Monat: August 2017

Peel – Auf der Wikingerinsel

Als das Wetter endlich mal wieder auf so etwas umschaltet, dass man mit etwas gutem Willen als Frühjahr bezeichnen kann, verlasse ich Belfast. Eigentlich wollte ich mich noch etwas an der nordirischen Küste entlang hangeln, doch als ich das Belfast Lough und die vorgelagerten kleinen Inseln hinter mir gelassen hab, liegt die Irische See auf einmal still und friedlich vor mir. Am Horizont im Osten tauchen wegen der klaren Sicht hohe Berge auf: Die Isle of Man.

Kurzerhand ändere ich den Kurs und lasse mich bei leichten Winden gemütlich in RIchtung dieser Insel schieben. Die Isle of Man gehört nicht zum Vereinigten Königreich, nicht zur EU sondern ist direkter Kronbesitz und damit teilautonom. Vergleichbar mit den Åland Inseln in der Ostsee. Apropos Ostsee: Das Wasser plätschert so friedlich am Rumpf entlang wie lange nicht mehr. Umso mehr genieße ich diese kurze Schönwetterphase. Heute fühlt sich das Wetter mal nicht rau und anstrengend an, sondern wirklich wie an einem schönen Sommertag zwischen den dänischen Inseln.
Ich lasse den Autopiloten die Arbeit machen, vertilge ein paar Müsliriegel und liege die Aussicht genießend im Cockpit, als es auf einmal ein schnaubendes Geräusch gibt. „Wie in der Ostsee halt: Schweinswale“, denke ich mir noch wenig beeindruckt, doch dann bemerke ich, dass gleich mehrere Tiere an Nonsuchs Bug spielen! Und es sind auch keine Schweinswale, sondern Delphine! Mit einem Mal stehe ich auf dem Bug um das Schauspiel zu beobachten. Eine ganze Schule Delphine schwimmt um das Boot herum, taucht drunter hindurch, quer durch die Bugwelle. Manchmal habe ich das Gefühl die Kollegen würden gleich direkt auf dem Vordeck landen. Was für ein Erlebnis! Als der Hafen von Peel auf der Ostküste der Isle of Man sich dann abends langsam nähert, werde ich auch noch für einen Fischer gehalten: Gleich 3 Kegelrobben verfolgen mich neugierig und warten auf ihren Anteil am Fang. Leider kann ich nicht mal fischen und so ziehen die flapschigen Gesellen dann zum nächsten sich nähernden Schiff ab.


Ein spannender Tag: Die Irische ist nicht eben nicht nur ein besonders bissiges Seegebiet, sondern auch eines mit besonders viel Tierleben. Durch die ständige Strömung ist das Wasser hier angeblich besonders sauerstoffreich. Das heißt mehr Fisch, mehr Fisch heißt mehr Delphine und Robben…

Der Hafen von Peel wird von einer alten Festung direkt in der Hafeneinfahrt bewacht. Im Mittelalter war die Insel übrigens lange ein Außenposten der Wikinger und hat die Engländer entsprechend genervt. Auch heute noch ist das Erbe der Wikinger auf der Insel zu finden. Ich finds echt spannend wie sich die Umgebung der Häfen hier regelmäßig oft seit Jahrhunderten nicht mehr verändert haben… Doch auch die Moderne hält hier Einzug: Der Hafen ist seit einigen Jahren mit einem Tor versehen, welches bei halber TIde geschlossen wird. So fällt im Hafen nichts mehr trocken. Und pünktlich zu meiner Ankunft wird das Tor gerade geöffnet. Per Funk weist der Hafenmeister mir noch mit einem breiten „Welcome to the Manx Kingdom“ einen Liegeplatz zu. Und so neigt sich ein schöner Segeltag dem Ende zu.

Auch hier steht wieder mindestens ein Hafentag an. Anfangs noch nicht weil es hier so schön ist, sondern einfach weil das Wetter innerhalb von einem Tag wieder mal zwei Jahreszeiten übersprungen hat. Schon in der Koje höre ich das Heulen im Rigg und den prasselnden Regen. Bis die Ortserkundung starten kann ist es dementsprechend dann auch schon Mittag. Ich mache einen Rundgang durch das Castle an der Hafeneinfahrt, und werde auf der Luvseite fast umgeblasen.  Die Irische See wird ihrem Ruf heute wieder gerecht. Ein einzelner Manxman, wie die einheimischen hier genannt werden, versucht unter den Augen des kopfschüttelnden Hafenmeisters auszulaufen. Er setzt die Segel und dreht nach etwa einer halben Meile wieder um. Das anzusehen treibt mir die letzten Flausen für den heutigen Tag aus dem Kopf und ich mache mich zurück auf den Weg zum Hafen.

Mit einem Mal gibt es einen Knall. Fast als ob ein Schuss abgefeuert wurde. Ich traue meinen Augen kaum, als dann ein dampfbetriebener Trecker aus der Seitenstraße vor mir fährt. Ich folge ihm einfach mal. An der nächsten Ecke reiht er sich in eine Parade ein. Offenbar findet hier heute auch noch ein typisch britisch verrückter Sommerkarneval statt. So richtig mit Oldtimern, Kostümen und einer ganzen Brigade Mini Cooper. Sogar eine kostümierte Dudelsack Band gibt es die trotz des miesen Wetters gute Laune verbreiten. Britain at its best!

Da nur wenige andere Gastlieger im Hafen liegen mache ich mich abends mal auf zum Segelclub. Segelclub heißt in Brittanien meistens nicht, dass es dort einen Hafen gibt, sondern eher nur ein Clubhaus mit Bar. So ist es auch hier. Die Locals freuen sich über den Besuch von weit her, stellen mir einen Pint hin und fragen mich erst mal über meine Reise aus. Am Ende des Abends weiß ich zwar nicht mehr alle Namen und wie viele Hände ich geschüttelt habe, freue mich aber über die Geselligkeit die hier so ausgeprägt wie noch nirgendwo auf meiner Reise war. Auf meinem nächsten Stadtrundgang werde ich dann an jeder zweiten Ecke gegrüßt und gefragt ob ich heut Abend wieder mit im Pub bin. Wirklich ein toller Zusammenhalt.

Auch das Dorf selbst ist herrlich britisch mit kleinen Gassen, alten Läden, verwinkelt, ein wenig abblätternde Farbe, aber immer freundlich und sympathisch.  Und so ist Peel auf der Isle of Man, obwohl es gar nicht so richtig zu Großbritannien gehört, der vielleicht britischste Ort auf dieser Reise bisher.

Sozialer Aberwitz

HIER: SOZIALE ANERKENNUNG

Als ich vor kurzem in alten Akten nach einer Postkarte suchte, die mir Gudrun Calligaro im Jahre 1989 aus New Zealand geschickt hatte, habe ich nolens volens in meiner Birne eine Tür aufgemacht, die nun weit offen steht – dass es zieht!

Sozialer Aberwitz

Italien Süd: Mit dem Nord über den Golf von Tarent. Oder: Wie fühlen sich 30 Knoten an?

 Am Abend hatte ich mir den Wecker gestellt. Pünktlich um 04.30 kamen aus dem IPad die Harfenklänge. Ich ließ es erst einmal eine Minute „harfen“. Dann schlug ich die Augen auf.

Draußen ließen harte Böen LEVJE an ihrem Anker zerren. Nicht beunruhigend. Die Böen hatten eingesetzt, wie der Wetterbericht es vorhergesagt hatte, pünktlich um ein Uhr Morgens. Ich war aufgestanden. Hatte eine Weile zugesehen, wie die Böen LEVJE im  grellen Licht der Uferstraße in der Ankerbucht schwingen ließen. Hatte beobachtet, ob der Anker hielt, indem ich einfach zwei Minuten die Wassertiefe beobachtete. Sie blieb konstant zwischen 4,80 Meter und 5,00 Meter. Der Anker hielt. Dann war ich wieder in meine Koje gekrabbelt. Und war eingeschlafen.

Jetzt waren die Böen immer noch da. Etwas härter, ein weniger hackiger, übellauniger. Und das Gleißen eines Blitzes, das meine Kammer im Achterschiff erhellte. „Steh auf. Geh nachsehen“, mahnte mein Hirn. Schlaftrunken mache ich meine Runde durchs Schiff. Schließe die Fenster, die noch offenstehen. Werfe einen Blick nach draußen. Keine Minute zu Früh. Plötzlich fallen dicke Tropfen. Erst wenige. Dann setzt schwerer Regen ein, während die Böen weiter an LEVJEs Anker zwerren. Eigentlich ist alles dicht auf dem Schiff, nur der Niedergang, die Treppe in LEVJEs Inneres, ist noch offen. Sie ist abgedeckt durch die Sprayhood, eine Art Haube, die sie vor jedem Wetter schützt und auf die jetzt schwer der Regen schlägt. Obwohl der Niedergang windgeschützt ist, dringt Regen ein, weht in schweren Geschossen um die Sprayhood herum und macht mich nass, während ich auf der Treppe im Niedergang sitze. Und beobachte, wie sich mein Schiff verhält.

Regen am Meer kann es in sich haben. Er ist nicht zu vergleichen mit dem kontinentalen Regen, wie er bei uns niedergeht. Selten feiner Niesel, den die Engländer „drizzle“ nennen. Stattdessen Tropfen wie Geschosse, die im Nu das Wasser 20 Zentimeter auf der Straßen stehen lassen. Und in Sekunden als Sturzbach einen Weg vom Genick abwärts finden.

Nach einer Weile lege ich mich wieder in meine Koje. Nein, nicht jetzt wie geplant ablegen, den Anker holen. Und losfahren. Ich gönne mir noch eine Stunde. Und stelle den Wecker auf halb sechs. Und während ich versuche, einzuschlafen, während ich noch nach draußen lausche und dem rauschenden Regen zuhöre, verebbt er. Als hätte jemand mit einer entschlossenen Handbewegung den Wasserhahn abgestellt. Und mit ihm die Böen. Plötzlich ist es windstill draußen in der Dunkelheit. Das Schiff liegt reglos. Der schwere Regen hat die Wellen plattgedroschen. Ich höre nur noch das Gurgeln des strömenden Wassers, das sich an Deck wenige Zentimeter über mir glucksend in zahllosen Rinnsalen seinen Weg ins Meer sucht.

Als das Ipad zum zweiten Mal harft, ist es immer noch ruhig draußen. Die harten Windstöße sind einem feinen Singen gewichen über dem Schiff, der Wind ist gleichmäßiger geworden in meiner Bucht. Doch ich ahne, wie weiter draußen viel Wind weht. Unter den feinen singenden Tönen ahne ich draußen, wo der Schutz der Bucht endet, ein Orgeln. Vor den Fenstern meiner Kammer ist es draußen grau. Es dämmert. Zeit aufzustehen. Mich fertigzumachen.

Ich koche mir einen Tee. Schütte mir ein paar Haferflocken mit bitterer Schokolade in eine Schale. Früher, als ich noch einen Verlag mit 25 Mitarbeitern führte und mein Leben ein ganz anderes war, hatte ich oft Magenprobleme. Magenreizung hier, Reizmagen da. Ich schluckte jeden Tag Pantoprazol, wie viele in meinem Land das tun. Es half. Jetzt gönne ich mir jeden Morgen etwas Haferflocken. Magenschmerzen habe ich keine mehr. 

Die Tasse in der Hand, sehe ich mir noch einmal die Wetterberichte an. Vor drei Tagen hatte ich noch geplant, die 80 Seemeilen über den Golf von Tarent unter Motor zu überqueren, bevor die Kaltfront uns und die Südostspitze Italiens erreichte. Aber dann waren die Wetterberichte milder ausgefallen. Nur noch von sechs Windstärken aus Nord war die Rede, für drei Tage. Ich hatte beschlossen, genau auf dieses Wetter zu warten, um unter Segeln die Strecke zurückzulegen. Doch pünktlich gestern Abend hatte der Wetterbericht der italienischen Luftwaffe seine Milde sang- und klanglos eingestellt. „Ionio settentrionale forza 7. Con temporali.“, hieß es plötzlich gnadenlos. Gewitter. Und Windstärke sieben genau für meinen Sektor Ionisches Meer Nord. Kein Wetter, bei dem man rausgeht. Ich hatte kurz überlegt. Mir dann weitere Windkarten angesehen. Und beschlossen, die Überfahrt auch bei diesem Wetter zu wagen. Schließlich ist LEVJE ein Schiff, das genau für solches Wetter gebaut ist. Siebeneinhalb Tonnen schwer. Der Mast eher einen Tick zu klein, so dass man auch bei höheren Windstärken die Segel stehen lassen kann. Schwer. Behäbig. Ich ging übers Deck. Und machte mein Schiff seeklar.

Mit der Tasse in der Hand schaue ich nach draußen, in die Dämmerung. Und das fahler werdende Licht der Straßenlampen am Ufer, die plötzlich verlöschen. Ich starte den Motor, lausche einen Moment seinem beruhigenden Bullern. Dann setze ich das Großsegel. Und hole im Wasser, das der Nordwind kräuselt, den schweren Anker. 


Zwei Stunden später. Ich bin draußen, und das Kap von Santa Maria die Leuca, da äußerste Ende des Stiefelabsatzes, verblasst langsam hinter mir. Hier draußen hat der Wind kontinuierlich zugenommen. Erst waren es 15 Knoten. Und vorsichtig hatte ich Großsegel und Genua auf zwei Drittel entrollt. Aber irgendwann schwand die Vorsicht. LEVJEs Geschwindigkeit war mir zu wenig, und ich setzte Vollzeug. Alles, was ich hatte. Weiter draußen war der Wind mehr geworden. Und mehr. Erst 20 Knoten. Dann 25. Dann in der Spitze bis 27. LEVJEs siebeneinhalb Tonnen schossen wie ein Pingpong-Ball von rechts nach links, von links an rechts. Zuviel Segel. Reffen war angesagt. 

Reffen: Die Segelfläche verkleinern. Man rollt sie etwas ein. Das klingt einfach, meist sind es schweißtreibende fünf Minuten mit wütend schlagenden Schoten, knatternden Segeln, schepperndem Rigg, in denen ich zusehen muss, möglichst schnell über die Winschen zu kurbeln. Und den um sich hauenden Schoten aus dem Weg zu gehen. Blaue Flecken, eine aus dem Gesicht gehauene Brille wären jetz übel. 

Aber dann segelt LEVJE wieder so munter wie vorher zwischen den Wellenkämen entlang, surft ein Wellental, das seitlich kommt, entlang. Klettert wiegend auf den Gipfel der unter uns durchlaufenden Welle. Und surft vom gischtend brechenden Kamm der Welle wieder hinunter ins nächste Wellental. Ein nettes Spiel, über dem ich schnell vergaß, dass 25 Knoten eigentlich eine Windstärke sind, bei der man Respekt haben sollte, zumals als Einhandsegler. Früher, auf LEVJE I, war genau das meine Grenze. Sie war kleiner, wog nur die Hälfte, und war doch ein tapferes, braves kleines Schiff, auf dem ich Einhand in die Türkei und von dort nach Sizilien gesegelt war. 25 Knoten. Darüber wurde es mulmig, weil das Schiff, meine kleine Welt, zu kippelig, zu instabil wurden.

25 Knoten. Wieder eine Welle, die gischtend vor uns bricht und LEVJE kurz aus ihrem Kurs spültt.  Aber der Autopilot, der auf langen Fahrten steuert, schafft es in zwanzig Sekunden, LEVJEs siebeneinhalb Tonnen wieder einzufangen, auf Kurs zu bringen. Der Autopilot ist Einhandseglers wichtigstes Utensil. Er übernimmt das Steuern, während ich Segel setze, reffe, unter Deck nach dem rechten sehe. Zudem ist Steuern bei diesem Wetter Scherstarbeit, man schafft es für eine begrenzte Zeit, für zwei, fünf oder sieben Stunden. Aber nicht für die 12 Stunden, die ich über den Golf von Tarent unterwegs sein werde.



Kurz nach 13 Uhr erreiche ich etwa die Mitte des Golfes. 40 Meilen in alle Richtungen bis zum Land. 75 Kilometer zu schwimmen, in alle Richtungen. Der Wind klettert über die Marke von 31 Knoten. Er bewegt sich jetzt oberhalb der 28 Knoten, und auch ohne den Windmesser vor mir im Cockpit wüsste ich beim Anblick der Welllen, was es geschlagen hat. Sie rollen jetzt in langen Reihen steil daher. Mauern aus Wasser, eine unmittelbar nach der anderen, ein tiefer Graben dazwischen. Sie treffen LEVJE seitlich, brechend unmittelbar neben ihr, Spritzwasser weht eimerweise in unachtsamen Momenten über mich, wenn ich mich nicht schnell genug hinter die Sprayhood ducke. Schluß mit lustig. Spiel vorbei. Die Wellen lassen Levja jetzt kaum noch auf den Kamm klettern, sie brechen irgendwo seitlich neben ihr, wenn es weiter weg ist, sehe ich, wie der brechende Wellengipfel unter der weißen Gischt in der Sonne flaschengrün leuchtet. Schaue ich nach hinter, wo LEVJEs 1,80 tief hinunterreichendes Ruderblatt eine aufgwühlte See hinterlässt, dann sehe ich, wie der Wind sofort die Tröpfchen vom Kamm mit sich reißt. 



Ende des Spiels. This is going serious. Als eine Welle neben LEVJE bricht, werde ich erst mit Salzwasser überschüttet. Dann fliege ich in LEVJEs harter Bewegung quer durchs Cockpit, auf die andere Seite. Das geht zwei Mal so. Bis auch dem einzigen Dümmsten an Bord dämmert, dass ich etwas unternehmen muss. Reffen? Geht nur noch minimal – ich habe Vorsegel und Groß schon aufs 2. Reff gebracht. Noch mehr Reffen ist nur noch Kosmetik. Dann die nächste Variante: Ich falle etwas ab. Lasse LEVJE jetzt noch mehr mit dem Wind laufen. Es wird wieder ruhiger an Deck. Und LEVJE wird jetzt nicht mehr gar so wild von den Wellen geprügelt. Ich überlege, wie es nun weitergeht. Eine der Winkarten kündigte an, dass es vor Crotone am frühen Abend noch heftiger werden wird. Noch mehr Wind? Wir kommen langsam an unsere Grenze. Sicher. Ich versuche, mir übers Handy den neuesten Wetterbericht zu holen. Aber wir sind längst so weit draußen, für Stunden geht gar nichts mehr. Ich bin auf mich allein gestellt.



Für eine Stunde bleiben die Dinge, wie sie sind. Es weht in Böen über 30 Knoten. Die Wellen ragen steil. Dann: Fällt plötzlich die Zahl auf dem Windmesser. 27. 24. Dann wieder 30. 23. Die Wut der Wellen lässt spürbar nach, das Meer wird glatter. Ich kann wieder den richtigen Kurs legen.



Nachmittags um halb drei taucht plötzlich der Schemen des Festlands vor uns auf. Das Radar, das ich mitlaufen lasse, hat es längst schon gesehen, der gelbe Fliegenschisse oben rechts auf dem Bildschirm. Jetzt sehe auch ich es. Weitere drei Stunden später habe ich plötzlich wieder Empfang auf dem Handy. Ich lade mir den Wetterbericht. Doch der verheißt erneut nichts Gutes: „Nordovest 7. Temporali“. Nordwest sieben. Und weiter Gewitter. Bad News. Ich werde nicht ankern können. Ich brauche heute Nacht richtig Schlaf, sonst kann ich den morgigen Tag vergessen. Auf der elektronischen Seekarte finde ich den Hafen von Crotone. Da war ich noch nie. Ich rufe an. Und frage, ob sie in zwei, drei Stunden für mich und mein Schiff Platz im Hafen hätten. Pasquale ist dran. Ja, sagt er, komm ruhig. Wir haben noch Platz. Wenn Du in den Hafen reinfährst, siehst Du rechts einen Typen mit rotem Pullover auf der Pier. Das bin ich. Folge einfach unseren Anweisungen.“

Als ich ankomme, weht der Wind quer durchs Hafenbecken auf mich zu. Statt eines roten Pullovers sehe ich gleich drei auf der Pier. Sie winken. Halten mir die Mooring hin. Eine Drehung im Hafenbecken. Rückwärts rein zwischen die Schiffe. Aufmunternde Rufe von den drei roten Pullovern. Was haben die bloß? Ist doch alles ok. Als meine Leinen fest sind, stelle ich LEVJEs Motor ab. Die drei in den roten Pullovern schauen mich an. „Waren nicht viele heute draußen unterwegs!“, sagen sie.“ Ich nicke. „Vuoi una birra?“ „Willst Du ein Bier?“, fragt Pasquale, und greift in den Kühlschrank hinter sich. Und ich, todmüde, fühle mich wieder einmal aufgenommen, getragen, von einer Woge, wie sie nur die italienische Männerwelt dem Fremden gegenübern zu entfesseln fähig ist.


Italien Süd: Mit dem Nord über den Golf von Tarent.

 Am Abend hatte ich mir den Wecker gestellt. Pünktlich um 04.30 kamen aus dem IPad die Harfenklänge. Ich ließ es erst einmal eine Minute „harfen“. Dann schlug ich die Augen auf.

Draußen ließen harte Böen LEVJE an ihrem Anker zerren. Nicht beunruhigend. Die Böen hatten eingesetzt, wie der Wetterbericht es vorhergesagt hatte, pünktlich um ein Uhr Morgens. Ich war aufgestanden. Hatte eine Weile zugesehen, wie die Böen LEVJE im  grellen Licht der Uferstraße in der Ankerbucht schwingen ließen. Hatte beobachtet, ob der Anker hielt, indem ich einfach zwei Minuten die Wassertiefe beobachtete. Sie blieb konstant zwischen 4,80 Meter und 5,00 Meter. Der Anker hielt. Dann war ich wieder in meine Koje gekrabbelt. Und war eingeschlafen.

Jetzt waren die Böen immer noch da. Etwas härter, ein weniger hackiger, übellauniger. Und das Gleißen eines Blitzes, das meine Kammer im Achterschiff erhellte. „Steh auf. Geh nachsehen“, mahnte mein Hirn. Schlaftrunken mache ich meine Runde durchs Schiff. Schließe die Fenster, die noch offenstehen. Werfe einen Blick nach draußen. Keine Minute zu Früh. Plötzlich fallen dicke Tropfen. Erst wenige. Dann setzt schwerer Regen ein, während die Böen weiter an LEVJEs Anker zwerren. Eigentlich ist alles dicht auf dem Schiff, nur der Niedergang, die Treppe in LEVJEs Inneres, ist noch offen. Sie ist abgedeckt durch die Sprayhood, eine Art Haube, die sie vor jedem Wetter schützt und auf die jetzt schwer der Regen schlägt. Obwohl der Niedergang windgeschützt ist, dringt Regen ein, weht in schweren Geschossen um die Sprayhood herum und macht mich nass, während ich auf der Treppe im Niedergang sitze. Und beobachte, wie sich mein Schiff verhält.

Regen am Meer kann es in sich haben. Er ist nicht zu vergleichen mit dem kontinentalen Regen, wie er bei uns niedergeht. Selten feiner Niesel, den die Engländer „drizzle“ nennen. Stattdessen Tropfen wie Geschosse, die im Nu das Wasser 20 Zentimeter auf der Straßen stehen lassen. Und in Sekunden als Sturzbach einen Weg vom Genick abwärts finden.

Nach einer Weile lege ich mich wieder in meine Koje. Nein, nicht jetzt wie geplant ablegen, den Anker holen. Und losfahren. Ich gönne mir noch eine Stunde. Und stelle den Wecker auf halb sechs. Und während ich versuche, einzuschlafen, während ich noch nach draußen lausche und dem rauschenden Regen zuhöre, verebbt er. Als hätte jemand mit einer entschlossenen Handbewegung den Wasserhahn abgestellt. Und mit ihm die Böen. Plötzlich ist es windstill draußen in der Dunkelheit. Das Schiff liegt reglos. Der schwere Regen hat die Wellen plattgedroschen. Ich höre nur noch das Gurgeln des strömenden Wassers, das sich an Deck wenige Zentimeter über mir glucksend in zahllosen Rinnsalen seinen Weg ins Meer sucht.

Als das Ipad zum zweiten Mal harft, ist es immer noch ruhig draußen. Die harten Windstöße sind einem feinen Singen gewichen über dem Schiff, der Wind ist gleichmäßiger geworden in meiner Bucht. Doch ich ahne, wie weiter draußen viel Wind weht. Unter den feinen singenden Tönen ahne ich draußen, wo der Schutz der Bucht endet, ein Orgeln. Vor den Fenstern meiner Kammer ist es draußen grau. Es dämmert. Zeit aufzustehen. Mich fertigzumachen.

Ich koche mir einen Tee. Schütte mir ein paar Haferflocken mit bitterer Schokolade in eine Schale. Früher, als ich noch einen Verlag mit 25 Mitarbeitern führte und mein Leben ein ganz anderes war, hatte ich oft Magenprobleme. Magenreizung hier, Reizmagen da. Ich schluckte jeden Tag Pantoprazol, wie viele in meinem Land das tun. Es half. Jetzt gönne ich mir jeden Morgen etwas Haferflocken. Magenschmerzen habe ich keine mehr. 

Die Tasse in der Hand, sehe ich mir noch einmal die Wetterberichte an. Vor drei Tagen hatte ich noch geplant, die 80 Seemeilen über den Golf von Tarent unter Motor zu überqueren, bevor die Kaltfront uns und die Südostspitze Italiens erreichte. Aber dann waren die Wetterberichte milder ausgefallen. Nur noch von sechs Windstärken aus Nord war die Rede, für drei Tage. Ich hatte beschlossen, genau auf dieses Wetter zu warten, um unter Segeln die Strecke zurückzulegen. Doch pünktlich gestern Abend hatte der Wetterbericht der italienischen Luftwaffe seine Milde sang- und klanglos eingestellt. „Ionio settentrionale forza 7. Con temporali.“, hieß es plötzlich gnadenlos. Gewitter. Und Windstärke sieben genau für meinen Sektor Ionisches Meer Nord. Kein Wetter, bei dem man rausgeht. Ich hatte kurz überlegt. Mir dann weitere Windkarten angesehen. Und beschlossen, die Überfahrt auch bei diesem Wetter zu wagen. Schließlich ist LEVJE ein Schiff, das genau für solches Wetter gebaut ist. Siebeneinhalb Tonnen schwer. Der Mast eher einen Tick zu klein, so dass man auch bei höheren Windstärken die Segel stehen lassen kann. Schwer. Behäbig. Ich ging übers Deck. Und machte mein Schiff seeklar.

Mit der Tasse in der Hand schaue ich nach draußen, in die Dämmerung. Und das fahler werdende Licht der Straßenlampen am Ufer, die plötzlich verlöschen. Ich starte den Motor, lausche einen Moment seinem beruhigenden Bullern. Dann setze ich das Großsegel. Und hole im Wasser, das der Nordwind kräuselt, den schweren Anker. 


Zwei Stunden später. Ich bin draußen, und das Kap von Santa Maria die Leuca, da äußerste Ende des Stiefelabsatzes, verblasst langsam hinter mir. Hier draußen hat der Wind kontinuierlich zugenommen. Erst waren es 15 Knoten. Und vorsichtig hatte ich Großsegel und Genua auf zwei Drittel entrollt. Aber irgendwann schwand die Vorsicht. LEVJEs Geschwindigkeit war mir zu wenig, und ich setzte Vollzeug. Alles, was ich hatte. Weiter draußen war der Wind mehr geworden. Und mehr. Erst 20 Knoten. Dann 25. Dann in der Spitze bis 27. LEVJEs siebeneinhalb Tonnen schossen wie ein Pingpong-Ball von rechts nach links, von links an rechts. Zuviel Segel. Reffen war angesagt. 

Reffen: Die Segelfläche verkleinern. Man rollt sie etwas ein. Das klingt einfach, meist sind es schweißtreibende fünf Minuten mit wütend schlagenden Schoten, knatternden Segeln, schepperndem Rigg, in denen ich zusehen muss, möglichst schnell über die Winschen zu kurbeln. Und den um sich hauenden Schoten aus dem Weg zu gehen. Blaue Flecken, eine aus dem Gesicht gehauene Brille wären jetz übel. 

Aber dann segelt LEVJE wieder so munter wie vorher zwischen den Wellenkämen entlang, surft ein Wellental, das seitlich kommt, entlang. Klettert wiegend auf den Gipfel der unter uns durchlaufenden Welle. Und surft vom gischtend brechenden Kamm der Welle wieder hinunter ins nächste Wellental. Ein nettes Spiel, über dem ich schnell vergaß, dass 25 Knoten eigentlich eine Windstärke sind, bei der man Respekt haben sollte, zumals als Einhandsegler. Früher, auf LEVJE I, war genau das meine Grenze. Sie war kleiner, wog nur die Hälfte, und war doch ein tapferes, braves kleines Schiff, auf dem ich Einhand in die Türkei und von dort nach Sizilien gesegelt war. 25 Knoten. Darüber wurde es mulmig, weil das Schiff, meine kleine Welt, zu kippelig, zu instabil wurden.

25 Knoten. Wieder eine Welle, die gischtend vor uns bricht und LEVJE kurz aus ihrem Kurs spültt.  Aber der Autopilot, der auf langen Fahrten steuert, schafft es in zwanzig Sekunden, LEVJEs siebeneinhalb Tonnen wieder einzufangen, auf Kurs zu bringen. Der Autopilot ist Einhandseglers wichtigstes Utensil. Er übernimmt das Steuern, während ich Segel setze, reffe, unter Deck nach dem rechten sehe. Zudem ist Steuern bei diesem Wetter Scherstarbeit, man schafft es für eine begrenzte Zeit, für zwei, fünf oder sieben Stunden. Aber nicht für die 12 Stunden, die ich über den Golf von Tarent unterwegs sein werde.



Kurz nach 13 Uhr erreiche ich etwa die Mitte des Golfes. 40 Meilen in alle Richtungen bis zum Land. 75 Kilometer zu schwimmen, in alle Richtungen. Der Wind klettert über die Marke von 31 Knoten. Er bewegt sich jetzt oberhalb der 28 Knoten, und auch ohne den Windmesser vor mir im Cockpit wüsste ich beim Anblick der Welllen, was es geschlagen hat. Sie rollen jetzt in langen Reihen steil daher. Mauern aus Wasser, eine unmittelbar nach der anderen, ein tiefer Graben dazwischen. Sie treffen LEVJE seitlich, brechend unmittelbar neben ihr, Spritzwasser weht eimerweise in unachtsamen Momenten über mich, wenn ich mich nicht schnell genug hinter die Sprayhood ducke. Schluß mit lustig. Spiel vorbei. Die Wellen lassen Levja jetzt kaum noch auf den Kamm klettern, sie brechen irgendwo seitlich neben ihr, wenn es weiter weg ist, sehe ich, wie der brechende Wellengipfel unter der weißen Gischt in der Sonne flaschengrün leuchtet. Schaue ich nach hinter, wo LEVJEs 1,80 tief hinunterreichendes Ruderblatt eine aufgwühlte See hinterlässt, dann sehe ich, wie der Wind sofort die Tröpfchen vom Kamm mit sich reißt. 



Ende des Spiels. This is going serious. Als eine Welle neben LEVJE bricht, werde ich erst mit Salzwasser überschüttet. Dann fliege ich in LEVJEs harter Bewegung quer durchs Cockpit, auf die andere Seite. Das geht zwei Mal so. Bis auch dem einzigen Dümmsten an Bord dämmert, dass ich etwas unternehmen muss. Reffen? Geht nur noch minimal – ich habe Vorsegel und Groß schon aufs 2. Reff gebracht. Noch mehr Reffen ist nur noch Kosmetik. Dann die nächste Variante: Ich falle etwas ab. Lasse LEVJE jetzt noch mehr mit dem Wind laufen. Es wird wieder ruhiger an Deck. Und LEVJE wird jetzt nicht mehr gar so wild von den Wellen geprügelt. Ich überlege, wie es nun weitergeht. Eine der Winkarten kündigte an, dass es vor Crotone am frühen Abend noch heftiger werden wird. Noch mehr Wind? Wir kommen langsam an unsere Grenze. Sicher. Ich versuche, mir übers Handy den neuesten Wetterbericht zu holen. Aber wir sind längst so weit draußen, für Stunden geht gar nichts mehr. Ich bin auf mich allein gestellt.



Für eine Stunde bleiben die Dinge, wie sie sind. Es weht in Böen über 30 Knoten. Die Wellen ragen steil. Dann: Fällt plötzlich die Zahl auf dem Windmesser. 27. 24. Dann wieder 30. 23. Die Wut der Wellen lässt spürbar nach, das Meer wird glatter. Ich kann wieder den richtigen Kurs legen.



Nachmittags um halb drei taucht plötzlich der Schemen des Festlands vor uns auf. Das Radar, das ich mitlaufen lasse, hat es längst schon gesehen, der gelbe Fliegenschisse oben rechts auf dem Bildschirm. Jetzt sehe auch ich es. Weitere drei Stunden später habe ich plötzlich wieder Empfang auf dem Handy. Ich lade mir den Wetterbericht. Doch der verheißt erneut nichts Gutes: „Nordovest 7. Temporali“. Nordwest sieben. Und weiter Gewitter. Bad News. Ich werde nicht ankern können. Ich brauche heute Nacht richtig Schlaf, sonst kann ich den morgigen Tag vergessen. Auf der elektronischen Seekarte finde ich den Hafen von Crotone. Da war ich noch nie. Ich rufe an. Und frage, ob sie in zwei, drei Stunden für mich und mein Schiff Platz im Hafen hätten. Pasquale ist dran. Ja, sagt er, komm ruhig. Wir haben noch Platz. Wenn Du in den Hafen reinfährst, siehst Du rechts einen Typen mit rotem Pullover auf der Pier. Das bin ich. Folge einfach unseren Anweisungen.“

Als ich ankomme, weht der Wind quer durchs Hafenbecken auf mich zu. Statt eines roten Pullovers sehe ich gleich drei auf der Pier. Sie winken. Halten mir die Mooring hin. Eine Drehung im Hafenbecken. Rückwärts rein zwischen die Schiffe. Aufmunternde Rufe von den drei roten Pullovern. Was haben die bloß? Ist doch alles ok. Als meine Leinen fest sind, stelle ich LEVJEs Motor ab. Die drei in den roten Pullovern schauen mich an. „Waren nicht viele heute draußen unterwegs!“, sagen sie.“ Ich nicke. „Vuoi una birra?“ „Willst Du ein Bier?“, fragt Pasquale, und greift in den Kühlschrank hinter sich. Und ich, todmüde, fühle mich wieder einmal aufgenommen, getragen, von einer Woge, wie sie nur die italienische Männerwelt dem Fremden gegenübern zu entfesseln fähig ist.


Belfast – Eine Stadt mit vielen Gesichtern

Nach einem entspannten Erkundungstag in Campbeltown brach ich früh am Abend tatsächlich noch nach Belfast auf. Der Wetterbericht passte und irgendwie war mir danach. Durch die irische See und vorbei am Mull of Kintyre sollte es also bei Nacht gehen.

Bevor die Nacht über mich und Nonsuch hereinbracht kam erst erst einmal ein absolut irrer Sonnenuntergang. Davon gibts ja nun wirklich viele, auch und gerade bei Segelbildern, aber dieser hier war wirklich etwas besonderes. Die Sonne versank hinter dem Mull und Kintyre und den Wolken die auf seiner Westseite darauf warteten vom Atlantik über die bergige Halbinsel Richtung Westen zu ziehen. Dabei bekam das Meer eine richtig goldene Farbe und die Wolken ganze tausend verschiedene Farben verpasst. Selbst wenn man schon Hunderte Sonneuntergänge zuvor gesehen hat war das ein einmaliges Spektakel. Zu meinem Abschied aus Schottland verstand ich noch einmal warum die Kelten diesem Landstrich solch eine geheimnisvolle Kultur hinterlassen haben.

Die Nacht war entspannend und fast ereignislos. Der Wind war ruhig, es gab sehr wenig Schiffsverkehr und dank der Nipptide hielten sich auch die Strömungen hier in Grenzen. Ich konnte sogar einige kurze Schlafhäppchen einlegen. Als die Sonne aufging lag das Belfast Lough, die größe Förde vor der Stadt schon direkt vor mir. Und ich dachte für kurze Zeit ich wäre im falschen Film aufgewacht: Hier sah es fast aus wie in der Kieler Förde. Der langgezogene Meeresarm mit einigen kleinen Vororten, am Ende die Großstadt und große Werftkräne, die das Stadtbild prägen. Nur dass die großen gelben Ungetüme hier nicht zur Howaldtswerft sondern zu Harland & Wolff gehören. Der Bauwerft der Titanic…

Die meisten Belfast Besucher legen meistens in einer der Vorortmarinas an und sparen sich den Weg in die Stadt. Versteh ich nicht so ganz, denn da Belfast als Schiffbauerstadt groß geworden ist, gibt es viel maritime Geschichte im Vorbeifahren zu erleben. Der Weg in die kleine City Marina führt zum Beispiel direkt am Baudock der Titanic vorbei. Die Marina selbst liegt dann direkt hinter der alten Werft. Ein Liegeplatz der Geschichte mal ohne Schlossmauern atmet… Was hier ganz witzig ist, ist die Bezahlweise. Auf dem Steg steht einfach mal ein originaler…Parkscheinautomat. Und erst mit der Ticketnummer kommt man nach dem Bezahlen überhaupt vom Steg runter. Dafür habe ich die ganze Zeit keinen Hafenmeister gesehen. So gehts natürlich auch…

Einige Tage bleibe ich bei schlechtem Wetter in Belfast und tauche mal wieder in die Zivilisation ein. Eigentlich das erste Mal seit Inverness. Belfast mit seiner Vielfältigkeit und seiner Geschichte wurde zu keiner Zeit langweilig. Entsprechend der Geschichte der Stadt beginne ich mit der Schiffbauerzeit und besuche das Titanic Museum auf dem alten Werftgelände. Davon gibts ja weltweit ein paar, aber hier wird logischerweise davon erzählt wie das berühmteste Schiff aller Zeiten mit der Stadt und dem zeitgenösisschen Leben zusammenhängt.

In der Innenstadt selbst gibt sich Belfast unglaublich gastfreundlich und modern. Straßenmärkte, durch die Stadt patroullierende Touristenführer die einem mit Rat zur Seite stehen, unzählige Restaurants und kleine Gässchen laden zum Erkunden ein. Belfast scheint sehr hart für den Tourismus zu kämpfen. Und das wohl auch mit Erfolg. Selten hat eine Großstadt so einladend auf mich gewirkt.

Doch bevor es um den Tourismus ging wurde in Belfast ebenfalls gekämpft. Im Nordirlandkonflikt bis in die 90er Jahre hinein war Belfast von einem Bürgerkrieg zwischen irischen Republikanern und pro-britischen Loyalisten geprägt. Wohlgemerkt im ausgehenden 21. Jahrhundert in Westeuropa. Diese Abläufe waren mir bekannt und doch irgendwie kaum vorstellbar, bis ich vor dem Rathaus in der sonst so lebhaften Innenstadt gepanzerte Polizeiwagen sehe. Ganz so friedlich war es hier wohl nicht immer…

Russell, ein irischer Segler den ich schon in Schottland kennengelernt habe, gibt mir einen Tag später eine kurze Stadtführung. Auch durch die damals umkämpften Arbeiterviertel. Und auch im Jahr 2017 ist der Konflikt hier noch sichtbar. Vor allem die Loyalisten „verzieren“ ihre Viertel großflächig mit Fahnen und Statements. Das machen HSV Fans in Nordeutschland zwar auch im Garten, aber hier wirkt das ganze irgendwie unheimlich. Die berühmten Wandmalereien und Peace Walls, echte Mauern in der Stadt um die Konfliktparteien voneinander zu trennen, tun ihr Übriges. Die Straßentore entlang dieser Mauern werden übrigens auch heute noch oft geschlossen. Allerdings auch auf Drängen der Bevölkerung, die ihre Ruhe vor Gewalt und den nervigen Nachbarn haben will…

Im Gesamtbild ist Belfast eine unglaublich lebhafte und vielseitige Stadt. Die Geschichte wird an vielen Ecken deutlich. Auf der anderen Seite blickt die Stadt offen und fröhlich in die Zukunft. Ich beschließe den Besuch der Stadt mit einem Dinner in einem der ältesten Pubs der Stadt, blicke noch ein paar Mal im Hafen auf das Ttanic Museum und überlege wo es als nächstes hingehen könnte…

SV Dada Tux – Berckemeier 39 – Aluminium Rundspant Liftkiel – for sale – zu verkaufen – € 168.000

DIE CHRONOLOGIE EINER UNGEWÖHNLICHEN FREUNDSCHAFT

Es gibt Menschen, die ihren Lebens Nerven Kitzel im Spielcasino, der Rennbahn oder Wettkämpfen austoben, weil sie dies als Motor oder Antrieb für das eigene Leben als notwendig erachten. Meine Spielwiese heisst Kommunikation mit fremden Menschen über das immer gleiche Thema: den Traum vom Segeln, insbesondere den ganz handfesten technischen Belangen, einer Inflation von Fragen, die um alle Ecken flitzen und in jeder Gehirn Ecke sitzen, jedenfalls, wenn´s für längere Zeit auf See gehen soll. Je nach Kenntnis und Wissensstand, kommt man dabei schnell überein, oder es dauert ein wenig länger, was die Anzahl der Korrespondenz vergrössert. Keine Seltenheit, dass wir Jahre lang diskutieren, ohne uns zu verlieren – noch erfreulicher, wenn der Austausch Vertrautheit destilliert, die manchmal dann Hand in Hand mit Freundschaft um die Ecke kommt.

Mit Helen und Hansueli aus Zürich verbindet mich ein Verein in Cuxhaven, an dessen Vorstand Hansueli am 22.08.2013 folgenden Brief geschrieben hatte:

Guten Tag
in der Meinung, dass die Probleme um Trans-Ocean gelöst sind, sind wir (Helen Heutschi und Hansueli Schwaninger) Mitglied geworden.

Erst auf Grund von Recherchen für eine Windsteueranlage fanden wir Berichte, nicht nur auf dem Blog von Windpilot, welche unsere Meinung revidierten. Die Hoffnung blieb bei uns trotzdem, dass es vielleicht noch ein wenig Zeit braucht. Prinzipiell finden wir die Idee von Trans-Ocean gut.

Jetzt mussten wir auf der TO Webseite lesen, dass gegen Peter Förthmann gerichtlich vorgegangen wird. Wir kennen Peter Förthmann nicht und er weiss bis anhin nicht, dass wir vermutlich nächstes Jahr Kunden von ihm werden.

Für unser Gewissen ist es unvereinbar, dass gegen ein Ex-Mitglied, der Fehlleistungen anprangerte, der finanzielle Hilfe für jemanden organisierte, die wegen einer vermutlichen Nachlässigkeit vom TO in Bedrängnis kam, mit unserem Mitgliederbeitrag gerichtlich vorgegangen wird.

Deshalb treten wir auf Ende des laufenden Vereinsjahrs von Trans-Ocean wieder aus.
Mit freundlichen Grüssen
Hansueli Schwaninger und Helen Heutschi

PS: Wir senden diese E-Mail als CC an Peter Förthmann, weil das Vorgehen vom Trans-Ocean Vorstand gegen ihn als (scharfen) Kritiker der Auslöser für unseren Austritt ist.

Es folgte ein intensiver Austausch zum geplanten Ausstieg aus dem Berufsleben, sowie der Ausrüstung der DADA TUX, deren Entstehung und Geschichte mir bereits zuvor bekannt gewesen ist, weil ich mich viel in Makkum auf den Werften aufgehalten hatte.

Der Tag der Fertigstellung nahte und es ergab sich, dass ich Helen und Hansueli am 21. Februar 2015 in Hamburg erstmals persönlich treffen sollte, wo sie am Seminar ‚Medizin an Bord‘ von SeaDoc teilnehmen wollten. Es folgte ein stimmiger Abend an der Alster.

Die beiden gingen Segeln in 2015, eine Reise zu den Kanaren, zwischendurch erhielt ich Mails, wie z.B. diese

22.09.2015 aus LA CORUNA

Salü Peter
wir denken, für viele deiner Windpiloten ist die erste grösserer Bewährungsprobe die Biskaya. So auch bei uns und wir sind zufrieden. Die Strecken, die wir segeln konnten (zwischendurch hatten wir flaute), hat immer der Windpilot gesteuert. (Falmouth – La Coruna)

Vorgängig machten wir ein paar Tests, wie Schmetterling und Windpilot. Natürlich ist es kein Knopfdrucksegeln wie mit dem Elektrischen, wir haben ja auch kein Knopfdruck Boot …
Lieber Gruss aus La Coruna
Hansueli & Helen

05.11.2015 aus LAGOS PORTUGAL

Salü Peter
Vor paar Tagen schaute ich bei unserem Verein (CCS) auf der Webseite mal wieder vorbei und staunte. Ich finde es toll, dass jetzt auf unsere Club Ovni 455 ein Windpilot installiert ist. Vereins Strukturen können sich also doch ändern. Der CCS Vorstand wurde erst kürzlich durch die Mitgliederversammlung gänzlich ausgewechselt. Beim vorherigen Vorstand wäre so eine Entscheidung nicht möglich gewesen.
Lieber Gruss aus Lagos
Hansueli + Helen

PS: Hier in Lagos ist auch Moni und Hermi mit der Gräfin V. Und ein paar andere Schiffe mit Windpilot

31.12.2015 aus LANZAROTE

Salü Peter
wir wünsche dir und deiner Frau gute Gesundheit und ein wunderbares Neues Jahr.
Wir waren jetzt rund 5 Wochen auf Lanzarote, morgen wechseln wir die Insel und segeln nach Fuertevetura. Die nächsten paar Monate werden wir auf den Kanaren verbringen.
Lieber Gruss
Hansueli & Helen

29.12.2016 aus CHERBOURG

In unserem Leben hat sich einiges verändert. Das Leben unter Segeln gefällt uns bestens, noch besser allerdings, dass unsere Familie Geschmack am Segeln mit uns gefunden hat und uns samt den Enkeln besuchen wird. Allerdings ist unser Schiff für 6 Personen zu klein, weshalb wir uns nach reiflicher Überlegung durchgerungen haben, nun ein grösseres Boot zu bestellen, auch wenn wir darauf warten müssen. So haben wir also die vergangenen Monate genutzt, um eine Reise von den Kanaren zu den Kap Verden über die Azoren nach Cherbourg zu unternehmen, wo wir nun eingetroffen sind und hier nun geduldig auf die Fertigstellung unserer neuen DADA TUX, einer GARCIA 45 warten, mit der wir dann zur ganz grossen Reise aufbrechen wollen.
Lieber Gruss
Hansueli & Helen

09.06.2017 aus HOE DÜNE WARNEMÜNDE

Jetzt sind wir in Warnemünde, Hohe Düne. Mit unserer neuen DADA TUX sind wir auf Probefahrt in den Norden. Die anscheinend grösste Segelzeitschrift veranstaltet gemeinsam mit Blue Yachting am Wochenende ein Blauwasserseminar für Leute mit einem gut gefüllten Portemonnaie. Unsere GARCIA 45 ist zur Besichtigung mitgekommen und freigegeben, samt Windpilot am Heck.
Ausserdem wollen wir für den Verkauf unserer alten DADA TUX werben, mal sehen, ob das klappt
Lieber Gruss
Hansueli & Helen

Meine Antwort kam am 20.08.2017

Moin Ihr Zwei,
Dada Tux wird Euch die Nerven sägen und schmerzhaft sein, denn jeder an Alu Schiffen Interessierte weiss nun, dass dies Schiff am Markt angeboten wird … für schon lange Zeit. Es ist heute am Markt üblich, bei Interesse auch „brutale“ Angebote abzugeben, egal ob über Makler oder ohne. Ich bin in den vergangenen 2 Jahren Zeuge geworden von Verkäufen von wundervollen Aluschiffen, die allesamt über viele Jahre im Preis Bereich von Data Tux angefangen haben … die dann am Ende fuer TEU 120 – 170 verkauft worden sind, sämtlich Markenschiffe, perfekt ausgerüstet …

Ich weiss, dass ich hier in einen sensiblen Bereich hineinsteche, aber Euren Frag Preis halte ich fuer zu hoch … es wird Euch weiter Geduld und Kosten fuer Lagerhaltung, Versicherung, Maklergebuehren kosten, hier weiter zuzuwarten.

Mein Rat: sprecht die Leute an, die ernsthaft Interesse gehabt haben … und macht ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Wenn das nicht klappt, koennen wir es im Blog versuchen, mein Vorschlag TEU 168 … aber, wie gesagt, Ihr seid der Kapitaen ueber eure Brieftasche … der Markt ist grausam und hart … und auch Niels Schuerg kann keine Kaeufer aus dem Hut zaubern … er bedient den gleichen Markt … den wir alle vor Augen haben.

Das Dumme: je laenger ein Schiff unverkauft bleibt, desto schwieriger wird es werden … ich kennen Schiffe, die seit 5 Jahren durchs Web geistern … und durch zu langsam fallende Preise … am Ende unverkäuflich werden. Das würde ich Euch gern ersparen … darum hier meine offenen Worte.
Herzlich aus Hamburg
Peter

Tja, und so sind wir nun überein gekommen, die DADA TUX hier für einen Preis von € 168.000.–anzubieten, wohlgemerkt, für einen Rundspant Aluminium Bau in Al MG 4.5 Mn mit Liftkiel und Doppelruder, im Neuzustand und komplett ausgerüstet für die weltweite Fahrt.

Berckemeyer Yacht Design
Aluminium Rundspant Bauweise Al Mg 4.5 mit hydraulischem Lift-kiel, Doppelruder
11.97 x 3.78 x 1.10 – 2.55 m
9000 kg
Volvo Penta D2-40 29.1 kw, Aquadrive, Volvo Faltpropeller, Doppelfilter, 380 l Tank
Spectra Wassermacher, 2 x 900 l Wasser

Die Spezifikation ist unter diesem Link zu finden.

Kontakt direkt an die Eigner
Helen Heutschi & Hansueli Schwaninger
mobil: +41 079 502 8456
[email protected]
http://dada-tux.ch/

SV Romlea – Henk Dijk NED

CONFESSION FROM FALMOUTH

Hi Peter,
I feel the need to make a confession.
I was very hesitating to deploy the windpilot. Due to all the horror stories one reads about people having a lot of difficulties to use their equipment properly (not windpilot, but generally).
Some people advised me to wait for a longer passage, so I would have the time, day all day, to fiddle around. Therefore I waited for our journey to Spain, to have time to deploy it correctly.


Well, yesterday we made an unsuccesful attemt to leave. Hard south wind, so we returned to Falmouth at the end of the day.

But I took my chance in deploying the windpilot and oh boy, do I regret not to have used it before. Here’s what I did:
Trimmed the sails
Trimmed the ships rudder and fixed it tight
Put the windblade in place in a way where I thought, I think it’ll be allright
Put the contraweight in the direction of the wind
Engaged the pilot by moving the clutch
Trimmed the windblade a little bit and left it as it was
The next few hours during this testdrive I did not do anything.
The only weird thing was a strange big smile on my face.
And we’re talking 25 to 32 knots of apparant wind here…..
Apologies for the little faith I had…..   img src=“ class=“wp-smiley“ style=“height: 1em; max-height: 1em;“ />img src=“ class=“wp-smiley“ style=“height: 1em; max-height: 1em;“ />img src=“ class=“wp-smiley“ style=“height: 1em; max-height: 1em;“ />
Kind regards,
Henk

SV Schlump II – Walter Liebl GER

IN FALMOUTH AUF DER LAUER ZUM GROSSEN SPRUNG

Auf der englischen Seite immer an der Wand lang und von Bucht zu Bucht, landet man dann am Ende dort, wo es nur noch über die offene See weitergeht. Noch schnell einen Anruf beim windigen Piloten Mann, ob man noch was zu bedenken habe … und dann gehts ran … bzw. raus auf die See um den langen Schlag nach Süden zu wagen: La Coruna ist der nächste Hafen, jedenfalls wenn das Wetter ein wenig besser wird.
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Der Crinan Canal

Statt durch den Sound of Jura geht es nun also erst einmal durch den Crinan Canal. Dieser ist zwar nur etwa 16km lang, führt aber einmal quer durch die Kintyre Halbinsel nach Osten und wurde gebuddelt um kleineren Schiffen den ungemütlichen Weg ums das Mull of Kintyre zu ersparen. Heute wird er als „Britains most beautiful shortcut“ beworben. Klingt doch genau nach dem was ich jetzt brauche! Schon bei meiner Ankunft am Westende des Kanals hat mir die Beschaulichkeit des Kanals so gut gefallen. Ein Eindruck der sich während der Überfahrt bestätigen sollte.

Irgendwann kommt mein Helfer Tom dann angetrottet und wir machen uns auf den Weg durch die 15 Schleusen. Und weil alles per Hand bedient wird, geht es hier noch entspannter zu als in den anderen Kanälen. Hier kann man sich wirklich entspannen. Tor aufstemmen, Schiff rein, Tor wieder zu, Fluttore auf, abwarten, bergseitiges Tor wieder auf. Man kann sich sicherlich zwei, drei Tage für den Kanal Zeit nehmen, aber Tom und ich sind ein so gutes Team, dass die Passage heute wie am Schnürchen verläuft. Schon nach 6 Stunden sind wir auf der anderen Seite angekommen. Die dortige Ortschaft Ardrishaig bietet aber irgendwie nicht so viel. Und auch hier scheint der örtliche Baumarkt keine Fassadenfarbe zu führen. Der Firth of Fyne, der große Meeresarm der sich an den Kanal anschließt und in den Firth of Clyde mündet, sieht da irgendwie doch einladender aus. Es ist gerade mal kurz nach 4 und das Wetter ist mit etwas gutem Willen fast als frühlingshaft zu bezeichnen. Trotz der inkludierten Nacht im Schleusenhafen mache ich mich weiter auf den Weg. Vielleicht schaffe ich es ja noch in die alte Whiskyhauptstadt Campbeltown…

Das Segeln an diesem Nachmittag ist eine echte Wohltat und Entschädigung für gestern. Hier ist man vor dem Atlantikschwell geschützt, die Landscahft ist fast ebenso schön und das Wetter hat sich gebessert. Von den meisten Seglern auf meiner Route wird das Gebiet östlich von Kintyre meistens ausgelassen. Schon jetzt steht für mich fest, dass das ein großer Fehler zu sein scheint.  Hier lässt es sich echt aushalten. Da es endlich mal wieder ohne Klippen, Gegenwind und Strom vorwärts geht segele ich aber wie im Rausch und lasse viele einladend aussehende Ortschaften liegen. An der fast schon mystisch anmutenden Insel Arran geht es in der Dämmerung ebenso vorbei. Es ist bereits stockdunkel, als ich in der kleinen Stadt Campbeltown am Südende von Kintyre, etwa 35 SM südlich von Ardrishaig anlege. Wieder mal freut mich die freundliche Begrüßung der Fischkutter in der Fahrrinne die sich nicht über die Anwesenheit des kleinen nervendenen Segelbootes beschweren, sondern fröhlich winken und wir einen „pleasant stay“ einen schönen Aufenthalt in ihrem Ort wünschen.

Ich bin froh hier angekommen zu sein. Zwar habe ich heute auch viele schöne Plätze links und rechts liegen lassen müssen, aber nach dem kleinen Rückschlag gestern bin ich nun fast wieder im Zeitplan. Ich könnte es noch schaffen rechtzeitig in Belfast zu sein und in der Hauptstadt Nordirlands das nächste Tief abzuwettern bevor dieses eintrifft.

Vorher erkunde ich nach einer zufriedenen und geruhsamen Nacht den Ort. Campbeltown war in früheren Zeiten eine Haupstadt der Whiskys und hatte ganze 34 Destillerien. Die Stadt galt sogar als eigenständige Herkunftsbezeichnung für Whisky. Heute gibt es immer noch drei Destillerien hier. Der Whisky von hier wird besonders traditionell hergestellt und die Führung war so herzlich wie noch nie in den letzten Wochen. Als bisher einzige Destillerie wird die Gerste hier sogar noch selbst gemalzt. Normalerweise ist dieser Schritt selbst bei den altehrwürdigen Brennereien schon lange ausgelagert… Der Hafen ist dazu mit allem nötigen ausgestattet, die Stadt hat genau die richtige Größe als Törnziel, kurzum: hier gefällt es mir ich schlendere einen ganzen Tag durch umher. Rundum zufrieden damit, dem Wetter mit den letzten beiden Tagen nicht nur ein Schnippchen geschlagen zu haben, sondern auch zwei echt sehenswerte Ecken entdeckt zu haben.

Stephanie Seifert – eine Liebeserklärung

DIE GESCHICHTE EINER STOLZEN ANFENGERIN + STARKEN MUTTTER

Dies ist die Kurzversion einer langen Familiengeschichte, deren trauriges Ende der Beginn einer Freundschaft ist.

Stephanie

Windhosen über der Insel Mljet.

Insel Mljet. Mitte August. Alles begann harmlos. Harmlos und unauffällig. Die kroatische Wettervorhersage hatte für den Nachmittag möglicherweise Gewitter vorhergesagt. Möglicherweise. Für Nachmittag. Und Böen aus Nordwest bis Nordost mit 35 bis 45 Knoten. Dabei sah man auf wetteronline.de und blitzortung.org die Front am Morgen schon heranziehen.

Man tut als Segler in einem solchen Fall, was zu tun ist. Man geht in einen Hafen. Auf der Insel Mljet, der einsamen und langen Schönheit ein paar Segelstunden nördlich von Dubrovnik, gibt es keinen Hafen. Einen Fähranleger ja, an dem zweimal täglich der Katamaran von Split anlegt. Sonst? Nur ein paar Restaurantstege, an denen Wirte gegen ein Abendessen einen Segler kostenlos festmachen lassen. Einen Hafen gab es aber nicht. Also suchte ich nach einer Bucht. Einer, die geschützt ist, wenn Böen aus Nordwest bis Nordost mit 35 bis 45 Knoten drohen. An der Ostspitze Mljets gibt es so eine Bucht. Saplunara ist nach Westen, Norden, Osten von kiefernbewaldeten Hängen geschützt. Nur nach Süden ist sie offen, zum Meer hin. Von dort, so dachte ich droht ja keine Gefahr. Ich steuerte am Morgen von Dubrovnik kommend die Bucht an. Mied die Bojen, solange sich kein Verantwortlicher zeigte. Ließ meinen Anker neben einer italienischen Yacht fallen. 



Die Frage, ob man im Gewitter sicherer im Hafen oder auf dem offenen Meer ist, scheint leicht zu beantworten. Tatsächlich antworteten sogar ausgewiesene Schadens-Experten, die wir für unser Buch GEWITTERSEGELN interviewten, dass der einzige Unterschied zwischen „drinnen“ und „draussen“ der sei, dass im Hafen schneller Hilfe verfügbar sei. Sonst? Sei man „drinnen“ wie „draussen“ auf dem offenen Meer in Gottes Hand.

Der Himmel am Morgen war wolkenlos. Und gegen alle Vorhersagen wehte kraftvoll Wind aus Süd in die Bucht. Und machte das Liegen unbequem. „Er wird drehen“, dachte ich, „wenn erst das Gewitter kommt. Er wird drehen.“ Also achtete ich vor dem blauen Himmel nicht darauf.

Gegen Mittag erreichte eine graue Wolkenfront aus Nordwesten die Bucht. Es war nichts als ein Band grauer Wolken von Nord nach Süd, über dem links und rechts der strahlend blaue Himmel weiter leuchtete wie zuvor.


Das erste, was mir auffiel, war, dass das Wolkenband sich plötzlich nicht mehr bewegte. Er blieb genau über der Bucht von Saplunara einfach stehen. Ein langer dunkler Wolkenstrich, der von Norden quer über die Insel genau nach Süden hinaus aufs Meer ragte. Dorthin, woher der Wind kam. An der Unterseite des grauen Strichs zeigten sich plötzlich Wirbel. Und in deren Mitte Wolkenbeulen nach unten. Beginnende Windhosen, die wie eine Brust nach unten hängen und ein untrügliches Zeichen für Gewitter sind. Die große Wolke im Bild oben zog einfach einfach das Wolkenband entlang von Süden nach Norden. Wie auf einer Straße. Sie folgte dem Wind.


Plötzlich begann sich die Wolke, wie eine Zitze nach unten zu denen. Die Kreiselbewegung nahm deutlich zu, ein langer Schlauch entwand sich unten Richtung Wasseroberfläche der Bucht. Wenige hundert Meter nördlich lag ich mit LEVJE vor Anker.


Der Schlauch dehnte sich. Wurde länger. Und länger. Reckte den Rüssel nach unten, Richtung Bucht, wo die italienische Yacht neben mit lag. Plötzlich war sie da. Zog entlang des Wolkenbandes langsam nach Norden. Zugleich bildete sich eine zweite Windhose draussen hinter dem Hügel über dem Meer.


Der erste dünne Schlauch zog hinter dem Hügel auf dem Meer. Er fand hinter uns draußen auf dem Meer statt, zog langsam nach Norden, das Wolkenband entlang, das nun schwarz war. Doch der zweite Rüssel wanderte ebenfalls das Wolkenband entlang. Nach Norden. Er erreichte die Einfahrt in die Bucht, reckte sich weiter nach unten, wo sich ein Wirbel gischtenden Wassers bildete, der genau auf die Mitte der Bucht zukam. Auf die italienische Yacht und mich.

Es ist ein unguter Moment, wenn eine Windhose auf eine ankernde Yacht zusteuert. Ein Boot ist seiner einzigen ihm innewohnenden Abwehrmöglichkeit beraubt – nämlich einfach abzuhauen. Ich saß auf LEVJE, spürte mein Herz schneller schlagen. Und wusste, dass die Windhose uns erreicht hätte, bevor ich auch nur den Anker zur Hälfte geholt hätte. Ich begann, in Eile alles Bewegliche an Deck festzuzurren. Oder einfach unter Deck zu werfen. Sollte die wirbelnde Gischt uns erreichen, würde es an Deck unweigerlich Bruch geben. Ich beschloss in den wenigen Augenblicken, dass der sicherste Ort für mich ebenfalls unter Deck wäre, sollte die Windhose uns tatsächlich erreichen.


Zwischen mir und der Windhose lag nur noch ein Fischer. Er arbeitete zusammen mit seinem Sohn, mit dem Rücken zur Windhose, holte Reusen vom Grund der Bucht herauf. Er sah den langen dünnen Schlauch, der nun vom Himmel bis zur Wasseroberfläche reichte, in seinem Rücken nicht. Ich begann, aus Leibeskräften zu brüllen, um ihn zu warnen. Er hörte mich im Lärm seines Außenborders nicht. Plötzlich sah er den wirbelnden Schlauch in seinem Rücken. Die Reuse ins Wasser fallen und Gas geben waren bei ihm eine einzige Bewegung. Er motorte eilends ins Innere der Bucht. Der Schlauch kam nun unvermittelt weiter auf uns zu, folgte dem Wolkenband mit dem Wind von Süden nach Norden, das sich einfach nicht bewegen wollte.

Es sind genau diese Momente, in denen ich an das Interview in unserem Buch GEWITTERSEGELN denke. Nein, eine Bucht ist bei Gewitter nicht unbedingt sicherer. Es ist eine trügerische Sicherheit, die sie verspricht. Ich? Hatte meine Entscheidung getroffen. Und saß fest. Ich konnte nichts tun, als den Schlauch weiter zu beobachten, der da auf uns zukam. 

Ich gebe gerne zu: Ich vergaß in diesem Moment zu fotografieren. Es war kein großer mächtiger Tornado. Aber wenn sich eine Windhose genau auf Dich zubewegt und Du nichts mehr tun kannst, nicht weglaufen, nicht wegducken, hat man anderes im Sinn als den Auslöser zu drücken.

Die Windhose kam auf ein Fußballfeld heran. Wirbelte, wand sich – und neigte sich plötzlich aus einem unerfindlichen Grund nach rechts, dem felsigen Ufer in der Bucht, 75 Meter von mir. Im selben Moment, in dem sie die Felsen berührte, verschwand der Schlauch. Er zog sich langsam nach oben zurück, in die Wolke, wo von ihm nichts blieb, wie Wolkenfetzen, die wie Qualm aus der Mündung eines Geschützrohrs waberten.

Nichts blieb vom Schlauch als nur ein kreiselnder Wirbel am Himmel, der langsam in sich verwehte. Und erstarb.

Das Ende meiner Geschichte? Das Wolkenband stand für etwa eine Stunde fest über der Bucht am Himmel. Weitere Mammatus-Wolken bildeten sich in ihr. Genau über der Bucht. Ich zählte an diesem Nachmittag insgesamt acht verschiedene Windhosen, die rings um die Bucht aus dem Wolkenband entstanden. Aber keine von ihnen kam uns so nahe wie die eine.

Jetzt in Druck – erscheint Ende September 2017:

Ansehen. Und bestellen. Hier.

Windhosen über der Insel Mljet.

Insel Mljet. Mitte August. Alles begann harmlos. Harmlos und unauffällig. Die kroatische Wettervorhersage hatte für den Nachmittag möglicherweise Gewitter vorhergesagt. Möglicherweise. Für Nachmittag. Und Böen aus Nordwest bis Nordost mit 35 bis 45 Knoten. Dabei sah man auf wetteronline.de und blitzortung.org die Front am Morgen schon heranziehen.

Man tut als Segler in einem solchen Fall, was zu tun ist. Man geht in einen Hafen. Auf der Insel Mljet, der einsamen und langen Schönheit ein paar Segelstunden nördlich von Dubrovnik, gibt es keinen Hafen. Einen Fähranleger ja, an dem zweimal täglich der Katamaran von Split anlegt. Sonst? Nur ein paar Restaurantstege, an denen Wirte gegen ein Abendessen einen Segler kostenlos festmachen lassen. Einen Hafen gab es aber nicht. Also suchte ich nach einer Bucht. Einer, die geschützt ist, wenn Böen aus Nordwest bis Nordost mit 35 bis 45 Knoten drohen. An der Ostspitze Mljets gibt es so eine Bucht. Saplunara ist nach Westen, Norden, Osten von kiefernbewaldeten Hängen geschützt. Nur nach Süden ist sie offen, zum Meer hin. Von dort, so dachte ich droht ja keine Gefahr. Ich steuerte am Morgen von Dubrovnik kommend die Bucht an. Mied die Bojen, solange sich kein Verantwortlicher zeigte. Ließ meinen Anker neben einer italienischen Yacht fallen. 



Die Frage, ob man im Gewitter sicherer im Hafen oder auf dem offenen Meer ist, scheint leicht zu beantworten. Tatsächlich antworteten sogar ausgewiesene Schadens-Experten, die wir für unser Buch GEWITTERSEGELN interviewten, dass der einzige Unterschied zwischen „drinnen“ und „draussen“ der sei, dass im Hafen schneller Hilfe verfügbar sei. Sonst? Sei man „drinnen“ wie „draussen“ auf dem offenen Meer in Gottes Hand.

Der Himmel am Morgen war wolkenlos. Und gegen alle Vorhersagen wehte kraftvoll Wind aus Süd in die Bucht. Und machte das Liegen unbequem. „Er wird drehen“, dachte ich, „wenn erst das Gewitter kommt. Er wird drehen.“ Also achtete ich vor dem blauen Himmel nicht darauf.

Gegen Mittag erreichte eine graue Wolkenfront aus Nordwesten die Bucht. Es war nichts als ein Strich grauer Wolken von Nord nach Süd, über dem links und rechts der strahlend blaue Himmel weiter leuchtete.


Das erste, was mir auffiel, war, dass der Wolkenstrich sich plötzlich nicht mehr bewegte. Er blieb genau über der Bucht von Saplunara einfach stehen. Ein langer dunkler Wolkenstrich, der von Norden quer über die Insel genau nach Süden hinaus aufs Meer ragte. Dorthin, woher der Wind kam. An der Unterseite des grauen Strichs zeigten sich plötzlich Wirbel. Und in deren Mitte Wolkenbeulen nach unten. Mammatus-Wolken, die wie eine Brust nach unten hängen und ein untrügliches Zeichen für Gewitter sind. Die große Mammatus-Wolke im Bild oben zog einfach einfach das Wolkenband entlang von Süden nach Norden. Wie auf einer Straße. Sie folgte dem Wind.


Plötzlich begann sich die Wolke, wie eine Zitze nach unten zu denen. Die Kreiselbewegung nahm deutlich zu, ein langer Schlauch entwand sich unten Richtung Wasseroberfläche der Bucht. Wenige hundert Meter nördlich lag ich mit LEVJE vor Anker.


Der Schlauch dehnte sich. Wurde länger. Und länger. Reckte den Rüssel nach unten, Richtung Bucht, wo die italienische Yacht neben mit lag. Plötzlich war sie da. Zog entlang des Wolkenbandes langsam nach Norden. Zugleich bildete sich eine zweite Windhose draussen hinter dem Hügel über dem Meer.


Der erste dünne Schlauch zog hinter dem Hügel auf dem Meer. Er fand hinter uns draußen auf dem Meer statt, zog langsam nach Norden, das Wolkenband entlang, das nun schwarz war. Doch der zweite Rüssel wanderte ebenfalls das Wolkenband entlang. Nach Norden. Er erreichte die Einfahrt in die Bucht, reckte sich weiter nach unten, wo sich ein Wirbel gischtenden Wassers bildete, der genau auf die Mitte der Bucht zukam. Auf die italienische Yacht und mich.

 Es ist ein unguter Moment, wenn eine Windhose auf eine ankernde Yacht zusteuert.  Das Boot ist seiner einzigen Abwehrmöglichkeit beraubt – der Bewegung. Ich saß auf LEVJE, spürte mein Herz schneller schlagen. Und wusste, dass die Windhose uns erreicht hätte, bevor ich auch nur den Anker zur Hälfte geholt hätte. Ich begann, in Eile alles Bewegliche an Deck festzuzurren. Oder eilends einfach unter Deck zu werfen. So wie ich für mich ebenfalls plante, einfach unter Deck zu gehen, sollte die Windhose uns tatsächlich erreichen.


Zwischen mir und der Windhose lag nur noch ein Fischer. Er arbeitete zusammen mit seinem Sohn, mit dem Rücken zur Windhose, holte Reusen vom Grund der Bucht herauf. Er sah den langen dünnen Schlauch, der nun vom Himmel bis zur Wasseroberfläche reichte, in seinem Rücken nicht. Ich begann, aus Leibeskräften zu brüllen, um ihn zu warnen. Er hörte mich im Lärm seines Außenborders nicht. Plötzlich sah er den wirbelnden Schlauch in seinem Rücken. Die Reuse ins Wasser fallen und Gas geben waren bei ihm eine Bewegung. Er motorte eilends ins Innere der Bucht. Der Schlauch kam nun unvermittelt weiter auf uns zu, folgte dem Wolkenband mit dem Wind von Süden nach Norden, das sich einfach nicht bewegen wollte.

Es sind genau diese Momente, in denen ich an das Interview in unserem Buch GEWITTERSEGELN denke. Nein, eine Bucht ist bei Gewitter nicht unbedingt sicherer. Es ist eine trügerische Sicherheit, die sie verspricht. Ich? Hatte meine Entscheidung getroffen. Und saß fest. Ich konnte nichts tun, als den Schlauch weiter zu beobachten, der da auf uns zukam. 

Ich gebe gerne zu: Ich vergaß in diesem Moment zu fotografieren. Es war kein großer mächtiger Tornado. Aber wenn sich eine Windhose genau auf Dich zubewegt und Du nichts mehr tun kannst, nicht weglaufen, nicht wegducken, hat man anderes im Sinn als den Auslöser zu drücken.

Die Windhose kam auf ein Fußballfeld heran. Wirbelte, wand sich – und neigte sich plötzlch aus einem unerfindlichen Grund nach rechts, dem felsigen Ufer in der Bucht, 75 Meter von mir. Im selben Moment, in dem sie die Felsen berührte, verschwand der Schlauch. Er zog sich langsam nach oben zurück, in die Wolke, wo von ihm nichts blieb, wie Wolkenfetzen, die wie Qualm aus einer Mündung waberten.

Nichts blieb vom Schlauch als nur ein kreiselnder Wirbel am Himmel, der langsam in sich verwehte. Und erstarb.

Das Ende meiner Geschichte? Das Wolkenband stand für etwa eine Stunde fest über der Bucht am Himmel. Weitere Mammatus-Wolken bildeten sich in ihr. Genau über der Bucht. Ich zählte an diesem Nachmittag insgesamt acht verschiedene Windhosen, die rings um die Bucht aus dem Wolkenband entstanden. Aber keine von ihnen kam uns so nahe wie die eine.

Jetzt in Druck – erscheint Ende September 2017:

Ansehen. Und bestellen. Hier.