Monat: Mai 2018

Die Wartung der Sicherheitsausrüstung

Mi., 30.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1460, 12.560 sm von HH

Rettungsinsel, Rettungswesten und Feuerlöschanlage – so eine Wartung dauert normalerweise Stunden und Fachfirmen sind erforderlich. Eine komplette Wartung dauert auf Atanga grade 10 Minuten. Macht die Crew selber. Ein Edding und spitze Fingernägel sind alles, was wir brauchen.

Wir befinden uns in den Vorbereitungen für Ecuador. Ecuador soll bei der Einreise von Yachten etwas pingelig sein. Auch Segelboote werden nach ‚Solas‘ kontrolliert. Safety of Life at Sea.
‚Solas‘ ist eine Vereinbarung der UN, die nach dem Untergang der Titanic ins Leben gerufen wurde. Anwendung finden diese Regeln überwiegend für die Berufsschifffahrt.

Unsere Rettungsinsel: abgelaufen 2016. Eine Wartung unterwegs bot sich bislang nur in Kolumbien an. Aus Sicherheitsgründen haben wir darauf verzichtet. Im Internet finden sich viele Berichte, dass man die Rettungsinsel schlechter wieder bekommt als man sie abgibt.
Eine Wartung in Deutschland, kurz vor unserer Abreise, bescheinigte damals ein tadelloses Auslösen der Insel, trotz einer Wartungsüberschreitung von mehreren Jahren. Wir fühlen uns somit sicher.

Die Behörden in Ecuador sollen schon darauf bestanden haben, dass abgelaufene Ausrüstungsgegenstände getauscht werden. Besser sei es, einen Gegenstand gar nicht zu haben als mit falschem Datum. Na, wenn das so ist. Nichts leichter als das. Die alten Prüf-Etiketten sind schnell abgepuhlt. Mit Edding kommt ein neues Siegel bis 2/2020 drauf, Handzeichen drunter, schon fertig.

Wartung der Rettungsinsel

Wartung der Rettungsinsel – eine Minute Arbeit

Ruhe bis 2-2020 ;-)

Ruhe bis 2-2020 ;-)

Wartung der Rettungsweste ist Sache des Skippers - weg mit verdächtigen Siegeln

Wartung der Rettungsweste ist Sache des Skippers – weg mit verdächtigen Siegeln

Abgelaufene Medikamente und Lebensmittel werden ebenso bemängelt. Kopfschmerztabletten – abgelaufen 2016 – entsorgen wir. Meine letzten zwei Dosen Würstchen – abgelaufen 2015 – verstecke ich. Die sollen unbedingt in die Südsee mit. Vor ein paar Wochen haben wir noch eine Dose gegessen. Alles ta-del-los. Ein Glas Himbeeren und eine Dose Sauerkraut (beides 2017) kommen mit in das Versteck. Wäre ja noch schöner, wenn meine Schätze in den Mülleimer müssten.

Bulgarien, Serbien, und ein vorsichtiger Plan

Mittlerweile dusche ich während der Fahrt, mache Essen im 5-Sekunden-Rhythmus und tippe im „Critical Sector Aljmas“ an diesem Beitrag. 5 Sekunden tippen, steuern, 5 Sekunden tippen… steuern, 5 Sekunden duschen, Echolot…

Die Festplatte ist voll mit digitalen Fotos und Filmmaterial, analoge Filme wandern ebenfalls ins Archiv. Zwischen 8 und 14 Stunden fahre ich täglich und seit Istanbul habe ich erst an einem Tag eine richtige Pause gemacht. Das war in Veliko Gradiste, weil am geplanten Abfahrtstag Windstärke 8 gegen den Strom stand. Ich habe mich selten so über Sturm gefreut!
Seit 3 Tagen liefere ich mir ein „Rennen“ mit dem Schubverband ALEKSEY IVLEV und habe vor kurzem zum ersten Mal mehr als 100 Kilometer gegen den Strom an einem Tag geschafft.

Also, um es kurz zu machen: Bulgarien, die Walachei, das Eiserne Tor, die Naturlandschaft der Donau, die vielen Begegnungen, die Geschichten über Dracula, warum ich von der Polizei zum Supermarkt gefahren wurde, all das werde ich hier überspringen (müssen)!
Ihr habt es am letzten Beitrag über Rumänien gemerkt, es gibt viel zu erzählen. Zum Bilder sichten, bearbeiten und einbetten bin ich nicht einmal gekommen.

Ihr wisst ja, dass es einen Film geben wird. Die Geschichten werden also erzählt werden, nur wird das noch eine Weile dauern…

Jetzt geht es für mich vor allem darum, vorwärts zu kommen.

Was ich zumindest hier schon mal kurz sagen will:

Bulgarien war Klasse! Ich habe dort unglaublich viel Gutes erlebt!

Dann kam Serbien. Von Serbien wusste ich vor dieser Reise so gut wie nichts. Ich habe es ähnlich wie vor meiner Reise in die Türkei gemacht und mich bewusst überraschen lassen.
Die Menschen in Serbien, sie haben mich wirklich überrascht, auf eine positive und herzliche Art, wie ich es selten zuvor erlebt habe!
In Veliko Gradiste wäre ich gerne noch länger geblieben, viel länger. Auf diese Erlebnisse dürft ihr euch jetzt schon freuen.

Und ich freue mich, nach ein paar Tagen vor Anker, jetzt über den Hafen von Apatin. Hier stehen Wartungsarbeiten, Diesel bunkern und Einkaufen auf dem Plan, bevor es weiter nach Ungarn geht.

Und nun noch etwas zum vorsichtigen Plan:

Welchen Weg ich verfolge, dürfte mittlerweile klar sein, auch wenn ich bisher noch nichts weiter dazu gesagt habe. Donau → Main-Donau-Kanal → Main → Rhein.
Die Donau endet für mich in Kehlheim. Ja, sie endet dort und nicht etwa am Schwarzen Meer. Die Donau macht nämlich, im Gegensatz zu allen anderen europäischen Flüssen, eine Ausnahme. Die Kilometer werden von der Mündung zur Quelle gezählt und nicht andersherum.
Sulina am Schwarzen Meer hat Kilometer 0 und Kehlheim Kilometer 2415. Mein Zielhafen liegt wenige Kilometer vor Kehlheim. Bis dort sind es von Apatin noch ziemlich genau 1000 Kilometer. Immer noch ein langer Weg, aber es wird langsam überschaubar. Noch 248km bis Budapest, noch 462km bis Bratislava, noch 528km bis Wien.
Wenn der Volvo weiter so gut läuft, wenn wir nicht von Hoch- oder Niedrigwasser aufgehalten werden und mich nicht der Blitz trifft, dann ist für mich in Kehlheim das Einhandseglerleben vorbei!
Dann werde ich Nomade dort für ein paar Tage zurücklassen, nach Hause fahren und mit Sabrina und Filou ab Ende Juli zusammen die Reise von Kehlheim bis nach Wesel fortsetzen.
Das ist für mich das große Ziel und Motivation, hier vorwärts zu kommen. Darauf freue ich mich riesig!

Worauf ich mich ebenfalls freue, sind die Einladungen, die jetzt so langsam greifbar werden. Die erste kam bereits vor langer Zeit aus Ungarn, dann Wien (mittlerweile zwei Einladungen), und noch eine aus Forchheim.

Wenn es gelingt, mit Nomade im Sommer in Wesel anzulegen, dann würden wir euch (Leser, Zuschauer, Freunde) gerne am Ankunftstag einladen: Zu einem Glas Sekt oder einem Bier am Steg!
Anschließend können wir zusammen noch der gemütlichen Kneipe im Yachthafen einen Besuch abstatten.

Um das besser planen zu können, werden wir ab Kehlheim einen Termin nennen und alle Interessierten bitten, sich dann kurz per Mail zu melden.

Mallorca – Die vergessene Insel: Ankern im wilden Gebirge.

Mitte Mai bin ich für mein nächstes Buchprojekt von Sizilien aus Richtung Westen aufgebrochen. Unter dem Titel AN EUROPAS KÜSTEN werde ich in den kommenden 6-7 Monaten von dem berichten, was mir in diesem Sommer auf meinem fast 4.000 Kilometer langen Weg um die Süd- und Westküste Europas alles begegnet. 
Heute: Unterwegs auf Levje im äußersten Nordosten Mallorcas.

Der markante Fels in die Einfahrt in die Cala Boquer im Morgenlicht – wie ein nach Beute schnappender Walhai.

Kennt man eine Sache wirklich, die man zu kennen meint? Den Menschen, neben dem wir jahrzehntelang leben? Das Fahrzeug, in das wir uns seit sieben Jahren jeden Morgen setzen? Eine Insel, auf der man schon 15 mal war und die man in und auswendig zu kennen meint?

Oft werde ich in Interviews wie am vergangenen Samstag gefragt: „Auf dem Cover der VERGESSENEN INSELN ist die Insel Mallorca abgebildet. Das ist doch keine vergessene Insel?“ Natürlich nicht. Vielleicht geht es im Leben (wie in meinem Buch) um die Kunst, das Unbekannte genau in dem wiederzufinden, was wir alle doch so gut zu kennen meinen. An dem Ort, an dem wir leben. Auf einer Insel. In unserem eigenen Leben.

Mallorca meinen wir gut zu kennen. Schließt man die Augen und lässt man den Namen über die Zunge rutschen, hat man auch gleich ein Bild von der Insel im Kopf. Doch Mallorca kann etwas ganz anderes sein. 

Irgendwann, so wie jetzt, wenn das Wetter sehr durchwachsen ist, hält es einen nicht mehr im Hafen. Die Hafenliegerei unter wolkenschwerem grauen Himmel geht auf die Nerven. Es zieht mich hinaus, durchwachsenes Wetter hin oder her. Der Tag war grau. Die Wolken schwer. Also raus. Ziel: Cala Boquer.

Sie liegt, wo Mallorcas Bergregion anfängt: Ganz im Nordosten der Insel, wo die Sierra de Tramuntana beginnt, jener Gebirgszug, der wie eine massive Wand den Norden der Insel Mallorca entlangzieht. Gleich hinter dem Cap Formentor. Drei Stunden Fahrt von Port de Pollenca aus.

Cala: Das Wort gibt es nur im westlichen Mittelmeer. Es bedeutet“in den Fels einer Steilküste geschnittene Sandbucht“. Aber das wäre für die Cala Boquer untertrieben. Als die Einfahrt in die Cala im regenverhangenen Grau vor uns auftaucht, sieht der Fels mit der riesigen Höhle vor uns aus wie ein Walhai, der aus dem Wasser auftaucht und nach Beute schnappt. Als wir weiter in die Cala einlaufen, finden wir anders als erwartet nicht Felsgrund, sondern auf sechs Metern reinen Sand zum Ankern. Also runter mit dem Anker. Und staunen.

Wir ankern hier in der rauen Bergeinsamkeit. Falken rufen aus steilen Wand links. Ein Zicklein schreit die Nacht über aus der Steilwand nach seiner Mutter. Und sonst? Nur Vogelgezwitscher.

Und: Wand, die irgendwelche Erdkräfte nach oben getrieben haben, so dass sie heute aussieht, als hätte ein Bäcker einen Laib Brot durch eine Brotschneidemaschine gejagt und in regelmäßige Scheiben zerteilt. 



Eine Felswand, die sich wie eine Schiefertafel steil aus dem Meer erhebt, über und über bedeckt mit vertikalen Riefen und Runen, die nur darauf warten, endlich entziffert zu werden. 



Die beiden Steinreihen am Ufer, die aus dem Wasser aufragen wie die Ornamente auf dem Rücken eines Riesenechse. 

Katrin fragt, ob ich hier nicht Angst hätte, so ganz allein, in der Bergeinsamkeit. Zugegeben: Die Cala Boquer ist ein unwirtlicher Ort. Doch merkwürdigerweise begreife ich an Orten wie diesen viel über mich. Woher ich komme. Wohin ich gehe, wenn ich auf die Runen in der Felswand der Cala Boquer schaue. Alles und jedes an diesem Ort ist so alt, so mächtig, die Felsblöcke so riesenhaft und majestätisch, dass ich mich ganz klein darin fühle. Winzig. Verloren. Und doch eingebettet und gehalten als Teil des mächtigen großen Ganzen.

Jeder von uns hat einen Ort, an dem er sich zugehörig fühlt zur Welt, an dem er sich empfindet als Teil des großen Ganzen, als Teil dieser Welt. Für manchen ist das ein Ort in der Stadt. Ein Cafe. Ein Stadion. Das Getriebe einer lärmenden Stadt. Wieder andere empfinden sich auf dem Gipfel eines Berges. Für mich ist es ein Ort wie die Cala Boquer. Wild. Einsam. Unendlich überlegen. Unauslotbar gleichgültig gegenüber mir winzigem Wesen und all dem, was mich umtreibt.

Wie gleichgültig, das zeigt die Cala Boquer nachts um zwei. Da zeigt die Cala Boquer die Zähne: Fallböen aus Westen reißen mich Nachts aus dem Schlaf. Benommen torkle ich ins Cockpit. Es pfeifft erst mit 20, dann mit 25 Knoten aus der Dunkelheit heran. Levje schwingt mächtig an der langen Ankerkette – also mal wieder Ankerwache gehen. „Herr, lass es nicht mehr werden!“Wir haben zwar genug Ankerkette gesteckt, ich bin am Nachmittag noch schwimmend an den Quallen vorbei zum Anker geschnorchelt, der gut in den Sandgrund eingefahren ist. Das ist immer eine Beruhigung. 

Die Wolken jagen vor dem Vollmond vorbei, plötzlich hat ihn das große Grau verschluckt, als die nächsten Böen heranpfeiffen. Ich sorge mich etwas um mein Schiff und beobachte zwei Stunden im Cockpit, wie die harten Böen durch das Tal zu Levje herunterpfeiffen. Dann treibt mich die Müdigkeit in meine Koje. Ich überlasse mich dem großen Ganzen, das so viel größer ist als ich. Und schlafe friedlich ein, während die Böen Levje in der engen Bucht tanzen lassen.


Am Morgen tanzen die Böen immer noch durch die Schlucht wie durch eine Trillerpfeife. Gar mancher würde sagen: Wozu das alles, die Mühen, die Anstrengung, das sich-die-Nacht-im-zugigen-Cockpit-um-die-Ohren-schlagen. Doch ich verlasse diesen Ort unendlich reicher, als ich kam.


Übrigens: Die Cala Boquer kann man auch zu Fuß erreichen. Sie liegt nur eine Stunde Wanderung durch ein reizvolles Tal im Norden von Port de Pollenca. Nur den auftauchenden Walhai, der nach Beute schnappt: Den kann man nur vom Meer aus erkennen.

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Die wundersamen Segelgeschichten der Piraten

So., 27.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1457, 12.560 sm von HH

Seit wir in der Karibik angekommen sind, finden wir sie, die Berichte über Piraten.
Wo wir auch hinkommen, Captain Morgan und seine Kollegen waren schon vor uns da. Man segelte vergnügt die Inseln auf und ab, man traf sich vor Providencia, man überfiel gemeinsam Panama City und die Beute kam nach Jamaika. Gemeinsam ging es auf die Bahamas und der ein oder andere Freibeuter kehrte zwischendurch nach Europa zurück. Einige freiwillig, andere an den Galgen.
Das Ganze liest sich locker leicht. Segel hoch und los.

Sind das alles Fake-News? Alles erfunden?
Immer wieder staunen wir über die Berichte während wir auf richtigen Wind warten und die zu segelnde Strecke als unlösbares Problem vor uns liegt.
Wie haben die das bloß gemacht? Moderne Segelschiffe können deutlich höher am Wind segeln als die alten Karavellen oder Galeonen. Letzte gelten zwar als wendige kleine Kriegsschiffe, die gerne von Piraten genutzt wurden, aber Wende-Wunder waren es nicht. Trotzdem gibt es keine Strecke, die damals nicht gesegelt wurde.

In der Shelterbay trafen wir eine Männercrew auf einem 57 Fuß Schiff. Die wollten von Panama nach Grenada segeln. Eine typische Piraten-Route, glaubt man den Geschichten. Die Jungs kamen nach vier Tagen in die Marina zurück. Keine Chance. Gegen Wind und Welle sind sie vor Kolumbien rückwärts gesegelt.
Okay, vielleicht war es eine Weichei-Männercrew. Moderne Bauspar-Männer und Balkonblumen-Gießer. Keine harten Raubeine mit Augenklappe und der Fähigkeit schon zum Frühstück einen Viertel Liter Rum zu saufen. Geschenkt. Aber komisch ist es schon. Die Zweifel an den alten Stories verdichten sich.

Die Geschichten der Pazifik-Seite sind eine Klasse für sich.
Nachdem Balboa 1513 das ‚Südmeer‘ entdeckte, fackelten die Spanier nicht lange. Die Gründung Panama Citys erfolgte 1519, erste Schiffe wurden auf dieser Seite des Kontinents gebaut und bereits 1526 erreichte Francisco Pizarro auf eigenem Kiel Peru. 1533 war der letzte Herrscher des Inkareiches getötet und das Reich seinem Untergang geweiht.
Das geraubte Gold der Inkas wurde nach Panama City verschifft und rief schnell die ersten Piraten auf den Plan, die Raubzüge im Pazifik auf dieses Gold unternahmen.

Aber wie haben die das gemacht? In der Bucht von Panama gibt es keinen Wind. Zumindest keinen, der länger als zwei Stunden anhält. Und der wenige Wind, den es gibt, der kommt aus Süden. Und im Süden gab es das Gold.
Die Segelfachliteratur von Jimmy Cornell sagt: „Alle Törns von Panama Richtung Süden sind sehr schwierig durchzuführen. [] Bei Flauten und Schwachwind muss man unter Motor fahren, um gegen den starken nach Nord setzenden Strom anzukommen.“

Na, erzähl das mal dem alten Captain Morgan oder den Konquistadoren – die hätten gerne einen Motor gehabt. Die alten Schiffe konnten nicht eigenständig gerudert werden. Mit Beibooten wurden sie rudernd in einen Hafen oder eine windstille Bucht gezogen. Bei bis zu 120 Tonnen Verdrängung kein Vergnügen und schon gar keine Möglichkeit, das über längere Distanzen durchzuhalten.

Aber sowohl Konquistadoren als auch Piraten sind munter die Westküste Amerikas auf- und abgesegelt. Bei den Überfällen soll weniger geschossen worden sein als man es aus Filmen kennt. Eine beliebte Taktik war es, dass sich der Pirat hinter einer Landzunge versteckte, um „überfallartig auf das Ziel zuzufahren und es zu entern.“
Auf den windlosen Las Perlas kann diese Taktik nicht erfunden worden sein. Wenn man den Anker lichtet, treibt einen der Ebbstrom höchstens weiter weg vom Opfer

Die tollste Geschichte erzählt man sich über Edward Davis. Er soll seinen erbeuteten Schatz auf den Islas de Cocos – vor Costa-Rica- versteckt haben. Auf Jamaika lebte er in Saus und Braus und wenn ihm das Geld ausging, holte er sich aus seinem Versteck Nachschub.
Er segelte also von Jamaika nach Panama, durchquerte den Isthmus, sprang auf sein zweites Schiff auf der anderen Seite, segelte zu den Kokos-Inseln, buddelte im Sand und kam auf umgekehrtem Weg zurück. :mrgreen:

Und wir sitzen vor unseren modernen Hilfsmittel und auf 400 Litern Diesel und haben ernsthafte Zweifel, dass wir es bis Ecuador schaffen. Pirat müsste man sein.

Alle Segel gebläht, alle fahren in andere Richtungen - aber Toten-Flaute

Die alten Meister spielen mit: Alle Segel gebläht, alle fahren in unterschiedliche Richtungen – aber Toten-Flaute…

Regenzeit auf Contadora

Do., 24.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1454, 12.560 sm von HH

Dass Regenzeit ist, merken wir am Regen und dass keiner mehr da ist. Alle weg.
Lagen vor drei Wochen hier noch zwischen fünf und zehn Yachten am Anker, so sind wir jetzt komplett alleine. Die Saison ist definitiv zu Ende.
Am Strand spielen vier übrig gebliebene, verzweifelte Urlauber Fußball im strömenden Regen.

Schlechtes Wetter und extremes Hochwasser

Schlechtes Wetter und extremes Hochwasser

Es regnet nicht den ganzen Tag und es regnet nicht jeden Tag. Aber doch reichlich. Fast immer in Form von Gewitter. Manchmal gewittert es schon um zehn Uhr morgens. Achims Gesicht gefällt mir dann gar nicht. Er geht nach unten und wartet auf den Einschlag. Am liebsten würde er eine Decke über den Kopf ziehen (ist nur zu warm dafür). Ich glaube nicht an einen zweiten Treffer. Ich mag nicht dran glauben. Das dann fällige Telefonat will auch keiner führen: „Hallo, ist da Pantaenius? Wir haben ein Problem.“

Dank Regen können mit ‚German Engineering‘ Wasser fangen. Und das ist auch gut so. Um den Wassermacher (der ist übrigens wieder in Ordnung – auf dem Weg nach Panama City hatte sich wohl nur die Pumpe kurz verschluckt) lange laufen zu lassen, fehlt uns Strom. Es reicht für Trinkwasser, aber nicht mehr zur Nutzwasser Herstellung.
Die Bucht von Panama City zwingt unser Energiekonzept in die Knie. Das erste Mal nach vier Jahren.
In der Karibik bläst zuverlässig der Passat. Bei Regen und bewölktem Himmel gibt es dort mehr als genug Windstrom. Das ist auf dieser Seite anders.
Selbst Gewitter kommen ohne Wind daher. Die zuckenden Wolken stehen wie fest getackert am Himmel. Die halbe Nacht glüht der Himmel direkt vor unserer Nase. Ja, gibt es denn hier niemals Wind?

In den Regenpausen düsen wir an Land und zu den wunderschönen Stränden und Buchten. Aber die meiste Zeit verbringen wir auf dem Schiff und beschäftigen uns bei Regen mit Sachen, die keinen Strom verbrauchen. Ganz ungewohnt für uns beide.

Regenpause

Regenpause

Von Sizilien nach Mallorca. Nachtfahrt.

Mein jüngstes Buch DIE VERGESSENEN INSELN ist nach über drei Jahren Arbeit 
im vor wenigen Wochen endlich erschienen. Weil ich reisen und unterwegs sein will, 
stürze ich mich in mein nächstes großes Buchprojekt, das mich um die Westküste Europas mindestens bis in die Bretagne führen soll. Unter dem Titel AN EUROPAS KÜSTEN werde ich in den kommenden 6-7 Monaten von dem berichten, was mir in diesem Sommer auf meinem fast 4.000 Kilometer langen Weg um die Süd- und Westküste Europas  alles begegnet.

Der Leuchtturm von Cap Formentor an der menschenleeren Nordostspitze Mallorcas im Morgenlicht. Von Sizilien bis dorthin braucht man aber fast vier Tage und vier Nächte nonstop, um ihn zu erreichen. Im folgenden ein Bericht übers Nachts Unterwegssein auf dieser Etappe.

Kurz nach Mitternacht, irgendwo auf dem Meer auf halbem Weg zwischen den Inseln Sardinien und Menorca. Die Navigation auf dem iPAD sagt, nach Mallorca seien es noch 107 Seemeilen. Oder 1 voller Tag und 9 Stunden.

Es ist windstill. Ich bin etwa 10 Stunden vom nächsten Land entfernt. Über mir nur Himmel.  Um mich nur Schwärze. Und das gleichmässige monotone Brummen des Motors. Unter mir nur Wasser. Wie tief es ist, kann ich nicht sagen.  Der Tiefenmesser, der eigentlich nur bis zu einer Tiefe von 100 Metern verlässlich arbeitet, ist schon am Nachmittag ausgestiegen. 183 Meter hat er unter uns gemessen, dies war die letzte Messung. Seitdem schickt der sinnreiche kleine Apparat mehrmals sekündlich einen akustischen Strahl in die Tiefe, der eigentlich vom Meeresgrund zum Sensor zurückgeworfen werden. Doch seit Stunden wird der Strahl nicht mehr reflektiert, sondern versickert irgendwo grundlos, ohne auf Widerstand zu treffen. Das Meer ist hier über 2.000 Meter tief.

Hinter einer Wolkenbank im Westen erleuchtet der Mond seit einer Viertelstunde wie eine Fackel den Himmel darüber. Das ist erstaunlich. Denn jetzt Mitte Mai ist der Mond, wo ich ihn hinter seinem Versteck weit im Westen erahnen kann, nichts anderes als eine hauchdünne liegende Sichel. Neumond. Dies ist ein Teil dessen, was den Zauber des Reisens unter Segeln ausmacht: Ich lerne wieder mehr die Natur zu beobachten, auf das zu achten, was sie von sich preisgibt. Gestern, an diesem Regentag, als ich lang am Vorstag stand und nach Westen in den regenschweren Himmel voraus betrachtete und die langeggezogene, nach oben bösartig gezackte Wolke entdeckte, die wie eine liegende Zigarre den Himmel vor uns bedeckte. Die Meeresschildkröten, an denen wir häufig vorbeisegeln und die sich hier draußen, fernab von allem tummeln. Die Spitze einer Front, die Regen und guten Wind verhieß. Jetzt der Mond hinter seiner Wolkenbank, der mich tiefer Schwärze zurücklässt. Alles, was ich gerade wissen muss, erfahre ich in diesem Augenblick nicht aus dem Internet, sondern aus der Weite, die mich umgibt.

Ich blicke kurz nach vorn. In der Dunkelheit voraus etwas rechts hinter der Kimm ein schwindender roter Schein. Noch so ein kleines Schiff wie meines auch. Freude erfast mich kurz, noch jemanden zu treffen hier draussen, der es nicht aushielt daheim, den es hinauszog wie mich. Es ist so klein, dass selbst mein Radar, das zur Sicherheit nachts immer mitläuft und 20, 30 Kilometer oben von meinem Mast aus für mich Ausschau hält nach Dingen, mit denen ich in der tiefen Dunkleheit kollidieren könnte, es noch nicht erfasst hat. Einen Monent lang sehe ich den roten Schemen. Was tut der Skipper um diese Tageszeit hier draussen? Wohin fährt er? Was bewegt ihn? Hat er jetzt um diese Nachtzeit ähnliche Gedanken wie ich? Dann wird das Licht dünner und dünner, bis die Schwärze es verschluckt hat und mich wieder allein zurücklässt.

Müdigkeit überfällt mich, urplötzlich, wie aus einem Eimer mir ausgekippt. Meine Lider brennen, meinen Arm zu heben oder die Pupillen so scharf zu stellen, dass sie in der Dunkelheit diese Zeilen lesen können, kostet Kraft und Überwindung. Doch ich muss wachbleiben. Auch wenn Levje sich selbst auf dem eingegebenen Kurs hält, kann ich es mir hier so wenig wie am Steuer eines Autos leisten, dem Wunsch nach Schlaf nachzugeben plötzlich einfach einzunicken. Der Wunsch, im Brummen des Motors einfach nach unten zu gehen, das zugige Cockpit gegen die Wärme meines Bettzeugs einzutauschen und meinen Platz vor den Instrumenten zu verlassen, ist übermächtig.

Das Meer. Die Nacht. Die Müdigkeit. Vor mir nur die Instrumente und rechts das kreisende Radar, das Ausschau hält.

Ein Uhr.  Ich prüfe mit einem raschen Blick, ob Levje noch den eingegebenen Kurs steuert. Dann ein kurzer Blick auf die Instrumente vor mir. Und auf den schwarzen Bildschirm des Radars-Bildschirms, der meine ganze Existenz auf einen kleinen gelben Punkt in der Bildschirmmitte reduziert. Der gelbe Punkt darauf bin also ich. Und rund um den kleinen gelben Punkt nichts anderes als 20 Kilometer im Umkreis gähnende Schwärze.  Nichts und niemand. Kein Mensch, kein Schiff. Wie weit, wohin müsste ich gehen in dem Land, das ich meine Heimat nenne, um das zu finden: In einem Kreis von 40 Kilometern Durchmesser keine Menschenseele, niemand anderes, nur mein Schiff allein.

Um die Müdigkeit zu vertreibe, stehe ich kurz auf und werfe einen Blick nach vorne in die Schwärze. Kalter Fahrtwind streicht mir über die Wangen. Obwohl es auf den Juni zugeht, ist es gerade nicht warm im Mittelmeer. Der Nordwind bringt kalte trockene Luft, es gibt keine Hauswand, keinen Baum, der die Kühle von mir abhalten könnte. Ich sehe vor mir das grüne Licht der Positionslaterne am Bug, die anderen Schiffen anzeigt, welchen Kurs wir steuern. Hinter dem schwachen grünen Lichtschein endet meine Welt. Jedenfalls die, die ich wahrnehmen, erkennen kann. Aus tiefer Schwärze kommend gleitet Levje hinein in die Schwärze, die mich umfängt. Anders als in einem Auto sehe ich nichts, rein gar nichts, wohin wir jetzt in eben diesem Augenblick gleiten. Ich sehe noch das Vorsegel und das rotgrün des Positionslichts, doch vor uns nichts mehr. Hier endet meine Welt. Ich muss darauf vertrauen, dass uns nichts in die Quere kommt. Kein Schiff, das plötzlich auf Kollisionskurs ist und keiner, der auf der Brücke Wache hält wie ich oder wie Sven, der unten schläft. Kein treibender Baumstamm wie in manchen Winternächten, in denen ich auf der nördlichen Adria unterwegs war. Kein scharfkantiger Container, der knapp unter der Meeresoberfläche träge driftet. Ich schaue eine Weile in die Dunkelheit, doch als der kalte Fahrtwind meinen Nacken auskühlt, ziehe ich mich wieder unter die schützende Sprayhood zurück. Ich muss meinem Schiff vertrauen. Auch das lehrt das Reisen auf einem Boot. 

Plötzlich unterbricht ein durchdringender Piepton das monotone Brummen des Motors und das gleichmässige Rauschen entlang der Bordwand. Ein nerviges Piep-Piep-Piep, das nicht enden will. Eine Warnung vom Motor? Nein. Es scheint alles in Ordnung. Eine Warnung vom Radar? Tatsächlich. Da hat sich aus Norden ein kleiner Lichtpunkt angeschlichen, der auf meinen gelben Punkt in der Mitte des Bildschirms zustrebt. Ich lösche den nervigen Piepton. Danach spähe ich in die Dunkelheit vor mir. Tatsächlich. Halblinks von Levjes Kurs erkenne ich ein schwaches rotes Licht. Und darüber ein weißes. Offensichtlich ein Segler auf Gegenkurs. Er ist noch ein Stück weit enntfernt. Auf dem Radar habe ich einen Kreis von 6 Seemeilen Durchmesser , also 11 Kilometern gezogen. Wen irgendetwas in diesen Kreis eindringt, das sich einigermaßen über die Wasseroberfläche erhebt, ertönt eben jener nervige Piepton. Das ist eine sinnvolle Einrichtung. Die Route, auf der ich unterwegs bin, ist zwar kein vielbefahrener Dampfertrack, aber jeder Segler, jeder Motorbootfahrer, der zwischen Menorca und Sardinien unterwegs ist, wird mehr oder weniger auf meinem Trampelpfad unterwegs sein. Ich beobachte den näherkommenden Segler. Es muss ein kleines Segelschiff sein, denn eifrig nickt der Mast in der Welle, als er uns in etwa 50 Metern Abstand passiert.

Und während das Schiff an uns vorbeigleitet, entdecke ich, dass über uns die Wolkendecke aufgerissen ist und die Sterne sich zeigen. Wir sind unterwegs Richtung Mallorca doch ich entdecke, dass wir eben die Milchstraße mit ihren Milliarden Sternen durchquerten. Wenn wir uns von A nach B bewegen, denken wir nur daran, eben von A nach B zu kommen. Und vergessen doch, dass jede Fahrt, und selbst die allerkleinste Stadtfahrt, eine Reise durch ein  anderes Universum sein könnte, wenn wir denn nur die Augen hätten, genau das zu sehen.

Eineinhalb Stunden später, meine Uhr zeigt vor meinen übermüdeten Augen halb vier. Die windstille Nacht hat einem Wind genau von Vorne Platz gemacht. Er nimmt zu. Leichter Regen setzt ein. Mein übermüdetes Gehirn mahlt Gedanken: Weiter unter Motor gegen den Wind anboxen? Noch geht das. Es hat etwa 10 Knoten, doch er nimmt zu. Ich spüre, wie wir Fahrt verlieren, nicht viel, doch merklich. Was wäre die Alternative: Segel setzen? In mühsamem Zickzack gegen den Wind Richtung Menorca aufzukreuzen, um weiter an Mallorca heranzukommen? Das alles in übermüdetem Zustand. Nein. Ich will mich jetzt nicht bewegen. 

Der Regen wird stärker. Was nicht weiter schlimm ist. Sicht hatte ich ohnehin keine. Doch die Sprayhood, unter der ich sitze, ist nicht ganz regendicht. Wasser vom prasselnden Regen tropft aufs Radargerät, fällt neben dem iPAD in dicken Tropfen herunter, tropft mir langsam in den nassen Kragen, wenn ich nicht passgenau mir einen Platz zwischen den fallenden Tropfen suche. Der Wind nimmt jetzt deutlich zu, in Spitzen haben wir jetzt über 15 Knoten gegen uns, unsere Geschwindigkeit sinkt, die See wird hackiger. Kein Spaß für Sven, der unten im Bug schläft und der jetzt wie im Schleudersitz dauernd auf und ab fährt. Ich muss was tun. Segel setzen? Aufkreuzen? Noch zögere ich. Wenn der Wind in den nächsten 10 Minuten zunimmt, gibts keine andere Wahl. Also warte ich. Plötzlich meldet sich das iPAD ab. Damit ist meine Navigation futsch. Auch das ist Segeln: Das sich in kritischen Momenten der Stress gleich durch mehrere Faktoren gleichzeitig nicht linear, sondern exponentiell steigert. Ich hole mein Smartphone aus der Jacke, denn dort habe ich die Navigationssoftware samt meinen Kurs vorsichtshalber ebenfalls gespeichert. Kein Problem also, soweit.  Wenn nur die 15 Knoten und der prasselnde Regen nicht wären.

Nach einer Weile, in der ich im Starkregen den Leuchtturm Menorcas aus den Augen verlor, lässt das Geprassel nach. Der Wind beruhigt sich auf unter 8 Knoten. LEVJE schnürt wieder dahin, als wäre nichts gewesen. Als der Regenmorgen die Dämmerung bringt, sehe ich vor mir unter den Wolkenbänken die Südostküste Mallorcas. Wir sind da. Nach dreieinhalb Tagen fast am Ziel.


Panamakanal – mit oder ohne Agenten?

Mi., 23.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1453, 12.560 sm von HH

Vor dem Kanal ist die am heftigsten diskutierte Frage: „Geht ihr mit Agenten durch?“
Die Entscheidung maßgeblich wird von den Faktoren ‚Geld‘ und ‚Bequemlichkeit‘ beeinflusst.
Beide Varianten haben Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewogen werden müssen.

Anbei eine Entscheidungshilfe für Eure Kanalpassage: Durch den Panamakanal – mit oder ohne Agenten?

Wir sind mit Agenten durch den Kanal gefahren und fanden die Entscheidung bequem, unkompliziert und gar nicht so viel teurer, wie die ‚andere Seite‘ immer behauptet.

Rumänien

An diesem Beitrag schreibe ich seit mehr als 2 Wochen. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Überschrift geändert habe und was ich alles schon geschrieben und dann doch wieder verworfen habe. Immer wieder dachte ich: Komm, warte noch mit dem Beitrag, vielleicht ist das alles nur hier so, vielleicht wird es besser…
Jetzt fange ich wieder von vorne an und bin richtig traurig, wenn ich an Rumänien zurückdenke. Rumänien, ein Land mit enormen Kontrasten.
Am Tag als ich ankam, fiel es mir schwer, die Gleichgültigkeit mancher Menschen zu akzeptieren. Und genauso habe ich an diesem ersten Tag wiederum unglaublich nette und hilfsbereite Menschen getroffen.

Seemeilen und die Fahrten mit Nomade durch Rumänien sind für mich mittlerweile fast bedeutungslos. Ich hatte in diesem Beitrag, wie so oft, den ein oder anderen Törn beschrieben, aber mittlerweile wieder gelöscht. Die Törns sind unwichtig geworden. Die Begegnungen in Rumänien sind es, um die es diesmal gehen soll.

Die erste „Begegnung“ gab es ein paar Seemeilen vor der Grenze per Seefunk. Da wurde alles, was man in Rumänien bereits von Nomade wusste, nochmals abgefragt. Die zweite Begegnung war das „Abfangmanöver“ der Küstenwache, die ausgerückt ist, um Nomade zur Grenzpolizei zu eskortieren. Sehr freundlich, aber aus meiner Sicht ein wenig übertrieben. Die Bulgarische Grenzpolizei hatte Nomade ja bereits für den Nachmittag bei der Rumänischen angekündigt.
Grenzpolizei und Zoll dann sehr freundlich. Anschließend ging es zum Hafenkapitän, danach zum Sicherheitsdienst und danach hätte eigentlich der Hafenverwalter zu Nomade kommen sollen. Der hatte allerdings keine Lust…
Und so war ich schließlich, nach einem kleinen Papierkrieg, offiziell in Rumänien, in dem mittelgroßen Ort Mangalia und mir wurde freundlich aber bestimmt klar gemacht, dass ich diesen Hafen mit Nomade erst dann wieder verlassen darf, wenn ich bei Hafenkapitän und Grenzpolizei ordentlich ausklariert habe, für eine Fahrt innerhalb der Landesgrenzen, wohlgemerkt!
Einen Schlüssel für den das Tor zum Ponton habe ich nicht bekommen und nachdem ich am nächsten Tag zum zweiten Mal eingeschlossen war und mir zum ersten Mal 2018 der Kragen leicht geplatzt ist, weil der Hafenverwalter (O-Ton: „Ich bin eigentlich nur zum kassieren hier! Ha! Ha! Ha!“), sich einen Dreck für irgendetwas interessiert hat, hatte ich Hoffnung. Denn die Beschwerde beim Hafenkapitän hatte gezogen. Dachte ich…
Hat sie nicht, merkte ich…
36 Stunden nachdem ich den zugesicherten Schlüssel nun doch hätte bekommen sollen, hatte ich immer noch keinen und habe Mangalia (nach einem weiteren kleinen Papierkrieg) wieder verlassen.
Ich hatte Glück und war nur 3 Mal auf dem Ponton eingeschlossen. Andere wurden in der Dusche eingesperrt.
Mir ging es verdammt gut in Mangalia, im Vergleich zu den halbtoten Streunern vor der Wache der Grenzpolizei und mir ging es blendend, im Vergleich zu dem verwahrlosten Kind, welches vor dem verrammelten Tor der städtischen Marina seine dreckigen Klamotten im Salzwasser gewaschen hat, während dahinter auf dem Ponton ganze DREI Tage ununterbrochen das Süßwasser aus einem defekten Wasserhahn lief.
„Ich bin eigentlich nur zum kassieren hier! Ha Ha Ha!“
Ich hätte ihn am liebsten…

Insgesamt 128 Liter Diesel habe ich in der Zeit in Mangalia mit dem Fahrrad von der Tankstelle angekarrt. Eine andere praktikable Lösung gab es nicht. Aber sie tat gut, diese körperliche Ertüchtigung. Damit habe ich mir einen Teil der angestauten Wut auf den Typen abgeradelt.

Also weiter!
Achso, zur Grenzpolizei musste ich plötzlich doch nicht mehr. Keine Ahnung warum. Eine andere Yacht musste, ich nicht. Zu mir ist die Beamtin mit dem Auto gekommen und wollte nur mein Einklarierungspapier sehen.
Ich war allerdings nicht im Besitz eines Einklarierungspapiers! Ich hatte mich selbst darüber gewundert und die Beamten bei meiner Ankunft gefragt, ob ich denn nicht auch irgendwas schriftlich bekomme? „NO“ war die knappe Antwort.
Genauso knapp war meine Antwort an diesem Morgen ebenfalls.
Ratlosigkeit hing in der Luft und drei belanglose Fragen später durfte ich Ablegen.

Unterm Strich wurde extrem viel Wirbel um die Ankunft und das Ablegen von Nomade gemacht. Telefonate wurden geführt, Aktenordner gefüllt und man hatte das Gefühl ein russischer Flugzeugträger läuft ein. Der „Witz“ an der ganzen Sache ist: Nomade wurde nicht ein einziges Mal in Augenschein genommen.
Zoll: „Do you have weapons on bord?“
Nico: „No.“
Zoll: „Ok.“

Springen wir nach Constanta. Anmelden bei Grenzpolizei: 5 Minuten und völlig problemlos. Kein Papierkrieg.

In Constanta habe ich nach meiner Ankunft noch einmal ganz kurz die Segelyacht Sharlyn mit Graham, Yana, Mikhail und Oleg getroffen.
Die S/Y Sharlyn segelt von der Donau zur Wolga. Eine besondere Reise, die noch nie zuvor eine Yacht unter britischer Flagge gemacht hat.
Leider hatten wir kaum Zeit uns länger zu unterhalten. Die Crew der Sharlyn musste Papierkram erledigen und auch ich hing nach der kurzen Polizeikontrolle länger fest. Diesmal im Büro des Yachthafens. Noch nie zuvor habe ich für die Übernachtung in einem Yachthafen ähnlich viele Unterschriften leisten müssen. Eine halbe Stunde hat das Prozedere gedauert, bis ich endlich meine Gebühr entrichten durfte.
Diesel konnte ich dann auch noch besorgen. Diesmal zusammen mit einem Mitarbeiter des Hafens, der mich mit dem Auto zur Tankstelle gefahren und mir die Kanister geliehen hat. Man hat mir das Gefühl vermittelt, das wäre eine Art Service des Yachthafens, bzw. ein Freundschaftsdienst.
Eine Stunde später war ich 40€ (schwarz) für den „Freundschaftsdienst“ los!

Dann kam Doru vorbei.
Doru ist der Kapitän des SAR Schiffes in Constanta. Ein unglaublich netter Kerl, der für viel zu wenig Geld sein Leben riskiert, um andere auf hoher See zu retten.
Ich habe lange mit ihm gequatscht, durfte mir das Schiff anschauen. Ein Finnisches Rettungsboot aus Aluminium mit Jet Antrieb. Sehr schwer zu steuern und durch das geringe Gewicht sehr ungemütlich in schwerer See.
„Bis 6m Wellenhöhe geht es.“
Man merkt Doru an, dass er viel da draussen erlebt hat. Keiner der groß auftischt, wie krass die See doch ist. Ganz leise erzählt er davon.
Am nächsten morgen verabschiede ich mich von ihm und bin mir ziemlich sicher, einem richtigen Helden begegnet zu sein!
Als die Leinen schon fast los sind, kommt Doru nochmal schnell zu mir, drückt mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand und sagt: „Wenn die an der Schleuse Probleme machen, sag, du kennst Doru. Dann wissen sie schon bescheid!“ „Und falls was ist, ruf mich an!“

Danach fahre ich ein letztes Mal übers Schwarze Meer und an diesem Tag ist es ein bisschen anders. Ein bisschen dunkler als an den Tagen davor. Die Wolken hängen tief und ein letztes Mal kommen Delfine vorbei, wie an jedem Tag in diesem noch so unerforschten Meer. Ich hatte riesiges Glück im Schwarzmeer. Ein solches Wetterfenster gibt es nicht oft im Jahr.
Aber ich fühle mich etwas merkwürdig. Weil ich so hier durchgehetzt bin. „Einmal im Leben durchs Schwarze Meer segeln“ das war vor ein paar Monaten so ein Gedanke, der ab und zu mal hochkam.
Nachdem das Schleusentor in Constanta hinter mir zu ging dachte ich: „Noch einmal im Leben durchs Schwarze Meer segeln!“

Die Schleuse hat keine Probleme gemacht. Es war das typisch rumänische, freundliche Durcheinander, mehr nicht.
Achso, jetzt hätte ich fast etwas vergessen. Geweckt wurde ich an diesem Morgen von der Grenzpolizei. Der Beamte wollte mich aus dem Hafen ausklarieren, was mir prinzipiell ja ganz Recht war. So konnte ich mir den Gang zum Container sparen.
Genutzt hatte es trotzdem nicht viel, denn nach dem Ablegen wurde ich von den Kollegen auf dem Boot der Küstenwache gestoppt. „Wo wollen Sie denn hin?!“
„Na zum Kanal, ich hab doch gerade bei ihrem Kollegen ausklariert!“
„Davon wissen wir nichts!?“

Überspringen wir den Scheiß, ich breche sonst!

Also, ich war jetzt im Donau-Schwarzmeer-Kanal. Am Abend war ich in der Donau und wollte nach Bulgarien Ausklarieren.
Am Zollponton in Cernavoda lag ein Kreuzfahrtschiff. Also bin ich zum Anleger der Grenzpolizei gefahren und wollte wissen, was ich nun machen soll. Ratlosigkeit machte sich breit. Nach Ratlosigkeit wurde telefoniert und irgendwann beschlossen, dass ich am besten nach Calarasi weiterfahre und dort ausklariere.
Also bin ich ein paar Kilometer die Donau hoch gefahren und habe den Haken an einem offiziellen Ankerplatz geworfen. Diese Ankerplätze sind in Karten und mit Schildern am Ufer entsprechend gekennzeichnet und haben eine ausreichende Wassertiefe. Gerade für die erste Nacht im Fluss wollte ich keine Experimente machen.
Ich war zufrieden an diesem Platz.
Leider nur etwa eine Stunde lang. Als ich bereits in der Koje lag, schreit draußen jemand herum. Zwei Fischerboote umkreisen Nomade und verjagen mich schließlich lautstark. Sie wollen genau hier ihre Netze auswerfen und ich soll 500m weiter ankern. Ich hab sie zwar kaum verstanden, „Hau ab hier!“ klingt aber in jeder Sprache ungefähr gleich.
Diskutiert habe ich nicht, dafür waren mir die Kerle zu suspekt. Zum einen war ich deutlich in der Unterzahl und zum anderen passte irgendwie nichts logisch zusammen. Die halb verrotteten Holzboote, die Zahnlücken, die dreckigen Klamotten und die glänzenden Mercury und Honda Motoren am Heck, die dem Gegenwert von Nomade entsprachen.
Das erste was ich gedacht habe war: „Jetzt weiß ich wo die Außenborder sind, die in Berlin Nachts heimlich abgeschraubt werden.“

Geschlafen hab ich nach dem Wechsel des Ankerplatzes trotzdem gut, ich war einfach zu müde für Sorgen machen an dem Abend.

Springen wir nach Calarasi zum Ausklarieren:
Hier erwartet mich ein sehr netter Grenzpolizist, der mich längsseits gehen lässt und die Leinen annimmt. Wir plaudern eine Weile, während wir auf den Zoll warten. Er ist etwa so alt wie ich und hat einen Hund mit an Bord. Einen kleinen wuschigen Mischling. Kein Polizeihund, sein eigener ist es. 18 Jahre ist er bei der Grenzpolizei und keiner weiß was ist, wenn Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum dazu kommen und die Grenzen geöffnet werden. Vielleicht braucht man ihn dann nicht mehr?
Eine Stunde später bin ich wieder in Bulgarien, zum Einklarieren auf der anderen Seite der Donau, die über einige hundert Kilometer die Grenze beider Staaten bildet.

Wie das in Bulgarien lief, beschreibe ich im nächsten Beitrag. Heute geht es nur um Rumänien und deshalb springen wir ein paar Tage und einige hundert Kilometer in die Zukunft, nach Calafat.

Nein, Stopp! Da war noch etwas, kurz vor Calafat! Vor der ersten Kurve nach Norden habe ich an einem der abgelegendsten Ankerplätze irgendwo in der Großen Walachei übernachtet. Ich lag bereits lange in der Koje und es war schon dunkel, als ich gehört habe, wie ein Schiff immer näher kam. Dann wurde es hell in der Kajüte, ein Scheinwerfer wurde auf uns gerichtet. Ich bin ziemlich schnell an Deck geflitzt, da lag neben mir die Rumänische Grenzpolizei: „Alles ok bei dir?“
„Ähm, ja, alles ok. Wollen Sie meine Papiere sehen?“
„Nein, wir wissen wer du bist. Wir wollten nur fragen, ob alles ok ist, oder ob du Hilfe brauchst.“
„Ah, ok, danke, aber hier ist alle ok. Ich schlafe nur ein paar Stunden, dann fahre ich weiter nach Calafat.“

In Calafat wollte ich von der Bulgarischen noch einmal kurz auf die Rumänische Seite wechseln. Dafür gab es einen guten Grund, denn ein paar Meilen weiter sollte es laut den letzten verlässlichen Infos die erste Bootstankstelle im Fluss geben. Also bin ich in Calafat an den Anleger des Hafenamts, um noch einmal Einzureisen.
Der Hafenmeister war super hilfsbereit und hat mir die Pontongebühr komplett erlassen, weil sie keine Preisstruktur für Yachten haben. Es gab also nur eine Möglichkeit: Entweder er berechnet ein Passagierschiff (40€ für die ersten 4 Stunden und jede weitere Stunde 5€) oder eben nichts.
Dann sind wir zusammen zur Wache gelaufen. Vorbei an gut einem Dutzend armer Streuner, zu einer verwahrlosten Hütte. Hier sollte ich warten, er ruft die Beamten an und die kommen dann hier her.
Wer auf „Lost Places“ steht, sollte unbedingt nach Rumänien kommen. An diesem Platz hätte man Filme drehen können und das Set wäre bereits perfekt gewesen, für Horrorfilme.
Wenige Minuten später das Groteske. Da kommen zwei schick uniformierte Beamte, in einem ziemlich neuen VW Passat (die teure Polizeiversion) und gehen mit mir in diese Bruchbude, in der ein geflickter Ohrensessel und ein uralter Röhrenfernseher steht. Die Wache der Grenzpolizei, die sonst niemand zu sehen bekommt. Als erstes zeigt mir der gut gelaunte Beamte ein Holzstäbchen. Es sah aus wie die Holzstäbchen, die man aus dem Chinarestaurant kennt. Er wedelt damit vor meiner Nase herum, lacht, und faselt was von „Romanian remote control“.
Ich peile überhaupt nichts und stehe nur achselzuckend da. Dann zeigt er auf die Glotze und schiebt den Holzstab unten in den Fernseher rein. Knöpfe hat die Kiste keine mehr. Er kniet davor, stochert herum und redet mit dem Gerät. Ich denke mal er sagte sowas wie: „Komm schon… na los…“
Nach ein paar Sekunden *brzlt* es, er lacht und die Kiste springt an! Bild ist noch keines da, aber immerhin Ton.
Bild kommt in ein, zwei Minuten, meint er zu mir.
Dann schaut er sich meine Papiere an und schickt mich zurück zum Boot. Er will alles fertig machen und dann vorbeikommen.

Eine halbe Stunde später (ich habe so lange mit dem Hafenmeister geplaudert) ist der Beamte auf dem Ponton. Er ruft schon von weitem laut und gutgelaunt: „Nico! Ich hab deine Papiere fertig!“
Diesmal bekomme ich sogar ein richtiges Einklarierungsformular.

Zwei Tage später klariere ich in Turnu Severin wieder aus. Die ganze Aktion war sinnlos, denn der Yachtponton mit seinen 16 Liegeplätzen und der Tankstelle wurde von einem Tanker blockiert. Ja, ein Tanker, kein Frachter und der Tanker war nicht dort um die Tankstelle zu betanken.
Immerhin, ich konnte bei der Werft daneben festmachen und der Werftchef war enorm hilfsbereit. Ich durfte die private Dusche in dem Gebäude nutzen, habe Wasser bekommen und lag dort wirklich zum Freundschaftspreis.

Ausklarieren lief dann so ab:
Ich bin am Vorabend die 2 Kilometer zur Wache gelaufen, um zu fragen, wo ich mit Nomade hin soll. Antwort: „Sie bleiben bei der Werft, denn der Zollponton ist nur für große Schiffe vorgesehen. Kommen Sie morgen früh zu Fuss hier hin.“
Also bin ich am nächsten Morgen wieder zur Wache gelaufen. Diesmal hat man mich gefragt, wieso ich nicht mit dem Boot zum Zollponton gekommen bin!?

Ruhig bleiben…

Aber alles kein Problem, man wollte die Papiere fertig machen und dann zusammen mit mir zu Nomade fahren. Ich hatte mich schon auf das Taxi gefreut, aber daraus wurde nichts, denn nachdem der Papierkram erledigt war, hat sich heraus gestellt, dass der Polizist gerade kein Auto hat.
Wir sind trotzdem gemeinsam langsam losgelaufen und hier habe ich einen Fehler gemacht. Der Mann fragte mich: „Wie weit ist das etwa, bis dort wo sie liegen?“
Nico: „Ziemlich genau 2 Kilometer, wir laufen also etwa 20 Minuten.“
Polizist: „Oh, das ist aber ganz schön weit und ich muss ja auch wieder zurück laufen.“
Kurze Pause…
Polizist: „Ach, wissen sie was, kommen sie einfach mit dem Boot zum Zollponton, ich sorge auch dafür das nichts berechnet wird.“

Also, hab ich den 8. Kilometer zu Fuß voll gemacht, bin mit Nomade zum Zollponton und habe dort meine Papiere bekommen.
Das wars. Das war Rumänien.

Ich habe Rumänien zu einem großen Teil auf diversen Wachen kennengelernt. Nomade wurde in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal von einem rumänischen Offiziellen betreten. Viel Wirbel um nichts.

Was ich gesehen habe ist ein Land, welches (leider) in weiten Teilen seinem Klischee entspricht. Prunkbauten stehen gleich neben ärmsten Plattenbausiedlungen. Den Streunern geht es deutlich schlechter als in Griechenland und hier gibt es kaum noch junge Menschen, die das Land aufbauen könnten.
Rumänien ist also im Moment nicht nur ein Problemkind der EU, die EU bringt auch (noch) große Nachteile für Rumänien selbst mit. Der Werftchef in Turnu Severin findet kaum noch Leute, die für ihn arbeiten, obwohl er schon wesentlich mehr zahlt, als üblich und für seine Arbeitnehmer ein wirklich erstklassiges Umfeld geschaffen hat, inklusive einem Aufenthaltsraum mit moderner Küche und sanitären Anlagen mit Duschen.
Die Menschen waren bis auf wenige Ausnahmen sehr freundlich zu mir, vor allem die Beamten. Sie entsprachen überhaupt nicht dem Klischee. Bakschich wurde niemals erwartet und als ich die Hafengebühr in Constanta aufrunden wollte, hat man stolz abgelehnt.

Aus meiner Sicht hat Rumänien noch nicht die Nachwirkungen der langen Diktatur überwunden.
Umso erstaunlicher ist es, dass ich einmal mit jemandem gesprochen habe, der dieser Ära auch heute noch nachtrauert. „Unter Ceaușescu ging es mir besser!“
Die Betonung liegt auf „mir“.
Millionen Menschen haben schwer gelitten unter dem Mann, den man am ersten Weihnachtstag 1989 als letzten Menschen in Rumänien kurz nach dem Volksaufstand zusammen mit seiner Frau hingerichtet hat. Kinder sind in Gulags gestorben, auch in den 90ern noch, das Volk hatte nichts zu essen.
Und auch heute gibt es sie noch in Rumänien, die verwahrlosten Kinder auf den Strassen, die um Essen oder Geld betteln müssen. Nicht an jedem Ort, aber vor allem in Constanta sind mir mehrere verarmte Kinder begegnet.

Die Menschen in Rumänien tun mir Leid. Sie können zu einem großen Teil nichts für den schlechten Zustand des Landes. Hier gab es kaum die Hilfen, die andere Ostblockländer nach 1989 bekommen haben. Rumänien war zu weit weg und der Zustand des Landes zu schlecht, als dass man Hoffnung hatte.

Ich denke nicht, dass Rumänien ein hoffnungsloser Fall ist, aber es wird noch sehr lange dauern, bis hier wirklich alles in Ordnung ist.