Monat: Januar 2016

Wenn Fischerboote reden könnten. Ein Spaziergang durch den Hafen von Catania.

Es ist halb neun Uhr morgens im Hafen von Catania. Einer nach dem anderen kommen die Fischer herein, die die Nacht über draußen waren. Und laden aus, was sie über Nacht gefangen haben. Auf dem Achterdeck eines Fischers stapeln sich Kisten an Kisten: Obststeigen voller Heuschreckenkrebse. Styroporkisten mit Rotbarben, Drachenköpfen, Meeräschen, Meeraalen, alles bunt durcheinander. Blaue Bottiche voller Meerwasser, in denen Seespinnen die Fühler ausstrecken. Es riecht nach Tang und frischem Seegras, zwei Männer in knallorangen Latzhosen spülen mit  dickbauchigem Schlauch immer wieder den Inhalt der Kisten kräftig durch. Männer auf der Pier, die den Fang der Nacht …

kritisch beäugen, fachmännische Kommentare abgeben. Einer, der das Kommando hat auf der Pier, vielleicht der Großhändler, der mit dicken Bündeln Scheinen wedelt und dabei ständig „Luigi“, „Pepe“ ruft und die Männer hin und verscheucht, bis Steigen, Kisten und Bottiche endlich verladen sind auf ein kleines Dreirad, eine APE. So vollgepackt ist sie, dass ihre Hecktüren sich nicht schließen lassen. Zwei Männer bändseln endlich die Türen zu mit einem abgerissenen Strick, bis sich die APE qualmend, ruckelnd, spuckend aus dem Hafen bewegt, Richtung Kochtöpfe.

Die Fischer stecken sich eine Zigarette in den Mundwinkel, die wievielte dies Nacht. Die Männer auf der Pier verlaufen sich, die Arbeit ist getan. Zurück bleiben an diesem Morgen die Boote der Fischer, die im Schwippschwapp des Hafens behäbig schaukeln. Und darauf warten, dass die Fischer wiederkommen in ein, zwei Tagen, irgendwann am Abend, und in der Dämmerung wieder rausfahren, mit gespannten Mienen. Ohne die Männer an Deck und auf sich selbst gestellt, sind sie nun kleine Persönlichkeiten. Gesichter, die mir im Hafen begegnen.

Nehmen wir einmal PAOLA und NUNZIELLA. Wie Schwestern schaukeln die beiden einträchtig nebeneinander. Als kennten sie sich schon ein Leben lang. PAOLA jedenfalls, die ihr Besitzer wie die meisten hier in leidenschaftlichem Rot innen gestrichen hat, hat schon einiges erlebt, das sieht man den Kisten und Verschlägen auf dem Verdeck an. Aber sei es, um nur ja nicht zuviel preiszugeben; sei es, um die kostbare Inneneinrichtung zu schonen, hat PAOLA’s Eigentümer die Vorhänge hinter den beiden Fenstern geschlossen, über die er mit ungelenker Hand und dickem Faserstift die fünf Buchstaben mittig hingepinselt hat.

Etwas einladender geht es auf dem nächsten Fischkutter zu. Die Tür zum Inneren steht einladend offen. Ein Stuhl vom Campingplatz kündet davon, dass der Fischer auch noch Andres kennt als „Giro d’Affari“, das italienische Wort für Umsatz. Er scheint ein Freund der Gemächlichkeit zu sein, körperliche Arbeit? Die kann man doch im Sitzen erledigen. Während sein Schiff etwas verkniffen aus drei verhangenen Augen in die Welt schaut. Irgendeine Unzufriedenheit, die darüber lagert. Den Luftfilter im Motor zulange nicht ausgeklopft? Die Bilge länger nicht leergepumpt? Jedenfalls sagt das Gesicht mit verdrießlicher Miene: Es liegt was quer.

Setzen wir unseren Spaziergang auf der Mole an diesem Morgen weiter fort. Die Kleine da, mit dem hellblauen Hut. Sieht sie nicht gleichmütig aus, mit dem zusammengekniffenen Mund? Natürlich sind auch bei ihr die Vorhänge rammeldicht zugezogen, mit etwas Wehmut denke ich mich nach Holland, wo anders als in katholischen Gefilden immer alles offen steht an Fenstern. Wo jedermann sehen darf, dass es in diesem Haus rechtschaffen und gottesfürchtig zugeht. Aber dies ist nun mal Sizilien, Italien überhaupt: Ich kenne kein Land, in dem das private Leben so abgeschottet hinter den eigenen vier Wänden stattfindet wie Italien.

Endlich offenherzig zeigt sich dieses Fischerboot. Und siehe da: Im Inneren gibt es nichts Spektakuläres zu sehen. Ein Gashebel, ein Steuerrad, ein wenig Elektronik, die man so braucht. Funke, GPS, ein paar Schalter für die Lichter. Eine Gefriertruhe mit rostigem Deckel an Deck. Der Laderaum dürftig verschalkt, von einer Kette zusammengehalten. Vielleicht stimmt ja der Satz: „Reich ist nicht, alles zu haben. Reich ist, wer weiß, was er alles nicht braucht.“

Weiter links wieder ein Geschwisterpaar. Der Besitzer scheint die Farbe rot zu mögen, selbst ins Blau des Deckshauses ist kräftig Rot gemischt. Etwas streng sieht es mich an, das blaurote Gefährt, als ich so vor ihm stehe und versuche, ihm tief in die weit auseinandersetzenden, rotverhangenen Augen zu sehen. Nicht unser Tag heute. Man kann nicht jeden Tag ein Lächeln im Gesicht tragen. Warum eigentlich nicht?

Ach ja. ROSARIA. Da ist nun jemand wirklich stolz auf sein Schiff. Nein, schiere Größe zählt gar nicht. Nur das Glück. Und so prangt nicht nur der schöne Name auffällig über allem, nein: Sogar mit Sternchen versehen ist er, eins links, eins rechts. So, als wollte der Besitzer sagen: „Das ist nun die siebzehnte – aber so glücklich wie mit ROSARIA war ich mit keiner zuvor!“ Es bleibt nun uns überlassen, darüber zum mutmaßen, ob nicht noch andere Liebe im Spiel ist als nur die zu einem Boot. Und bei er Namensgebung nicht noch ein Jubel im Spiel war, endlich, endlich das richtige Du gefunden zu haben.

SANTA LUCIA hingegen blickt in verschiedenen Richtungen in die Welt: Nach links. Nach vorn. Nach rechts. Verhangen ist auch ihr Blick aus dem etwas breiten Gesicht, das ihr einen Hauch Würde verleiht. Da ist natürlich der Name nicht unschuldig. Santa Lucia, die Patronin aus dem wenige Seemeilen entfernten Siracusa: Ein eifersüchtiger Bräutigam, ein ungnädiger Richter, der sie während der diokletianischen Christenverfolgung in Siracusa ob ihrer christlichen Tugend und Standhaftigkeit zur öffentlichen Schändung ins Bordell verurteilte. Weder tausend Männer noch ein Ochsengespann (sic!!) waren in der Lage, so fortzuschaffen, sie blieb im Gerichtssaal wie angewurzelt. Nicht Pech, nicht Schwefel, nicht Feuer konnte ihr etwas anhaben. Bis sich einer erbarmte. Und ihr endlich ein Schwert in den Hals stieß. Dass derlei Geschichten bei der Namenswahl des Bootes eine Rolle spielten, darf bezweifelt werden. Santa Lucia ist einfach die Lokalheilige, und ihr Fest wird jetzt im Dezember in Siracusa ganz sicher gebührend gefeiert. Wie auch im bayerischen Fürstenfeldbruck die Kinder an diesem Tag das Lucienfest feiern. Und kleine selbstgebastelte Häuschen mit einer Kerze in der Dämmerung auf der Amper aussetzen. So weit ist Siracusa ja nun auch nicht weg.

Vo anderer Denkungsart ist der Besitzer dieses Fischkutters: Der freie Geist! Da ist jemand mal von der Ethik-Seite gekommen, hat sich freigeschwommen und hat das jahrtausendealte Handwerk des Fischers ergriffen. SPIRITO? Ja sicher, Geist immer! Aber nicht SPIRITO SANTO, den heiligen Geist. Sondern SPIRITO LIBERO, den freien Geist, der über allem thront. Zu so einem Namen gehört Mut. Und Ausdauer. Und die Überzeugung, dass man das auch ein Leben lang durchhalten kann, mit dem freien Geist. Nicht verknöchert, nicht verspießert, zwar immer ordentlich die Holzkisten links aufs gewienerte Vordeck sortiert, aber doch ein freier Kopf bleibt, bis ans Ende seiner Tage.

Beenden wir nun unseren morgendlichen Spaziergang durch den Hafen von Catania. Noch schnell ab in die BAR DEL PORTO, über die ich im letzten Post schrieb, wo nun der eine oder andere Fischer zusammen mit den Hafenarbeitern am Tresen steht, für einen kurzen Moment, eine Espresso-Länge. Verabschieden wir uns von der molligen Schwester des Barbesitzers und verlassen wir diesen schönen Ort. Und bewahren wir uns zumindest für den heutigen Tag den Blick für die netten kleinen Geschichten, die am Wegrand liegen.

Im nächsten Post: Wie ist das eigentlich, in Sizilien und seinen Häfen: Warum Siracusa nicht nur eine Reise wert ist.

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Unter Segeln von Korfu nach Sizilien, Tag 7: Ankommen unterm Ätna. Und:Abenteuer in der Hafenbar.

Auch wenn ich mich angesichts der Ereignisse in Frankreich frage, welchen Sinn es hat, heute einfach so weiterzuposten und einfach von meiner Reise von Korfu nach Sizilien weiter zu erzählen: so glaube ich, dass gerade dies wichtig ist. Sich nicht beeindrucken zu lassen von der Monstrosität des Grauens. Sich nicht abbringen zu lassen von dem, woran wir glauben: Dies ist meine Verbeugung vor all denen, die unschuldig tiefes Leid erfahren haben.
Fahren wir also fort, wo wir endeten: Dies ist der Bericht meiner Reise in der zweiten Oktoberhälfte von Korfu nach Sizilien. 

                                      Was bisher geschah: Hier lesen: Tag 6 – Weit weit draußen, zwei Nächte und einen Tag.

In der Straße von Messina waren Wind und Welle endlich ruhiger geworden. Was vorher zwei Nächte und einen Tag böig von achtern das Meer aufgewühlt hatte hinter uns, war nun ein netter Segelwind. Auch der Himmel hatte aufgeklart. Am Horizont über Messina erhellten Blitze den Himmel, deren zuckendes Licht Levje’s Großsegel wie eine Kinoleinwand zurückwarf. Am klaren Nachthimmel Sternschnuppen über Sternschnuppen, die einfach über den Nachthimmel zischten, kreuz und quer und so lange, bis ich nicht mehr wußte, was ich mir noch wünschen sollte. Ich hatte ja alles.

Weil Sven und sein Sohn Tino übermüdet waren vom langen Wachen nachts und tagsüber, blieb ich wach bis weit nach eins. Dann weckte ich Sven, schälte mich aus meinen Klamotten, wusch mir das Salz aus Gesicht und legte mich in meine Koje. Das „dümmliche Grinsen“ in meinem Gesicht, das sich noch bei jedem einstellte, der die Schönheit des Meeres und des Segelns erfahren durfte, war das letzte, was ich registrierte. Dann: Tiefer, tiefer Schlaf.

Gegen sechs wachte ich auf. Die Sonne schien hell, Tino war wach. Und hatte die beiden Schleppangeln ausgebracht. Und zum ersten Mal seit fast eineinhalb Jahren ging uns wieder ein Fisch an den Haken: Ein Bonito mittlerer Größe biss an, der kleine Bruder des Thunfischs, ein schneller Jäger, der zu dem blinkenden Köder nicht Nein sagen konnte, als der mit der Geschwindigkeit eines Marathonläufers an ihm vorbeizog. Ein schönes Tier, groß und schnell und stark, mit kleinen Finnen im hinteren Drittel seines Körpers. Und ich? Verstand die Welt nicht mehr. Meine letzte Makrele hatte vor über eineinhalb Jahren in Italien angebissen. In Griechenland, der Ägäis, der Türkei zog ich wochenlang meine Schleppangel hinter Levje her. Nichts mehr. Nicht ein Fisch war mir seit Italien an den Haken gegangen. Und kaum sind wir wieder in italienischen Gewässern, beißt ein Bonito an. Ist der Schutz der Fischbestände in Italien effizienter? Haben Griechen zuviel mit Dynamit gefischt und ihre Gewässer leergefischt? Oder gibt es die schnellen Jäger, Makrelen, Bonitos, die, die meiner Schleppangel erliegen, einfach nur in den italienischen Gewässern? Ein Rätsel.

Sizilien war nah. Wie angekündigt, hatte der Wind gedreht auf den letzten Seemeilen. Von 5-6 bft von „genau achtern“ auf 5-6 genau von da, wo wir hinwollten: Catania, unterm Ätna. Es machte nichts. Die Handvoll Seemeilen von der Küste baute der Wind keine Welle mehr auf, wir glitten dahin im Morgenlicht, und endlich lag der Hafen vor uns. Catania.

Der Ätna versteckte sich hinter einer dichten weißen Wolkenbank, der Südwest fegte mit Macht ins weite Hafenbecken. Italien ist – anders als Kroatien oder Frankreich – nur mit einer einfachen Yacht-Infrastruktur ausgestattet: Marinas in privater Hand sind selten, wenn man eine Marina findet, sind die überwiegend von den beiden großen Clubs CIRCOLO NAUTICO oder LEGA NAVALE vereinsmäßig betrieben. Oft gibt es gar keine Marina. Dafür besitzt Catania gleich deren vier – die Qual der Wahl. Um ruhig zu liegen, machten wir in der westlichsten fest, dem CLUB ETNEO. Leider eine teure Entscheidung, mit 45 Euro für Levje’s 31 Fuß, ohne Toilette, ohne Dusche, aber was machts – wir waren angekommen und lagen fest!

Und dann die ersten wackeligen Schritte an Land, ins Caffé del porto, mitten rein ins Leben eines italienischen Hafens. Eine italienische Hafenbar ist kein strahlender Ort, wohl aber ein Ort, an dem das pralle Leben stattfindet. Zwei Fischer, zwei Hafenarbeiter in blauen Overalls mit den orangen Neonstreifen. die an der Theke vor Espresso und Cornetto stehen und kurz palavern. Der Barista hinter der Bar, Wärme, Kaffeeduft, das Geduddel eines Radiosenders, „farbiger Krach“, ohne den in Italien nichts geht. Eine wunderbar gemütliche Mollige hinter der Kasse, die die Schwester des Barista sein könnte. Ihr Lächeln, und klar ist: sie ist der Magnet und das Unikum des Etablissements, das die beiden von ihren Eltern übernommen haben. Familie, die ihr Auskommen am Hafen findet. Die Hafenarbeiter bezahlen bei ihr an der Kasse, nicht ohne einen Scherz. Zu gern würde ich eintauchen jetzt gleich, gleich, ganz tief in dieses einzigartige Biotop an Beziehungen, in dieses jahrzehntelange Geflecht der Menschen an diesem Ort untereinander, das man „sich kennen“ nennt. Und das diesen verlassenen Ort am Hafen trägt durch die Zeit. Weil ich wie sie vom Meer komme, bin irgendwie ein Teil dieses Biotops, es ist keine Einbildung. Ein Scherzen, ein kurzes Hin- und Her, dann ziehen die Hafenarbeiter ihrer Wege. Eine ältere Dame, gut gekleidet, die auf dem Weg ins Büro hier ihren Cafe nimmt. Ich bestelle mir einen Espresso. Und eines dieser lecker aussehenden Schokoladen-Croissants, „un brioche“ heißen sie hier, darauf habe ich jetzt Lust nach all dem Salzwasser. Es kommt lauwarm über die Theke, prall unter dem Puderzucker lächelt es mich an, der Duft nach frisch Gebackenem ist unwiderstehlich. Als ich hineinbeiße, explodiert eine Woge an Nutella im Inneren des Brioche, tropft warm über die Theke, die ich, um mein Werk nur ja zu vervollständigen, mit Puderzucker und Brioche-Krümmeln eindecke. Mit einem derart üppigen Genuß hatte ich an diesem Ort nicht gerechnet, nur weil dies äußerlich ein ranziges Hafencafe ist, heißt das ja nicht, dass hier keiner was von gutem Essen verstünde. Der Barista reicht mir drei Servietten, die Kassiererin lächelt mir verständnisinnig zu, wir haben uns durchschaut, dass wir beide nur zu gerne, allzugerne gut essen und gern sinnlich sind. Und ich: Nutella-verschmiert, 54jährig, eben angekommen: Ich liebe Italien. Wie eh und je.

Im nächsten Post lesen Sie: Ganz weit oben: Auf dem Ätna.

Der Mensch und seine Sachen: Der Leuchtturm im Winter: Formentor auf Mallorca.

Der Leuchtturm von Kap Formentor auf Mallorca.

Bei meinen Reisen kehre ich oft an dieselben Orte zurück. Schließlich ist es ja nicht so, dass es viele Orte gäbe, die man einfach aufsucht: Und schon ist man glücklich mit sich und der Welt. In Formentor ist das aber so. Es ist ein abgelegener Ort in der nördlichsten Ecke Mallorcas, aber das ist noch nicht präzise genug: Man muss der äußersten gebirgigen Verlängerung der Serra Tramuntana, des langen nördlichen Gebirgszugs Mallorcas, bis an ihr alleräußerstes Ende folgen, dahin, wo nur noch Gestrüpp und dürre Gräser sich zwischen die Felsbrocken klammern.

Formentor ist ein abgelegener Ort, auch wenn dort heute – quer durchs Gebirge, über Heide, durch Kiefernwälder und Schafweiden – eine gut ausgebaute Straße hinführt, auf der sich selbst im frühen Januar tagsüber die Autos drängeln. Der Leuchtturm liegt da, wo die Welt endet: Auf einer Klippe zwischen anderen Klippen, ein Fels mitten in der Unendlichkeit. Nur noch ein Ziegeldach über einem weißen Gemäuer – und dann nichts mehr, aber auch gar nichts mehr als Blau und duftige Wolken jetzt im frühen Januar.

Kein Ort, wo man denn gerne wäre, im Sturm. Wie oft haben wohl Segler und Seeleute hinaufgeschaut zum 210 Meter hoch gelegenen Leuchtfeuer mit der inbrünstigen Bitte „Lass mich jetzt nur schnell herumkommen um diese Huk, in den Frieden und das ruhige Wasser auf der anderen Seite.“ Oder wie wir, nach 20stündiger Überfahrt herüber von Barcelona mit den Segelrebellen im März letzten Jahres – aber das ist eine andere lesenswerte Geschichte.

Weiterlesen bei: KEIN GANZ NORMALER TÖRN: Von Barcelona nach Mallorca. Hier.

Er hat auch schon einige Jahre auf dem Buckel, der Leuchtturm. Wahrscheinlich hatten schon die Römer hier in der Nähe ein Leuchtfeuer, schließlich lag die wichtigere ihrer beiden großen Städte nur noch ein paar Seemeilen entfernt, Pollentia, die Mächtige, als die zweite Stadt Palma Palmensis wirklich noch die zweite und nicht wie heute die erste Geige auf Mallorca spielte. Spätestens als die Vandalen über die Insel kamen, sie ausplünderten und ihre kurzlebige Thalassokratie, ihr Seereich von Nordafrika aus errichteten, war Schluss mit Licht und Leuchtzeichen. Für lange Zeit. Erst um 1857, als die industrielle Schiffahrt einsetzte und das Mittelmeer dank Dampfschifffahrt einen neuen Aufschwung nahm, begann man mit dem Bau eines neuen Leuchtturmes. Das neue Feuer wurde am 30. April 1863 entzündet und mit Olivenöl betrieben. Der Bau war dermaßen schwierig, das Terrain derart abgelegen, dass es unerhörte Anstrengungen kostete, das Leuchtfeuer zu bauen. Weswegen dann auch der Bischof von Mallorca ausnahmsweise auch der Samstags- und Sonntagsarbeit zustimmte, allerdings den bischöflichen Dispens unter der Bedingung erteilte, dass die Arbeiter jeden Morgen an einem provisorischen Altar die Messe hören konnten

.

Auch die Versorgung des Leuchtturms blieb schwierig. Die ersten Arbeiter hatten einen 17 Kilometer langen Saumpfad von der Bucht Cala Muerta heraufgelegt. War das Wetter gut, was es in dieser sturmreichen Ecke offensichtlich nicht oft war, konnte man im nahegelegenen Moll dell Patronet anlegen, nicht mehr als einer Lücke in den Felsen, von der die Arbeiter 272 Stufen herauf in den harten Fels geschlagen hatten.

Die Sache mit dem Olivenöl entpuppte sich auch nicht als der wahre Jakob, so dass man bald auf Paraffin umstellte. Und kaum war das Benzin in der Welt, stellte man darauf um, bis der Fortschritt 1962 in Gestalt einer Stromleitung auf die Insel und vor allem nach Formentor kam. Neue Linsen gabs dann 1971, und so sendet der Leuchtturm heute Nacht, wie jede andere Nacht seine Blitze über 40 Kilometer weit in die Nacht hinaus: vier weiße Blitze alle 20 Sekunden. Und weist denjenigen den Weg, die in die Häfen von Pollenca und Alcudia wollen – dorthin, wo schon die Römer hinwollten vor 2.000 Jahren: Zu ihrer Hauptstadt Pollentia, die heute unter dem alten Alcudia liegt.

Weiterlesen bei weiteren Geschichten über Mallorca: Hier!

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Lust auf noch mehr Geschichten vom Meer?

Vom Autor von MARE PIU: 


Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.
Mehr erfahren: Hier.


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Und nicht vergessen: wenn Ihnen diese Geschichte gefiel: unten auf „Tolle Geschichte“ klicken.

VORTRAG in Flensburg – Mittwoch, 13.01.16 – 21:30

Als wäre es gestern gewesen sind die Bilder meines letzten Besuches in Flensburg in meinem Kopf präsent. Wie der Leuchtturm Kalkgrund auf einmal vor mir aus dem Nebel auftaucht, die Flensburger Förde glatt wie ein Ententeich vor mir liegt, und wie ich nach über 5 Monaten das erste Mal wieder in einem deutschen Hafen fest mache.

Nun komme ich am 13. Januar wieder nach Flensburg, um dort bei der Seglervereinigung Flensburg in Fahrensodde über meine Erlebnisse zu berichten. Kurzentschlossene Gäste sind herzlich willkommen! Los gehts um 2130 im Clubhaus der SVF. Bei Interesse findet ihr alles Nähere findet ihr unter: Vortrag in Flensburg bei der SVF

Würde mich freuen viele von euch dort begrüßen zu können!

Dicke Wolken im Paradies …

Liebe Leser, auf unserem Weg nach Süden haben wir viele „Snowbirds“ kennengelernt. Segler, die den Winter auf den Inseln der Bahamas verbringen wollen. Für die meisten Amerikaner und Kanadier ist es ein einfacher Weg die Ostküste hinunter, weil man im Zweifel…

Shop Trailer – Die Sonntagssegler

Wer träumt nicht davon, einfach mal zehn Monate raus aus dem Alltag. Zehn Monate Leben in Freiheit, eng verbunden mit der Natur. Zehn Monate Abenteuer und ein Leben ohne Pflichten. Die beiden Münchner Dominik Hafner und Franz v. Flotow setzten diesen Traum in die Wirklichkeit um. Mit einer 28 Jahre alten Motiva 42, einem dänischen Stahlschiff, brachen sie im September 2012 in Barcelona zu ihrem Abenteuer auf.

Den kompletten Film „Die Sonntagssegler“ gibt es hier.

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