Monat: Juni 2016

Vom Meer und mehr

FILE8457 im SalzwasserAm 5. Mai, früh morgens, musste ich mich wieder von Sabrina verabschieden. Sie hat sich mit dem Auto auf den langen Heimweg gemacht und ich habe die Erdnägel wieder gezogen und die Leinen gelöst. Weggekommen bin ich trotzdem erst mal nicht. Eos hatte sich in den zwei Tagen mit jeder Miniwelle näher ans Ufer und damit immer weiter mit dem Steuerbordkiel in den schlammigen Grund gearbeitet. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich sie dort raus gezogen hatte. Anschließend bin ich los, in das letzte Teilstück des Canal-du-Midi. Wie es mir dabei ging? Ich war traurig, der Nachrichten der letzten Tage wegen und weil ich Sabrina so gerne dabei gehabt hätte. Wäre diesen Weg viel lieber zu zweit, statt Einhand gefahren.

Genau 10.28 Uhr lag sie hinter mir, die letzte Schleuse in diesem langen Kanal vom Atlantik zum Mittelmeer. Der Canal-des-deux-Mers, der Kanal der zwei Meere, wie ihn die Franzosen auch nennen. Durch 151 Schleusenkammern bin ich dabei mit Eos gefahren. 190 Meter nach oben und 190 Meter wieder runter zum Meer. Jetzt war ich da, bin in den Etang de Thau gefahren, einer 75 Quadratkilometer großen Lagune des Mittelmeers, mitten in einer Regatta. Fünf Windstärken gegenan und Sonnenschein. Eines der Begleitboote der Regatta kam zu mir und ich wurde informiert welche Route gesegelt wird und welcher Kurs für mich optimal ist.
Danach war Entspannung angesagt. Zwei Stunden unter Autopilot im Cockpit liegen. Salzige Gischt ins Gesicht, Wind um die Nase und Wellengang fast wie auf dem Ententeich. So gut wie nichts, absolut nichts. Hätte man hoch am Wind auch sehr schön segeln können.
Segeln…
Das war es was mir durch den Kopf ging. Mast stellen im nächsten Hafen und mal für ein Jahr in dieses Meer abbiegen…
Sabrina und ich haben in der Vergangenheit oft darüber nachgedacht. Es gibt viel zu entdecken, hier könnte man leicht einige Jahre verbringen. Würde dann auf Jahresurlaub an Bord hinaus laufen, teuren Jahresurlaub an Bord. Ne, das ist es nicht, was uns vor Augen schwebt, so verlockend es auch ist.
Ich erfreue mich an dem Gedanken, dass Eos jetzt immerhin hier war. Für zwei Stunden ihre Kiele durchs Mittelmeer gezogen hat. Ich bin zufrieden damit und als ich an Sète vorbei fahre und in den nächsten Kanal einbiege, hänge ich mit meinen Gedanken bereits in der Rhône.
Die Leinen mache ich an diesem Tag in Frontignan fest. Ein kostenloser, hübscher Stadtanleger. Für Strom und Wasser muss man einen kleinen Obolus an einem Automaten entrichten.

Am nächsten Tag fahre ich früh los, muss um kurz nach 8 Uhr durch eine Hubbrücke, die nur zwei mal täglich geöffnet wird und quäle mich den Rest des Tages mal wieder durch Dauerregen den Kanal entlang.
Der Canal du Rhône à Sète ist meine Verbindung vom Mittelmeer zur Kleinen Rhône. In weiten Teilen ist er langweilig, was das Fahren angeht, sehr gerade und uninteressant. Die Landschaft neben der Strecke hat allerdings ihren Reiz.
Die Flamingos in den Salzseen, die man an manchen Stellen zu Gesicht bekommt, faszinieren mich und ich habe das Glück, zwei frei lebenden Camargue-Pferden zu begegnen. Sie stehen direkt am Ufer und schauen Eos hinterher.
Am Abend mache ich wieder an meinen Erdnägeln fest. Der nächste ordentliche Hafen ist mir zu teuer, zumal der Wetterbericht drei Tage mit schlechten Bedingungen für den Start in die Rhône voraussagt. Also bleibe ich mitten in der menschenleeren Carmague im Grünen liegen, mache bewusst weit vor der nächsten Stadt fest. Hier bin ich allein, habe meine Ruhe, kann ein paar Dinge am Boot erledigen und Fotos machen. Mir gelingt zum ersten mal ein guter Schnappschuss von einem Eisvogel.
Leider regnet es in diesen Tagen sehr viel, so das ich die meiste Zeit im Boot bleibe.

Am 12. Mai starte ich wieder den Bukh und lege ab. Es geht in die Rhône nach Norden. Wie es mir dort ergangen ist erzähle ich euch im nächsten Beitrag.

Auf zu neuen Ufern – Trockenfallen für Einsteiger

Früh geht es heute weiter. Obwohl unser Tagesziel Tönning nur etwa 3-4 Stunden entfernt liegt. Der Grund dafür ist ganz einfach und typisch Nordsee: Der Hafen von Tönning fällt trocken, und um sicherzugehen würde ich gern vor dem Hochwasser um 1200 dort ankommen. Vielleicht etwas übervorsichtig bei 3m Wasser im Hafen bei Hochwasser, doch gerade am Anfang weiss man ja nie was unterwegs so schief geht. Also geht es pünktlich zum Betriebsbeginn um 0730 zur Schleuse in Nordfeld. Und wie schon in Gieselau sollte diese Schleuse ein Tor zu einer ganz neuen Welt werden.

P1070636

Sofort nach der Schleuse geht es nicht mehr durch die flußähnliche Binneneider, sondern durch ein waschechtes Nordsee-Tidenrevier: Die Tideneider. Nicht mehr Weiden und hohe Bäume säumen das Ufer, sondern hohe Schlickbänke, breite Schilfgürtel, Pricken, Seehunde, und Wattvogelkolonien. Umso spannender waren die ersten Meter. Obwohl die Navigation natürlich etwas komplizierter wird als in der Binneneider gibt es einfach so viel zu schauen und entdecken. Und dazu das vielleicht schönste an der Nordsee im Vergleich zur Ostsee: Die salzige Luft die schon gestern am Liegeplatz in Nordfeld die Vorfreude auf die kommenden Tage gesteigert hat. Da heute ein Feiertag (Himmelfahrt) ist mussten wir den Wärter der nächsten Brücke leider schon um 08:00 von süßen Träumen in die Rufbereitschaft „erlösen“. Während er einige Zeit später auf der Brücke zu seinem Häuschen schlurfte richtete er doch tatsächlich noch Gürtel und stopfte das Hemd in die Hose. Ups…

P1070651

Für den weiteren Teil der Fahrt lasse ich einfach mal die Bilder sprechen. Die Tideneider ist einfach Nordseeromantik pur.  Bereits weit vor Hochwasser erreichten wir den Hafen von Tönning. Ein verschlafenes Nordseestädtchen, welches seine Hochzeit schon vor einigen Hundert Jahren hatte. Und nun sollte der vielleicht spanndendste Teil des heutigen Tages folgen: Das erste Mal Trockenfallen auf dieser Reise. Denn davor haben die meisten Nordseeunerfahrenen wohl den meisten Respekt. Obwohl die Nonsuch ein Schwenkkieler ist, hat auch sie einen kleinen Stummelkiel der ein aufrechtes Liegen auf dem Rumpf fast unmöglich macht. Trotz des moderaten Tiefgangs geht es mir also nicht viel anders als den meisten Kielschiffen. Oft werden Befürchtungen geäußert, dass Welle, Kiel oder Saildrive durch das Trockenfallen im Hafen Schaden nehmen könnten. Dem ist aber überhaupt nicht so. Der Grund dafür ist, dass in praktisch allen Nordseehäfen die Oberfläche durch sehr weichen Schlick gebildet wird. Würde man versuchen darauf zu laufen würde man locker bis zur Hüfte einsinken. Dementsprechend sinken die Schiffe bei ablaufendem Wasser einfach in diesen Schlickboden ein und stehen dann meistens zwar steif aber völlig gerade. Man sollte nur darauf achten genug Lose in die Leinen zu geben, damit sich das Schiff bei sinkendem Wasserstand nicht regelrecht darin aufhängt. Und genau so problemlos erheben sich die Schiffe bei auflaufendem Wasser wieder aus dem Schlick. Der einzig begrenzende Faktor ist die Dicke der Schlickschicht, da darunter oft harter Sand liegt. In den meisten Häfen ist aber selbst ein einsinken mit einem Tiefgang bis zu 2m kein Problem. Ich kenne sogar eine moderne Hanse in einem Tidenhafen mit Saildrive und 2m Tiefgang, die jeden Tag zwei mal komplett einsinkt. Risiko ist also nicht wirklich vorhanden. Soweit zur Theorie.

P1070828

Allerdings habe ich das zumindest mit der Nonsuch vorher noch nicht gemacht. Ein wenig Anspannung bleibt also. Doch gleich nach dem Anlegen wird mir ein Vorteil des Segelns nach der Tidenuhr bewusst: Oft wird dagegen angeführt, dass man sich nicht im Urlaub nach dem Zeitplan von Ebbe und Flut richten und früh aufstehen will. Auch heute ging es ja bereits vor 8 los. Doch nun sind wir bereits um halb 12 mittags fest, haben das Boot aufgeklart und der Uhrzeit entsprechend eine Anlegecola getrunken. Und nun steht uns noch der halbe Tag für die Erkundung von Tönning zur Verfügung. Vor allem für Getriebene wie mich, die oft erst um 1800 in den Hafen einlaufen und oft genug die Erkundung des Umfelds für mehr Zeit auf See eintauschen eine willkommene Abwechslung. Quasi Entschleunigung zwangsweise. Vielleicht wirklich mal ein anderes Konzept für einen Segelurlaub…

Nun geht es also in den Ort. Der Hafen selbst wurde bereits vor Jahrhunderten von den Dänen als Handelshafen angelegt und wird von einem riesigen backsteinernen Packhaus dominiert.  Der Ort hingegen gruppiert sich um den Hafen – man liegt also quasi mitten in der Altstadt –  und besteht aus vielen alten liebevoll gepflegten Stadthäusern. Ich mag solche traditionellen, gewachsenen Häfen immer ganz besonders. Heute ist von der Vergangenheit als Handelshafen aber nicht mehr zu spüren, Wie so oft dominiert der Tourismus und viele Restaurants warten auf Kundschaft.  Normalerweise wäre der Stadtrundgang mangels Zeit jetzt zu Ende (siehe oben), aber heute haben wir ja genug davon. Nachdem wir uns also ein edles norddeutsches 2 Gänge Menü (siehe Bildergalerie) gegönnt haben,  besuchen wir zur Einstimmung auf die Nordsee noch das örtliche Watt- und Nationalparkzentrum. Normalerweise sind diese für Küstenkinder eher langweilig, doch dieses ist wirklich liebevoll gemacht und besticht vor allem durch seine vielen Aquarien in denen sämtliche Fisch- und Getierarten der Nordsee, gruppiert nach Lebensraum, vorgeführt sind. Dazu gibts viel Wissenswertes über Natur und Technik. Selbst für zwei Mittzwanziger noch wirklich interessant. Und für Familien bestimmt erst Recht…

P1070703

Zurück am Hafen zeigt sich dann, dass meine Vorsicht bezüglich der frühen Ankunftszeit nicht ganz unbegründet war. Die Einfahrt liegt fast trocken. Und auf halbem Wege zwischen Einfahrt und Liegeplätzen liegt ein kleines Segelboot hoch und trocken. Für ihn gehts wohl erst in ca. 3 Stunden zum bereits in Sichtweite liegenden Liegeplatz. Zum Glück hat er offenbar noch eine frische YACHT an Bord und liest gemütlich im Cockpit. Während wir dann so zum Boot schlendern spricht uns einer der Wirte der Hafenrestaurants an. Ob wir mit dem Segler da wären – Ja?! – und vor einer halben Stunde bei ihm einen Tisch reserviert gehabt hätten? – Nein?! .
Er würde nämlich schon warten. Leicht schmunzelnd zeigten wir auf den im Hafenbecken Festsitzenden. Der Wirt nahm es locker, ging hin, und klärte über Zurufen von der Kaikante ab, dass er den Tisch dann mal auf 2100 umbuchen würde. Unkompliziertheit ála Nordsee.

P1070752

Anlässlich des heutigen Vatertags beschlossen wir den Tag dann mit einem zünftigen Grillfest am Steg. So stieg im Laufe des Abends dann nicht nur der Pegel des Hafenbeckens. Dennoch ging es anderntags früh weiter. Durch den Rest der Tideneider bis zum gigantischen in den 70ern errichteten Eidersperrwerk. Und ab da sollte die veränderliche Außeneider und die offene Nordsee beginnen. Es sollte in einem langen Schlag möglichst weit nach Norden gehen um anschließend Zeit für eine entspannte Rückreise über all die kleinen Nordseehäfen hätten. Als Wegzehrung nahmen wir uns  im Tönninger Fischgeschäft noch 2 frische Brötchen und 2 große Pfeffermakrelen mit. Die sollten dann später noch mal eine Nebenrolle spielen…

Mare Più. 2016-06-02 11:47:00

Es beschäftigt mich, seit ich nun seit über zwei Jahren das Mittelmeer bereise. Das tiefe Blau, das an manchen Orten noch faszinierender, noch unglaublicher ist als anderswo. Eigentlich bin ich ständig, wenn ich am Meer bin, auf der Jagd nach dem perfekten Blau. Sieht mein Hirn Blau, fängt es schon an zu rattern: Hatten wir dieses Blau schon? War es schon mal da?War es schon mal besser?

Blau ist wichtig. Vielleicht ist es sogar einer der Gründe, warum ich hier auf dem Meer unterwegs bin. Denn:
Wenn ich gelegentlich morgens aus Levje mit sorgenschwerem Kopf heraus an Deck krabble, hilft das große Blau. 
Wenn meine Stimmung mal nicht eindeutig ist: sehe ich diese Farbe, gehts mir gut.

Sehe ich mein Lieblingsblau wie vor Sizilien oder hier: Bin ich entzückt. Ein Bringer. Für Stunden. „Nein, was ist das hier gerade herrlich Blau.“

Blau beschäftigt mich. Ich habe auf Mare Più einige Posts darüber geschrieben, über das tiefe Blau. Und wo immer ich das schönste Blau meinte angetroffen zu haben, habe ich es festgehalten, nicht umsonst ziert die Startseite unseres millemari.-Verlags www.millemari.de ein Video in Blau. Heute also ein weiterer Post über das tiefe Blau, wie ich es direkt an LEVJEs Liegeplatz in der Marina von Mgarr auf der Insel Gozo (Malta) jeden Tag antreffe. Und am Ende, als Belohnung fürs dranbleiben ein Test. Mit Farben. Denn beim Blick ins tiefe Blau erkennen Sie sich buchstäblich ein Stück selber.


Das Blau hier auf Gozo: Das Archipel der maltesischen Inseln besteht überwiegend aus Felsen. Flüsse gibt es (anders als in der Ostsee!) ganz wenig, Europa’s dichtbesiedelstes Land Malta gehört zu den wasserärmsten Regionen der Welt überhaupt. Dem großen Blau tut das nur gut, Sedimente, die Flüße ins Meerwasser tragen wie 90 Kilometer weiter nördlich in Sizilien, sind rar, das Wasser ist klar. So klar, dass ich die Grundleinen des Hafens deutlich am Boden liegen siehe –  an meinem Liegeplatz in sechs Metern Tiefe.

Blau. Natürlich ist es die Lieblingsfarbe der Deutschen. Farben beeinflussen unser Leben. Blau löst nach wirklich schlanker Lesart in uns erstmal Harmonie und Zufriedenheit aus. Rot steht für Stärke und Selbstbewußtsein. Das hat Folgen, beeinflußt uns: Ringer im roten Trikot obsiegen laut Statistik in 60% der Fälle über Blau Gewandete. (www.karrierebibel.de). Womit die Sache mit BAYERN MÜNCHEN auch ein für allemal geklärt wäre. Und 1860 MÜNCHEN gleich mit.

Damit reicht’s aber noch nicht: Blau ist überhaupt global die Lieblingsfarbe – mehr als ein Drittel der Befragten stimmt für Blau. Erst dann kommt mit 25% rot. Aber mit 25% kann’s nix werden, Herr Gabriel.

Allerdings unterscheidet sich, was die Mehrheit als das ideales Blau wählt, doch erheblich von dem, was jetzt gerade an meine Bordwand schwappt. #0044CC ist die Antwort, sucht man nach dem, was den Leuten am besten gefällt. Die, die nun wirklich über uns Alles Alles wissen, die GOOGLEs, nein diesmal die MICROSOFTs haben die Nase vorn (Endlich mal wieder. Respekt.) und fanden heraus, dass Links in Blau mit dem Hexadezimal-Code #0044CC weltweit am meisten geklickt werden. #0044CC ist das „80-Millionen-Dollar-Blau“.

Max Lüscher entwickelte zu einer Zeit, als die halbe zivilisierte Welt dabei war, sich auszurotten, nach zahllosen Probanden-Untersuchungen einen Persönlichkeitstest. Vielleicht ging so etwas in Vierziger Jahren nur in der Schweiz. Alle Kriege konnten nicht verhindern, dass der Lüscher-Test heute in etwa so angesehen ist wie der Rohrschach-Test. Sie erinnern sich? Die Sache mit dem Tintenklecks. Lüscher trieb seine Erkenntnisse trotz Gegenwind auf die Spitze. Seine Diagnostik wird heute in Medizin, Psychologie, aber auch im Recruiting eingesetzt. Vorsicht also, ganz vorsichtig, wenn Sie Ihr Vorgesetzter demnächst flach anquatscht: „Was ist eigentlich Ihre Lieblingsfarbe?“

Statt also heute das Horoskop in BILD zu lesen (deren Rot im Logo übrigens Max Lüscher entwickelt hat) lassen Sie sich einfach mal auf den Test ein. Sie finden ihn hier!
Werfen Sie einen Blick auf sich selber. 
Keine Angst: Wie immer sie antworten – es geht gut für Sie aus. Sie erfahren, indem Sie sich gleich mit Blau beschäftigen, Dinge, die Sie nie über sich gedacht hätten.

Und für alle, die wie ich gierig auf Blau sind: Hier meine Lieblingssammlung von 42 mal Blau. Mindestens.