Tarifa ertrinken? Oder haben die recht, die in sozialen Foren alle Würde vergessen und sich nicht scheuen zu schreiben: „Lasst sie doch ersaufen.“

Entwicklungen, die größer waren als wir selber und scheinbar unlösbar, die gab es immer. Als ich geboren wurde, war die Welt von einem Atomkrieg nur noch Haaresbreite entfernt. Als ich aufwuchs, lebten wir in einem geteilten Land, und hüben wie drüben war als mögliches Schlachtfeld ausersehen.   Es gab keine Lösung, wie beide Länder je wieder zusammenkommen könnten. Als ich Schüler war, detonierten IRA-Bomben im Hidepark. Es gab keine Lösung, wie man die beiden Konfessionen und Nationen der Iren und Engländer je an einen Tisch brächte. Die meisten dieser zeitgeschichtlichen Phänomene sind mittlerweile fast vergessen. Weil die Politik Lösungen entwickelte. Ich glaube nicht an das Funktionieren einer Mauer, ob sie aus Gesetzen, Stacheldraht oder Beton besteht. Ich glaube, dass es viele, viele Maßnahmen braucht. Dass es eines ungewöhnlichen Querdenkers in der Politik bedürfte, eines Charismatikers, der die festgefahrene Situation durch eine neue intensive Ostpolitik Zentimeter für Zentimeter über eineinhalb Jahrzehnte auflöst. Die Probleme werden an unseren Grenzen im Mittelmeer sichtbar. Gelöst werden müssen sie dort, wo sie entstehen. Ich wünsche mir einen Querdenker in der europäischen Außenpolitik, der die Dinge nicht mit Quoten, nicht mit Mauern, nicht mit „Kommt doch alle zu uns“ angeht. Vielleicht werde ich es noch erleben. Doch ganz sicher wird diese Lösung kommen. Es wird nur Zeit kosten.

Die Straße von Gibraltar. Einhand gegen Wind und Strom.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. 
Die Hälfte meiner Strecke markiert die Straße von Gibraltar – doch ich ahnte vorher nicht, was für ein merkwürdiger Ort die Meerenge ist.

Es ist nicht der Segler oder sein Boot, der bestimmt, was geschieht: Das Wetter und das Meer geben den Takt vor. Dies wissen und danach handeln sind zwei paar Stiefel. Eigentlich weiß ich das. Und doch ist es eine Lektion, die ich immer wieder neu lernen muss.

Mein Plan, die Strecke von 2.000 sm von Sizilien in die Bretagne zu segeln, war einfach gestrickt:

Sizilien-Balearen: 500 sm – bis Ende Mai
Balearen – Gibraltar: 500 sm – bis Ende Juni
Gibraltar – Nordwestspanien: 500 sm – bis Ende Juli
Nordspanien – Bretagne: 500sm – bis Ende August

Segeln braucht Zeit. Doch manchmal auch Eile, selbst wenn Segeln nichts für Hastige ist. Seit zwei Wochen war konstant Ostwind durch die Straße von Gibraltar geweht. Das hätte gereicht, um Levje gegen die vom Atlantik setzende Dauerströmung durch Meerenge nach Westen zu schieben. Doch am vergangenen Sonntag Abend um 23 Uhr sollte der Wind drehen:  Auf zwei Wochen Ostwind sollte eine Woche Westwind folgen. Entweder rutsche ich da an diesem Sonntag noch durch. Oder – wenn der Westwind stärker ausfallen würde, was in der engen Düse niemals auszuschließen war – säße ich mindestens 8 Tage am Eingang der Straße fest, um auf bessere Zeiten zu warten.

Von Fuengirola hinter Malaga, wo ich das Schiff der Columbus im letzten Post beschrieben hatte, kam ich am Sonntag später los, als ich wollte.

14.30 Uhr
Ich bereite mich auf die Passage vor. Und putze erstmal ausgiebig Levjes Sprayhood-Scheiben. Wenn alles gutgeht, werden wir den Felsen von Gibraltar gegen 19 Uhr passieren. Ich plane, mit dem letzten Hauch des Ostwinds in die Straße hineinzufahren. Und dann bis Mitternacht am Ausgang der Straße vor der Insel Tarifa zu sein. Eine Nachtfahrt also. Und wenn ich schon nachts durch „eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt“ stolpere, dann will ich das wenigstens mit sauberen Scheiben tun. „Freier Blick bis zum Mittelmeer“. 

Dann nehme ich mir das Internet vor. Die Informationen über die Meerenge für Segler sind ausgesprochen rar, schreibt eine Website. Doch soviel wird klar: Die Meerenge wartet mit mindestens einer Handvoll Überraschungen und Merkwürdigkeiten auf. 

Strömung: Weil das Niveau des Mittelmeeres 1,40 Meter niedriger ist als das des Atlantik, setzt eine mächtige Strömung von West nach Ost. Pro Tag laufen hier 1 Million Kubikmeter Meerwasser von links nach rechts. Und sorgen in der Straße für 3-4 Knoten Strömung.

Tide: Seit Venedig hatte ich keinen Tidenkalender mehr studiert. Hier tue ich es. Es sind zwar nur 70 Zentimeter Tidenhub für den Abend angesagt. Aber die müssen wir nicht auch noch gegen uns haben. Haben wir aber. Niedrigwasser Gibraltar 18.39 Uhr 

Wind: In der genau West-östlich verlaufenden Meerenge gibt es entweder Westwind. Oder Ostwind. Und gewechselt wird nicht täglich, sondern eher im Wochentakt.
Zudem: Weil Berge und nicht flache Küsten die Meerenge beidseits einrahmen, können aus 4 bft schnell 6 bft. werden. 

Gegen die Strömung? Gegen die Tide? Und dann noch gegen den Wind? Das geht gar nicht.

Wetter: Weil kältere Luftströme aus dem Atlantik beständig auf feuchtwarme Mittelmeer-Luft trifft, kann sich selbst im Sommer hier Nebel bilden. Also nur mit Radar da rein.

Flüchtlinge: An der engsten Stelle ist die Straße von Gibraltar am Westende nur 16 km breit. Vor allem bei unsichtigem Wetter sind hier viele Flüchtlingsboote unterwegs. Aber das sollte ich erst am nächsten Morgen hautnah erleben.

Vorschriften: Es besteht Hörpflicht auf VHF Kanal 10 für Gibraltar und Tarifa Traffic Control. Und wegen der Flüchtlingsboote wird im Kanal gern kontrolliert. Sicher nicht lustig, nachts per starkem Scheinwerfer angehalten zu werden.

Das ist für einen lauen Sonntag Nachmittag nicht erhebend. Ich denke an den Kinofilm DAS BOOT, in dem der Kaleu seinen Männern Mut macht, die schwerbewachte Straße von Gibraltar auf einem U-Boot zu durchbrechen. „Nur Mut Männer. Könnte klappen: So nah wie möglich ranfahren. Und dann einfach durchsacken und von der Strömung durchziehen lassen.“

Ich glaub’, so mach ichs auch! Einfach durchsacken und durchziehen lassen. Wenn Strom und Tide nicht gegen uns wären.

16 Uhr
Noch 22 Seemeilen. Im Dunst am Horizont taucht ein großes Bergmassiv auf. Das muss er sein. Gibraltar. Der Felsen. Das Ende des Mittelmeers.

17.30 Uhr
Noch 15 Seemeilen bis Gibraltar. Der Wind scheint plötzlich mit jedem Meter zuzulegen. Er weht nun in Böen bis 15 Knoten aus der Öffnung, obwohl das eigentlich erst ab 23 Uhr der Fall sein sollte? Ich sehe mir noch einmal den Wetterbericht an – zum xten Mal an diesem Nachmittag. Als ob das was ändern würde. Der Wind kommt fächerförmig aus der Meerenge auf uns zu – Basta. Ich starte den Motor, belege das Groß mittschiffs – das bringt Stabilität. Und einen halben Knoten Fahrt zusätzlich.

Der Felsen von Gibraltar von der Westseite.

19.45 Uhr
Kurz vorher schlief der Wind ein. Wir erreichen den Felsen von Gibraltar. Und robben uns zwischen den Ankerliegern noch näher an das Leuchtfeuer mit der dahinter errichteten Ibrahim-al-Ibrahim-Moschee. Was für ein Klotz von Moschee – fast wie die Hagia Sophia. Die Sonne scheint. Es ist immer noch warm. Ich bin aufgeregt. Und halte weiter Kurs geradewegs auf die Meerenge.

… und Europa-Point einlaufend von Osten.

Als der Felsen hinter uns liegt, herrscht ziemlicher Verkehr. Frachter, Fähren, Freizeitfischer: Es ist ja nicht nur Gibraltar, was den Verkehr anzieht. Sondern gleich westlich davon auch das spanische Hafen-Drehkreuz Algeciras. Containerkräne links. Containerkräne rechts. Ankerlieger kreuz und quer. Einlaufende, auslaufende Großschiffahrt. Ich muss ständig Ausweichmanöver fahren. Und dann der Schwell, der aus allen Richtungen kommt und Levje von einer Seite auf die andere purzeln lässt. 

Oder hat den Schwell gar nicht der Verkehr verursacht?

Zwanzig Minuten später haben wir die Bucht von Gibraltar fast hinter uns. Noch einmal ausweichen, weil die große Katamaranfähre von Algeciras nach Tanger angeschossen kommt – dann ists gut. Jetzt haben wir uns ein bisschen Frieden verdient.

Noch immer Windstille. Levjes Baum klappert und schlägt im heftigen Schwell. Ich sehe zweihundert Meter weiter, wie das Wasser aufgewühlt ist. Sieht merkwürdig aus. Doch es sind nicht nur „Zipfelmützen“, Verwirbelungen durch Strömung, die man an den hüpfenden Wellen erkennt. Hier weht Wind. Und zwar nicht zu knapp! Ich habe immer noch Vollzeug stehen. Levje legt sich sofort über, als die erste Böe uns erwischt. Natürlich Wind genau aus West – nix Ost. Nix 23 Uhr – „this is real“! 14 Knoten zeigt der Windmesser, dann 16. Und genau aus der Richtung, in die unser Kurs am Rand des Verkehrstrennungsgebietes führen soll.

Plötzlich ist es fühlbar kälter. Die Sonne, eben noch leuchtend hoch über den Bergen im Norden,  ist hinter einer Nebenbank verschwunden. Meine Hände sind kalt. Meine Welt wird grau, als hätte sich ein rieisiger Schatten über sie gelegt. Mir ist kalt. Von Osten, gegen den Wind, beginnen plötzlich Wellen zu laufen, als wollten sie mich weiter in die Öffnung schieben. Wieso von Hinten? Da war doch eben noch Windstille?

Ein merkwürdiger Ort. 

Ich überlege einen Moment, was ich tun soll. Genau gegenan? Laufen wir unter Motor nur noch 3,5 Knoten über Grund – nichts. Und das mit wild schlagendem Großsegel, wir stehen ja im Wind.  Als ich abfalle und das Großsegel mittschiffs eng belege, füllt es sich. Es geht etwas schneller. 4 Knoten. Doch die Böen von vorn werden heftiger. Hilft nichts. Eine Weile können wir den Kurs halten. Doch da vorn kommt eine Untiefe. Ich lasse Levje unter Autopilot weiterlaufen und hole mir blitzschnell einen Pullover von unten. 

An Deck alles unverändert. Alles grau. Wir machen kaum Fahrt. Klamme Nebelluft, wo eben noch sonneniger Abend war. Da: Die Untiefentonne. Wenn ich jetzt nicht wende, laufen wir weiter drauf zu. Also los. Alles klappt. Wieder hole ich das Groß ganz eng ran. Wir halten jetzt  rechts auf die Klippen zu. Aber was ist das? Wir haben unverändert 16 Knoten Gegenwind. Doch Levje läuft auf diesem Kurs plötzlich 7 Knoten, dann zeitweise über 8. Hat die Riesenkrake, die bis vor der Wende unter Levje hing und sie bremste, es sich anders überlegt? Nicht nur die Landschaft, nicht nur das Wetter: Der Abend erscheint mir gruselig. Ich denke daran, wie es für die ersten war, die hier entlang segelten: Griechen. Phönizier. Wer immer sie waren: Was sie wohl gedacht haben mögen? Endet bei den Säulen des Herakles die Welt? Beginnt hier die Anderwelt? Kommt hier bald der große Wasserfall, über den das Meer hinabstürzt? Es dauerte vermutlich Jahrhunderte, bis die ersten es schafften, um herauszufinden: Was kommt danach? Oder sind das nur meine Gedanken, allein hier draußen, während die Sonne im Nebel bleifarben hinter den Bergen untergeht?

Das dumpfe Tuten eines Großschiffes aus dem Dunst holt mich zurück in die Gegenwart. Meint der mich? Sind wir auf Kollisionskurs?? Nein, da hupt nur ein großes Containerschiff einen langsam kriechenden Stückgutfahrer im Verkehrstrennungsgebiet. Wir laufen jedenfalls auf diesem Kurs fast mit doppelter Fahrt. Irgendeine Strömung muss hier vor den Klippen sein, die wie das Kehrwasser eines Wildbachs plötzlich genau in der anderen Richtung läuft. Ich bin froh, denn meine geschätzte Ankunftszeit ist plötzlich kurz vor 22 Uhr. Ankommen gerade noch im Hellen.

Wir sind nun den Klippen recht nah. Der Wind ist unverändert. Ich denke an die nächste Wende. Gottseidank scheinen wir die schlimmste Strömung jetzt hinter uns zu haben. Doch kaum gewendet, kriechen wir wieder mit 3,5 Knoten dahin, obwohl die Logge über 6,5 Knoten Fahrt durchs Wasser anzeigt. Was ist das bloß? Hat sich die launische Riesenkrake unter dem Schiff wieder festgesaugt? Ankunftszeit ist plötzlich weit nach Mitternacht. Das kann ja heiter werden, hier bei Dunkelheit in klammer Kälte entlangzukrauchen.

Die Instrumente belegen es: Hoch am Wind 17,8 kn. Und gegen den Strom nah am Nordufer der Straße von Gibraltar mit 6,5 kn Speed über Grund.

Eine Böe kommt jetzt mit über 17 Knoten an. Der Westwind nimmt also weiter zu. Was war das bloß, dass wir vorhin auf dem anderen Bug so schnell waren? Ich habe keine Erklärung. Aber einen Geistesblitz: Wenns einmal funktioniert hat, funktionierts ein zweites Mal!“ Los. Wenden. Zuerst nichts. Doch einige Minuten später nimmt Levje wieder Fahrt auf. Erst 4, dann 5, dann plötzlich über 7 Knoten und in Spitzen über 8. Es ist eine rasende Fahrt, die achterliche Welle schiebt uns merklich. Und alles bei 14, 16 Knoten Wind von vorn. Anscheinend habe ich für meinen neuen Kurs wieder ein Kehrwasser erwischt. Tatsächlich: Ich habe Kurs gelegt auf die Ensenada Tolmo, auf die Klippen zu. Eine gut gesonnene Strömung schiebt uns schnell voran.

Das Spiel wiederholt sich. Kaum haben wir vor den Klippen die nächste Wende hinter uns, kriechen wir wieder mit 4,5 Knoten dahin. Noch einmal probiere ich mein Glück. Wende. Und wieder funktioniert es. Wir liegen von 17 Knoten Gegenwind voll auf der Backe, aber schießen mit 6, 7, kurzzeitig 8 Knoten über Grund dahin.

Meine Hände sind kalt, von der feuchten Kälte, die hier herrscht. Ich spurte ein zweites Mal nach unten, um mir meine Wollmütze zu holen. Und noch einen Pullover. Und die Segeljacke. Und kalte Füße hab ich auch. Verrückt. Heute Mittag bin ich in der größten Hitze losgefahren, um klimatisch am Abend einen Herbstsegler hinzulegen.

Kaum ist die nebelverhangene Sonne hinter den grün bemosten Bergrücken im Norden verschwunden, taucht vor uns im Dunst die Insel Tarifa auf. Noch eine Stunde. 

Zwei weitere Male funktioniert mein Strom/Gegenstrom-Spiel: Als es dunkel zu werden beginnt, habe ich den Hafen von Tarifa erreicht und berge Levjes Groß an der langen Hafenmauer, an deren Spitze ein segnender Jesus wie ein grimmiger Wächter aus Isengart von der Mauer aus dem milchigen Weiß heruntergrüßt. Ich laufe langsam in den Hafen von Tarifa ein, er ist vor allem Fähr- und Fischereihafen. Für Segler bietet er so gut wie nichts. Keinen Steg. Kein Infos.



Ein französisches Segelboot schaukelt einsam an der mannshohen Kaimauer. Ich lege mich in der anbrechenden Dunkelheit davor, kaum weiß ich, wie ich die mannshohe Kaimauer erklettern soll, um alle Festmacher und Springs anzubringen und Levje zu sichern. Während ich noch überlege, wie ich mein Boot hier am besten sichere, hält ein Polizeiwagen oben an der Kaimauer über mir. Ich rechne mit einem harschen Ton, und einem wieder rausgeschickt werden Und während ich in magerem Spanisch noch erkläre, woher ich komme, was ich hier tue, grinsen die beiden Polizisten über mein Radebrechen. Und nehmen meine Leinen an. Im Nu ist oben über mir alles fest. Levje schaukelt im Schwell. Und ich schlafe ein den Kopf voll mit der unmöglichen Geschichte, die ich heute erlebte.