Monat: September 2014

EINLADUNG: Ankunft in KAPPELN – 05.10.14

Moin Moin! Es lässt sich nicht mehr leugnen, die Ankunft steht vor der Tür. Am nächsten Sonntag, am Ende des langen Wochenendes, werde ich in Kappeln eintreffen und das Projekt “Rund Ostsee” beenden. Wer mich auf den letzten Metern begleiten möchte, oder auch nur am Steg auf ein gemeinsames Festmacher vorbeikommen will, darf sich gerne eingeladen fühlen!

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Ich werde ( Stand jetzt) mit der 14:45 Brückenöffnung durch die Kappelner Brücke gehen und gleich dahinter im Hafen meines Vereins, ASC, festmachen. Durch Schleimünde werde ich dementsprechend wohl eine Stunde vorher kommen.

Also, falls ihr in der Nähe seid kommt gerne vorbei und begleitet mich auf den letzten Metern. :-)

7 Tipps für das Segeln in der Türkei: Erforderliche Papiere,Vorschriften, Internet, Wetterdienste.

Die Bucht Ciftlik, wenige Seemeilen südwestlich von Marmaris. Sauberes Wasser, gut gewartete Restaurantstege, an denen man kostenlos liegen kann. Aber alles hat seinen Preis: Die Küstenwache kontrolliert auch dort penibel, ob man seinen Fäkalientank immer ordentlich im Hafen entleert. Und der Restaurantbesitzer erwartet für den kostenlosen Liegeplatz, dass wir unser Abendessen bei ihm und nicht am Nachbarsteg einnehmen.

In der türkischen Ägäis segelnd, folgende 7 Tipps (Stand Oktober 2014):
Da ich diesen Post aktuell halten will, bin ich auf Feedback, Fragen, Kritik, Anregungen angewiesen.  Und bitte Sie in jedem Fall um eine Mail. Auch wenn Sie mir nur sagen wollen: „War alles richtig und brauchbar.“

Unterwegs mit dem eigenen Boot: Einklarieren und erforderliche Permits (Stand September 2014)

Fürs Einklarieren in der Türkei können Sie die in jedem Hafen und jeder Marina ansässigen Agenten beauftragen – einfach beim Hafenmeister oder in der Marina nachfragen. Da deren Preise aber schwanken – ich habe von 20 € bis 100 € für die Erstregistrierung alles erlebt – lohnt sich das nachfragen. Als Charterer erledigt das Transitlog sowieso Ihr örtliches Charterbüro – gegen die oben genannten Gebühren.
Da ich es aber genau wissen wollte: habe ich versucht, ohne Agenten einzuklarieren – was fast klappte. Ganz – so meine Erfahrung – kommt man allerdings ohne einen Agenten nicht aus.

    Das kleine Hafenstädtchen Bozburun auf der Halbinsel Datca lockt mit guten Restaurants und perfektem Lebensmittel-  
     Angebot. Ein Ort zum „Auffüllen“. Richtig nett wirds allerdings ein bis zwei Seemeilen südlich des Hafens: Schwimmen 
      im kristallklaren Wasser – und herrliches Ankern zwischen den Inseln.

1. Das ist wichtig an Dokumenten, Gebühren und Vorschriften: 

1.1 Das Transitlog

Das Tranistlog ist das wichtigste Dokument für Ihren Törn in der Türkei. Es ist ein einfacher, aus mehreren Seiten bestehender Durchschreibsatz, den Sie in der örtlichen Marina erwerben und nacheinander von fünf verschiedenen Stellen/Personen bearbeiten und abstempeln lassen:
1. Ein Agent macht für Sie den Grundeintrag ins türkische Register: sechs, sieben Zeilen mit Bootsnamen, Nationalität. Dies können Sie nicht selber übernehmen, den Systemzugang hat nur der Agent. Gelegentlich macht es wohl ein gutwilliger Hafenmeister oder auch eine örtliche Seefahrtsbehörde.
2. Amtsarzt.
3. Zoll.
4. Passkontrolle.
5. Port Authority.
Das Transitlog wird sowohl in Marinas als auch bei Kontrollen durch die Küstenwache (Sahil Güvenlik) verlangt und eingesehen.

1.1 Die Wahl des Einklarierungshafens
Diese hat ganz erheblichen Einfluß auf die Zeit, die Sie für das Erstellen des Transitlogs einrechnen müssen. Immerhin sind fünf Stationen nacheinander abzuarbeiten: Agent, Amtsarzt, Zoll, Passkontrolle, Port Authority. 
In der Marina Turgutreis sitzen alle fünf Personen praktisch in EINEM Gebäude, dem Fähranleger im Süden der Marina. Mein Zeitaufwand: 2,5 Stunden.
In der Marina Bodrum sitzen die vier Behörden bis zu 40 Minuten Gehweg auseinander: Zeitaufwand eines befreundeten Seglers für dieselbe Prozedur: über 6,5 Stunden
Datca: keine Erfahrungen. Da der Ort nicht groß ist, gehe ich eher von kurzen Distanzen aus. Zudem liefen Gerüchte um, dass Datca als Einklarierungshafen geschlossen worden sei? Also vorher anrufen.
Marmaris: Zumindest die Port Authority sitzt am „anderen Ende“ der Stadt wie die Marina. Also: Zeitaufwand für Gehwege mit einplanen. Und da Marmaris ein großer Charterhafen ist: auch Wartezeiten bei jeder der einzelnen Behörden. Der Agent vor mir in der Marmaris Port Authority hatte die Transitlogs für 100 (!) Yachten dabei. Der Hafenmeister meinte, wir sollten in zwei Stunden wiederkommen… Aber der Agent war wohlwollend. Und ließ uns vor.

1.2 Kosten

Das blanke Transitlog, der Durchschreibsatz, kostete in der Marina Turgutreis 51 €.
Hinzu kam – als Minimalgebühr für das Erfassen meiner „sieben Zeilen“ im türkischen Register – 20 € an den Agenten.

ADAC Bootsschein und Bootsführerschein sowie blauen Versicherungsschein nicht vergessen.

    Der Steg des Restaurants RAFET BABA, diesmal von der anderen Seite. Mattelagen, Sonnenschirme, Stranddusche: wie   
     so oft ist die Türkei perfekt bis ins Detail.   

1.3 Fäkalientank

In der Türkei herrscht Tankpflicht. Das Einleiten von Fäkalien in Buchten wird nicht als Kavaliersdelikt angesehen. Ich kenne den Eigner einer 17-Meter-Yacht, der in Istanbul in einer Marina wegen angeblichen Einleitens von Fäkalien mit einer Forderung von 10.000 € konfrontiert wurde – und nur mit Mühe die Forderung abwenden konnte. „Nie wieder Türkei“, sein Fazit.
Das Positive:  man merkt es eindeutig an der Wasserqualität, die schon beeindruckend ist. Auch in engen Buchten mit fast stehendem Gewässer glasklares Wasser. Da hat sich seit meinem ersten Türkei-Törn 1998 sehr viel getan. Allerdings waren das Problem damals auch weniger die Yachties, sondern vielmehr die türkischen Gülets mit Hunderten ferienfroher Tagesausflügler aus den Hotels von Antalya, nach denen an ein Schwimmen in der Bucht einfach nicht mehr zu denken war.
Zwar gibt es viele ausländische Bootsbesitzer, die nach wie vor ohne Fäkalientank in der Türkei unterwegs sind. Aber wer einen längeren Aufenthalt in türkischen Gewässern einplant, sollte sich einen Tank einbauen lassen – vor allem im Marmaris traf ich auf fixe Bootstechniker mit hervorragendem Know-How zu dem Thema, inklusive individuell für mein Schiff hergestelltem Schwarzwasser-Tank.

    Die Bucht von Bozukale auf der Loryma-Halbinsel, südwestlich von Marmaris.   

1.4 Die „blaue“ Magnetkarte

Ein ernstes Thema: Und dummerweise weist den ankommenden Segler weder bei der Einreise noch beim Einklarieren eine Marina, ein Agent oder Hafenmeister auf Folgendes hin:
Vor einigen Jahren führte die Türkei eine blaue Magnetkarte ein, mit der jeder Eigner nachweisen muss, dass er seine Fakälientanks ordentlich im Hafen hat abpumpen lassen. Bisher galt „Entweder drei Meilen vor der Küste“ oder „im Hafen abpumpen“. Da wird’s nun ganz ernst, denn die Türkei hat die Regelungen zur blauen Karte in diesem Jahr verschärft:
– jeder Bootseigner MUSS eine blaue Karte haben (Ob man einen Tank eingebaut hat, wird nicht kontrolliert. Ob man eine blaue Karte hat: schon.)
– jeder Bootseigner muss auf dem Magnetchip mehrfaches Abpumpen nachweisen (wohlgemerkt: ob man einen Tank eingebaut hat, wird nicht kontrolliert. Lediglich der Nachweis des Abpumpens wird kontrolliert …)
– hat man keine blaue Magnetkarte: drohen wiederum saftige Geldstrafen.
Die Behörden meinen es ziemlich ernst, das haben wir auch vergangene Woche bei der Kontrolle aller Boote in der Bucht Ciftlik durch die SAHIL GÜVENLIK, die Küstenwache, am eigenen Leib gemerkt. Noch vor den Pässen oder dem Tranistlog wird per Smartphone die Eintragung auf der „blauen Karte“ kontrolliert. 
Da zeigt die streng geführte Türkei ihre bürokratischen Zähne. Und in Verbindung mit saftigen Marina-Preisen und manch „cleverem“ Restaurant-Stegbetreiber kommt man dann schon auch an ein „Nie wieder Türkei“ heran.

Die blaue Karte kostet 25 €. Und man kann sie in jedem Hafen und jeder Marina erwerben. Nur dass man sie braucht: DAS sagt einem keiner. Also auch wenn beim Erwerb des Transitlogs niemand davon spricht: gleich mitorganisieren. Die Behörden wollen die blaue Karte sehen.

3. Internet in der Türkei (Stand September 2014):

Schon in Griechenland waren meine Erfahrungen mit COSMOTE sehr gut. In der Türkei habe ich mir von TURKCELL im örtlichen Shop in Turgutreis eine Karte geholt: 10 GB für 3 Monate Laufzeit für 99 TL, also etwa 37 €. Die TURKCELL ist nach VODAFONE in der Türkei der größte Netzbetreiber – entsprechend gut funktionierte das System auch in abgelegenen Gegenden. Arbeiten vom fahrenden Überland-Bus aus kein Problem.
Die Karte erhält man in allen örtlichen Telefonläden. Sie ist innerhalb einer Viertelstunde nach Erwerb freigeschaltet. Pfiffig.

4. Internet-Wetterdienste

Auch in der Türkei arbeite ich mit den Wetterdiensten, die ich in mehreren Wetterartikeln in diesem Blog vorgestellt habe: Im Wesentlichen – da wir vor der Haustüre von Rhodos segeln – sind es griechische: die Windkarten von Poseidon, HNMS für die „Warnings“ sowie Windguru und Meteo Marine.
Gleich vorweg: Solche „dauerhaft stabilen“ Abweichungen bei allen Vorhersagen zwischen Vorhersage und Wirklichkeit habe ich nun über Jahre hinweg in keinem anderen Revier erlebt. Das hat vor allem mit den gebirgigen türkischen Küsten zu tun, die täglich beschliessen, etwas ganz anderes an Wind zu produzieren als sie eigentlich eben noch wollten. Die Hauptrichtung steht von Juni bis Anfang September zwar fest: Meist Nordwest, gelegentlich mehr West oder ein bisschen mehr Nord. In den Windstärke-Angaben liegen die Vorhersagen aber herzhaft daneben.
Beispiel vergangene Woche: Vorhersage Poseidon und Windguru „Nordwest 4 bft“. De facto war das nicht sooooo verkehrt, es waren 4-5 bft., eher 5 bft. ablandig. Bis auf die 26-33 Knoten-Böen, die Levje fünf-, sechs-, siebenmal flach aufs Wasser legten…
Meine Faustregel: Schläft der Meltemi abends pünktlich um 10 Uhr ein, ist für den nächsten Tag wenig zu fürchten. Hält er in der Nacht stark und böig durch: dann kann es am nächsten Tag – ab 15 Uhr, wenn der Meltemi kräftig wird – auch mal mit 35 Knoten und darüber wehen.

5. Revierführer
Obwohl von manchen kritischen Lesern in den Wertungen als „veraltet“, „überholt“ bezeichnet, weil 1994 erstmals erschienen, fand ich das Buch von Andrea Horn/Wyn Hoop: TÜRKISCHE KÜSTE/OSTGRIECHISCHE INSELN immer noch ausgesprochen brauchbar und aktuell. Ich arbeite mit der 5. Auflage und finde die Angaben bislang sehr verlässlich.

    Auf dem Weg nach Bozburun.

13. JadeWeserPort-CUP: Leinen los zur ältesten Traditionssegler-Regatta Deutschlands

LogoWilhelmshaven – Wilhelmshaven setzt die Segel. Zum dreizehnten Mal startet am ersten Oktoberwochenende die älteste Traditionssegler-Regatta Deutschlands – der JadeWeserPort-CUP. Vom 03. bis 05. Oktober 2014 können interessierte Besucher die spannende Regatta der Traditionssegler auf der Jade selbst miterleben. Neben dem garantiert unvergesslichen Wettstreit am Samstag auf der Jade sorgt auch das Rahmenprogramm mit Straßenkünstlern, Hafenrundfahrten und Bühnenprogramm von Freitag bis Sonntag für abwechslungsreiche Unterhaltung. Somit steht eines bereits fest: es wird bunt und richtig maritim – an allen Tagen!

Eröffnet wird das Veranstaltungswochenende am Freitag, dem Tag der deutschen Einheit, mit dem Kajenmarkt. In maritimer Atmosphäre können Besucher die Schlemmermeile am Bontekai entlang schlendern. Die Crews und Kapitäne der Traditionssegler öffnen ihre Luken und laden zu kostenfreien Schiffsbesichtigungen ein. Das überwältigende Höhenfeuerwerk, das den Himmel über dem Großen Hafen hell erleuchten wird, ist der krönende Abschluss des Freitages.

Am Samstag um 08.30 Uhr heißt es „Leinen los“ zur Fahrt um den begehrten JadeWeserPort-CUP 2014. Die Regatta hat sich zu einer festen und überaus beliebten Veranstaltung mit überregionaler Strahlkraft entwickelt und wird erstmalig durch die Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH veranstaltet.

Während die Traditionssegler auf der Jade um den Regattasieg kämpfen, startet im Großen Hafen die Jugend zur Wettfahrt beim JadeWeserPort-Junior-CUP. Am Nachmittag findet zudem das 3. Hafenschwimmen statt. Zurückzulegen ist eine Strecke von der Deichbrücke bei der DLRG bis zum Feuerschiff und wieder zurück.

Das Highlight der Veranstaltung bildet am späten Nachmittag die Einlaufparade der Segler durch die Kaiser-Wilhelm-Brücke. Dann kehren die zahlreichen Traditionssegler von der Regatta auf der Jade zurück. Das Spektakel bietet fantastische Fotomotive. Die Sieger werden anschließend auf der Bühne am Bontekai geehrt. Am Abend kann bei der großen Seglerparty mit Live-Musik im Pumpwerk ausgiebig gefeiert werden.

Am Sonntag laden die Traditionssegler dann noch einmal zum kostenfreien „Open-Ship“ ein. Hier können Besucher die Schiffe genauer erkunden, einen Blick in den Steuerstand werfen und die überwältigende Kulisse der Segler am Bontekai genießen. Unter dem Motto „Piratencity“ findet zudem wieder ein verkaufsoffener Sonntag statt, der die Wilhelmshavener Innenstadt in ein Piratennest verwandeln und großen wie kleinen Kunden einen abenteuerlichen Piratensonntag bescheren wird.

Tickets für das Segelerlebnis am Samstag sind unter www.jadeweserport-cup.de sowie bei der Tourist-Information Wilhelmshaven in der NordseePassage unter 04421 / 91 3000 erhältlich.

Informationen zu den Marinas und Anlegestellen am Veranstaltungsort unter www.marinafuehrer.adac.de

Der Vorhang für den Sommer fällt – Anholt

Ich wollte auf der Rückfahrt unbedingt noch auf Anholt vorbeischauen. Die Insel hat mich bei meinem ersten Besuch dort nachhaltig fasziniert. Der Haken dabei: Ich müsste von Albaek wohl durchfahren, denn am nächsten Tag soll ein erster Herbststurm aufziehen. Bis dahin soll der Ostwind aber noch wehen…

Kurzes Nachdenken und dann los! Der erste Teil der Reise verläuft unspektakulär. Die Sonne scheint, der Wind weht leicht aus Ost und so geht es entlang der jütländischen Küste vorbei an Frederikshavn und Laesø. Es ist ein ruhiger Sommertag wie es schon so viele gab. Der Gennacker steht, ich muss kaum was tun außer mal nach dem Kurs oder anderen Schiffen zu tun. Ich habe Zeit über Vieles nachzudenken, ein wenig zu lesen oder ein 1A Mittagessen (Maggi ;-) )zu genießen. Schon den ganzen Tag ist die Sicht aber eher moderat. Vielleicht gerade mal 10km. Und wer meinen Geschichten schon eine Weile folgt, kann sich bestimmt denken was jetzt kommt.

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Ich bin gerade irgendwo im Nirgendwo zwischen der Insel Laesø und Anholt und nach dem letzten Rundumblick vor 5 Minuten eher in mein Buch vertieft, als mir auf einmal buchstäblich ein kalter feuchter Schauer durchs Gesicht fährt. Ich blicke auf und sehe: Nichts. Mal wieder Nebel. Keine 50m Sicht und der Wind schläft innerhalb von Sekunden ein. Nach einigen Minuten wüsten Flüchen (Nebel hatte ich dieses Jahr nun schon wirklich genug) arrangier ich mich halt damit. Hier ist sowieso nichts los, das letzte Schiff habe ich schon vor Stunden gesehen. Außerdem bin ich mitten auf offener See weitab der Schifffahrtsrouten, außer Häfen der sicherste Platz im Nebel. Und nach den Nebelerfahrungen im Frühjahr gehe ich mittlerweile ziemlich locker damit um. “Einfach weiter, passt schon”. Was soll man auch schon anderes machen. Wenn ich einfach liegenbleibe und nichts tue bleiben mir im Zweifel wenn jemand auftaucht nur Sekundenbruchteile mehr um zu reagieren, als wenn ich einfach weitertucker. Das bringts dann auch nicht…
An diesem Nebel ist allerdings etwas ganz Anderes bemerkenswert. Wie ein Theatervorhang schmeißt er den Sommer von der Bühne. Noch vor wenigen Stunden schien die Sonne, es war warm, ein leichter Ostwind wehte. Als der Nebel sich mitten in der Nacht schließlich lichtete, kam der Wind aus Westen und sollte sich innerhalb von 12 Stunden auf Sturmstärke mit Regen und allen Schikanen verstärken. Der Nebel markiert das Ende des Sommers… Auch die fast 4 Wochen andauernde Ostwindphase ist damit vorbei. Schade! Denn die hat stabiles schönes Wetter garantiert. Einen anderen Wind als Ost hatte ich das letzte Mal noch auf dem Vänern…

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Zunächst aber sollte der Nebel noch bis weit in die Nacht anhalten. Selbst als der Wind langsam aus Westen aufkam, hielt er sich noch. Im Dunkeln ist Nebel besonders unangenehm. Die Positionslampen reflektieren sich in der feuchten Luft und blenden einen. “Aber was soll Nachtsicht auch schon bringen? Es gibt ja eh nichts zu sehen”, tröste ich mich. Irgendwann hat das Wetter auch ein Einsehen mit mir. Kurz vor Anholt reisst der Himmel dann auch. Der gigantische Windpark im Westen blitzt regelmäßig aus, und ich kann zu meinem Schrecken auch einige Fischerboote in einiger Entfernung ausmachen. So dicht der Nebel eben noch wahr, so klar ist jetzt der Himmel. Und weit hier draußen, mit kaum Licht um einen herum, sind die Sterne so klar wie seit der Überfahrt nach Polen nicht mehr auszumachen. Sogar die Milchstraße ist klar und deutlich erkennbar. Mit dem Fernglas erkenne ich abertausende dicht zusammengedrängte Sterne. Heute genieße ich diesen Anblick, der in den letzten Monaten schon fast normal geworden ist, ganz besonders. Vielleicht ist es meine letzte Nacht auf See.
Weit nach Mitternacht mache ich dann im Hafen von Anholt fest.

Auch Anholt, im Sommer ein absoluter Hotspot, ist bereits wie ausgestorben. Ganze 3 andere Boote sind außer mir hier. Alle liegen mal wieder längsseits. Normalerweise muss man hier wie auch in Smögen um jeden Zentimeter Steg kämpfen. Doch im Gegensatz zu Smögen, welches leer einfach nur halb so schön ist, entfaltet Anholt  seinen Charme jetzt erst so richtig. Der angekündigte Sturm bläst an diesem Morgen bereits mit guten 7 Beaufort. Eine Fahrt nach Anholt wäre heute also eher schwerlich möglich. Wer jetzt noch ankommt, wird ordentlich auf links gedreht. Am Hafen laufen einige Fischer herum, die Hände tief in die Jackentaschen gestopft. Ansonsten wirkt der Hafen wie ausgestorben. Sämtliche Fischgeschäfte und Imbisse haben ihre Läden bereits verrammelt. Heißt leider auch, dass es keine Internetcoupons für das Hafen WLAN mehr gibt. Das war aber während meines Aufenthaltes hier auch das einzige Manko. Diese Leere während des aufziehenden schlechten Wetters verleiht dem Hafen diesen Eindruck die einzige Verbindung zur Welt an einem abgelegenen Winkel selbiger zu sein. Und das ist er ja irgendwie auch. Er erinnert mich sehr an den Hafen Bensersiel in der Verfilmung von “Das Rätsel der Sandbank”. Mir gefällt diese Stimmung. Im vollbelegten Anholt des Sommer wäre das hier sicher ganz anders.

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Alle Segler haben sich in ihre Boote verkrochen. Nur hin und wieder schaut man mal raus um sicherzustellen, dass man nicht schon weggeflogen ist. Es gibt ja diesen Spruch, wie Männer die in einer Kneipe immer zur selben Zeit zur Toilette gehen, nach dem zweiten Mal dicke Kumpels sind. Und nachdem Hugo und ich immer zur selben Zeit nach dem Wetter schauen, winken wir uns kurz zu und ich bin zum Kaffee auf der “Brigo” aus Bremen eingeladen. Wieder einmal werden viele Erfahrungen des Sommers ausgetauscht.

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Es hilft aber alles nichts, ich bin ja nicht nach Anholt gekommen um nur auf dem Boot herumzusitzen. Also mache ich mich noch auf zu einer kleinen Inselrundfahrt, denn Anholt ist wirklich besonders. Diese kleine Insel ist wie eine Miniaturwelt mitten auf dem Wasser. Es gibt Berge, Täler, Strände, Heidefelder, Dünen die so riesig sind, dass sie wie eine Wüste wirken. Wer mit dem Fahrrad über die Insel fährt, hat in der einen Minute das Gefühl auf Sylt entlangzufahren, und 5 min. später durchs ostwestfälische Bergland. Das kleine Dorf, fast ohne asphaltierte Straßen hat ebenfalls seinen Reiz. Obwohl die Insel vom Tourismus lebt, ist hier nichts herausgeputzt. Außer der geschlossenen Bude am Hafen gibt es sogar nur ein einziges Gasthaus, Touristen dürfen ihre Autos nicht mit auf die Insel nehmen (lohnt sich wohl auch nicht), und kulturelle Sehenswürdigkeiten sind auch spärlich gesät. Ich habe ja zwar für das Internet eine dänische SIM-Karte, aber nicht mal alle dänischen Provider haben hier ein Netz aufgebaut. Wer hier her kommt sucht entweder die Natur oder Ruhe. Der Kro hat jetzt nach Saisonschluss nur 3 Stunden am Tag geöffnet. Ehrensache, dass in dieser Zeit am Sonntag fast das ganze Dorf vorbeischaut. Bei der Einrichtung würde jeder Blindenhund zwar nach Hilfe jaulen, aber diese urige Stimmung macht das wieder wett. Auf Anholt läuft die Zeit einfach in einem ganz anderen Rhythmus. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Ich kann mir glaube ich keinen besseren Ort vorstellen, um mal so richtig den Kopf freizubekommen. Ablenkung gibt es hier fast keine. Anholt in der Nachsaison ist eine echte Offenbarung. Es scheint, als wäre das hier eine ganz andere Insel als imJuli/August.

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Am nächsten Tag tobt dann der erste Herbststurm so richtig. Bis zu 53kn, das ist Windstärke 10 – schwerer Sturm, werden im Hafen gemessen. Heute kommt wohl niemand mehr hier an. Da spare ich mir die Wanderung durch die Dünen ans andere Ende der Insel lieber. Wobei, wäre bestimmt ein klasse Gesichtspeeling. Ein Gang durch das Innere der Insel, wo der Wind deutlich schwächer weht, muss reichen. Trotzdem stellt der ein eindrucksvolles Naturschauspiel dar. Der ganze Strand scheint halb wegzufliegen und die Gischt auf der Brandung an der Leeküste weht in die entgegengesetzte Richtung. Erst am späten Abend beruhigt sich das Wetter wieder ein wenig. Zur Abreise gibt es noch ein kleines Ärgernis. Der Automat am Hafen behält meine Wertkarte, mit der für Wasser und Strom bezahlt wird, einfach ohne Auszahlung des Restguthabens ein. Eigentlich nicht weiter wild, doch passiert mir das hier schon zum Zweiten mal. Auch andere Segler haben mir berichtet, dass das regelmäßig passiere, und der Hafenmeister dann noch gaaaanz lange brauchen würde um Geld per Hand auszuzahlen. Ein Schelm wer Böses denkt….
Tags drauf verlasse ich Anholt dann wieder. Nur ein einziger Tag mit kommodem Wetter, danach ist schon das nächste Herbsttief im anrollen. Der Herbst ist da. Das wird wohl so weitergehen…

In Brighton

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Liebe Leser,

fünf Tage haben wir in Ramsgate damit verbracht, letzte Baustellen an Bord der “Maverick” zu beseitigen. Dafür gab es dort gute Gelegenheit, denn neben uns lag die “Heimkehr”, das Schiff unserer lieben Nachbarn Bert und Marlene aus Oberndorf (www.heimkehr-hamburg.de). Nach vier Monaten in England waren sie nun auf dem Rückweg nach Hause und haben uns ihr schwimmendes Werkstattschiff für viele Tage zur Verfügung bestellt. Ich war echt baff, was für Mengen an Ersatzteilen und doppelter Ausrüstung sich an Bord des Schiffes fanden – und an Bord der “Maverick” verbaut worden. Nicht selten haben wir bis spät in den Abend gebastelt. Einen Gaskasten zum Beispiel, in dem die Gasflasche nun sicher und selbstlenzend gelagert werden kann. Herrlich, mit einem funktionierenden Backofen an Bord  ; ) Außerdem einige Leckagen an Deck beseitigt.

Seit vorgestern sind wir nun wieder unterwegs nach Westen. Der erste Trip hat uns 80 Seemeilen bis Brighton geführt.

Blöderweise hat unser elektrischer Raymarine-Autopilot (Typ SPX 5) auf dem Weg den Dienst quittiert. Ich habe ihn heute früh auseinandergenommen. Erkenntnis: Getriebeschaden. Die kleinen Plastikzahnräder hat es einfach zerlegt – und das schon nach nur 600 Seemeilen. Sehr, sehr ärgerlich, denn die ganze Woche sind nur leichte Winde angesagt. Bei Motorfahrt und beim Schwachwindsegeln müssen wir nun also von Hand steuern. Bei unseren 14-Stunden-Trips (wie gestern) ist das mühselig, denn “Maverick” läuft nicht immer gern geradeaus.

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Mal sehen, ob wir irgendwo ein Ersatzgetriebe bekommen. Hier in England soll es 200 Euro kosten. Die Frage ist, wie lang das dann hält? Eigentlich wäre ein richtiger Autopilot die bessere Lösung gewesen, als unser an der Steuersäule montierter Radpilot. Aber dafür fehlte am Ende dann doch das Geld.

Johannes

Musik an Bord: “Der eine Song” – Midnight City


Jeder hat so einen. Diesen einen Song, der immer passt. Der immer besser wird je lauter er läuft. Und wenn ich schon die ganze Zeit über Musik zum Segeln schwadroniere, darf der ganz bestimmt nicht fehlen.

Die Rede ist von “Midnight City” vom französischen Duo M83. Schon seit mehreren Jahren ist es eigentlich mein absoluter Lieblingssong. Und er passt perfekt zum Segeln. Die Stilrichtung ist schwer zu beschreiben. Irgendwas zwischen Rock, Depeche Mode, Synthesizerpop und Electro. Aber völlig egal. Gerade diese Mischung machts vielleicht. Fetzige Rock-Riffs wechseln sich sich mit langsamen Vocal Phasen zum Träumen ab. Und gerade deswegen passt dieser Song einfach immer. Bei den sportlichen Starkwindstrecken jetzt im Frühherbst, beim langsamen Herumdümpeln, zum Träumen an Abend, beim Joggen, auf der Autobahn, einfach überall.

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Und wenn man einen einzigen Song für lange Zeit rauf und runter hört, verbindet man immer mehr Erinnerungen damit. Midnight City zu hören ist für mich fast wie ´ne DVD im Kopfkino einzulegen. Schöne Erinnerungen aus vergangenen Zeiten kommen hoch. Und seit diesem Sommer sind Dutzende Erinnerungen, die ich genau damit in Verbindung bringe, dazu gekommen. Überhaupt ist das eigentlich das schönste daran, Musik beim Segeln zu haben. Ich kann mich noch Jahre später daran erinnern, was ich bei einem bestimmten Stück oder Album gerade getrieben habe. Und auch wenn die Puristen ja lieber nur dem Wasser lauschen (was ich manchmal auch ganz gern tue), hilft die richtige Musik eben auch das Erlebte im Kopf zu konservieren.

Und nicht nur deswegen, sondern weil dieser geniale Crossover-Mix eben auch so perfekt zur Action beim Segeln passt, wird er auch an Bord dauern gespielt. Heute gehts weiter Richtung Süden. West 5-6, Halbwindkurs. Let´s start the party. Und ihr könnt ja mal raten was so gegen Mittag, wenn die Sonne ganz bestimmt raus kommt, auf voller Leistung den großen Belt beschallt. Und wer dabei mitsingen wird. Letzteres allerdings unter der Voraussetzung, dass niemand in Hörweite ist… ;-)

Schreibt mir doch mal: Was ist eigentlich euer Lieblingssong beim Segeln?

Die Traumbedingungen halten weiter an.

Euch allein ein schönes Wochenende auf See!
Und falls ich euch neugierig gemacht habe:

M83 auf Soundcloud

 

Skagen – Mal wieder ist die Ostsee zu Ende

Ganz langsam aber stetig schließt sich der Kreis. Mit dem Erreichen von Dänemark ist ein weiterer Schritt getan. Dabei wollte ich Schweden eigentlich gar nicht so schnell verlassen. Aber wie so oft hat das Wetter die Entscheidung für mich getroffen. Ein Tag mit frischem Südost sollte kommen. Danach mehrere Schwachwind Tage. Für die Überfahrt nach Skagen also eher ungünstig. Früh morgens hieß es also Aufbruch: Auf nach Dänemark!

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Der Segeltag sollte tatsächlich klasse werden.  Der Sommer zeigt noch mal so richtig was er kann, es geht über die offene See, das Schiff macht gute Fahrt. Könnte es einem besser gehen? Das Skagerrak meint es heute gut mit mir. Wer genau hinschaut erkennt aber, wozu dieses Seegebiet bei Mistwetter fähig ist: Unvorhersehbare Wellenbilder, chaotische Strömungen und damit verbundene Kreuzseen können bei leichtem Wetter einfach nur nerven. Bei mehr Wind kann es hier für kleine Boote ganz schnell so richtig ungemütlich werden. Auch heute habe ich fast immer 1kn Gegenstrom. Das heisst ca. 20% langsameres Vorankommen. Finde ich heute aber eher klasse, macht dieser Segeltag doch so richtig Spaß. Das kann ruhig länger so gehen. Gegen Abend kommt dann langsam Skagen in Sicht. Wobei, eigentlich nehme ich die nahende Küste erst durch die zahllosen Fischerboote wahr. Während die schwedische Küste mit ihrem bergigen Hinterland mich morgens bei Abfahrt noch lange begleitete, taucht die flache dänische Küste erst ganz langsam hinter dem Horizont auf. Ein komischer Moment. Seit dem ich Ende Mai in Finnland angekommen bin, habe ich eigentlich nur schroffe Schärenküsten zu Gesicht bekommen. Nun ist es wieder da, dieses sandige Band mit Dünen und Wald dahinter. Vor allem ist es aber Dänemark. Und daran wird mir wieder einmal bewusst, dass die Reise sich dem Ende zuneigt. Zwar ist Skagen immer noch weiter von Kappeln entfernt als von Oslo, doch das Erreichen von Dänemark an sich ist ein weiterer Meilenstein. Süddänemark liegt nämlich in Wochenendreichweite von Kappeln. Das Setzen der dänischen Gastlandflagge ist also eher Routine als etwas Besonderes. Und deswegen habe ich auch den Eindruck, als ob ich eigentlich schon fast angekommen bin.

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Die Anfahrt auf Skagen gerät spannend. Jøran hatte mich schon vorgewarnt. Der Hafen wird großflächig ausgebaut. So werden einige neue Molen aufgeschüttet, Spundwände mitten ins Wasser gesetzt, und nichts davon steht in den aktuellen Karten. Aber egal. Der Wache stehende Schlepper gibt genaue Anweisungen wo es längs geht. Oder hatte der am Ende doch nur Angst, dass ich seine Sandburg plattfahre…?

Skagen ist vor allem ein riesiger Fischereihafen. Schon in der Anfahrt sind mir ja Dutzende Fischerboote begegnet. Die können einen manchmal ein wenig auf den Zeiger gehen, da sie ohne Rücksicht und ohne Vorankündigung gerne mal ihren Kurs ändern. In der Nachtfahrt nach Kaliningrad hat einer von den Kollegen ja sogar buchstäblich Kreise um mich gefahren. Wenn man dann weiß, dass die hinterhergeschleppten Netze viele hundert Meter lang sein können, trägt das nicht gerade zu einem entspannten Skipper bei. ;-)  Und seit Göteborg treffe ich auch das erste Mal seit Polen wieder auf die von Seglern so geliebten “Fischerfähnchen”. Eigentlich kann man über die am Grund liegenden Netze ja immer drüber fahren, aber trotzdem hat jeder immer Angst um seinen Propeller…
Trotzdem mag ich diese Fischerhäfen. Von allen Häfen strahlen sie das meiste Leben aus. Reine Yachthäfen wirken oft irgendwie künstlich oder wie Robinson Club. Klassische Hafenatmosphäre kommt da oft nicht auf. Und die modernen, ISPS abgeschotteten Frachthäfen, haben erst recht nichts von der Hafenromantik vergangener Tage. Wo aber die Fischer zuhause sind, da ist oft Leben. Hier in Skagen zeigt sich das ganz besonders. Neben ein paar Restaurants und Touristenläden gibt es viele Schiffsausrüster und Werkstätten am Hafen. Raue Gesellen watscheln Schnupftabak kauend an einem vorbei, und auf den Kais liegt die Ausrüstung herum. Skagen wirkt dadurch wie ein wirklich lebendiger Hafen, so wie man ihn sich vor Dutzenden von Jahren vorstellt. Der Preis dafür: Man liegt natürlich eigentlich im Industriegebiet. Aber das gehört eben zur Seefahrt dazu. Viele kommen glaube ich auch gerade deswegen nach Skagen. Nirgendwo sonst ist man so nah an der lebendigen Seefahrt.

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Ich feiere die Ankunft in Dänemark erst mal ganz typisch mit Pølser und Softeis vom Havnekiosk. Dazu noch ein Tuborg und Möwengeschrei. Fertig ist der perfekte Abend. Überhaupt ist es recht angenehm nach 4 Monaten sein Bier wieder ganz normal im Supermarkt kaufen zu können….

Witzigerweise ist Skagen nicht nur ein florierender Fischereihafen, sondern auch noch ein klassisches Urlaubsziel. Und das quasi direkt nebeneinander. Viel los ist aber trotzdem nicht. Die Saison ist eben vorbei. Außer am Grenen. Die Landspitze Kontinentaleuropas ist eigentlich immer rammelvoll. Den Marsch bis zum Punkt wo sich Nord- und Ostsee treffen habe ich aber bereits von früheren Reisen hinter mir und genieße lieber den Ausblick von den alten Westwall-Bunkern auf den Dünen aus. Die Ostsee ist mal wieder zu Ende. Links von mir liegt die Nordsee. Ich verweile ein wenig, wundere mich darüber wie die dicken Brummer in Rufweite vom Strand entfernt vorbeischrammen, und freue mich über einen weiteren Konturpunkt auf dem Weg.

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Der Weg zum Hafen ist recht lang. Aber so kommt der Klappstuhl, äääähm, Verzeihung, das Klapprad, wenigstens noch mal zu Ehren. Zurück am Hafen ist es voll geworden. Es ist Freitag. Drüben in Norwegen fängt die Saison also gerade wieder an. Heute kommen die Wikinger aber nicht mehr in schmalen  hölzernen Langbooten, sondern in möglichst breiten Motoryachten. Die ersten 10 Motorbratzen sind bereits in Dänemark angekommen. Was die wohl alle hier wollen? Schnell fällt es mir wieder ein: Das Bier im Supermarkt; und heute morgen im Supermarkt haben ja 2 Mädels die Schnapsregale noch großzügig wieder aufgefüllt… Das skandinavische Konzept, Alkohol nur in staatseigenen Läden zu Mondpreisen anzubieten muss bei dänischen Købmännern sehr beliebt sein.

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Nach Party war mir irgendwie aber eher nicht so, und so lege ich Nachmittags noch ab. Ich habe mir einen kleinen Hafen wenige Meilen südlich von Skagen ausgeguckt: Albaek. Laut Hafenführer ein nette Hafen in Dünenumgebung. Die Dünen begleiten mich an der Küste den ganzen Weg lang. Nichts gegen die Schären, aber erst jetzt fällt mir auf, wie ich sie als Nordseekind doch ein wenig vermisst habe in den letzten Monaten.

Die Sonne scheint, es ist warm, ein schwacher Wind weht. Damit mir aber nicht langweilig wird, ist die Ansteuerung mal wieder spannend. Man soll auf den Hafen genau rechtwinklig von See zuhalten, da links und rechts davon bis an die Oberfläche reichende Stellnetze der Fischer platziert sind. Kein Problem eigentlich. Seefahrt tut not. Und Fischerei genauso. Aber irgend so ein Oberexperte hat seine Netze dann mitten, aber wirklich mitten ins Fahrwasser gelegt. Für die Nichtsegler: Das macht ungefähr so viel Stimmung wie LKW-Elefantenrennen auf 3 Spuren gleichzeitig. Muss ja auch nicht sein… Da muss ich dann erstmal drum herum finden. Naja, ein bisschen Adrenalin am frühen Abend schadet ja nicht. Und der Hafen entschädigt.

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Wer hier an der Gegend ist wird wohl an Albaek vorbei nach Skagen fahren. Was aber ein echter Fehler ist. Der kleine Fischerei- und Yachthafen liegt mitten in den Dünen und zwischen traumhaften Stränden. Einige Fischer fahren abends noch raus um Netze auszulegen oder einzuholen (unter anderem auch der Experte aus der Hafeneinfahrt),rote Holzhäuser begrenzen das Hafengelände, in der Koje hört man die Brandung am Strand, und alles versprüht diese typisch dänische Gemütlichkeit. Eventuelle Wehmut über das nahende Ende der Tour ist wie weggeblasen. Ich freue mich auf ein paar schöne Tage in Dänemark. Beim Festmacherbier am Strand plane ich also die nächsten Schritte. Einfach eine herrliche Spätsommerstimmung. Und morgens höre ich noch in der Koje die Brandung. Könnte es besser sein?

Kochen an Bord: Tortillas mit mexikanischer Hackfüllung

Ein neues Rezept, perfekt für den Bordgebrauch. Die Saison neigt sich dem Ende zu, und da müssen die Reste weg. Dazu zählen halt auch die Gemüsekonserven, die ich eigentlich nicht gebraucht habe. Eigentlich ist das hier kein großartig kompliziertes Rezept, aber sehr einfach zuzubereiten. Und gerade bei den einfachen Ideen zur Resteverwertung oder um was ganz Schnelles auf dem Tisch zu bekommen, kommt man ja manchmal ins Schleudern. Die Zutaten bekommt man wieder überall, die Füllung ist beliebig austauschbar, und die Reste können auf See am nächsten Tag prima verwertet werden. Also eigentlich wieder alle meine Kriterien erfüllt.

Die Rede ist von Weizentortillas mit einer mexikanisch angehauchten Hack-Mais-Käsefüllung. Und wenn man darauf keine Lust hat, oder der dänische Supermarkt gerade leider keine gefräste Kuh im Angebot hat, könnte man sich ja zum Beispiel auch ne Chicken Ceasar Füllung basteln. Oder doch vegetarisch? Der Fantasie sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Die Tortillas mache ich an Bord allerdings nicht selber. Das wäre dann doch etwas zu aufwendig. Fertige Tortillas halten sich ohne Kühlung viele Monate und eignen sich an Bord hervorragend zur Resteverwertung mit Stil. Also, los gehts:

Zutaten (4 Personen):

8 Weizentortillas
400g Hack
2 kl. Zwiebeln
ca. 12 Kirschtomaten
1 Dose Mais
1 Dose Bohnen
100g Käse
200g Salsa
1 EL Sambal Olek
Etwas Butter
Salz Pfeffer
Falls vorhanden, 2 Knoblauchzehen

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Zubereitung, ca. 20 Min

1.Zwiebeln in kleine Würfel hacken und in der Butter ca. 5 min. anschwitzen.

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2. Anschließend das Hackfleisch, den Mais, die Bohnen und etwas Salz zugeben und weitere 8 Min schmoren lassen.

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3. In der Zwischenzeit die Tomaten vierteln und den Käse in kleine Stücke zerlegen.

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4. Beides zusammen mit der Salsa in den Topf geben, unterrühren, und ca. weitere 5 min. schmoren lassen. Das Hackfleisch sollte jedenfalls komplett durch sein. Die Hitze ggf. runterregulieren, damit nichts anbrennt.

Die Salsa könnte man für den letzten Schliff natürlich auch selbst aus Paprika und Tomatenmark machen. Sollte sich hingegen nicht mal Salsa aus dem Glas auftreiben lassen, kann man auch einfach passierte Tomaten mit Sambal Olek, etwas Pfeffer und Paprikapulver würzen. Das sollte eigentlich eh immer an Bord sein…

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5. Anschließend noch alles mit Salz, Pfeffer und nach Geschmack weiteren Gewürzen abschmecken.

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6. Zu guter Letzt eine Hand vor Füllung auf den Tortillas verteilen, und möglichst fest zusammenrollen.

Guten Appetit! Auf den Koch und den Skipper, den Abspüler und die klügen Ratschlaggeber am Niedergang! ;-)

 

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Viel Spaß beim Nachkochen!

 

 

 

Saisonuntergangserscheinungen

Ein wenig Wehmut schwingt beim Verlassen von Oslo mit. Ist doch nun der letzte Wendepunkt erreicht. Der letzte Rubikon überschritten. Es geht unweigerlich nach Hause. Alle weiteren schönen Stellen sind nur Rastplätze auf dem Weg dahin. Dabei befinde ich mich gefühlt immer noch gerade mal auf dem Weg nach Polen. Anfang April. Und Überhaupt, es ist doch feinstes kurze-Hosen-Sommerwetter. Warum soll dieser Segelsommer also vorbei sein?

Aber es hilft alles nichts. Ich verlasse Oslo am 14. September. Einem herrlichen Sonntagnachmittag, um nur 15sm später wieder anzulegen. Der Wind weht schwach und vor allem ist es bummvoll auf dem Wasser. Anders als die Schweden endet die Saison für die Norweger wohl erst mit den ersten Minusgraden. Mir als überzeugtem März-Einkraner ist das irgendwie sympathisch. ;-) Allerdings nur am Wochenende. Sobald es Sonntagabend wird sind die Gästehäfen wieder verwaist. So mache ich an der Festung Oscarsborg auch fast allein fest. Die letzten Nachmittagslieger fahren gerade ab.  Die Festung bewacht den Zugang zum inneren Oslofjord seit 150 Jahren. So alte Gemäuer ziehen mich also doch immer wieder an. Bevor es am nächsten Morgen weiter geht, steht also erst mal eine Erkundung an… Noch 310sm bis Schleimünde.

Wirklich beeindruckend hier...

Noch ein Hafen und Abend bleibt mir in Norwegen. Und das mir empfohlene Hankø liegt mal wieder auf dem Weg. Passt doch prima. Der Weg dorthin führt durch einen schmalen Sund. Mir fällt auf, wie schön Norwegen selbst hier unten ist. Kurz überlege ich an einer Boje des Kreuzerclubs in einer Bucht festzumachen, doch die Aussicht in Hankø direkt unter dem Sommerhaus des Königs zu liegen behält am Ende die Überhand. Vielleicht schaut ja auch die ein oder andere Prinzessin noch zufällig vorbei. ;-) Da Montag ist, ist allerdings auch dieser Sommerort bereits wie ausgestorben. Ich liege allein. Nur die kleine Fähre, die die Insel Hankø mit der Ortschaft Hankøsund am Festland verbindet, scheint noch Saison zu haben. Allerdings fährt sie bis spät in die Nacht eigentlich immer allein hin und her… Dienst nach Vorschrift?! Ich verbringe die Zeit mit dem Basteln der Flaschenpost für Morgen.

Wer sagt, dass nicht auch Kutter an Schären festmachen können.

 

Bevor ich Norwegen verlasse habe ich dann aber noch mal so ein Erlebnis der dritten Art. Ich will mir den Tank noch mit billigem steerfreiem norwegischen Diesel voll machen. Die Tankstelle hat so eine Art kleine Boxen aus Schwimmstegen als Tankliegeplatz gebastelt. Bei dem starken Seitenwind ist es mir aber irgendwie zu heiß dort rein zu fahren. Kurzer Check mit dem Fernglas: Die Schläuche sind lang genug, ich lege mich einfach an die Außenseite. Der Mechaniker der Tankstelle hilft mir auch gleich beim Anlegen und fragt mich gleich aus, was ich denn um diese Jahreszeit hier oben noch mache. Ich erzähle ihm von meinem Trip und er ist sichtlich beeindruckt. “You´ve catched the best summer since…ever!” meint er dann noch. Und ich erwähne, dass ja oft doch sehr wenig Wind gewesen sei. “….yes, for motorboats, i have a motorboat!”, ergänzt er dann noch. Na vielen Dank…. Wir lachen uns gemeinsam Einen, während der Chef der Tankstelle aus seinem Büro gestürmt kommt: Warum ich denn bitteschön hier anlegen würde, die Boxen seien auf der anderen Seite des Kais. Ich erkläre ihm fröhlich und freundlich, dass ich allein sei und das Anlegen bei starkem Seitenwind mir dort etwas heikel erschien, und ich lieber die risikoärmere Variante genommen hätte. Er blafft mich an, dass ich dann wohl noch zu jung sei um ein Schiff allein zu fahren. Bevor ich kontern oder einfach ohne zu tanken abfahren kann, unterbricht ihn sein Mechaniker, und macht ihm auf norwegisch klar, dass ich die jetzt 6 Monate und 3.000sm unterwegs sei. Sein Blick verändert sich und er zieht sich unter servilsten Entschuldigungen in sein Büro zurück.  Es mag gemein klingen, aber ich mag solche Momente. Gerade als jüngerer Segler ist man doch oft ungefragten Belehrungen und Orders der Altvorderen ausgesetzt. Die besten Segler stehen ja eh immer am Steg. Wenn man dann ganz cool entgegnen kann: “Und, was hast du diesen Sommer so gemacht?”, oder es am Besten andere für einen übernehmen, ist das doch immer so ein kleiner Sieg der Jugend. ;-)

Die Traumbedingungen halten weiter an.

Eine herrlichste Backstagsbrise trägt mich dann weiter nach Schweden. Der Oslofjord ist ein beeindruckendes Revier. Obwohl seit mehr als 3 WOchen nur mit kurzen Unterbrechungen leichter bis mäßiger Ostwind weht, steht hier eine gewaltige Hintergrundwelle aus Südwest. Mehrere Dutzend Meter lange Wellen rollen der leichten Windsee aus Ost entgegen. Liebesgrüße aus dem Atlantik… Beim Wechsel der Gastlandflagge wird mir das nahende Ende der Reise dann wieder bewusst. Meinen bisherigen Beobachtungen folgend ist der kleine Fischerhafen von Ramsö dann auch von mir, einem Schweden, und 3 Norwegern belegt. Ein toller Ort. Die wenigen Häuser auf dieser Fischerinsel sind um das kleine Hafenbecken gruppiert. Alles wirkt mindestens 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Den Hafen selbst haben jetzt im September wieder die Fischer übernommen. Man muss schon vorsichtig navigieren, um nicht beim Anlegen einen der am Kai befestigten Hummerkörbe mitzunehmen. Im Sommer ist dieser Hafen  von 10er Päckchen und mehr an Seglern belegt, die wohl genau diese Stimmung suchen. Ich frage mich, warum man dann allerdings solche Orte im Hochsommer aufsucht. Das habe ich diesen Sommer gelernt: Ein wenig abseits der bekannten Hotspots zu suchen lohnt sich in jedem Fall. Dort findet man auch im Hochsommer noch kleine und relativ einsame Orte. Und vielleicht klappt das ja auch in der dänischen Südsee….

Ein traumhaft entrückter Platz zum Nachdenken.

Weiter geht es entlang der westschwedischen Küste. Ich habe es zwar bereits einmal erwähnt, aber diese ist mit dem Vänern zusammen definitiv das schönste Revier, dass ich auf dieser Reise gesehen habe. Schon komisch. Wie bereits zu Anfang der Reise auf Christiansø gehen mit Bastians Worte durch den Kopf, warum man eigentlich so weit reisen muss, um die schönsten Orte genau vor der eigenen Haustür zu finden. Überhaupt ist heute ein perfekter Tag. Der beständige Ostwind trägt mich entspannt vor den Insel die Küste hinunter. Ich mache gute Fahrt. Für den Abend habe ich mich ein letztes Mal mit Jøran und Gro verabredet, die aus Skagen nach Smögen kommen. Auch für die beiden, die es nur noch gute 100sm nach Oslo haben, ist der Sommer fast beendet. Während der Fahrt habe ich dann den endgültigen Beweis, dass ich mich bereits zu lange in den skandinavischen Ländern aufhalte. Ich spreche zwar kein schwedisch, aber in fast 3 Monaten in Schweden schnappt man ja einiges auf. Und wenn man dann beim texten im Handy instinktiv statt “ü”, das selbiges im Schwedischen ersetzende “y” verwendet, sollte man vielleicht nach Hause zurückkehren. Oder sich eine Schwedin suchen und dortbleiben. ;-)

Smögen ist wie ausgestorben.

In Smögen trifft mich dann der Schlag. Ich kenne den Ort als rummeligsten Platz an der gesamten Westküste. Liegeplätz sind schon ab dem frühen Mittag nur mit quetschenvor Heckanker zu bekommen, und die Parties der jungen Schweden gehen bis tief in die Morgenstunden. Ich schreibe ja bereits seit mehreren Wochen, dass die Schweden den Sommer schon für beendet erklärt haben, doch genau diesen Ort quasi komplett verlassen vorzufinden wundert mich dann schon. Kein einziger Schwede liegt im Hafen. Nur ein Amerikaner, einige Norweger und ich. Allesamt längsseits, was dort normalerweise unter Androhung der Todesstrafe verboten ist.

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Auch der Gang durch den Ort verspricht keine Besserung. Alle Geschäfte haben die Schaufenster leergeräumt, alle Gaststätten die Stühle hochgestellt, und selbst einer von zwei Supermärkten im Ort hat “closed for season”. Selbst der Hafenmeister hat dicht, und ein Schild nach dem Motto: “Macht doch was ihr wollt!” aufgehängt. Und das alles bei lauen 19 Grad und einem Ostwind der Stärke 4. Bisher habe ich mich über die leeren Häfen gefreut, aber hier hat das ganze schon fast eine etwas deprimierende Stimmung.  Auch wird dies nicht der letzte leere Hafen sein, aber am Beispiel des sonst kracherten Smögen ist es besonders offensichtlich. Beim Abschiedsabend an Bord der “Stompelompa” wird der Sommer daher noch mal so richtig zelebriert. Und als die Chefköchin an Bord das Abendessen auftischt, freue ich mich fast ein wenig über die geschlossenen Restaurants…

Erstklassiges Abschiedsessen.

Nach Sonnenuntergang wird es nun schnell kühl. Das Leben in den Häfen erstirbt zusehends. Und das Ende der Reise rückt näher. Noch 225sm Luftlinie bis Schleimünde.

 

Menschen am Meer: Bei den Honig-Sammlern von Bayir.

Wer sich auf der Loryma-Halbinsel in der Bucht Ciftlik, etwa eine halbe Autostunde südwestlich von Marmaris, in einen Dolmus, einen Kleinbus setzt, der erreicht nach einer Viertelstunde rumpelnder Fahrt immer bergan in luftiger Höhe den kleinen Ort Bayir.

Bayir hat eigentlich nicht viel, was zu sehen sich lohnt. Drei, vier Geschäfte mit bunten Tüchern. Ein netter Trödelladen, mit Kräutern, Nüssen und Honig. 

Den Dorfbrunnen, an dem die Einwohner ihr Wasser holen, weil es Leitungen nicht gibt. Eine Moschee mitten im Ort. Die berühmte Platane gleich daneben, deretwegen viele Reisende hierher kommen. Denn die klugen Einwohner von Bayir haben vor einiger Zeit die Geschichte in die Welt gesetzt: wer den acht Meter umfassenden Stamm der Platane umrundet, den erwarte ein langes und glückliches Leben. Also umrunden auch wir den Stamm, tunlichst im Uhrzeigersinn, denn Aberglaube ist Seemann’s Zier. Vermutlich wundert sich die gewaltige Platane längst nicht mehr über den Unfug, den die Menschen da zu ihren Füßen treiben. Sie ist 1.990 Jahre alt, ihr Schößling keimte, als Jesus noch lebte, und es ist anzunehmen, dass sie in den fast zwei Jahrtausenden ihres Daseins weit gröberen Unsinn miterleben mußte als Menschlein, die verbissen im Kreis rumrennen.

Unter den ausladenden Ästen der Platane hat Mustafa seinen Stand mit Honig aufgebaut. Zwei mannshohe Wände mit großen Honiggläsern, deren Inhalt im Licht der untergehenden Sonne lichtet und leuchtet: wie ein Glasperlenspiel aus tausenderlei Gold- und Bernsteinfarben. Ein Kirchenfenster im Sonnenlicht, nur aus klingenden Goldtönen. Ich kann nicht anders und muß den hellsten, den goldensten Farbton kosten. Orangenhonig – göttlich. Danach löffeln wir uns in die immer dunkleren Farben: Blütenhonig – ahhhh. Pinienhonig – mmmhhh. Thymianhonig – herrje. Kastanienhonig – wie der wohl mit ein bisschen Pecorino schmeckt? Danach fange ich wieder beim Orangenhonig an. Und löffle hier. Und löffle da. Und die Platane wundert sich.

Als es dann mit der Löffelei endlich ein Ende hat: bin ich stolzer Besitzer je eines größen Glases Orangenhonig, Pinienhonig, Thymianhonig. Drei Kilo Honig. Natürlich hab ich zuviel bezahlt, wenn’s um Essen geht, bin ich einfach nur der Sohn meines Vaters, dem Fest für die Sinne willenlos erliegend. Mustafa erzählt, dass er und sein Bruder insgesamt 750 der blauen Bienenkisten, die wir auf der Fahrt überall sehen, besitzen. In jeder wohnt ein Bienenvolk. Und produziert munter vor sich hin: Wenn ich Mustafa richtig verstehe, produzieren etwa 250 der Kästen Pinienhonig. Aus jedem Kasten kommen 25 kg pro Jahr. Das macht über 6 Tonnen. Etwa 100 Bienenvölker produzieren Orangenhonig. Der ist selten und kostbar. Denn jedes Volk liefert nur etwa 8 Kilogramm. Und so fort.

Als der Dolmus dann in der Dunkelheit wieder den Berg hinunterrumpelt, vorbei an blauen Bienenkästen und überwucherten mohammedanischen Friedhöfen, deren schlanke Grabsteine schnell wieder ins Dunkel huschen, bin ich mit der Welt zufrieden. Nicht überall scheinen die Bienen wie bei uns auszusterben. Noch produzieren sie, so wie auf der Loryma- und der Datca-Halbinsel. Aber es ist ein fragiles Dasein, das die Bienen fristen. Und eins, das in Gefahr ist.

Die Obsidian-Sammler von Milos. Oder: Warum man mit einem 5.000 Jahre alten Steinzeit-Messer auch heute noch Zucchini schneiden kann.

Ein markanter Felsen markiert auch heute noch für jeden Segler die Einfahrt in den einstigen Vulkankrater, die heutige Hafenbucht von Milos. In der Steinzeit, um die es in diesem Beitrag geht, lag der Meeresspiegel um mehr als 100 Meter tiefer als heute. Der Felsen, der damals über 100 Meter höher aus dem Meer aufragte, muss für die damaligen Menschen noch drohender gewirkt haben als heute.

Wann die Insel Milos eigentlich entstanden ist: kann niemand sagen. Nur, dass die gewaltige Detonation eines Vulkanes der Insel Milos ihre heutige Form gab, das weiß man. Es war nicht einfach nur ein Vulkanausbruch: Die komplette Spitze des Vulkankegel flog in die Luft, detonierte, schleuderte Abertonnen an Gasen, Asche, Gestein in Staubform in die Atmosphäre. Man kann nur mutmaßen, in welch gewaltigen Ausmaß diese Explosion das Klima der Nordhalbkugel auf Jahrhunderte beeinflußte. Und in den Eiskeller schickte.

Zurück blieb: Dunkelheit. Stille. Eine Kraterwunde in der Erdkruste, die langsam auskühlte. Und voll Meerwasser lief. Gesteine aus dem Erdinneren an der Oberfläche, die die Detonation in einer Hexenküche aus jenseitiger Hitze und aberwitzigem Druck erschaffen hatte. Wie das Vulkanglas Obsidian. Es ist ein Gestein, das tiefschwarz glänzt und hart ist. So hart wie Glas. Und Obsidian gibt es, glaubt man David Aboulafia’s wunderbarer Monographie mit dem Titel DAS MITTELMEER, im Mittelmeer fast nur an dieser einen Stelle: auf Milos.

Irgendwann in der „neolithischen Revolution“ lernten die frühen Menschen, nicht nur von dem zu leben, was sie umherziehend fanden. Sondern sie erwarben das Know-How, Getreide anzubauen, Vieh zu domestizieren. Irgendwann in dieser Zeit zwischen 7.500 und 5.000 vor Christus müssen Menschen auch Milos erreicht haben. Sie kamen in einfachen, geflochtenen Schilf-Kanus. Der Meeresspiegel lag weit über 100 Meter tiefer als heute, die Distanzen zwischen den Inseln waren deshalb kürzer. Aber trotzdem muss es auch für diese Steinzeitmenschen ein echtes Wagnis gewesen sein, über das offene Meer zu fahren. Man man kann den Mut, der sie beflügelte oder die Furcht und den Hunger, der sie trieb, nicht genug nachempfinden. Ob aus Not oder aus Neugier: Sie waren Entdecker und Sucher. Und sie stellten bei ihren Streifzügen über die Insel fest, dass es dort dieses schwarze Gestein gab. Und dass Klingen aus diesem Gestein härter waren, schärfer schnitten, widerstandsfähiger waren als jedes andere Gestein, das diese Menschen kannten. Obsidian wurde zum begehrten Gut.

Zur „neolithischen Revolution“ gehört auch, dass die Menschen begannen, sich zu spezialisieren. Nicht mehr jeder im umherziehenden Nomadenclan machte alles und sammelte alles. Sondern die einen konzentrierten sich auf die eigentliche Landwirtschaft. Wieder andere im Clan begannen, Werkzeuge herzustellen. Und diese fortlaufend zu verbessern. Und vor allem: dieses Wissen auch an andere weiterzugeben. Nur so ist zu erklären, dass Pfeilspitzen und Messerklingen aus dem glasharten Obsidian immer perfekter, immer ebenmässiger und wertiger wurden. Die Obsidianfunde im Foto unten aus dem etwa 50 Kilometer entfernten Paros zeigen, was für perfekte Handwerker die Menschen um 4.000 vor Christus bereits waren:

Es bedarf eines unglaublichen Know-Hows und der Erfahrung vieler Generationen an Steinbearbeitern, bis die Menschen um 4.000 vor Christus in der Lage waren, die fein gearbeiteten, nur fingergroßen Pfeilspitzen in der oberen Reihe oder die Lanzenspitzen unten rechts herzustellen. Produkte wie diese müssen ausgesprochen begehrt gewesen sein: und ihr Rohstoff, der unbehauene Obsidian auf Milos wurde immer gefragter. Dies muss der Punkt gewesen sein, an dem unsere heutige Wirtschaftsform entstand: Handel. Angebot und Nachfrage. Bedarf und Begehren. Das große Feilschen, das bis heute anhält und unser aller Leben bestimmt, es begann hier.

Immer öfter müssen Menschen nach Milos gefahren sein, um den begehrten Rohstoff Obsidian dort zu holen: ihn entweder über die Insel streifend selber aufzulesen. Und mitzunehmen, was gefiel. Oder ihn korbweise zu sammeln. Oder ihn bei dort ansässigen Sammlern, die dessen Wert kannten, einfach einzutauschen gegen etwas, das die Obsidiansammler selbst benötigten. Saatgut? Purpurfarbe aus Muscheln? Der Handel entstand. Und mit ihm die Seefahrt.

Der Obsidian aus Milos verbreitete sich immer weiter. Bearbeitete Fundstücke finden Archäologenheute an der türkischen Küste, auf dem griechischen Festland und in Süditalien. Auf Sizilien, Sardinien. Gute Obsidianklingen wanderten von Hand zu Hand, von Generation zu Generation. Selbst als um 3.000 vor Christus einige hundert Seemeilen weiter östlich ein ganz neuer Werkstoff entwickelt wurde, die Bronze, blieb Obsidian weiterhin der begehrte Wertstoff und hatte seinen Höhepunkt erst noch vor sich. Die meisten bearbeiteten Obsidian-Werkstücke, die Archäologen heute finden, wurden vermutlich in der Bronzezeit hergestellt. Und das Rohmaterial dazu: das stammte aus Milos.

Bei meinen Wanderungen über die Insel Milos, über die ich bereits in einem vorigen Kapitel schrieb, fand ich oben auf dem Grat über dem Meer ein kleines Steinzeitmesser aus Obsidian. Dessen Schneide ist heute immer noch so scharf wie vor 5.000, 6.000 Jahren, als Steinzeitmenschen dieses Messer aus einem größeren Obsidianbrocken heraussprengten. Und es über Generationen verwendeten. Und wer heute wissen will, warum Obsidian über mehrere Jahrtausende so begehrt war: In diesem Video (HIER KLICKEN) zeige ich, wie man mit einem kleinen, auf dem Grat von Milos gefundenen Obsidianmesser heute, 5.000 Jahre nach Verwendung dieses Messers durch Menschen der Steinzeit, immer noch eine Zucchini schneiden kann.

Zum Video hier klicken.

Video an Bord: Ein Nachmittag auf der Nonsuch

Eine der Fragen die mir wohl am meisten gestellt werden: Was machst du eigentlich den ganzen Tag an Bord? Die Standardantwort darauf lautet dann: “Och irgendwas gibt es ja immer zu tun”.  Um das ganze jetzt aber mal anschaulich zu gestalten habe ich die Kamera mal einen Nachmittag lang mitlaufen lassen und das ganze als kurzes  HD Video zusammengestellt.  So sieht ein typischer Nachmittag an Bord aus. Viel Spaß dabei!