Monat: Mai 2017

START BOATING – Tour 2017

Im vergangenen Jahr haben bereits 2600 Teilnehmer die Faszination Bootssport auf den zahlreichen Events von Start Boating hautnah erlebt.
Dieses Jahr geht die bundesweite Kampagne mit der hanseboot ancora boat show in Neustadt vom 26. bis 28. Mai bereits in die zweite Runde!
Auch hier haben Interessierte wieder die Möglichkeit im Rahmen von kostenlosen Probefahrten die Faszination Bootssport selbst und hautnah kennenzulernen. Einfach einsteigen und ablegen lautet das Motto.

Übersicht der Bootsevents 2017 für kostenfreie Probefahrten

26.-28. Mai hanseboot ancora boat show, Neustadt
10.-11. Juni Wassersportzentrum Müggelsee, Berlin
11.-13. August Rhein in Flammen, Koblenz
02.-03. September Düsseldorfer Yachtclub, Düsseldorf
29. September – 01. Oktober Interboot Friedrichshafen

Das Start Boating Journal bietet neben weiterführenden Informationen zu den einzelnen Bootsevents weitere interessante Informationen z.B. zum Chartern von Yachten und steht zum kostenlosen Download zur Verfügung  Die ADAC Sportschifffahrt unterstützt die Kampagne und steht Wassersportlern mit umfassenden Informationen zu zahlreichen Revier- und Sachthemen beratend zur Seite.

Und was ist wenn Sturm ist

Ich selbst habe bisher noch keinen Sturm auf See erlebt. Nur mal Binnen, vor Anker, aber das ist eine andere Geschichte. Im Ärmelkanal und in der Biskaya hatten wir mit Eos auch mal Windstärke 7, aber eben noch keinen Sturm oder stürmischen Wind, der ja erst bei 8 Beaufort beginnt und bei 9 als „vollwertiger“ Sturm bezeichnet wird.

War mir ganz recht so und es durfte von mir aus auch noch lange so bleiben, denn die Erfahrungen mit Eos in der Biskaya bei Windstärke 7 waren mir eigentlich vollkommen genug.

Am 8. Mai bin ich, nach tagelangem warten in Korinth, morgens gen Westen gestartet. Ich hatte diesen Ort so satt! Immerhin war es in der Nacht vor dem anstehenden Törn einigermaßen ruhig. Vielleicht lag es auch daran, dass Nomade diese Nacht nicht das einzige Schiff hier war. Am Vorabend ist noch eine Ketsch aus Holland angekommen und eine Charteryacht.
Der Wetterbericht meldete 4 bis 5 Beaufort aus West, wie immer, hier im Golf.
Eigentlich fahre ich bei 5 Beaufort nicht raus, wenn es nicht unbedingt sein muss, denn wenn es blöd kommt, liegt der Wetterbericht auch mal 2 Windstärken daneben und es wird unangenehm. Erst recht fahre ich bei so einem Wetter eigentlich nicht raus, wenn ich das Revier nicht kenne, noch mehr nicht, wenn es sich um Gegenwind handelt und ganz bestimmt nicht, wenn es sich um den ersten Einhandtörn mit Nomade handelt. Aber da war eben Korinth und die Tatsache, dass es in den nächsten Tagen nicht besser wird.
Also raus hier und nur weg. Den Plan bin ich am Vortag X Mal durchgegangen und hatte einige Schutzhäfen und Buchten in der Karte markiert, falls es doch nicht klappen sollte und ich beidrehen müsste.
Die Holländer sind eine Weile vor mir raus und waren immer in Sichtweite, die Charteryacht direkt neben mir, alle mit gleichem Kurs: Galaxidi

Galaxidi, auch so ne Geschichte. Dass ich jemals wieder nach Galaxidi wollen würde, hätte ich vor über einem Jahrzehnt auch nicht gedacht. Damals, ich war gerade Anfang 20, habe ich dort auf der Mole gesessen, aufs Meer geschaut, und war schwer enttäuscht, weil mein Ersatzwehrdienst, den ich in diesem kleinen Dorf ableisten wollte, nicht geklappt hat und ich wieder nach Hause geflogen bin.
Und jetzt? Jetzt war das kleine Dorf plötzlich wieder mein Ziel.

In der Bucht stand immer noch unangenehmer Schwell vom Sturm am Vortag. Es dauert im Golf unheimlich lange, bis der sich ganz abgebaut hat. Vermutlich durch permanente Reflexionen an den steilen Felsküsten.

Anfangs klappte alles wunderbar. Es war fast windstill und ich kam mit etwa 6 Knoten unter Maschine gut voran. Als der Wind dann einsetzte, konnte ich sogar eine Weile die Genua setzen und hoch am Wind aufs erste Kap zu halten. Danach hatten wir den Wind wieder genau auf den Bug und das Segel wurde eingerollt.
Es dauerte auch nicht lange, da drehte der Wind schnell auf. So wie gemeldet.
Die Wellen wurden allmählich etwas höher, aber das machte Nomade nichts aus. Sie ist da durchgepflügt, als ob es keine Welle gegeben hätte. Die Charteryacht hatte zu dem Zeitpunkt bereits beigedreht, auf einen kleinen Hafen an der Südküste und es dauerte nicht lange, bis die Holländer vor mir auch plötzlich ihren Kurs auf diesen Hafen geändert haben. Da ist mir wirklich kurz das Herz etwas tiefer gerutscht. Sollte es da vorne jetzt etwa noch heftiger werden?
Kurze Zeit später wurde meine Frage beantwortet. Ja, es wurde heftiger. Erst 6, dann 7 und ich hätte zu dem Zeitpunkt genau das gleiche gemacht wie die Crew der Stahlketsch aus Holland. Nur hatte ich das Problem, Einhand unterwegs zu sein. Gegen den Gedanken an ein Anlegemanöver mit Buganker und Heckleinen in einem kleinen Hafen bei so viel Wind habe ich mich gesträubt. Das wäre wahrscheinlich schief gegangen. Zur Not wollte ich lieber vor dem Wind in eine der geschützten Buchten an der Nordküste ablaufen oder eben wieder zurück nach Korinth.
Aber jetzt schon aufgeben, wo Nomade das noch ohne Probleme schaffte? Also bin ich weiter in Richtung Galaxidi gefahren, bis es irgendwann wirklich nicht mehr ging. Mittlerweile hatte der Wind auf 8 Beaufort zugelegt und der Seegang wurde auch für Nomade zu stark um da genau im 90° Winkel rein zu fahren. Ganz gestanden hat sie noch nicht, aber wir sind nur noch sehr langsam vorwärts gekommen und es kam festes Wasser übers Deck, wenn sie mit dem Bug kurz in die ruppige See eingetaucht ist.
Also bin ich ein paar Grad abgefallen und habe Kurs auf das Kap Pagkalos gesetzt. Ich wollte versuchen, hoch am Wind bis kurz vors Kap zu fahren, um dann unter Landschutz nach Norden zu segeln und eine kleine Ankerbucht anzulaufen.
Das war noch ein weiter weg und ich war mir am Anfang auch nicht sicher, ob wir das schaffen können. Aber sie lag wunderbar stabil im Wasser. So ganz anders, als ich das von Eos bisher kannte. Keine Bauchklatscher, kein Gezappel und ich hätte nie gedacht, das ich jemals bei solchen Bedingungen einen Anflug von Freude hätte entwickeln können. Aber genau das passierte irgendwann, als mir absolut klar war, das Nomade mit diesen Bedingungen keine Probleme hatte. Im Gegenteil, es hat ihr überhaupt nichts ausgemacht und sie war nicht zu stoppen.
Manchmal, wenn sie in sehr steilen Wellen kurz mit dem Bug abgetaucht und das Wasser übers Deck und gegen die Scheiben geflogen ist, hatte ich sogar ein Grinsen im Gesicht. Denn das für mich überraschende an diesem Trip war, dass ich auch diesmal nicht seekrank geworden bin. Keine Spur von Übelkeit oder schlechten Gedanken! Nichts, nicht mal ein flaues Gefühl im Magen. Ich weiß es natürlich nicht sicher und ich will mich auch noch nicht zu früh freuen, aber ich denke, es liegt sehr viel am Schiff.
Nach ein paar Stunden waren wir endlich am Kap und ich war so zufrieden wie selten zuvor auf See, dass dieser Plan so aufgegangen ist. Der erste stürmische Wind und es hat problemlos funktioniert. Darüber war ich glücklich.

Erst kurz vor der Landspitze habe ich den Kurs nach Norden geändert und wenige Minuten später war Ruhe im Schiff. Der Wind hatte bereits eine Weile vorher wieder abgenommen und wir konnten die letzten Meilen ganz gemütlich durch den Golf fahren, bis zu einer kleinen abgelegenen Bucht, die gut nach Westen geschützt war.
Ich habe etwa 150m vorm Ufer geankert und hier übernachtet. Der Golf hat sich am Abend und in der folgenden Nacht allerdings weiter aufgeschaukelt. Irgendwann war der Schwell auch in dieser Ecke angekommen und hat Nomade ordentlich schaukeln lassen.
Am nächsten Morgen bin ich deshalb noch 5 Seemeilen weiter, bis in die geschützte Bucht von Antikyra gefahren, denn für diesen und den folgenden Tag war wieder sehr starker Wind gemeldet.
In Antikyra, dem kleinen Fischerdorf, gefiel es mir sehr gut. Freundliche Menschen, völlig entspannt und ein sehr hübscher kleiner Hafen. Anfangs stand auch noch kein nennenswerter Schwell hier drin, am Nachmittag wurde es aber immer heftiger und Nomade ist schwer ins rollen geraten. Trotz langer Festmacher und Wind, der uns von der Pier wegdrückte, ist sie irgendwann längsseits gegen die Mauer geschaukelt. Mit einem lauten Knall hat sich dabei einer der alten Fender verabschiedet. Wieder einer weniger. Jetzt habe ich noch 4 neue und einen alten.
Abends konnte ich Nomade dann um die Ecke herum an einen nahezu schwellfreien Platz verlegen und zwei ruhige Nächte verbringen.



Die Tage habe ich in Antikyra mit Reparaturen verbracht. Vor allem die Genua hat mir viel Arbeit und Kopfzerbrechen bereitet. Sie hat es leider hinter sich und ist wieder an mehreren Stellen gerissen. Das ist sehr schade, denn über 90% des Segels sind in sehr gutem Zustand und sie steht wirklich gut. Allerdings wurde sie während der langen Zeit an Land nicht von der Rollanlage genommen und die griechische Sonne hat das Achterliek verbrutzelt. Dort löst sie sich jetzt nach und nach auf.
Ich habe wieder mit Segeltape geklebt und viel genäht. Einsetzen kann ich sie aber definitiv nur noch bei wenig Wind. Ich hoffe, sie hält noch bis Frankreich durch.

Nach der langen Westwindphase sollte für den Donnnerstag laut Wetterbericht endlich mal ein paar Stunden Ostwind einsetzen und ich hatte die Hoffnung, dass der Volvo diesmal etwas länger still bleiben könnte.
Also bin ich wieder los und kurz nach dem Kap setzte dann, dreimal dürft ihr raten, ja, Westwind ein!
Gegen den Wetterbericht hier im Golf von Korinth war der Wetterbericht in der Biskaya ein Traum. Da habe ich mich manchmal schon fast beschwert, wenn die Windrichtung mal 20° daneben war, oder sich um 2 Windstärken verschätzt wurde. Hier kann man die Prognose selbst wenige Stunden vorher nur als vagen Anhaltspunkt verwenden. Nur eins ist fast immer sicher, egal was gemeldet wird: Der Wind kommt aus Westen!
Und die Stärke? Irgendwas zwischen 1 und 9. Ein Schotte, der hier schon Jahre segelt, hat mir in Kilada erzählt, dass er mal bei gemeldetem schwachen Wind raus gefahren ist und bei Windstärke 10 mit Hängen und Würgen in den nächsten Hafen kam.

Dieses Wetterphänomen mit seinen schnellen Wechseln und der Unberechenbarkeit liegt an der Form des Golfs und seinen hohen Bergen, auf deren Gipfeln auch jetzt im Mai noch Schnee liegt. Der Golf wirkt dabei wie eine Düse. Der Wind wird kanalisiert und beschleunigt. Thermik und lokale Unterschiede spielen dabei auch noch eine große Rolle und lassen die Vorhersagen ungenau werden.

Aber ich bin jetzt in Trizonia, einer kleinen Insel am Ende des Golfs. Hier gibt es ein aufgegebenes Marina-Projekt, das von Aussteigern und Abenteurern entdeckt wurde. Die Brücke von Patras konnte ich auch bereits sehen und hier warte ich nun auf ein günstiges Wetterfenster für die nächste Etappe durch den Golf von Patras und höre mir die interessanten Geschichten in dem bunten Hafen an.

Trizonia, Insel der Aussteiger und Abenteurer.

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Neue Sportbootführerschein-Verordnung seit 10. Mai 2017 in Kraft

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat die bisherigen Sportbootführerscheinverordnungen Binnen und See in einer Sportbootführerscheinverordnung (SpFV) zusammengelegt.

Es haben sich folgende Änderungen ergeben:

Auf Binnenschifffahrtsstraßen dürfen Sportboote bis 20 Meter Länge (ohne Ruder und Bugspriet) gefahren werden mit Ausnahme des Rheins. Aufgrund internationaler Vorgaben gilt auf dem Rhein allerdings weiterhin die Längenbegrenzung von 15 Metern.
Die neue Regelung gilt auch für die alten Sportbootführerscheine Binnen.
Auf den Seeschifffahrtsstraßen gibt es keine Längenbegrenzung.
Ab dem 01.01.2018 werden die Sportbootführerscheine in Scheckkartenformat ausgestellt. Bis dahin erfolgt die Ausstellung im bekannten Format. In der künftigen Führerscheinkarte wird der jeweils gültige Bereich eingetragen
–  Binnenschifffahrtsstraßen: Sportboote mit Antriebsmaschine/unter Segel,
Länge < 20 Meter
–  Seeschifffahrtsstraßen: Sportboote mit Antriebsmaschine
Der Antrag zur Zulassung zur Prüfung kann bis eine Woche vor dem Prüfungstermin eingereicht werden. Die theoretische und praktische Prüfung können zu unterschiedlichen Zeitpunkten absolviert werden. Beide Teilprüfungen müssen jedoch bei einem Prüfungsausschuss desselben Verbandes innerhalb eines Jahres abgelegt werden.
Die Prüfung für den deutschen Sportbootführerschein auf Seeschifffahrtsstraßen (SBF See) kann nun auch im Ausland abgelegt werden, für den Geltungsbereich Binnenschiff-fahrtsstraßen war dies bereits möglich.
Eine nicht bestandene Prüfung kann frühestens am nächsten Tag wiederholt werden.
Generell ist bei den Gebühren eine spürbare Teuerung festzustellen. Ein Grund dafür sind die in den Gebühren der neuen SpFV bereits enthaltenen Nebenkosten, wie Raum- und Reisekosten der Prüfer,  d.h. die Gebühren werden diesbezüglich transparenter.

Die Prüfungsinhalte bleiben bis auf kleine redaktionelle Anpassungen unverändert.
Alle Änderungen sind auf der Internetseite der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung veröffentlicht, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat ebenfalls einen Flyer zur neuen Sportbootführerscheinverordnung herausgegeben, der die wichtigsten Änderungen zusammenfasst.

 

Neue Sportbootführerschein-Verordnung seit 10. Mai 2017 in Kraft

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat die bisherigen Sportbootführerscheinverordnungen Binnen und See in einer Sportbootführerscheinverordnung (SpFV) zusammengelegt.

Es haben sich folgende Änderungen ergeben:

Auf Binnenschifffahrtsstraßen dürfen Sportboote bis 20 Meter Länge (ohne Ruder und Bugspriet) gefahren werden mit Ausnahme des Rheins. Aufgrund internationaler Vorgaben gilt auf dem Rhein allerdings weiterhin die Längenbegrenzung von 15 Metern.
Die neue Regelung gilt auch für die alten Sportbootführerscheine Binnen.
Auf den Seeschifffahrtsstraßen gibt es keine Längenbegrenzung.
Ab dem 01.01.2018 werden die Sportbootführerscheine in Scheckkartenformat ausgestellt. Bis dahin erfolgt die Ausstellung im bekannten Format. In der künftigen Führerscheinkarte wird der jeweils gültige Bereich eingetragen
–  Binnenschifffahrtsstraßen: Sportboote mit Antriebsmaschine/unter Segel,
Länge < 20 Meter
–  Seeschifffahrtsstraßen: Sportboote mit Antriebsmaschine
Der Antrag zur Zulassung zur Prüfung kann bis eine Woche vor dem Prüfungstermin eingereicht werden. Die theoretische und praktische Prüfung können zu unterschiedlichen Zeitpunkten absolviert werden. Beide Teilprüfungen müssen jedoch bei einem Prüfungsausschuss desselben Verbandes innerhalb eines Jahres abgelegt werden.
Die Prüfung für den Sportbootführerschein auf Seeschifffahrtsstraßen kann nun auch im Ausland abgelegt werden, für den Geltungsbereich Binnenschifffahrtsstraßen war dies bereits möglich.
Eine nicht bestandene Prüfung kann frühestens am nächsten Tag wiederholt werden.
Nebenkosten, wie Raum- und Reisekosten der Prüfer, sind in den Gebühren der neuen SpFV bereits enthalten, d.h. die Gebühren werden transparenter.

Die Prüfungsinhalte bleiben bis auf kleine redaktionelle Anpassungen unverändert.
Alle Änderungen sind auf der Internetseite der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung veröffentlicht, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat ebenfalls einen Flyer zur neuen Sportbootführerscheinverordnung herausgegeben, der die wichtigsten Änderungen zusammenfasst.

 

Eine Vollmondnacht im Hafen. Oder: Warum kann’s eigentlich nicht immer so sein?

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.

Es ist Mai in der Marina San Gorgio di Nogaro am Fluss Corno. Waren die letzten Nächte zuhause in Deutschland regenreich und kühl, so ist es hinter den Alpen warm geworden. Selbst jetzt, weit nach Mitternacht, bin ich ohne Jacke unterwegs durch den Hafen von San Giorgio, der im Licht des Vollmonds liegt. Auf der Jagd nach guten Fotos. Auf der Jagd nach guten Gedanken.

Das eine ist dabei so schwer wie das andere. Und doch: Seit ich nun ein paar wenige Stunden am Meer bin, am Wasser, ist alles federleicht. Und alle Schwere abgefallen. So, als wäre im Wasser in minimaler Dosierung ein Botenstoff enthalten, irgendein Pheromon, das aus dem Wasser aufsteigt, das ich in feinster Dosierung hier am Meer inhaliere. Und das mein Leben leicht macht, sobald ich auch nur ein Millionstel davon einatme. Wenn ich nur wüsste, was es wirklich ist, das hier am Meer alles leicht macht? 


Ist es der Anblick des für einen Moment still daliegenden Gezeitenflusses, der nur für einen Wimpernschlag reglos verharrt in dieser Nacht, genau zwischen Ebbe und Flut? Ist es der Gesang einer Nachtigall, der vom anderen Ufer des Corno zum Hafen herüberdringt? Die sich wiederholenden Refrains, die kehligen Lieder eines winzigen Vogels, der so klein und unscheinbar auf Fotografien wirkt, dass ich mich jedes Mal wundere, woher er die Stimmkraft nimmt und singt, eine ganze Nacht lang, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Ein Lied nach dem anderen.

Vom Westen die Wolken, in lockeren Haufen. Mal lassen sie den Mond hell über dem Hafen scheinen. Und dann ist alles auch gleich wieder abgedunkelt. Und der Mond ist hinter einer dichten Decke verschwunden. Ich schlendere durch den Hafen, bin müde, und kann mich trotzdem nicht entschließen, auf Levje endlich ins Bett zu kriechen. Die Nacht im Hafen unter dem Vollmond ist zu schön. Zu außergewöhnlich. 

Warum kann es eigentlich nicht immer so sein?

Ja: Warum eigentlich nicht? Es ist Mitternacht – und keine andere Tageszeit ist besser dafür geschaffen, um darüber nachzudenken. Und ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein wie zu seinem besten Freund. Ehrlich zu sein wie zu seinem Partner. Und: Ehrlich zu sein zu sich selber. Versuchen wir es also, wo der Vollmond jetzt gerade zwischen zwei schnell ziehenden Wolkenbänken leuchtet. 

Vielleicht ist zweierlei dafür verantwortlich. Zum einen: Äußere Zwänge. Dinge, die von außen an uns herangetragen werden. Ein „Funktionieren müssen“ im Beruf, ein „Funktionieren müssen“ im Eingespanntsein in unsere Doppelt-, Drei- und Vierfachbelastungen und -funktionen im Leben, irgendwo auf der Landkarte zwischen „Wollen“ und „Müssen“. Wir sind eingespannt im Beruf. Im Haushalt, den wir zu führen haben. Wir sind Konsumenten, die ständig wie die Ameisen neue Dinge in ihren Bau tragen. Wir sind auch „Steuerbürger“, so nannte mich ein Finanzbeamter einmal, in der dauernden Verwaltung unseres selbst. Und der über 10.000 Dinge, die ein Deutscher im Durchschnitt heute besitzt. Wo es doch vor 500 Jahren keine 10 Dinge waren, die ein durchschnittlicher Deutscher sein eigen nannte. Da gerät manches unter die Räder.


Aber noch wichtiger ist das zweite: Dass wir einfach oft verkennen, wer der einzige Mensch ist, der uns helfen in all diesen Belastungen Erleichterung bringen könnte. Der einzig, der wirklich „was ändern könnte“. Nämlich wir selber. Wie oft deuten wir reflexartig auf irgendjemand, um ihm die Verantwortung zuzuschieben für unser Unglücklichsein? Ein Boss. Ein Kollege. Unser Partner. Ein fieses Gesicht aus der weltweiten Politik, das gerade Schlagzeilen macht. Es gibt täglich viele Angebot, wem wir die Schuld zuschieben könnten. Dabei sind jedes Mal wir der einzige Mensch, der tatsächlich etwas ändern könnte.

Ob die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir versuchen würden, UNS zu ändern, statt sinnlos auf unserer Umgebung herumzuhacken? 

Ich weiß es nicht. Aber dass diese Nacht mit dem Vollmondnacht über dem Hafen von San Giorgio einmalig ist; dass ich sie missen würde, wenn ich nicht hierher aufgebrochen wäre, mich auf den Weg gemacht hätte: Das weiß ich ganz sicher.

So wandere ich dahin, zwischen den still daliegenden Booten. Ich höre immer noch die Nachtigall, als ich zurück bin, auf Levje. Ich höre sie solange, bis ich endlich eingeschlafen bin.

Wenn Ihnen dieser Post gefiel: 
Liken Sie ihn – mit einem Klick hier drunter ins Kästchen bei „Tolle Geschichte“. Ich freue mich!

Übrigens: Danke für Ihre vielen Likes zu meinem Post über 
„Maurizio und das blaue Ungetüm“. Circa 3.000 Leser haben ihn in drei Tagen gelesen. 
Eben traf ich Maurizio, er strahlte übers ganze Gesicht, als er sagte: 
„Tutti lo sanno!“ „Alle habens gelesen – alle wissen es“. Na denn…

_____________

Lust auf noch mehr Mitternachtsgedanken –
und wie es ist in der Nacht allein auf dem Meer?
In meinem Kinofilm:


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.

Mehr erfahren. Filmtrailer ansehen. Hier.

Eine Vollmondnacht im Hafen. Oder: Warum kann’s eigentlich nicht immer so sein?

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.

Es ist Mai in der Marina San Gorgio di Nogaro am Fluss Corno. Waren die letzten Nächte zuhause noch regenreich und kühl, so ist es hinter den Alpen warm geworden. Selbst jetzt, weit nach Mitternacht, bin ich ohne Jacke unterwegs durch den Hafen, der im Licht des Vollmonds liegt. Auf der Jagd nach guten Fotos. Auf der Jagd nach guten Gedanken.

Das eine ist dabei so schwer wie das andere. Und doch: Seit ich seit ein paar Stunden am Meer bin, am Wasser, ist alles federleicht und alle Schwere abgefallen. So, als wäre im Wasser in minimaler Dosierung ein Botenstoff enthalten, irgendein Pheromon, das aus dem Wasser aufsteigt, das ich in feinster Dosierung hier am Meer inhaliere. Und das mein Leben leicht macht, sobald ich auch nur ein Millionstel davon einatme. Wenn ich nur wüsste, was es ist? 


Vielleicht Vielleicht ist es der Anblick des für einen Moment still daliegenden Flusses, der nur für einen Wimpernschlag verharrt in dieser Nacht zwischen Ebbe und Flut? Vielleicht ist es der Gesang einer Nachtigal, der vom anderen Ufer des Corno zum Hafen herüberdringt? Die sich wiederholenden Refrains, die kehligen Lieder des kleinen Vogels, der so klein und unscheinbar auf Fotografien wirkt, dass ich mich jedes Mal wundere, woher er die Stimmkraft nimmt und singt, eine ganze Nacht lang, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Ein Lied nach dem anderen.

Vom Westen die Wolken, in lockeren Haufen. Mal lassen sie den Mond hell über dem Hafen scheinen. Und dann ist alles auch gleich wieder abgedunkelt. Und der Mond ist hinter einer dichten Decke verschwunden. Ich schlendere durch den Hafen, bin müde, und kann mich trotzdem nicht entschließen, auf Levje endlich ins Bett zu kriechen. Die Nacht im Hafen unter dem Vollmond ist zu schön. Zu außergewöhnlich. Warum kann es eigentlich nicht immer so sein?

Ja: Warum eigentlich nicht? Es ist Mitternacht – und keine andere Tageszeit ist besser dafür geschaffen, um ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein seinem besten Freund. Ehrlich zu sein zu seinem Partner. Und: Ehrlich zu sein zu sich selber. Versuchen wir es also, wo der Vollmond gerade leuchtet. Vielleicht ist zweierlei dafür verantwortlich. Zum einen: Äußere Zwänge. Dinge, die von außen an uns herangetragen werden. Ein „Funktionieren müssen“ im Beruf, ein „Funktionieren müssen“ im Eingespanntsein in unsere Doppelt-, Drei- und Vierfachfunktionen, irgendwo auf der Landkarte zwischen „Wollen“ und „Müssen“. Da gerät manches unter die Räder.


Aber noch wichtiger ist das zweite: Dass wir einfach oft verkennen, wer der einzige Mensch ist, der uns helfen kann. Nämlich wir selber. Wie oft deuten wir reflexartig auf irgendjemand, um ihm die Verantwortung zuzuschieben für unser Unglücklichsein? Ein Boss. Ein Kollege. Unser Partner. Ein fieses Gesicht aus der weltweiten Politik, das gerade Schlagzeilen macht. Dabei sind jedes Mal wir der einzige Mensch, der tatsächlich etwas ändern könnte.

Ob die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir versuchen würden, uns zu ändern, statt sinnlos auf unserer Umgebung herumzuhacken? 

Ich weiß es nicht. Aber dass diese Nacht mit dem Vollmondnacht über dem Hafen von San Giorgio einmalig ist; dass ich sie missen würde, wenn ich nicht hierher aufgebrochen wäre, mich auf den Weg gemacht hätte: Das weiß ich ganz sicher.

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Tage zum vergessen

Am 3. Mai haben wir früh morgens bei Flaute die Leinen in der Zea Marina gelöst und sind langsam aus dem Hafen getuckert. Filou war schon etwas aufgeregt und hat sich wohl gefragt, warum sich sein neues Zuhause plötzlich bewegt. Angst hatte er keine, nur neugierig war er und wir waren nach der ersten Anspannung schnell wieder gelassen und guter Dinge für den Törn nach Korinth.

Windstärke 2 bis 3 aus Nord war gemeldet. Darauf haben wir einige Tage gewartet. Ideale Bedingungen für Filous erste Seefahrt waren also zu erwarten. Die Realität sah nach einer Weile völlig anders aus. Zwar stimmte die Stärke zunächst noch, aber der Wind drehte kurz nach der verkehrsreichen Zufahrt auf Patras auf West! Exakt die Richtung, in die wir wollten.
Erst hatte ich noch die Hoffnung, dass es sich nur um eine Ablenkung am südlichen Kap von Salamina handelt, doch auch danach weiterhin Westwind und er drehte kontinuierlich auf.
Was Sabrina, mir und Nomade nichts ausmachte, wurde für Filou sehr unangenehm. Bei Windstärke 5 hatte sich der Gegenwind dann eingependelt, der Seegang wurde unangenehm ruppig und Filou schwer seekrank. Die Details erspare ich euch, aber es tat uns in der Seele weh, ihn so zu sehen.

Wäre der Platz in der Marina nicht wegen einer Bootsausstellung weg gewesen, wir wären wahrscheinlich wieder umgedreht. Andere Häfen hätten unsere Situation nicht wirklich entscheidend verbessert. Also hat sich Sabrina so gut es ging um Filou gekümmert, während ich versucht habe, die unangenehmsten Wellen so anzusteuern, dass Nomade nicht ganz so wild darüber springt. Eine Qual war das, ihn so krank und hilflos zu sehen. Wir wissen ja beide, wie schlimm Seekrankheit sein kann. Nur kann Filou, im Gegensatz zum Menschen, nicht wissen dass es auch irgendwann wieder vorbei ist.
Bis es soweit war, vergingen Stunden. Stunden der Anspannung und Zweifel. Irgendwann wurde es dann ruhiger. Der Wind war nach wie vor stark, aber der Seegang ließ mit jeder Meile Richtung Kanaleinfahrt wieder nach.
Dort angekommen, haben wir an der Pier festgemacht. Sabrina ist zur Kanalverwaltung gelaufen und hat sich um den Papierkram gekümmert, während ich mit Filou eine Runde gelaufen bin. Es ging ihm schnell wieder besser, bis zu dem Moment, als ein Rudel aus 6 Streunern, die ich nicht gesehen hatte, urplötzlich angerannt kam und sehr aggressiv reagiert hat. Ich hatte so eine ähnliche Situation schon mal mit dem Auto in den Bergen auf der Peloponnes erlebt, wo 3 Herdenschutzhunde ohne Vorwarnung das Auto angegriffen haben. Diesmal waren es 6 dieser großen Hunde und Filou bei mir an der Leine.
Er ist sofort losgerannt und ich bin, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, hinter ihm her. So schnell es ging, in Richtung Nomade. Filou und ich waren schneller als das Rudel. Am Schiff hatten wir etwas Abstand gewonnen. Ich hab Filou geschnappt, aufs Boot gehoben und der Spuk war vorbei! Aufs Schiff haben sie sich nicht getraut und sind wieder abgezogen.
Was für ein Schreck! Zum Glück ist nichts passiert.

Die Fahrt durch den Kanal konnten wir nicht genießen. Wir waren nur froh, dass die Situation so glimpflich ausgegangen ist und Filou im Kanal ruhige Bedingungen hatte.
Nach der Durchfahrt war es nur noch ein kurzes Stück bis zum kleinen Hafen in Korinth. Der Anleger klappte problemlos und es hat nicht lange gedauert, bis es Filou wieder besser ging.

Der erste Eindruck von Korinth und seinem Hafen war sehr gemischt. Die Steganlage vergammelt und von Booten verlassen, viel Müll überall und eine lautstarke Schlägerei zwischen Jugendlichen, kurz nach dem Ankommen.
Aber gut, nach ein paar Minuten sollte man keine Stadt beurteilen. Wir sind deshalb los gelaufen um uns etwas umzusehen. Filou bei uns an der Leine und wieder der Alte. Völlig entspannt und neugierig.
Nach wenigen Metern kam uns der erste Streuner entgegen. Laut war er, aber nicht aggressiv. Er hat kurz die Lage gecheckt, gezeigt wessen Revier das hier ist und alles war ok.
Also sind wir weiter. Tiefer in die Stadt, die so schmutzig war, wie bisher keine andere Stadt in der ich war. Nur in der Fußgängerzone ging es, ansonsten flog der Müll nur so durch die Gassen. Und es war sehr auffällig, wieviel mehr Männer hier unterwegs waren als Frauen. Keine Familien, keine Kinder, fast ausschließlich Männer. Männer, die offensichtlich nichts zu tun hatten. Doch, etwas hatten sie zu tun. Die Leute auf der Straße ganz genau zu mustern und an ihrem besonders coolen Gang zu arbeiten. Naja…
Eine Weile später, der nächste Streuner. Diesmal ein ruhiger Geselle, der bald wieder seines Weges gezogen ist.
Als wir bereits auf dem Rückweg waren ist es dann passiert. Ohne Vorwarnung oder den leisesten Ton wurde Filou von einem Streuner gebissen! So ein Verhalten habe ich noch nie bei einem Hund erlebt! Das Biest hat sich von hinten herangepirscht und hat ihn einfach in die Rute gebissen! Filou hat laut gejault, Sabrina hat ihn mit einem Ruck weggezogen und sich vor ihn gestellt. Der Streuner wollte bereits nachsetzen, da habe ich ihn laut angeschrien, einen Schritt in seine Richtung gemacht und mich gebückt, um etwas aufzuheben, was da gar nicht lag.
Es war ein Bluff, den mir mal jemand erzählt hat und ich hätte nie gedacht, dass er wirklich funktioniert. Aber der Hund hat unmittelbar den Kopf eingezogen und ist abgedackelt!
Warum? Weil er gedacht hat, ich hebe einen Stein auf, um ihn damit zu bewerfen. Das ist das traurige an der ganzen Situation. Denn so aggressiv dieser Hund auch war, so ist er vermutlich nicht von sich aus geworden. Das haben Menschen zu verantworten und sicherlich ist er mehr als einmal mit Steinen beworfen worden.
Wir drei waren jedenfalls bedient. Bedient von den Streunern, die hier ganz anders sind als in den gemütlichen Dörfern und bedient von Korinth, mit seinem Müll und der geladenen Grundstimmung.
Also ab zum Boot und zwischendurch Filous Rute untersuchen. Etwas geschwollen war sie an der Bissstelle, aber geblutet hat sie nicht. Der andere Hund hat allerdings sichtbar kräftig zugebissen.

Kurz vorm Boot, die nächste Überraschung. Drei Jugendliche haben sich auffällig unauffällig das Schiff angeschaut. Wir sind deshalb unauffällig vorbei geschlendert, um zu sehen, ob das nur Neugierde ist, oder etwas anderes dahinter steckt.
Es hat nicht lange gedauert, da war der erste auf dem Schiff. Mehr mussten wir nicht sehen, um zügig die Richtung zu ändern. Die drei hatten das mitbekommen und sind erschrocken wieder runter gesprungen. Gesagt haben wir nichts. Wir sind nur auf dem Steg stehen geblieben und haben sie an uns vorbei gehen lassen. Innerlich habe ich gekocht, aber was willst du in der Situation schon anderes machen. Die Jungs hatten die Köpfe jedenfalls fast auf dem Boden, als sie sich vorbei gemogelt haben.
Was für ein Scheißtag!

Der nächste Tag, der Donnerstag, sollte eigentlich ein ruhiger für uns werden, denn Sabrinas Flug ging am Freitag, sehr früh morgens. Durch Filous Seekrankheit mussten wir allerdings umplanen und es musste schnell gehen.
Ihn für die nächsten Etappen an Bord zu lassen, wäre eine schlimme Quälerei geworden. Denn der Golf von Korinth, durch den ich als nächstes muss, wird von Westwinden beherrscht, die nicht selten Sturmstärke erreichen. Auf ruhiges Segelwetter kann man hier nicht warten. Da sind 5 Beaufort gegenan fast schon Luxus. Also haben wir entschieden, dass Filou mit Sabrina nach Hause fliegen wird. Dieser Plan B stand von vornherein fest, sollte er nicht seefest sein. Wenn er sich überhaupt eines Tages ans Segeln gewöhnen kann, dann nur in ganz kleinen Schritten, mit viel Zeit. Hier im Golf wäre das nicht möglich.
Also umplanen, zumal der Schwell im Hafen, der ihn nun wieder seekrank macht, die Bestätigung ist.
Ich beschreibe euch diesen Tag nicht im einzelnen, das wäre zuviel. Aber während Sabrina telefoniert und das Internet durchforstet hat, bin ich kilometerweit durch die Stadt gelaufen, um einen Mietwagen zu organisieren. Abends um 19 Uhr hatte ich ihn und Sabrina ist es gelungen, einen Flug für für die beiden für den nächsten Tag nach Amsterdam zu bekommen. Bei einer Gesellschaft, die auf Hunde spezialisiert ist. Auch wenn der Flug unangenehm für ihn wird, so hat das Flugzeug wenigstens einen extra Raum, der klimatisiert ist und nicht so laut.
Während Sabrina am Abend ihre Sachen gepackt hat, war ich mit dem Zusammenbau von Filous Flugbox beschäftigt.

Am nächsten morgen, der Aufbruch.
Klappte alles völlig problemlos und Filou ist während der Autofahrt zum Flughafen ganz gut drauf gewesen. Übergeben musste er sich auch nicht.
Die Wartezeit am Flughafen haben wir vor dem Gebäude auf einer Wiese verbracht.
Als es dann soweit war, sind wir zusammen rein gegangen. Filou war plötzlich der Star. Durfte an der Leine umher laufen, wurde permanent gestreichelt und fotografiert und war plötzlich: Fluggast

Nach dem einchecken wurden wir zur Kontrolle für ungewöhnliche Gegenstände geschickt. Während Sabrina die Formalitäten erledigt hat, kam eine Zollbeamtin auf Filou und mich zu. Sie fragte, ob er fliegt und wohin. Dann schaute sie ihn genau an, streichelte ihn, klopfte mir auf die Schulter und meinte mit einer Träne im Auge zu mir: „Danke, dass ihr ihn mitnehmt.“
Ich war völlig perplex und hätte selbst fast geheult!
Wir haben uns dann noch kurz unterhalten und es stellte sich heraus, dass sie sich selbst um Streuner kümmert. Ihr war sofort klar, dass Filou auch mal einer war.

Danach ging alles ganz schnell. Filou musste in die Box, was ohne Probleme geklappt hat und ist zusammen mit Sabrina durch die Sicherheitskontrolle gegangen. Dort musste er nochmal kurz raus, damit die Box geröntgt werden konnte. Dann war er weg und wurde in Richtung Flugzeug gebracht. Auch Sabrina musste nun los und ich war wieder allein.
Während für Filou nun der schwere Teil begann, habe ich weiterhin am Flughafen gewartet. Ich wollte erst los fahren, wenn wirklich sicher war, dass beide im Flugzeug und unterwegs sind.
Sabrina konnte nach dem Bording sehen, wie Filou in seiner Box zum Flugzeug gebracht wurde und ich konnte kurze Zeit später, mit Blick auf die Startbahn sehen, wie die beiden abgehoben sind.

Ich stehe eigentlich total auf fliegen, aber bei diesem Start, der lehrbuchmäßig ablief, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Mir tat Filou Leid.

Danach ging es zurück zum Boot und nicht lange, nachdem ich dort wieder angekommen war, kam auch die erleichternde Nachricht aus Amsterdam: Flugzeug gelandet!
Die zweite Nachricht dann unangenehm: Eine halbe Stunde lang, starke Turbulenzen!
Die dritte Nachricht: Ich hab Filou wieder, es geht ihm gut, er freut sich total!

Da hab ich vor Freude feuchte Augen bekommen und war froh, das wir diese Entscheidung getroffen haben. Denn in Korinth hat Nomade am Anleger getanzt. Hier war plötzlich Sturm!
Aber Filou war in Sicherheit und es ging ihm gut. Mein Papa hat die beiden dann mit dem Auto nach Deutschland gebracht und mein Schwager ist mit Sabrina am nächsten Tag nach Belgien gefahren, um unser Auto am Flughafen Charleroi abzuholen. Von dort aus ist Sabrina ja nach Athen geflogen. Ein Flug mit Filou dorthin war aber nicht zu bekommen.

Und jetzt? Jetzt geht es ihm in Wesel gut. Mein Papa kümmert sich um ihn, während Sabrina auf der Arbeit ist und der Hund meiner Eltern (wir leben ja im gleichen Haus) hat Filou sofort als neues Familienmitglied akzeptiert.

Und in Griechenland? Hier ist die Kacke am dampfen! Nomade hatte sehr spät abends nochmals Besuch von drei Jugendlichen. Eine sehr angespannte Situation an Deck war das. Ansonsten wurde ich angepöbelt und um Geld „gefragt“. Da ja allerdings Sturm war, konnten wir nicht dort weg.

Vom ersten Einhandtörn mit Nomade berichte ich dann beim nächsten Mal.

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Aufruf zum Schwerwettertraining (Mein Beitrag zu Scheindiskussionen)

Beiträge zu Sinn und Unsinn von Segelscheinen ja funktionieren immer recht gut, daher hier einmal mein bescheidener Beitrag zu diesem Thema. Geschrieben nach einem kurzen, stürmischen Törn sitzend vor, und ich hoffe das letzte Mal in dieser Saison, dem Wärme spendenen Heizlüfter unter Deck. Mein Törn beginnt in Schausende in der Flensburger Förde. Hier gibt es  eine schmale Einfahrt über ein Flach. Weisse Wellenköpfe hetzen quer zur Einfahrt. Der sehr böige Wind drückt die Masten der Boote heulend zur Seite. Kein Wetter zum Auslaufen, wie mir die Hafenmeisterin probiert einzureden. Aber was soll ich hier den ganzen Tag in Schausende? Also gehe ich einmal ans Ende der Hafenmole und schaue mir das Elend an. Wind 6 plus knackige Böen. Sehr kabbelig, aber kein Vergleich zur offenen Ostsee. Zwei weitere Boote sind draussen und stampfen im 2. Reff. Zusammen mit dem heulenden Wind, sieht das erst einmal spannend aus. 

Noch vor 2 Jahren wäre ich nur sehr ungerne ausgelaufen, heute gehe ich da anders ran. Mein Kurs liegt ja mehr oder weniger vor dem Wind bis Flensburg. Sobald ich draussen bin, wird es also unproblematisch. Bleibt die schmale Ausfahrt fast quer zum Wind. Unter Maschine easy, aber was wenn sie ausfällt? Dieses Gedankenspiel mache ich mir bei jeder Ein- und Ausfahrt in Häfen. Einmal vor der Großenbroder Fähre hat es mir diese Praxis bereits einmal Stress und Schäden erspart. Es sind nur gut drei Kabel (welch schönes Wort) , die überwunden werden müssen. Ich rolle etwas Fock aus. Sollte eigentlich reichen um die nötigen ca. 75 Grad Höhe zu laufen. Sonst eben einfach bis zum nächsten Pfahl der die Einfahrt säumt und Leine drüber. Nicht der beste aller Pläne, es ist aber auch höchst unwahrscheinlich, das ich ihn brauchen werde. Dann folgt das Ablegen mit langer Vorleine auf Slip um das Boot hinten zwischen die Pfähle zu bekommen, das hat sich bei mir Einhand und mit Seitenwind bewährt. Klappt auch. So wie die Ausfahrt unter Diesel. Nur unter dem Stückchen Fock habe ich nach Kurswechsel auf Süd schnell 5,5kn auf der Logge. Es bläst ja doch ganz ordentlich. 
 

Was hat das Ganze nun mit Segelscheinen zu tun, kann man sich nach den vielen Zeilen berechtigterweise fragen? Meine einfache Antwort: Erfahrung ist durch keinen Schein zu ersetzen. Wäre ich früher nicht oder nur höchst gestresst ausgelaufen, rufe ich nun einfach Erfahrungswerte zur nüchternen Risikoabschätzung ab. Wind, Welle, die Lage der anderen Boote draußen, Ablegemanöver, Ausfahrt. Alles schon gehabt, auch bei noch mehr Wind und vor allem Welle. Alle Manöver sind im Kopf abruf- und visualisierbar. Ich habe nichts davon beim SBF oder SKS gelernt. Hätte ich aber gerne. Und so schaue ich auf die einzigen Boote die heute neben mir draußen sind. Vor Glücksburg mit Kapuzenmännchen. Vermutlich Schulungsschiffe des DHH, die tapfer im 2. Reff Wenden und Halsen fahren. Focks flattern im Wind, die Boote bocken in der Welle, krängen teils kräftig. Jeder der Teilnehmer muss ordentlich ran, kann aber später bei seinem ersten Starkwindtörn sagen: „Solche Verhältnisse hatte ich schon mal, nicht schön, aber im 2. Reff geht das.“ Das sind die wertvollen Lernmomente! Dann noch jeder einmal am Ruder, wenn bei Starkwind angelegt wird, da nimmt man dann auch echt was mit. Und alles unter 6 Bft. ist später nur noch halb so schlimm, bis einfach. „Das hatte ich schon viel härter, damals vor Glücksburg….“. Ich als mehr oder weniger Autodidakt musste mich da mühsam Windstärke um Windstärke herantasten. So eine Schwerwetterfahrt hätte mich doch sehr viel weitergebracht, als das dumpfe Lernen hunderter von Fragen. Schwerwetter sollte eigentlich Vorschrift sein, so wie die Autobahn- und Nachtfahrt beim PKW Führerschein. Das würde vielen, unangenehmen Aha-Momente von Neuseglern vorbeugen, die noch nicht wissen, das Segeln nur zu Hälfte Genuss und zur anderen harte Arbeit ist. 

Den Vorteil der Scheinebüffelei sehe ich eher darin, dass man sich einmal mit allen Aspekten der Seefahrt befassen muss und die nötigen Begriffe lernt. Um sich darauf aufbauend weiterbilden zu können. Sonst vergisst man das alles schnell, oder schreibt es als irrelevant ab. Bis, ja bis Rasmus es einmal nicht mehr gut mit einem meint. Denn dann ist keine Zeit mehr zum Nachlesen, dann muss das sitzen. Wenigstens im Kopf. Ein Freund von mir spricht immer noch von Seilen, Segel raffen, die Stange vom Groß etc. Gut, es sind nur Begrifflichkeiten, aber die Segelleistungen stehen doch direkt im Verhältnis zu den fehlenden Vokabeln. Da fehlt dann definitiv die Erfahrung um die auswendig gelernten Phrasen in korrekte Handlungen umzusetzen. Fazit: Ein Schwerwettertraining ist nicht unbedingt für Fortgeschrittene, sondern gerade und ganz besonders für Anfänger geeignet! Einmal die See von ihrer rauen Seite erlebt zu haben, gibt eine unglaubliche Sicherheit bzw. sagt einem, ob das mit dem Segeln überhaupt das Richtige für einen ist. Vorschlag: Einmal mit Rainer Tatenhorst von der Yachtschule Eichler bei viel Wind Helgoland und zurück. Das schafft was weg .-)

SV Laetitia – Markus Rempe GER

WAHNSINN, FUNKTIONIERT SOGAR IM DUNKELN

Habe mich in den letzten stürmischen Tagen bei 8 Bft und mit scheußlicher und hoher achterlicher Welle von der Pacific über die Ostsee steuern lassen… bei den Bedingungen hat der elektronische AP schon lange kapituliert.
Besten Dank!
Markus Rempe

Menschen am Meer: Maurizio und das blaue Ungetüm.

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.



Als ich klein war, waren meine Helden so ganz andere als heute. Vieles war groß, was mir heute klein erscheint. Die Straße, in der ich wackelnd Fahrradfahren lernte, war schier unendlich. 35 Jahre später stellte ich fest, dass sie nicht mal 35 Meter lang war. Ebenso riesig erschien mir der Bagger an der Baustelle, der heute nur jämmerlich klein ist und blau. Was habe ich ihn bewundert, den Mann im Führerhaus des Baggers. 

Zwischen damals und heute gleich geblieben ist, dass Staunen Voraussetzung für ein gutes Leben ist. Staunen lernte ich vorgestern wieder einmal bei Maurizio, dem Kranführer in der Marina San Giorgio.

Unsere erste Begegnung verlief, wie so oft bei meinen Begegnungen die interessant werden, knurrig. Im Herbst hievte Maurizio LEVJE aus dem Wasser. 9,40 Meter Länge. Keine vier Tonnen Gewicht. Kein großer Act, könnte man meinen. Aber tatsächlich muss man auch da aufpassen, wo man die Krangurte ansetzt. Sitzen sie falsch unter dem Schiff, zerdrücken sie den Kühlwasser-Einlauf, verbiegen die Motorwelle, zerquetschen das kleine Wasserrädchen der Logge. Also bat ich Maurizio, aufzupassen. Wegen der Gurte. Und dem Rädchen. Und entschuldigte mich bei Maurizio mit der Bemerkung, das daumennagelgroße Rädchen koste knapp 40 Euro, wenn es kaputtgeht. „Das ist etwa das, was ich am Tag verdiene,“ hörte ich Maurizio knurren, als der davon stapfte. Es gab mir zu denken.

Als LEVJE II nun aus dem Wasser kam – zum dritten Mal in diesem Winter – verkniff ich mir derlei. Maurizio und Michele brachten mein Schiff – siebeneinhalb Tonnen – ohne Schaden aus dem Wasser. Und wandten sich dann größeren Aufgaben zu. In der Halle wartete ein echter Brocken auf Maurizio. Eine Motoryacht von knapp 70 Tonnen. Knapp 30 Meter lang. Der Himmel weiß, wie sie sie vergangenen Herbst in die Halle hineingefummelt hatten. Die metergroßen Schiffschrauben des Monsters schwebten keine Handbreit über dem Hallenboden. Dafür passte sie auch nur Zentimeter unter die Betonträger des Hallendachs. Und auch das bloß, weil die Elektroniker den Mast mit Radar und Kommunikationsdomen abmontiert hatten.

Nun also dieser 70-Tonnen-Brocken. Dafür hat Maurizio sein kleineres Spielzeug aus der Garage geholt. Den 80 Tonnen-Kran. Er passt so eben unter das Hallendach. Und Zentimeter neben das blaue Wunderwerk im Winterschlaf.

Hustend steckt sich Maurizio eine Zigarette an. Und schaut die Bordwand hoch, ob die tonnenschweren Hebearme auch nicht an der Bordwand schrappen. Als ich ihn frage, warum er rauche, knurrt er bloß: „Zu nervös heute“. Der spirelige Werftchef Giuseppe, den alle in der Werft nur Peppo nennen, trägt auch nicht gerade zu Maurizios Ruhe bei. „Dai“, ruft er Maurizio im Vorbeigehen zu, „Mach endlich. In einer Stunde muss die im Wasser sein.“ Maurizio reißt sich aus seiner Betrachtung los. Michele schleppt noch zwei lange gepolsterte Holzbalken herbei, die sie unter die Gurte spannen. 

Maurizio hält den einen in seiner Position, ich sehe seine Tätowierung. Sehe seine Hände. Es sind die Hände eines Handwerkers. Hände, die einer Frau Sicherheit geben. Und Vertrauen. Worüber er wohl mit seiner Frau Abends redet? „Heute war einer da, der hat mir erzählte, ich solle aufpassen, damit ich sein rotes Rädchen unterm Boot nicht zerquetsche?“ 

Dann beginnt für die blaue Schönheit die Reise in diesen Sommer. Ob ich könnte, was Maurizio da jeden Tag macht? 350 Boote werden er und Michele in diesem Frühjahr aus dem Wasser heben. Dann zwei Monate Pause. Im Herbst werden sie dieselben 350 Boote wieder aus dem Wasser heben. Und Zentimetergenau in die lange Winterhalle rangieren. Und nicht nur hier in der Marina San Giorgio di Nogaro. Sondern überall an dieser Küste, an der es zwischen Venedig im Westen und Triest im Osten geschätzt um die 10.000 Liegeplätze gibt. 

Wieviele Menschen es noch vor 100 Jahren brauchte, um ein 70-Tonnen-Schiff ins Wasser zu bringen? Heute? Ein Klacks. Wenn auch ein nervenaufreibender, für die beiden, die noch benötigt werden, das tun. Es ist Zentimeterarbeit, die Motoryacht langsam ihre blaue Nase aus der Halle stecken zu lassen. Maurizio lässt das blaue Teil nicht eine Sekunde aus den Augen, während es langsam auf vier knirrschenden Reifen dahinrollt. Michele steht am obersten Deck des Schiffes. Und passt auf, dass oben und hinten nichts hängenbleibt, wenn 30 Meter Motoryacht aus dem Hallentor rollen. Alles läuft nur über die Fernsteuerung, den kleinen gelben Kasten, den Maurizio vor seinem Bauch trägt. Die Hände, die vorher noch die Planke an die Bordwand drückten, schieben jetzt kleine Hebelchen. Und bewegen damit 70 Tonnen lackiertes Glasharz und Stahl.

Dann ist das Teil draußen aus der Halle. Und wird erst mal abgestellt. Wie die parkenden Autos drumherum. Zwei Elektroniker klettern nach oben, um den umgelegten Mast mit Radar und Kommunikation wieder aufzustellen und zum Laufen zu bringen. Michele kriecht derweil unter das Teil, um fünf Stahlböcke genau unter dem Kiel wieder in die richtige Position zu bringen. Zu gerne würde ich Michele und Maurizio fragen, was in ihnen vorgeht, wenn sie unter 70 Tonnen herumkriechen, die lose in acht Stoffgurten baumeln. Was jetzt passiert, wenn sie eine der Eisenstützen in die falsche Position bringen. An einer Yacht ist Reparatur immer gleich teuer. An einem Schmuckstück wie diesem? Unbezahlbar.

„Ich mach’ das seit 1977″, erzählt Maurizio. „Damals fing ich in Bibione an, in der Werft. Ich hatte Techniker auf der Technikerschule gelernt. Und dann bin ich gleich in die Werft. Da bin ich dann geblieben. Am Kran.“

„Was seine Frau ihm heute Abend kocht?“ frage ich Maurizio. „Spezzatino con Patate al Forno“, grinst Maurizio und klatscht in die Hände, „Geschnetzteltes mit Ofenkartoffeln“. Und was bekommt sein Helfer Michele? Der zuckt nur mit den Schultern. Er weiß es nicht. Wieder grinst Maurizio: „Sorpresa della moglie“ – ‚Überraschung. Von der Ehefrau.‘ Wenn das kein Essen für Helden ist.

Vielleicht ist das die zweite Wahrheit: Wir sind nichts ohne einen Widerstand im Leben. Einen Widerstand, der uns etwas entgegensetzt, an dem wir uns spüren. Wir brauchen ihn, wie die Luft zum Atmen. Maurizio die 70 Tonnen. Ein Schreiner den Widerstand des Holzes. Ein Schmid den Widerstand des Eisens. Meine Lektorin den Widerstand der Worte. Ein Weltumsegler den Widerstand des Meeres. Ein US-Präsident den Widerstand der Welt.

Hoffen wir, dass die Sache mit dem Widerstand immer gut ausgeht. Bei Maurizio. Und auch beim US-Präsidenten.

Maurizio und Michele können Sie treffen. Ihnen bei ihrer täglichen Arbeit zusehen. Und darüber ins Staunen kommen. In der Marina San Giorgio di Nogaro südlich des gleichnamigen unscheinbaren Städtchens. Oder bei jedem anderen Kranführer im Hafen Ihres Vertrauens.

For this Article special thanks to:
Maurizio. Michele. CANTIERE MARINA SAN GIORGIO.
Peppo. Davide. E tutti gli altri.

Menschen am Meer: Maurizio und Michele, Kranführer.

Weil mein Schiff am Kiel undicht ist, bin ich anders als geplant nicht losgesegelt. 
Und werde ich auch die nächsten vier Wochen nicht segeln. 
Stattdessen werde ich Geschichten erzählen, die zu erzählen ich 
den Winter über keine Zeit fand. Geschichten aus den Häfen. 
In und um San Giorgio di Nogaro im Friaul.



Als ich klein war, waren meine Helden so ganz andere als heute. Vieles war groß, was mir heute klein erscheint. Die Straße, in der ich wackelnd Fahrradfahren lernte, war schier unendlich. 35 Jahre später stellte ich fest, dass sie nicht mal 35 Meter lang war. Ebenso riesig erschien mir der Bagger an der Baustelle, der heute nur jämmerlich klein ist und blau. Was habe ich ihn bewundert, den Mann im Führerhaus des Baggers. 

Zwischen damals und heute gleich geblieben ist, dass Staunen Voraussetzung für ein gutes Leben ist. Staunen lernte ich vorgestern wieder einmal bei Maurizio, dem Kranführer in der Marina San Giorgio.

Unsere erste Begegnung verlief, wie so oft bei meinen Begegnungen die interessant werden, knurrig. Im Herbst hievte Maurizio LEVJE aus dem Wasser. 9,40 Meter Länge. Keine vier Tonnen Gewicht. Kein großer Act, könnte man meinen. Aber tatsächlich muss man auch da aufpassen, wo man die Krangurte ansetzt. Sitzen sie falsch unter dem Schiff, zerdrücken sie den Kühlwasser-Einlauf, verbiegen die Motorwelle, zerquetschen das kleine Wasserrädchen der Logge. Also bat ich Maurizio, aufzupassen. Wegen der Gurte. Und dem Rädchen. Und entschuldigte mich bei Maurizio mit der Bemerkung, das daumennagelgroße Rädchen koste knapp 40 Euro, wenn es kaputtgeht. „Das ist etwa das, was ich am Tag verdiene,“ hörte ich Maurizio knurren, als der davon stapfte. Es gab mir zu denken.

Als LEVJE II nun aus dem Wasser kam – zum dritten Mal in diesem Winter – verkniff ich mir derlei. Maurizio und Michele brachten mein Schiff – siebeneinhalb Tonnen – ohne Schaden aus dem Wasser. Und wandten sich dann größeren Aufgaben zu. In der Halle wartete ein echter Brocken auf Maurizio. Eine Motoryacht von knapp 70 Tonnen. Knapp 30 Meter lang. Der Himmel weiß, wie sie sie vergangenen Herbst in die Halle hineingefummelt hatten. Die metergroßen Schiffschrauben des Monsters schwebten keine Handbreit über dem Hallenboden. Dafür passte sie auch nur Zentimeter unter die Betonträger des Hallendachs. Und auch das bloß, weil die Elektroniker den Mast mit Radar und Kommunikationsdomen abmontiert hatten.

Nun also dieser 70-Tonnen-Brocken. Dafür hat Maurizio sein kleineres Spielzeug aus der Garage geholt. Den 80 Tonnen-Kran. Er passt so eben unter das Hallendach. Und Zentimeter neben das blaue Wunderwerk im Winterschlaf.

Hustend steckt sich Maurizio eine Zigarette an. Und schaut die Bordwand hoch, ob die tonnenschweren Hebearme auch nicht an der Bordwand schrappen. Als ich ihn frage, warum er rauche, knurrt er bloß: „Zu nervös heute“. Der spirelige Werftchef Giuseppe, den alle in der Werft nur Peppo nennen, trägt auch nicht gerade zu Maurizios Ruhe bei. „Dai“, ruft er Maurizio im Vorbeigehen zu, „Mach endlich. In einer Stunde muss die im Wasser sein.“ Maurizio reißt sich aus seiner Betrachtung los. Michele schleppt noch zwei lange gepolsterte Holzbalken herbei, die sie unter die Gurte spannen. 

Maurizio hält den einen in seiner Position, ich sehe seine Tätowierung. Sehe seine Hände. Es sind die Hände eines Handwerkers. Hände, die einer Frau Sicherheit geben. Und Vertrauen. Worüber er wohl mit seiner Frau Abends redet? „Heute war einer da, der hat mir erzählte, ich solle aufpassen, damit ich sein rotes Rädchen unterm Boot nicht zerquetsche?“ 

Dann beginnt für die blaue Schönheit die Reise in diesen Sommer. Ob ich könnte, was Maurizio da jeden Tag macht? 350 Boote werden er und Michele in diesem Frühjahr aus dem Wasser heben. Dann zwei Monate Pause. Im Herbst werden sie dieselben 350 Boote wieder aus dem Wasser heben. Und Zentimetergenau in die lange Winterhalle rangieren. Und nicht nur hier in der Marina San Giorgio di Nogaro. Sondern überall an dieser Küste, an der es zwischen Venedig im Westen und Triest im Osten geschätzt um die 10.000 Liegeplätze gibt. 

Wieviele Menschen es noch vor 100 Jahren brauchte, um ein 70-Tonnen-Schiff ins Wasser zu bringen? Heute? Ein Klacks. Wenn auch ein nervenaufreibender, für die beiden, die noch benötigt werden, das tun. Es ist Zentimeterarbeit, die Motoryacht langsam ihre blaue Nase aus der Halle stecken zu lassen. Maurizio lässt das blaue Teil nicht eine Sekunde aus den Augen, während es langsam auf vier knirrschenden Reifen dahinrollt. Michele steht am obersten Deck des Schiffes. Und passt auf, dass oben und hinten nichts hängenbleibt, wenn 30 Meter Motoryacht aus dem Hallentor rollen. Alles läuft nur über die Fernsteuerung, den kleinen gelben Kasten, den Maurizio vor seinem Bauch trägt. Die Hände, die vorher noch die Planke an die Bordwand drückten, schieben jetzt kleine Hebelchen. Und bewegen damit 70 Tonnen lackiertes Glasharz und Stahl.

Dann ist das Teil draußen aus der Halle. Und wird erst mal abgestellt. Wie die parkenden Autos drumherum. Zwei Elektroniker klettern nach oben, um den umgelegten Mast mit Radar und Kommunikation wieder aufzustellen und zum Laufen zu bringen. Michele kriecht derweil unter das Teil, um fünf Stahlböcke genau unter dem Kiel wieder in die richtige Position zu bringen. Zu gerne würde ich Michele und Maurizio fragen, was in ihnen vorgeht, wenn sie unter 70 Tonnen herumkriechen, die lose in acht Stoffgurten baumeln. Was jetzt passiert, wenn sie eine der Eisenstützen in die falsche Position bringen. An einer Yacht ist Reparatur immer gleich teuer. An einem Schmuckstück wie diesem? Unbezahlbar.

„Ich mach’ das seit 1977″, erzählt Maurizio. „Damals fing ich in Bibione an, in der Werft. Ich hatte Techniker auf der Technikerschule gelernt. Und dann bin ich gleich in die Werft. Da bin ich dann geblieben. Am Kran.“

„Was seine Frau ihm heute Abend kocht?“ frage ich Maurizio. „Spezzatino con Patate al Forno“, grinst Maurizio und klatscht in die Hände, „Geschnetzteltes mit Ofenkartoffeln“. Und was bekommt sein Helfer Michele? Der zuckt nur mit den Schultern. Er weiß es nicht. Wieder grinst Maurizio: „Sorpresa della moglie“ – ‚Überraschung. Von der Ehefrau.‘ Wenn das kein Essen für Helden ist.

Vielleicht ist das die zweite Wahrheit: Wir sind nichts ohne einen Widerstand im Leben. Einen Widerstand, der uns etwas entgegensetzt, an dem wir uns spüren. Wir brauchen ihn, wie die Luft zum Atmen. Maurizio die 70 Tonnen. Ein Schreiner den Widerstand des Holzes. Ein Schmid den Widerstand des Eisens. Meine Lektorin den Widerstand der Worte. Ein Weltumsegler den Widerstand des Meeres. Ein US-Präsident den Widerstand der Welt.

Hoffen wir, dass die Sache mit dem Widerstand immer gut ausgeht. Bei Maurizio. Und auch beim US-Präsidenten.

Maurizio und Michele können Sie treffen. Ihnen bei ihrer täglichen Arbeit zusehen. Und darüber ins Staunen kommen. In der Marina San Giorgio di Nogaro südlich des gleichnamigen unscheinbaren Städtchens. Oder bei jedem anderen Kranführer im Hafen Ihres Vertrauens.

For this Article special thanks to:
Maurizio. Michele. CANTIERE MARINA SAN GIORGIO.
Peppo. Davide. E tutti gli altri.

Vom Streuner zum Crewmitglied

Am 26. April war es soweit. Der Plan, Filou bei Yanna in Kapandriti mit einem Mietwagen abzuholen, ging allerdings nicht ganz auf, denn Yanna hat es sich nicht nehmen lassen, Filou mit dem Auto zu uns in die Zea Marina zu bringen.

Also saßen wir nach dem Frühstück aufgeregt im Cockpit und haben gewartet. Viel zu früh waren wir mit allem fertig und sind immer wieder hibbelig alles durchgegangen. Ist die Gangway auch nicht zu steil für ihn? Stehen Näpfe bereit und liegen seine Decken an den richtigen Stellen? Wie kommt er die steile Treppe in den Salon runter?
Eigentlich war alles schon lange vorbereitet und ich habe noch in Kilada eine Badeplattform, die Gangway und eine Aufstiegshilfe für die seitlichen Durchgänge an Nomade angefertigt, um verschiedene Optionen zu haben, ihn in jeder Situation an Bord zu bekommen. Trotzdem war die Anspannung jetzt riesig. Wird er sich überhaupt an Bord wohl fühlen? Wie verkraftet er die Trennung von Yanna, bei der er schließlich viele Wochen in Pflege war und wie findet Sabrina ihn? Fragen über Fragen…

Irgendwann kam dann der lang ersehnte Anruf von Yanna: „Wir sind da und laufen jetzt vom Parkplatz in eure Richtung.“
Ok, also los, laufen wir den beiden entgegen!
Nach einigen Metern haben wir sie gesehen. Yanna mit Filou an der Leine. Unglaublich schön, dieser Moment und der Kontrast zu den kalten Tagen im Januar in Kilada, als Filou noch als abgemagerter Streuner so gerade eben die Nächte überlebt hat und ich nicht wusste, was ich mit ihm machen soll.
Nun war er hier und ist aufgeregt an der Leine die Promenade bei warmem Wetter und Sonnenschein entlang gelaufen.
Ob er mich wieder erkannt hat weiß ich nicht. Er war noch sehr vorsichtig und durch die vielen Menschen und neuen Eindrücke abgelenkt.

Sabrina, Yanna, Filou und Nico an Bord.

Nach einer herzlichen Begrüßung sind wir alle vier zu Nomade gelaufen. Dort habe ich ihn über die Gangway an Bord getragen. Er war natürlich zunächst aufgeregt, hat sich dann aber schnell einen Platz im Cockpit gesucht und auch getrunken.
Etwa eine Stunde war Yanna noch bei uns an Bord, dann hieß es Abschied nehmen. Ist ihr nicht leicht gefallen, aber sie hat das sehr professionell gemacht, so dass Filou im Prinzip gar nichts davon mitbekommen hat. Er war zu dem Zeitpunkt mit Sabrina im Salon und ich bin noch ein Stück mit Yanna von Bord gegangen.

Dann waren wir plötzlich zu dritt und es hat nicht lange gedauert bis Filou ganz leise gefiept hat. Ihm war klar, dass sich gerade etwas geändert hat, aber er hat sich sofort mit ein paar Streicheleinheiten beruhigen lassen. Anschließend haben wir ihm das Schiff gezeigt und ihn auf seinen Schlafplatz gelockt. Er hat sein eigenes kleines Bett, genau zwischen den beiden Kojen in der Achterkabine. Nur etwa einen halben Meter tiefer als die Kojen.

Wir haben fest damit gerechnet, dass einige Dinge viel Zeit und Geduld brauchen, um sie ihm beizubringen. In erster Linie waren das die Gangway und die steile Treppe aus dem Cockpit in den Salon. Solche Hürden sind für einen Hund ungewöhnlich und brauchen in der Regel viel Zeit und Übung.
Filou ist bereits an diesem ersten Tag, nach wenigen Versuchen, die Gangway hoch aufs Schiff geklettert. Runter hat es noch nicht geklappt, weil der Schritt nach unten zu tief war. Das habe ich am nächsten Tag angepasst, indem ich ganz oben eine Stufe eingebaut habe. Dann ist er die Gangway auch abwärts gelaufen.
Am meisten hat uns beeindruckt, dass es ihm ebenfalls am ersten Tag gelungen ist, die Treppe in den Salon runter und hoch zu klettern. Elegant wie eine Katze meistert er diese Hürde. Das hätten wir so nicht erwartet.






Überhaupt hatten wir nicht erwartet, dass er sich so schnell und problemlos an die neuen Situationen gewöhnt. Während ich diese Zeilen tippe, schläft Filou in seinem Bett in der Achterkabine, während starker Wind das Rigg zum heulen bringt. Manchmal liegt er auch im Durchgang an Steuerbord, weil es dort schön kühl am Boden ist. An der Leine läuft er wirklich toll und anderen Hunden gegenüber verhält er sich, wie erwartet, vorbildlich.
Nach einem Spaziergang geht er am liebsten unter Deck. Da gefällt es ihm am besten. Tagsüber konnten wir deshalb auch lange Zeit auf dem Deck an der Genua arbeiten, während Filou tief geschlafen hat.

Die Genua hat es leider fast hinter sich. Sie ist nicht ausgesegelt, aber sie wurde während der langen Standzeit nicht von der Rollanlage genommen. Dadurch ist der UV-Schutz im Laufe der Zeit zerbröselt. Die Reste haben wir hier in der Marina sauber rausgetrennt, darunter kamen ein paar marode Stellen und drei Risse im Achterliek zum Vorschein. Diese Stellen konnten wir mit Segeltape reparieren. Die Rollanlage selbst brauchte auch eine Menge Aufmerksamkeit. Vieles war sehr schwergängig, die Reffleine nicht optimal verlegt. Das alles hat sich so aufsummiert, dass sie nur noch zur Hälfte ausgerollt werden konnte.
Jetzt, nachdem alles ordentlich eingestellt und geschmiert ist, kann man sie ohne Probleme ausrollen und wieder bergen.
Ansonsten hatten wir neben der Genau noch weitere Baustellen, die wir hier in den Griff bekommen haben und mittlerweile ist die Liste spürbar geschrumpft. Ob das so bleibt? Hoffen wirs.

Mit Filou haben wir hingegen überhaupt keine Probleme. Er hat innerhalb kürzester Zeit ein starkes Vertrauen zu uns entwickelt. Er ist so ein lieber Hund und wir sind unendlich froh, dass dieser komplizierte Plan „Vom Streuner zum Crewmitglied“ so gut aufgegangen ist.
Das wäre ohne die Hilfe von Stefan aus Porto Cheli, Nicole Jackwerth, Yanna aus Kapandriti, Dr. Annetta Michael und Natascha nicht möglich gewesen. Viele Zahnräder haben da so ineinander gegriffen, dass es am Ende gelungen ist, Filou aufzupäppeln, ärztlich zu versorgen, zu pflegen und ihm schließlich ein zu Hause zu geben.
Und weil wir immer mal wieder auf die Kosten angesprochen werden. Dazu kann ich sagen, dass sie trotz einiger Tierarztbehandlungen, der langen Pflege, nötiger Impfungen und Logistik, nicht höher waren, als die Kosten für einen Hund vom Züchter in Deutschland. Das ist natürlich individuell sehr verschieden und soll nicht heißen, dass für jeden Menschen ein Streuner der beste Hund sein kann.
Aber vielleicht animiert dieser Hinweis ja den ein oder anderen, zumindest mal über die Option „Streuner“ nachzudenken.
Filou ist jedenfalls der unkomplizierteste und dankbarste Hund, der mir bisher begegnet ist. Noch dazu ist er unheimlich gelassen und schlau.
Mittlerweile ist er auch wieder fast ganz gesund. Seine Augen sehen toll aus, ein paar Stellen an denen die Haut gelitten hatte sind verheilt und er ist nicht mehr so extrem abgemagert. Jetzt wiegt er 22kg und wir schätzen, dass er noch etwa 3kg zulegen muss, bis er sein Optimalgewicht hat.

Jedenfalls ist er bereits jetzt unser bester Freund!