Monat: Februar 2015

24. Tag auf See – Ergänzung!

Kursänderung um zehn Grad nach Süden. Wir laufen seit heute Mittag 12.30 Uhr mit Kurs auf Grenada. Ich habe eine Mail von unserem Freund Herbert (SY Maya) bekommen, der gestern dort eingelaufen ist. Wir versuchen schon seit Monaten, endlich mal zusammen in einem Hafen zu liegen, aber bisher hat es noch nicht geklappt. Da der Wind ohnehin gerade aus Ostnordost kommt und Herberts Beschreibung uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen hat, hängen wir also noch einen Tag hinten dran und segeln durch. 446 Seemeilen to go. Von Grenada aus können wir dann auch herrlich in Tagesetappen über die Grenadinen hinauf nach St. Lucia und weiter in den Norden. Noch eine weitere Ergänzung: Ich habe gerade erfahren, dass seit heute oder gestern ein Video über uns auf YACHT-online zu sehen ist. Genauer ist es ein Trailer einer 45-minütigen Doku, die am Ostersonntag um 8.30 Uhr auf ZDF-Info gesendet wird. Der Hamburger Filmemacher Arne Schröder hat uns während unserer Reise nach Madeira von Zeit zu Zeit mit einem Filmteam begleitet. Er war bei den stressigen Vorbereitungen und der überstürzten Abfahrt mit dabei und hat uns in Dartmouth (England), Viveiro (Spanien) und auf Madeira besucht. Zwischendurch waren wir immer einige Wochen auf See und haben mit drei HD-Videokameras und drei GoPros das Unterwegs-Material selbst gedreht. Das Ergebnis könnt ihr euch wie gesagt am Ostersonntag anschauen. Und den Trailer bereits jetzt auf YACHT-online: http://www.yacht.de/yacht_tv/reportage/johannes-und-cati–der-filmtrailer=/a96651.html Wir sind selbst ganz gespannt, müssen uns aber noch einige Tage gedulden. Über Iridium würde es wohl eine Woche dauern, den Trailer zu laden – und etwa 1500 Euro kosten … ; )

24. Tag auf See

“The days, they don’t have names …” habe ich 2006 in einer verlassenen Kneipe auf einer kleinen Insel der Bahamas gelesen. Wenn man einfach so dahinlebt, vergisst man schnell, welchen Wochentag man hat. Gut, Workaholics mag es genauso gehen. Aber auch uns hier draußen. Denn ob Werktag oder Wochenende, wir segeln, segeln, segeln … Den Tagesrythmus bestimmen einzig die Wachen und die Zeiten der Nahrungsaufnahme. Seit gestern wissen wir allerdings wieder sehr wohl, welchen Wochentag wir gerade haben. Denn die Tage auf See sind gezählt und wir versuchen nun unsere Ankunft auf Barbados möglichst so zu timen, dass die Büros des Zolls und der Einwanderungsbehörde gerade geöffnet haben. Ansonsten ist nämlich ein saftiger Zuschlag fürs Einklarieren fällig. Wir haben noch 347 Seemeilen vor dem Bug und im Moment sagt das GPS, dass wir Montagabend gegen 20 Uhr in die Carlisle-Bay vor der Stadt Bridgetown einlaufen. Die Büros haben zwar bis 22 Uhr geöffnet, aber trotzdem ist das ganz schön spät. Denn wir müssen anschließend in der Bucht vor Anker gehen und im dunkeln ist es nicht allzu einfach, eine passende Stelle mit schönem Sandgrund zu finden. Wir werden also rechtzeitig die Segel reduzieren, damit wir mit dem Sonnenaufgang am Dienstagmorgen einlaufen. Wir hatten in den letzten Tagen wieder einige dicke Wolken, die viel Wind gebracht haben. Gestern Nacht gleich zweimal. Schon beim ersten Mal habe ich die Genua weggenommen und das Schiff über Nacht nur unter zweifach gerefftem Groß laufen lassen. “Maverick” kann mit solchen Starkwind-Böen nur unter Groß gut umgehen. Wenn es ihr zu viel wird, dreht sie eigenständig bei und wartet ab. Manchmal nimmt sie anschließend mit dem Abflauen den alten Kurs auf, manchmal bracht sie dabei auch ein wenig Hilfe. Der Schiffsverkehr nimmt auch wieder zu. Heute früh hatten wir schon wieder einen Frachter auf dem AIS, wenn auch recht weit entfernt und auf Gegenkurs. Nach 23 Seetagen sind wir ein bisschen geschafft. Cati fällt es immer schwerer, in den Nachtwachen wach zu bleiben. Wenn das Schiff einen anderen Kurs einschlägt und ich dadurch kurz wach werde, steht sie nicht selten gerade mitten im Salon, weil sie im Sitzen einschläft. Es wird also langsam Zeit, dass wir ankommen und mal wieder eine Nacht durchschlafen …

23. Tag auf See

Je weiter wir nach Westen kommen, desto nördlicher kommt der Passat. “Maverick” ist unter Windsteueranlage langsam nach Süden, Richtung Trinidad, abgebogen. Deshalb haben wir den Vormwindkurs mit Schmetterling-Besegelung heute früh verlassen und halten jetzt mit raumen Wind wieder genau auf unser Ziel zu. Wir sind etwas langsamer geworden, nur noch 5 Knoten im Schnitt. Aber das reicht vollkommen aus. Wenn also nichts mehr dazwischen kommt, sollten wir am Dienstagmorgen in der Carlisle-Bay im Südwesten von Barbados auftauchen. Bis dahin liegen nur noch 467 Seemeilen vor dem Bug. Das letzte Etmal betrug 138 Seemeilen. Wir rechnen witzigerweise langsam in bereits geschafften Etappen: Als gestern “540” auf dem GPS stand, hieß es “nur noch so lang, wie von Lissabon nach Madeira”. Morgen stehen 330 Seemeilen auf dem GPS, “das ist dann nur noch eine Biskaya-Überquerung”. Zu unserer Überraschung verderben unsere Dosen in der Bilge seit kurzem. Zwei waren sehr aufgebläht, das Blech richtig aufgeblasen. Dabei sollte der Inhalt noch ein Jahr haltbar sein. Zwei Mandarinen-Dosen fühlten sich an, als wären sie leer. Offenbar ist die Flüssigkeit abhanden gekommen. Wie kann das passieren? Äußerlich sehen die Dosen alle noch gut aus. Vielleicht bekommt ihnen das Gerolle nicht gut? Seit wir den Vorrat dezimieren, ist wieder Platz in der Bilge und einige Dosen fallen um, rollen den Rumpf hoch und runter. Wir werden wohl mal aussortieren müssen. Auch die Beschriftung mit einem Edding hält dem ab und zu mal vorbeischwappenden Bilgewasser nicht länger stand. Gestern sollte es Ravioli geben. “Das hier sieht aus wie eine Ravioli-Dose, ich mach die mal auf.” Und dann die Überraschung: “Zum Nachtisch gibt es Aprikosen.” Nach ein paar grauen Tagen ist heute endlich mal wieder die Sonne rausgekommen. Herrliches Wetter. Trotzdem ist das Bordleben beschwerlich, denn es rollen hohe Wellen von Steuerbord an und werfen das Schiff immer wieder auf die Seite. Cati hat heute früh Pfannkuchen zum Frühstück gebacken. Ohne Ei, die sind ausgegangen. Haben trotzdem super geschmeckt. Aber bei den Bewegungen war das schon eine Meisterleistung.

Menschen am Meer: Steve. Die Schlei. Oder: Warum ausgerechnet ein Amerikaner das beste Risotto kocht.

Mit der Kunst, italienisch zu kochen ist es wie mit der italienischen Sprache: Nur allzu leicht meint man, darin bewandert zu sein, es halbwegs „drauf“ zu haben. Worte und Gerichte gehen vergleichsweise leicht von der Hand. Und doch: stelle ich nach Jahrzehnten des Italienisch-Sprechens fest: Dies perfekt zu beherrschen, wirklich gut zu sprechen, ist ebenso schwieriges Unterfangen wie halbwegs Mandarin zu erlernen. Italienisch ist voll von Konnotationen. Kürzeln. Beigeschmäckern. An- und Be-Deutungen: die nur Italiener untereinander in ihrer Komplexität verstehen.

Ebenso ist es mit der italienischen Küche. Spaghetti Bolognese zum Beispiel. Augenscheinlich doch ganz einfach mit dem „Spaghetti-Hackfleisch-Dingsda“. Aber um das wirklich gut hinzubekommen: muss man schon einige geheime Regeln kennen. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe jahrelang in Italien versucht, mich in Restaurants an Köche ranzupirschen, um das Geheimnis einer richtig guten italienischen Muschelsauce herauszubekommen. Es dauerte Jahre, bis mir die Köchin des OBELISCO im Containerhafen von Livorno – sie kuckte immer durch ein klitzekleines Fenster aus der Küche ins Restaurant wie Lukas, der Lokomotivführer, aus seiner Emma – ihr einfaches kleines Geheimnis verriet. Seit dem Zeitpunkt sind „Spaghetti a lo Scoglio“ der Bringer.


Die Schlei im August: Das Licht am Morgen auf der „kleinen Breite“.

Die Freundschaft zwischen Steve und mir begann rein beruflich. Wir lernten uns auf einer Messe kennen. Er leitete einen großen Verlag. Ich einen kleinen. Wir verehrten beide denselben deutschen Verleger, stellten wir fest. Von da ab trafen wir uns einmal jährlich. Immer auf dieser Messe. Klinkten uns einfach für eine abends für eine halbe Stunde aus dem Getriebe der Messe aus. Für „die blaue Stunde“ hatte Steve eine besondere Flasche schottischen Whisky am Stand. Und vielleicht ist meine Liebe zu Whisky in jener halben Stunde auf der drögen CeBIT in Hannover geboren, in den Gesprächen mit Steve. Er war treu: War ich nicht da: stand er immer irgendwann am Stand und ließ seine Karte mit einer Notiz für mich zurück. Es war mir immer eine Freude. Denn jedesmal knurrte mein Boß: Steve: sei „seine Liga“. Steve und ich: wir machten uns ein Spiel daraus.

Irgendwann erzählte mir Steve was von einem Boot, das er sich gekauft hatte. Für die Schlei. Eine SCHÖCHL MANTA. Genau die hatte ich auch gekauft, wenige Monate zuvor. Wieder ein paar Jahre später, wieder auf der Messe, wieder abends zur „blauen Stunde“, als wir wieder über dem tarnenden Pappbecher mit klirrenden Eiswürfeln saßen, erzählte mir Steve in seiner engen Messekoje, er habe sich ein größeres Boot gekauft, ein 28 Fuß-Schiff. Da hatte ich gerade meine 31-Fuß-LEVJE gekauft.

Es dauerte noch ein paar Messen. Es waren noch ein paar Jahre „blaue Stunde“, mit 1 Whisky am Stand von Steve notwendig, bis wir es wagten: miteinander Segeln zu gehen. Er nahm mich auf seiner INE mit auf die Schlei. Wir segelten von der STOLLER-WERFT, fast ganz im Westen, durch Missunde, an Arnis, Kappeln, Schleimünde hinaus auf die Ostsee. Mal nach Kiel. Mal nach Sonderborg. Mal nach Marstal. Und seither gehört die Schlei im August für mich zum schönsten, was man als Segler erleben kann. Segeln eine englische Parklandschaften. Durch Fluß-Engen. Durch goldene Getreidefelder. An Pappeln, Backstein, Schlickbänken, Räuchereien entlang, zwischen sanft rollenden Hügeln dahin. Ein Traum.

Im vergangenen Jahr begleitete mich Steve zum ersten Mal aufs Mittelmeer. Er war noch nie im Mittelmeer gesegelt. Er kannte Italien nicht. Aber er machte mich rebellisch mit seinem Vorschlag für ein Abendmenü auf LEVJE: Steve schlug vor, Risotto zu kochen. Risotto mit Steinpilzen. Und grünem Spargel.

Häääh? Es war Juli. Kein Monat für grünen Spargel noch für Steinpilze.

Ich war skeptisch. Meine Meinung wurde nicht besser, als mich Steve quer durch Ancona hetzte auf der Suche nach blöden Steinpilzen. Ich hielt ihm die Packung hin. Dann jene. Er schüttelte entschieden den Kopf. Er quälte mich auf der Suche nach den richtigen Zutaten. Ich zog die Sache in die Länge. Können Amerikaner kochen?

Es dauerte bis Pescara, wo wir die Nacht nicht im Hafen, sondern als einziges Schiff hinter der Diga, der Mole ankerten. Steve verschwand unten in LEVJE’s Kombüse. Ich schaute oben in den Sonnenuntergang, in die Berge. Steve rumorte unten. Ich übte oben Knoten. Steve klapperte unten mit  tausenderlei Töpfen. Ich kuckte in den aufziehenden Sternhimmel. Steve stand unter Deck im Küchendampf. LEVJE’s Salon sah aus, als wäre eine Bombe explodiert. Bis aufs Vorschiff hatte Steve die wehrlose LEVJE in seine Aktion „Risotto mit Steinpilzen und grünem Spargel“ einbezogen. Una bomba! In medio della piazza!


Diesmal zelebriert Steve sein Risotto mit Pilzen zusätzlich mit einem in der Pfanne gebratenen Stück Weißfisch. 

Steve’s Risotto war ein Gedicht. Ein Feuerwerk an feinem Pilzgeschmack, zarter Anmutung an aufgegossenen Wein, leichtem Geschmack von schmelzendem Provolone und Grana, verkochendem Stangensellerie, Möhren, Knoblauch. Es war der Hammer. Es war unbeschreiblich. Steve hatte das ultimative Risotto geschaffen.

Bedächtig nahm ich Teller um Teller. Der Sternhimmel kreiste über uns. Die Weinflasche zwischen uns. Der zarte Wind und die Lichter der Stadt vom Ufer. Immer wieder turnte ich nach unten, Gabel um Gabel, Steve’s Risotto willenlos ausgeliefert.

Und weil es schon so ist, wie der gelegentlich wunderbare Johannes Mario Simmel in seinem noch wunderbareren Erstling ES MUSS NICHT IMMER KAVIAR schrieb: Konnte uns nach diesem Risotto nur wenig etwas anhaben. Selbst die italienische GUARDIA DI FINANZIA nicht, die nachts um drei mit einem Aufgebot starker Scheinwerfer erschien, um grell auszuleuchten, wer da ankerte, wo er nicht sollte.

Ich habe sie verscheucht. Mit einer lässigen Handbewegung. Wie eine Fliege von einem Teller mit wunderbarem Risotto.

Das Rezept für Steve’s Risotto:

RISOTTO MIT STEINPILZEN

2 Zwiebeln glasig in Butterschmalz anbraten (Der Dreh: aber gaaaanz langsam. Bis sie Golden sind)
Dann drei Sardellen zugeben. Mit schmelzen lassen.
Staudensellerie, Karotten, Knoblauch zugeben.
Risotto drauf, mit ziehen lassen.

Weisswein aufgiessen: es muss heiß sein, umrühren, bis der Weisswein verdampft.

Gemüsebrühe und Pilze;
Pilzwasser dazu
150 gr. getrocknete Steinpilze

abschmecken
zum Schluß: 150 gr. Parmesan mit etwas Provolone dazureiben. (Der Dreh: Da muss ein Berg Käse drunter, zum Schluß.)
 
… und was mir Steve erst gestern verraten hat, als wir wieder mal über seinem Risotto saßen und ich juchzte: Er gießt ganz zum Schluß noch mal leicht mit Wein auf.
 
Dieser durchtriebene Ami.
 
 
 
 

 

21. Tag auf See

740 Seemeilen noch, sagt das GPS. Etwa sechs Seetage. Bald lassen sie sich an einer Hand abzählen. Dafür hat aber der Wind etwas abgenommen und wir laufen “nur noch” 120er Etmale. Das Seegras nimmt dagegen zu. Von Herbert, der inzwischen 500 Meilen vorraus segelt, habe ich per SMS erfahren, dass er große Probleme damit hat, weil sich das Kraut in der freistehenden Schraube und im Hauptruder seiner Bavaria verfängt. Außerdem im Pendelruder der Windsteueranlage. Wir hatten bisher noch überhaupt keine Probleme damit, weil unsere Schraube und unserer Ruder ja durch Propellertunnel und Skeg sehr geschützt sind. Aber die Windsteueranlage fängt seit heute früh öfter mal an zu zittern. Wenn ich dann nachschaue, hängt ein ganzer Ballen an Seekraut daran. Das Schiff ist deswegen noch nicht aus dem Ruder gelaufen, die Anlage schafft es irgendwie trotzdem uns auf Kurs zu halten. Aber um ihr die Arbeit zu erleichtern, löse ich das Pendelruder dann ab uns zu mal durch Zug am Entriegelungsseil. Dann klappt es nach hinten hoch, das Ruderblatt schwimmt auf dem Wasser und das Kraut flutscht ab. Mit dem Bootshaken brauche ich dann nur kurz wieder von oben aufs Ruder zu drücken, damit es wieder unter Wasser klappt und einrastet. Der Tag heute fängt sehr grau an. Hier ist es jetzt 9 Uhr Ortszeit, 13 Uhr deutsche Zeit. Mal sehen, ob die Sonne noch rauskommt. Gestern haben wir den ganzen Nachmittag in der Sonne sitzen können. Ich nur für kurze Zeit, denn ich nehme noch Antibiotikum, und da bekommt die Sonne nicht so gut. Aber Cati ist schon brauner denn je. Jetzt liegt sie gerade in der Koje und macht ein Sodoku. Ich habe ihr auf Madeira an einem Kiosk noch einen dicken Block für 3 Euro gekauft. Den hat sie schon fast durch. Unglaublich. Heute steht mal wieder ein Rundum-Check an Deck an. Das mache ich alle zwei Tage. Prüfen, ob alle Splinte noch in den Bolzen stecken, alles abgetaped ist. Den Bolzen der Rollreffanlage, die Verschraubung der Bugplattform. Außerdem schaue ich mir genau die Walzungen an den Wanten und Stagen an. Als ich 2006 mit der kleinen “Maverick” in St. Lucia eingelaufen bin, hatten sich die Drähte zweier Unterwanten aus den Walzungen gelöst. Ein bisschen rostig sind manche schon, das bleibt im Salzwasser nicht aus. Jetzt, wo wir ein paar Tage mit trockenem Deck segeln, spüle ich den Flugrost und das getrocknete Salz mit ein wenig Süßwasser runter. Muss ja nicht weiterrosten … Jetzt, wo der Passatwind etwas nachlässt, reichen unser Windgenerator und das 90-Watt-Solarpaneel zum ersten Mal nicht mehr aus, um die Stromverbraucher zu versorgen. Die Flaute vor den Kanaren einmal ausgenommen. Bisher war die Batterie immer mindestens 90 Prozent gefüllt, weil Wind und Sonne selbst im Passat (also mit Wind von hinten. Scheinbarer Wind entsprechend klein) genug Strom geliefert haben, um neben GPS, AIS und Co sogar noch den Kühlschrank zu betreiben. Fantastisch. Ich bin das erste Mal so richtig mit Kühlschrank unterwegs und es ist schon echt ein Unterschied. Man kann Sachen, die nicht aufgegessen werden, einfach mal zwei, drei Tage frisch halten. Nach drei Wochen auf See haben wir vorgestern ein Brot gebacken und eine frische Packung Butter aufgemacht. Lecker! Damals, auf der kleinen “Maverick”, gehörten hingegen selbst Bier und Cola zu den Heißgetränken … ; )

20. Tag auf See

Das Leben an Bord ist um Welten angenehmer geworden. Kein Geschaukel mehr durch Wellen von der Seite, sondern guter Passatwind im Nacken. Haben wieder ein 128er Etmal gemacht, was nicht so schlecht ist. Das Wetter ist nun konstant, keine Squalls mehr. Also werde ich gleich mal ein bisschen ausreffen. Wir lesen viel, holen Schlaf nach und genießen das warme Wetter, den Sonnenschein. In den letzten Tagen war es ja eher grau und eklig. Ansonsten gibts heute nicht viel zu berichten. Es ist, wie es im Passatwind eigentlich sein sollte: Angenehm und schön! ; )

19. Tag auf See

Innerhalb der letzten 24 Stunden gab es an Bord zweierlei zu feiern: Gestern Abend haben wir die 2000ste Meile geloggt und heute früh standen nur noch 1000 Seemeilen bis Barbados auf dem GPS. Wir haben also mehr als zwei Drittel im Kielwasser. Das Wetter meint es derzeit gut mit uns. Seit gestern Nachmittag blauer Himmel, angenehmer Wind und gutes Vorankommen. Sind ein 128er Etmal gelaufen. Auch an Bord wird es wieder lebendiger. Cati hat sich für heute viele Aufgaben gesetzt. Gleich heute früh um sechs Uhr hat sie Kartoffeln aufgesetzt, damit wir heute Abend Kartoffelsalat mit Würstchen essen können. Dabei hat sie noch eine Süßkartoffel gefunden, die schon ein Weilchen am Schimmeln war. Bääh … Anschließend hat sie eine Backmischung angerührt. Aus einer Packung bekommen wir immer zwei Brote. Die Wellen sind heute etwas kleiner, da lässt es sich besser backen. Da unser Backofen-Thermostat ja ein wenig eigenwillig ist, bedarf es nämlich ständiger Überwachung (durch mich), damit das Brot nicht schwarz wird. Wir haben noch übermäßig viel Butter an Bord, also hat Cati heute auch gleich noch eine Kräuterbutter angerührt. Das wird heut Abend vielleicht lecker ; ) Anaonsten steht heute Duschen an. Die letzten Tage war es zu rau und zu kalt dafür. Wir haben einen schwarzen Baustellen-Eimer, den wir mit Seewasser füllen und ein paar Stunden in die Sonne stellen. Dann wird das Duschwasser schön warm. Ansonsten nichts neues von Bord. Wir genießen das ruhig(er)e Wetter und das gute Vorankommen. Vor allem die Sonne und die Chance mal wieder im Cockpit zu sitzen, ohne unfreiwillig geduscht zu werden. Vielleicht gibt es morgen schon wieder was zu feiern: Die letzte Woche auf See. Aber wir wollen noch nicht zu übermütig werden. Das Wetter kann uns auch immer noch einen Strich durch die Rechnung machen … Johannes

18. Tag auf See

“Ich glaub, die Genua steht schon wieder back”, höre ich Cati im Halbschlaf. Ein Blick auf die Uhr: Es ist ein Uhr nachts. War klar, dass heute Nacht wieder was kommen muss. Also springe ich schlaftrunken in Boxershort ins Cockpit. Tatsächlich, die Genua steht back. Das kann mal passieren, wenn man so platt vor dem Wind segelt, wie wir gerade. Dann eiert das Boot mal kurz über eine Welle, läuft ein wenig aus dem Ruder und zack, kommt der Wind zu weit von der Seite. Also raus, schnell am Rad kurbeln und zurück in die Koje. Es regnet ein wenig, grrr … Das Ruder wird gelegt … und plötzlich fängt es an zu wehen, dass “Maverick” sich schlagartig auf die Seite wirft. Der starke Regen fliegt waagerecht übers Cockpit hinweg. “Schnell, meine Jacke”, rufe ich. Schaffe es bei dem starken Wind aber kaum, die wegwehende Jacke über die Arme zu stülpen. Eine gefühlte Ewigkeit lang prescht der Regen über uns hinweg. “Maverick” scheint das geahnt zu haben und hat also beigedreht. Ich wusste das nicht und stehe nun im Regen. “Das ist ein Squall!” rufe ich durch den Regen zu Cati, die überraschend entspannt im Niedergang steht und mir beim Nasswerden zuschaut. Mit einem Mal hören der Wind und der Regen auf, von einer Sekunde auf die andere. “So schnell wie der kommt, geht der auch wieder.” Ich bringe das Schiff zurück auf den alten Kurs und klettere zurück unter Deck. “Was bleibt, ist die nasse Unterhose …” Das Wetter scheint gerade wahrlich verrückt zu spielen. Heute morgen ebenfalls nur grauer Himmel und dicke dunkle Wolken, aus denen noch zwei Squalls kamen. Ein starker, ein halbwegs starker. Es ist dann allerdings recht einfach, die Genua wegzudrehen (wenn man schnell genug ist) und das Schiff mit drittem Reff im Groß beizudrehen. Die Wellen sind nämlich kleiner geworden, nur noch drei bis vier Meter. Gestern waren wir noch eine Halse nach Süden gefahren, was aber ein Fehler war. Trotz unseres 122er Etmals haben wir nur etwa 80 Meilen aufs Ziel gutgemacht. Heute Morgen wieder zurück gehalst und zuerst ein wenig zu weit nach Norden gekommen. Vor dem Wind läuft es sich unter Selbststeueranlage nicht so doll, wegen möglicher oben genannter Halsen. Am besten immer zwischen Vor- und Raumwind, mit dem Groß in Lee. Jetzt laufen wir aber erfreulicherweise wieder genau aufs Ziel zu. Jetzt stehen noch 1092 Seemeilen auf dem GPS. Morgen früh sollten wir unter 1000 sein. Aber das haben wir gestern auch schon gesagt … Plötzlich hat der Himmel vor einer Stunde aufgerissen. Herrlicher Passatwind und fast keine Wolken mehr. Unsere Lebensgeister sind förmlich wieder erwacht. Cati hat aufgeräumt und das Bad geputzt, ich gerade meinen 3-Wochen-Bart aus dem Gesicht gekratzt. Nun liegt Cati im Bikini in der Sonne und ich sitze schwitzend unter Deck am Rechner, tippe diese Zeilen hier … Fliegende Fische werden seltener. Vorgestern ist einer im Cockpit gelandet und ist wohl über Nacht in Richtung Lenzrohre gerobbt. Hat es aber nicht geschafft, drei Zentimeter davor zum Erliegen gekommen. Schade. Irgendwie immer ein schlechtes Gewissen, so viele tote Fische an Deck. Aber wie soll man die abwimmeln, die kommen ja von selbst. Außerdem fahren wir gerade mal wieder durch gigantische Seegras-Felder. Die größten bisher. Große, leuchtend gelbe Pflanzenknäule. Verrückt. Soweit die News von der “Maverick”. Viele Grüße von See! Johannes

Neulich im Götakanal

Und hier ein weiterer Zusammenschnitt von Videoszenen, die dieses Mal während meines Törns 2014 durch den Göta- und Trollhättenkanal entstanden sind. Die gesamte Strecke ist dabei einhand zu befahren. Im Götakanal benötigt man aber auf jeden Fall beim Aufwärtsschleusen eine Hand an Land. Diese Aufgabe hatte bei mir auf Nachfrage der Schleusenwärter übernommen. Insofern bietet sich die sogenannte Konvoizeit für Einhandsegler an, denn ein Schleusenwärter fährt den ganzen Tag neben dem Konvoi her und bedient die Schleusen. Man sollte sich dann noch mit den anderen Booten darauf einigen immer als letztes Boot in die jeweilige Schleuse zu fahren, denn nur dann hat man die Zeit und Ruhe, die man zum An- und Ablegen benötigt. Auf jeden Fall werden die Tage als Alleinesegler lang, denn weder in den Schleusen noch in den Kanalstücken kann man die Pinne auch nur kurz dem Autopiloten anvertrauen.

17. Tag auf See

Das Leben an Bord der “Maverick too” bleibt holperig. Der Wind hat zwar ein bisschen nachgelassen, doch die Wellen sind immernoch um fünf Meter hoch und bescheren uns schnelle Surfgänge von den Bergen hinunter in die Täler. Das ganze Schiff zittert und knattert dann. Das Etmal sieht entsprechend aus, wieder 142 Seemeilen geschafft. Wir hätten auch mehr Meilen laufen können, doch ich versuche immer wieder die “Maverick” am Surfen zu hindern, damit sie nicht mal irgendwann aus dem Ruder läuft und quer zur Welle gerät. Heute Mittag ist das trotzdem passiert. Die Steuerleinen der Windsteueranlage waren wohl zu schlaff. Ich habe neue Leinen eingezogen, die noch relativ viel Reck haben. Plötzlich ist die Bewegung anders, das Schiff schaukelt von rechts nach links. “Wir sind aus dem Ruder gelaufen”, sagt ich, springe zum Luk, da knallt es auch schon und das ganze Seitendeck an Backbord ist bis zu den Fenstern unter Wasser. Wir stehen noch am Kartentisch, staunen, da kommt die nächste Welle. Mit einem gewaltigen Knall trifft sie den Bug. Als hätten wir einen festen Gegenstand gerammt. Wir sind richtig zusammengezuckt. Schnell raus an Deck, das Schiff auf Kurs bringen. “Cati guck du nach der Bilge, kommt Wasser?” – “Nöö, alles wie immer.” Gut. Würde mich aber wundern, wenn der Knall keine Schäden hinterlassen hätte. Und tatsächlich, im Vorschiff finde ich Spuren des Aufschlags: Zwischen Rumpf und Seitendeck sind Dreieck-Holzleisten an den Rumpf geklebt, die eine Wandverkleidung zwischen Deck und Wand tregen. Offenbar hat uns die Welle also auf Höhe der Vorschiffskoje so hart gegen den Rumpf getroffen, dass er gefedert hat und dieses Holzdreieck abgerissen ist. Wahnsinn. Was für eine Kraft da gewirkt hat. Ansonsten habe ich keine weiteren Schäden gefunden, ist aber gut möglich, dass das Winkellaminat daneben am Schott auch abgerissen ist. Das soll uns aber noch nicht jucken, denn es ist kein tragendes Schott, sondern nur ein Raumteiler. An Deck sind keine Spuren des Aufpralls zu sehen. Gegen Nachmittag erfahre ich per Kurzwelle von Herbert, der 400 Meilen vor uns segelt, dass er eine ähnliche See erlebt und zudem mit Seegras zu kämpfen hat, das sich um seine Windsteueranlage wickelt. Wir durchsegeln ebenfalls riesige Seegrasfelder, aber unsere kräftige Monitor schüttelt das Gras einfach wieder ab. Das Gespräch bricht immer wieder ab. Irgendwann finde ich endlich den Fehler, der mir schon seit Wochen die Kommunikation schwer macht: Das Kabel zwischen Funkgerät und Tuner scheint an einer Stelle beschädigt zu sein. Wenn ich es in eine bestimmte Richtung knicke, ist der Empfang um Welten besser. Das muss ich in der Karibik dann wohl mal tauschen. Es sei denn, wir kommen vorher noch an einem Mediamarkt vorbei … Viele Grüße! Johannes

Ein Sommer in 4 Bildern.

Ein halbes Jahr unterwegs ist ja eine lange Zeit. Ergo ist nicht immer nur eitel Sonnenschein sondern man ist sämtlichen Irrungen und Wirrungen des Wetters ausgesetzt. Irgendwie lebt man ja so halb draußen. Mir ist auch aufgefallen, dass ich Wetter, Wolken, Wetterumschwünge seit der Rückkehr viel bewusster wahrnehme.

Was ich aber eigentlich loswerden wollte: Ich habe neulich 4 originale Beispielbilder gefunden, die das Ganze ganz witzig darstellen:

 

Brunsbüttel - 28. März
Öregrund, Schweden - 23. Juli
Götakanal, Schweden - 17. August
Dänemark - 24. September

 

 

16. Tag auf See

Das Leben an Bord gleicht inzwischen einer Achterbahnfahrt. Der Wind hat letzte Nacht, Punkt 1 Uhr, wieder zugelegt. Zwischendurch hatten wir immer wieder 6 bis 7 Beaufort, in Böen 8. Ganz schön viel. Die Wellen bauen sich immer höher auf und kommen immernoch schräg von achtern. Das ist eigentlich das Schlimmste. Mit dem Wind können wir umgehen, aber die Wellen werfen uns immer wieder heftig auf die Seite, was das Leben hier an Bord nicht einfacher macht. Auch draußen im Cockpit sitzen geht wieder nur im Ölzeug, weil die Wellen regelmäßig ihren Weg ins Cockpit finden. Etwa 400 Meilen vor uns segelt Leidensgenosse Herbert mit seiner “Maya”. Seit Tagen versuchen wir uns über Kurzwelle zu erreichen, aber ich konnte ihn bisher nie zu den verabredeten Terminen hören. Eben um 14.30 Uhr hab ich dann in den Seglerfunk reingehört, konnte ganz schwach Dietmar von der “Summer” auf den Kanaren hören, der Herbert einen Wetterbericht durchgegeben hat, der ja auch für uns gültig sein wird. Der Wind soll wohl erst in vier Tagen abflauen. Dann haben wir also noch ein paar ruppige Tage vor uns. Cati ist vorhin beim Kaffeeaufbrühen in einer Welle mitsamt dem Handfilter quer durch die Kajüte geschossen und hat überall Kaffeepulver verteilt. Ihre Rettungsweste hat jetzt Kaffee-Aroma. Der Boden vor dem Kocher wurde in den letzten Tagen dreimal gewischt. Einmal lagen dort Cocktailfrüchte (von Aldi), dann Reiswasser – und vorgestern eine Uncle-Bens-Sauce, die den kurzen Weg aus dem Glas in den Topf nur über Umwege gefunden hat. Bei dem permanenten Gerolle fühlt man sich manchmal wie schwerelos. Man gießt etwas in ein Gefäß, etwa Saft in ein Glas, hält den Auslaufstutzen der Safttüte genau über das Glas – dann kommt eine Welle und die Flüssigkeit fließt über das Glas hinweg auf den Fußboden … Der Wetterbericht sagt aber auch, dass die Wellen in den nächsten Tagen ihre Richtung ändern und mehr achterlich kommen sollen. Das wäre für uns ein großes Geschenk, denn dann rollen wir gleichmäßig und zu gleichen Teilen nach Steuerbord und Backbord und werden nicht mehr so überraschend von den großen Wellen auf die Seite geworfen. Es war cool, ein paar Minuten mit Herbert zu plaudern. Hab ihn wirklich perfekt empfangen. Ganz überraschend, denn obwohl er während der Wettervorhersage gar nicht zu hören war (zu nah für die hohe Frequenz, hab ich gedacht …) machte es plötzlich “klick” und wir haben uns prima verstanden. Leidensgenossen auf See. Er sagt, sein fast drei Meter längeres Schiff wird genauso durch die Gegend geworfen, dass sie Sorge haben, die Kinder werden von irgendwas schwerem getroffen. Beruhigend, dass es auf den größeren Booten genauso ruppig zugeht wie hier. Wenn ich allerdings das Segeln auf der “Maverick too” mit der Atlantiküberquerung 2005 auf meiner kleinen “Maverick” vergleiche, ist das schon ein himmelweiter Unterschied. Das Schiff hatte nur einen Meter Tiefgang und ist von den Wellen nur so durchgependelt worden. Dagegen segelt es sich hier auf diesem Boot noch ausgesprochen bequem ; ) Soweit die Neuigkeiten. Noch 1340 Seemeilen bis Barbados, Etmal: 142 Seemeilen. Johannes