Monat: Mai 2016

Unterwegs in Sizilien.

Es ist Frühjahr. Und weil LEVJEs alte Vorsegel-Furlex-Roll-Anlage ein wenig klemmt, haben Sven und ich die ganze Anlage abmontiert und am Steg zerlegt. Ganz schön tricky und einfach gemacht, es würde sich allein schon lohnen, mal über so etwas Raffiniertes wie eine Vorsegel-Roll-Anlage von 1992 zu schreiben [interessiert das jemand? Bitte Kommentar hinterlassen, ab 10 Kommentaren schreibe ich ;-)].

Kaum ist Sven in den Mast geklettert, kaum ist das ganze Vorstag samt Rollern, Schlitten, Schienen, Rutschern, Ösen, Kegeln ausgehängt, kaum liegt die 8 Meter lange Pracht sich windend vor uns auf der Holzpier, zerrupfen wir es auch schon in seine Einzelteile. Und irgendwann, nachdem wir zwischen 7 Schienenstücken, Vorstag-Draht mit Haken- und Ösen, Abstandshaltern, Distanzhalte-Haken, Einfädlern, zerlegten Winschtrommeln sitzen, perlen uns aus eben jenen Winschtrommeln kleine Kugeln entgegen. Kugeln aus Kugellagern. „Die sehen aber fertig aus“, sagt Sven mit Kennerblick, als ich jede der Kugeln aufgefangen, in einem Wechselbad aus Diesel, WD-40 und Krepp-Papier gescheuert, gereinigt, vom Schmutz der letzten Jahre entfettet habe. 104 Kugeln. Allesamt sehen sie matt aus, ermattet vom jahrzehntelangen eingequetscht Dienst tun müssen, sich drehen müssen, wenn irgendwo einer zieht. Den Winter reglos eingesperrt sein, weil keiner da ist, um mal zu ziehen. Nein, wen wundert, dass die erbsengroßen Kugeln nicht mehr blinken mögen.

104 Kugeln. 
Und wo kriegen wir neue her, an der sizilianischen Südküste, hier im freundlichen Badeort Marina di Ragusa, spezialisiert auf 104 furiose Sorten Gelati, nicht aber Kugellager? Wir packen unser Bündel, das kleine schwarze Gummischälchen mit den 104 Kugeln, setzen uns in unseren geliehenen FIAT PANDA und rollen von der Küste weg in die Hügel, hinauf ins schöne Ragusa. Dort sitzt der YANMAR-Händler meines Vertrauens, zwar repariert er meist nur YANMAR-Landmaschinen, aber hin und wieder ist eben auch ein Schiffsdiesel dabei. Und seit er mir die Wasserpumpe für meinen Schiffsdiesel, die in Deutschland beim Händler satte 1.100 €, in der milden Türkei 800 € kostet, fürs halbe Geld beschafft hat, liege ich Mustafa, der die „Ricambi“, das Ersatzteillager betreut, eh zu Füßen. Als ich ihm mein schwarzes Schälchen mit den 104 Kugeln hinhalte, schweigt er einen Moment. Denkt nach. Und sagt dann: „Modica.“ „Modica??“ „Ihr müsst nach Modica. Da gibts einen Laden, der hat nur Spezialwerkzeug. Und Kugellager.“



Also rollen wir im Panda den atemberaubenden Hügel der 70.000 Einwohner-Stadt Ragusa hinunter und über eine ebenso atemberaubende Schlucht – ich schrieb über sizilianische Schluchten in einem vorigen Beitrag – in die 54.000-Einwohner Stadt Modica. Modica ist nicht klein. Es gibt Modica Alta, oben auf dem Hügel. Und Modica Bassa, unten in der Schlucht. Und nach mancherlei Auf- und Ab und hügelan und hügelab im kleinen Panda, das schwarze Schälchen mit den 104 Kügelchen sorgsam auf den Knien wie einen Schatz balancierend, stehen wir im Laden von Salvatore. Ich bin entzückt. Der Laden, sein Angebot, besteht aus lauter Zangen, Hebeln, Werkzeugen, die ich nie im Leben vorher sah. Sie sind meist rot. Geile rote Sprengring-Zangen sehe ich an der Wand. In mindestens 17 Größen, mit unterschiedlichen Griffen. Andere rote Stahlteile, gewunden, gebogen, hakenartig, hebelkräftig – alles Dinge, um irgendetwas aufzubekommen, Festsitzendes zu lösen, zu öffnen, was sich mit Finger, Häkelnadel, Schraubenzieher einfach nicht lösen, aufbekommen lässt. Salvatores Laden: Ein einziges Sammelsurium an Gerätschaften, um irgendetwas zu aufzuschrauben, umzubiegen, festzuziehen, abzuziehen, anzutreiben. Und: Salvatores Laden in Modica, in dem wir mit unserem schwarzen Schälchen und den 104 Kugeln in einer Reihe hinter drei anderen Bittstellern wie beim Rabbi stehen, ist einer der Gründe, warum ich mir um Italien wirtschaftlich wenig Sorgen mache. Italien besitzt kaum große Aktiengesellschaften, wie wir sie kennen. Dafür Abertausende von Familienbetrieben, die irgendetwas Spezielles herstellen, vertreiben. Familienbetriebe, die für irgend etwas ganz Spezielles wie Grappa, Fahrradsättel oder aus Metall gestanzte Brotkörbe und Zitronenpressen Weltmarktführer sind. Die Salvatores – sie tragen das Land.

Salvatore, mit Vollbart, selber sitzt hinter dem Tresen, Werkzeuge sind in dem engen, 3,50 hohen Raum um ihn gruppiert wie ein Bühnenbild. Ein Kunde nach dem anderen tritt vor, äußert seine Bitte. Als wir dran sind, halte ich ihm mein schwarzes Schälchen hin mit den 104 Kugeln. Salvatores Vollbart entfahren kehlige Laute, sizilianisch, das ich nun gar nicht verstehe, während er eines der Kügelchen wiegend, wägend zwischen Fingern wie Schraubstöcken dreht. „Non o, non da Inox“. Das habe ich verstanden. Salvatore verschwindet kurz hinter dem Bühnenbild, irgendwo in der Tiefe, ein Scharren im Hintergrund, ein schwerer Karton, der sachte in großen Pranken zu Boden geht. Dann ist er wieder da. Genau die Kügelchen, die wir gerne hätten. Erbsengroß. Und wunderschön blinkend. Nagelneu. Nur leider nicht aus Edelstahl. Sie würden rosten, die 104 Kügelchen, samt Lagerschalen würde Meer und Salzwassergischt sie innerhalb Wochen einfach zu bröseligen Klumpen Rost verbacken. Wieder gurgelt der Vollbart, während er die Kügelchen zwischen seinen harten Handwerkerfingern dreht. „Ma son buon“. Er sagt, meine matten Kügeln wären nicht schlecht?! 

Ohne hinzusehen, greift Salvatore einen Magneten aus der Tiefe seiner schweren Schublade, er ist fingerlang und bananenförmig. Der Magnet zieht drei, vier Kügelchen an, Salvatore wiegt den Magneten leicht, die Kügelchen perlen hängend die Krümmung entlang, fallen nicht ab. „Son buon“, gurgelt es aus dem Vollbart, er grinst uns an. Und besieht sich die Lagerschalen. „Tornatore“, dröhnt der Vollbart. Und „pulire“. Eine Dreherei, um die Lagerschalen auf Vordermann zu bringen! Salvatore beschreibt uns einen Weg irgendwohin, ich verstehe nur „al fine dell villagio“, am Ortsende, wir verabschieden uns fröhlich von Salvatore, dem Rabbi. Und kullern im Panda wieder hügelauf, hügelan, unser schwarzes Schälchen sachte auf den Knien balancierend, begleitet, geführt, engelsgleich, von zwei begeisterten Frauenstimmen aus zwei Navigationssystemen unserer zwei Tabletts, weil Sven und ich herausfinden wollen, welches unserer beiden Navi’s denn in den Härten steil ansteigender, winkeliger Einbahn-Kleinstadt-Gassen Siziliens denn nun wirklich nicht aufgibt. Aber am Ende funktioniert die uralte, vor-Software-Navigation am besten: Einfach jemand fragen. Und schon der fünfte, den wir ansprechen, kennt  Giovanni, den Tornatore. Er liegt an der steil ansteigenden Straße, drei Mal sind wir vorbeigefahren, Rabiner, Magier brauchen nun mal kein Ladenschild. Nur eine Werkstatt mit Drehbänken. Giovanni sieht sich die Teile an. Wir sollen in einer Stunde, besser zwei wiederkommen. Kurz vor sieben also.



Zwei Stunden also. Und weil italienische Kleinstädte, die meisten jedenfalls, schön sind und geheimnisvoll, wie Frauen – die meisten jedenfalls! – lassen wir unser Schälchen mit den  104 Kügelchen im Panda vor Giovannis Werkstatt zurück. Und streichen durch die Stadthügel. Allerdings nicht lang. Sven hat sich sogleich verguckt: Er ist fasziniert von den Schokoladen, die da im Schaufenster liegen, geformt wie Legosteine. Und schon stehen wir in der Pasticceria, dem Süßwarenladen von Giovanni, dem Konditor. Er stellt die Schokolade in kleinen Ziegelsteinchen selber her, seit bald 25 Jahren, wo er den Laden von seinem Schwiegervater übernahm. Er steht fröhlich grinsend mit seiner Frau hinter seinem Tresen. Ob er denn im Internet wäre, in Google, wenn ich nun über ihn schriebe, über ihn 



berichten würde? Na klar. Und ich bitte, meine Leserin, meinen Leser dieses Blogs: Sollten Sie nach Modica kommen diesen Sommer oder wann immer, doch Giovani zu erzählen, dass er nun tatsächlich in GOOGLE wäre. Und der Ciocolato di Modica, den Giovani herstellt, ebenfalls.



Überhaupt: Ciocolato di Modica! Es gibt sie in fast jedem Laden in Modica und auch in Marina die Ragusa. Dicke Blöcke bitterer Schokolade, deren Zuckerkristalle immer noch erhalten sind, eine Mischung aus süß und bitter, die herrlich an den Zähnen knirscht, während man im Mund voll reinen Kakaos zu sein scheint. Das Rezept, erzählt Giovani, ist alt. Im 16.Jahrhundert sei es nach Modica gekommen, die Spanier waren wir 600 Jahre Herren Siziliens und haben es aus Spanien mitgebracht. Das Besondere ist, dass Ciocolato di Modica eigentlich nur daraus besteht: Aus einer speziellen Sorte Kakao. Und Zucker. Vielleicht noch ein Gewürz. Etwas Zimt. Oder Vanille. Oder Ingwer. Oder Chilli. Nüsse. Aber 



sonst: Nichts. Keine Milch. Keine Butter. Kein Pflanzenfett. Nichts. Ein Reinheitsgebot nur für Schokolade. Und weil Giovani auch sein Eis selber macht, können wir nicht umhin, Giovani auch gleich noch zwei Eis abzukaufen, das Leben kann schön sein, wenn 104 Kügelchen es mal so richtig auf Trab bringen.



Wir streifen weiter durch die Hügel von Modica. Nicht nur, dass ich oben am Dom der schrumpelig-warzigen Zitronenfrucht, der Cedri, nicht widerstehen kann, die man am Stand oben vor der Kirche bekommt und mit peperonciertem Salz isst. Wir stolpern in den „FIAT Club di Modica“, der oben vor der Kirche seine Prunkstücke aufgebaut hat. Ein FIAT Cinquecento schöner als der andere, eine nette Ansammlung knuddeliger kleiner Kisten, gemacht für steile Winkel und Schlagloch-Pisten, die sich auf Sizilien „Autostrada“ oder „Strada Statale“ nennen. Es ist ziemlich hart für die Stoßdämpfer, will man auf diesen Straßen unterwegs sein und mit dem Verkehr mithalten. Italienische Autofahrer sind, sagen wir, „zügig“ unterwegs, wer schleicht, tuts bitte rechts am Straßenrand, und da ist die Piste noch holpriger. 

Und gleich auf der anderen Seite der zu einer fahrbaren Gelateria umgebaute Fiat, der Gelati e Grannite, das sizilianische Sorbet. Zwei Kügelchen. Heute schon zum zweiten Mal. Macht vier. Es ist aber auch zu verführerisch, in keinem anderen Land der Erde möchte ich leben, was Essen und Trinken angeht, was die Küche angeht: die einfachen Dinge, sind die Menschen hier, auch die einfachen, Könige.



Als es kurz vor sieben ist, stehen wir vor Giovanni. Er sieht müde aus. Und zeigt uns stolz die Lagerschalen. Er hat sie in die Drehbank gespannt und einmal abgedreht. Sauber sehen sie nun wieder aus, wie neu. Nun dürften sich die 104 Kugeln auch wieder wohlfühlen. Und die Genua sollte sich wieder leichter ausrollen lassen.

Und Giovanni? Er ist eigentlich Albaner. Er kam vor 15 Jahren hierher nach Modica, nicht aus Not, aber auf der Suche nach einem besseren Leben als Zuhause. Und warum nach Modica? Sein Cousin wäre hier gewesen, hätte ein Restaurant eröffnet gehabt, das gut funktionierte. Also sei er nach Modica gekommen, hätte hier neu angefangen. Und heute: Ist die Dreherei, der Betrieb seiner. Er lebt gut hier. Und hätte er mir nicht seine Geschichte erzählt – dann hätte ich Giovani für einen waschechten Sizilianer, einen Bewohner dieser Insel gehalten. 

Aber vielleicht ist er ja genau das.

Mare Più: heißt „mehr Meer“. 
Und wenn Sie mehr Geschichten 
über die Menschen am Meer lesen wollen:


Ein Mann verliert seinen Job.

Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.

Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.
Was passiert, wenn wir unser angestammtes Leben ändern?

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Auch als Film:  



Im Download. Als DVD. Hier.

Das sagt die Presse über Buch und Film:

„… ein Sehnsuchtsbuch par excellence.
Und ein echtes sinnliches Erlebnis.“
MÄRKISCHE ZEITUNG im Oktober 2015

„… eröffnet dem Weltenbummler ganz wunderbare Traumziele, auf die man 
bei üblicher Herangehensweise schwerlich gekommen wäre.“
YACHT im Mai 2015 

„Die Besonderheit des einstündigen Streifens ist seine Ruhe. 
Eine Ruhe, die der Film mit poetisch angehauchter Sprache und sinnlichen Bildern von Szene zu Szene eingehender vermittelt.“
SEGELREPORTER im Dezember 2015

„… ein schönes, ein gelungenes Werk, animierend und inspirierend.“
LITERATURBOOT im Juli 2015

„Absolut empfehlenswert!
Für Reisebegeisterte ist ‚Einmal München-Antalya, bitte!‘ definitiv zu empfehlen.“

RATGEBER.REISE. im Juni 2015

Besuch an Bord

IMG_5469 KatzeAls ich noch in Toulouse im Hafen lag, hatte ich unerwarteten Besuch. Sie hat mir kurz einen Schreck eingejagt, als sie mich mit ihren großen, blauen Augen durch das Fenster angestarrt hat. Eine schnuckelige, dreifarbige Katze.
Bleiben wollte sie nicht und ist kurze Zeit später wieder von Bord gegangen. Ich konnte ihr auf die Schnelle auch nichts anbieten. Auf so einen Besuch war ich einfach nicht vorbereitet.
Am nächsten Tag habe ich eine kleine Menge Katzenfutter besorgt, falls der Streuner oder die Streunerin nochmal wiederkommen sollte, um anzuheuern. Aber ich habe vergeblich gewartet. Das hübsche Tier hat sich leider nicht nochmal blicken lassen.

Also bin ich am 27.04. wieder los. Raus aus Toulouse und vorbei an einer Schlange von Dauerliegern. Kilometerlang lagen die Penichen am Kanalufer. Manche hatten ihre beste Zeit schon lange hinter sich, manche waren auch wunderschön restauriert und zu einem Haus auf dem Wasser umgebaut.
Bis auf die Penichen, einer defekten Schleuse und einer Grundberührung mittig im Fahrwasser, hatte der Tag nichts spektakuläres zu bieten. Die Grundberührung hatte ich kurz vor einer Schleuse. Zum Glück war der Propeller bereits ausgekuppelt und Eos nicht mehr allzu schnell. Das Boot stand mehr oder weniger sofort und ich wäre fast in die Kajüte gepurzelt. An der Stelle war das Wasser vielleicht noch einen dreiviertel Meter tief. Wir saßen mit beiden Kielen auf Grund. Nur das linke Drittel des Kanals war noch befahrbar. Erkennen konnte man das im Vorfeld nicht. Eos ließ sich mit etwas Gas wieder zurück fahren. Dann ging es vorsichtig weiter.
Am Abend war ich in Negra und habe an einem kleinen Stadtanleger übernachtet.

Der 28.04. war der Tag, an dem ich endlich die Scheitelhaltung erreicht habe. Der höchste Punkt des Kanals, auf etwa 190 Metern über dem Meer. Ich hatte mir ehrlich gesagt mehr davon versprochen. Es soll ein Denkmal für den Erbauer geben. Gesehen habe ich davon nichts. Die Anlegemöglichkeiten sind auch eher bescheiden. Der Kanal ist in der Scheitelhaltung so schmal, das man nur kurz vor der Schleuse Platz hätte, ohne jemanden zu behindern. Dieser Platz ist allerdings für Boote vorgesehen, die geschleust werden wollen. An einer anderen Stelle war das Ufer viel zu flach für Eos. Also bin ich weiter gefahren, habe mich aber trotzdem sehr gefreut, oben angekommen zu sein. Mit der Schleuse L’Ocean hatte ich sie hinter mir, die letzte Schleuse nach oben. Ab jetzt geht es bis zum Mittelmeer nur noch bergab. Das ist wesentlich leichter, als Einhand in den kleinen Schleusen aufwärts zu fahren.

Leider hat sich während meiner Fahrt durch die Scheitelhaltung langsam raus kristallisiert, dass ich an diesem Tag nicht mehr den nächsten Hafen erreichen kann und wahrscheinlich irgendwo im Niemandsland festmachen muss.
Aber es kam mal wieder anders. Ich habe vor der ersten Schleuse nach unten zunächst festgemacht und meine Leinen umgebaut, um Eos leichter abwärts bringen zu können. Anschließend bin ich in die Kammer gefahren. Wie gewohnt allein. Während ich Eos an der Mittelleine an einem Poller halte, sagt der Schleusenmeister vor sich hin: „Zwei Boote.“
Tatsächlich, hinter mir taucht eine Motoryacht auf und schiebt eine ordentlich Bugwelle vor sich her. Eine Premiere. Die erste Schleuse, in der ich nicht allein bin. An Bord der Yacht, zwei Freunde aus England. Der Anleger in der Schleuse war schnell und richtig gut. Die beiden haben ihr Boot im Griff und hinter uns schließt sich das Tor.
Während es nach unten geht, erzählen sie mir, dass sie heute unbedingt noch zum nächsten Hafen nach Castelnaudary wollen.
Wir besprechen uns kurz und als sich das Tor öffnet, ist die Motoryacht und Eos bereits in Bewegung. Ich fahre mit hoher Drehzahl und versuche möglichst dran zu bleiben. Die Motoryacht ist allerdings deutlich schneller. Trotzdem passt der Ablauf perfekt. Die beiden fahren vor, einer springt ab, öffnet die Schleuse. Dann fahren sie in die Kammer und ohne dass Zeit verloren geht komme ich mit Tempo hinterher gefahren. Einer steht dabei schon mit der Hand auf dem Knopf bereit und es geht bereits abwärts, wenn ich gerade eben die Leine um den Poller geworfen habe.
Die beiden sind meine Chance, doch noch den Hafen zu erreichen. Leider haben wir an einer Schleuse Gegenverkehr und müssen warten, ansonsten läuft das Rennen wie geschmiert. Und wo wir schon beim Thema sind, es wechselt eine Menge Bier von der Motoryacht den Besitzer und die Schleusenmeister helfen mit. Die Hoffnung, dass wir ein wenig in den Feierabend überziehen dürfen wächst und wir kommen immer näher an die letzte Schleuse des Tages.
Es klappt, wir werden noch einmal abwärts geschleust und nochmals wechselt Hochprozentiges den Besitzer. Alle sind glücklich und ich fahre nun entspannt hinter der Motoryacht Castelnaudary entgegen.
Als ich dort ankomme, drehe ich noch eine kleine Runde durch den See, bevor ich Eos am Stadtanleger festmache.

Kurze Zeit später steht jemand neben dem Boot und wir kommen ins Gespräch. Hocine ist neugierig, woher ich komme und wohin ich will. Wir reden übers Reisen, Segeln und sind irgendwann bei Peace und U2. Die Wellenlänge stimmt und ich komme spät in die Kajüte.
Am nächsten Morgen steht Hocine vor Eos und ich gucke verschlafen aus dem Boot. Dachte zuerst, er wollte nur Tschüss sagen, aber nein, er will mit!
Ich überlege kurz und sage schließlich: Ja!
Während ich Eos startklar mache, besorgt er noch Jacke, Mütze und etwas Proviant für den Tag und wir gehen, nach einer kurzen Einweisung, gemeinsam auf die nächste Etappe. Für Hocine die erste Fahrt an Bord einer Segelyacht.
Durch die Schleusen kommen wir heute super schnell. Ab jetzt muss ich sie auch nicht mehr selbst bedienen. Ab Castelnaudary sind bis zum Mittelmeer noch an allen Schleusen Schleusenmeister. Durch Hocine erfahre ich heute auch viel mehr. Denn er bekommt natürlich viel schneller die unterschiedlichsten Infos von den Leuten am Kanal, als ich das mit Fremdsprachen sonst schaffe.
So vergeht die Fahrt fast wie im Flug, bei tollem Wetter und interessanten Gesprächen.

Abends machen wir die Leinen in Bram fest, quatschen noch eine Weile und Hocine geht schließlich wieder von Bord und fährt mit dem Bus zurück nach Castelnaudary.

Die Farbe BLAU.

Vergangene Woche sandte mir Angelika Gebhard für die Neuausgabe ihres Segelklassikers MIT ROLLO UM DIE WELT ein Vorwort, um das wir gebeten hatten. In diesem Vorwort, das mich sehr bewegte, weil sie darin ausführlich beschreibt, was von einer großen Segelreise bleibt, erwähnt sie unter anderem über ihre Begegnung mit der Kultur der alten Polynesier:

„Allein die Farbe Blau kennt in der alten polynesischen Sprache über 300 Schattierungen und Begriffe.“

300 Worte. Nur für BLAU! Das saß! Seitdem grundle, google ich, wie das denn mit BLAU im Deutschen ist. Und? Was denken Sie: Wie viele Worte gibt es im Deutschen für Blau?

Beflügelt wurde die Recherche auf der Suche nach dem Blau noch durch einen kleinen Schlag auf LEVJE etwa 20 Seemeilen die sizilische Südküste hinunter, wobei die Fotos entstanden. Es war der erste Tag nach längerem Nordwest-Starkwind. Das Meer in der flachen Küstenzone immer noch aufgewühlt, doch die Schlammfarbe des sturmbewegten Meeres längst dem großen Türkis gewichen. Ich gebe gerne zu: Dies ist meine Lieblingsfarbe Blau. Diese Mischung aus Blau. Und Grün. Und hellem Grau. Und eigentlich dachte ich bislang: Wenn ich diese Farbe sähe, die gäbe es nur an einem Ort, dann wüsste ich, wo ich befände: Nämlich in der nördlichen Adria. Aber das stimmt definitiv nicht.

Ob es stimmt, was man über Fischer und manche Naturvölker auf dem Meer sagt? Dass sie an der Farbe des Meeres erkennen könnten, wo genau sie sich gerade befänden?

Die Farbe des Meeres. Sie wird bestimmt, „gemixt“ aus verschiedenen Faktoren: Dem Einfallswinkel des Sonnenlichtes, der sich zwar täglich, aber vor allem im Lauf der Jahreszeiten ändert. Wir erinnern uns an die Gesetze der Lichtbrechung? Nein? Egal! Jedenfalls bricht die Wasseroberfläche das Licht. Wasser, das eigentlich durchsichtig ist, „filtert“ ab zunehmender Tiefe die verschiedenen Farben des Lichts. Und zurück bleibt: BLAU. Je flacher Licht einfällt, desto mehr davon wird reflektiert. Je weniger Licht ins Wasser eindringt, desto mehr Braun, Schwarz scheint das Wasser.

Nachts? Sind alle Wasser schwarz. Das ist auf dem Meer genauso wie im Gänseteich in der Weilachmühle, auf der Alpaka-Farm meines Freundes Christian in Oberbayern. Faustregel: Je „höher Sonne“, umso „Meer Blau“!

Und dann fangen die Schwierigkeiten auch schon an. Denn für alles Weitere ist nicht mehr jahreszeitlicher Stand der Sonne, ihre Höhe, sondern anderes verantwortlich. Im Wasser schwebende Sedimente, beispielsweise. Ich erinnere mehr: Während etwa zwei, drei Wochen im Jahr ist die Farbe in meiner Heimat auf den oberbayerischen Seen so wie die oben. Nur etwa zwei, drei Wochen – und genau um die Zeit der Sommersonnenwende herum, die uns ja schon in knapp fünf Wochen ereilt und wo der Sommer, kaum dass er begonnen, auch gleich wieder vorbei ist. Und noch schneller ist das dann auch mit dem Türkis vorbei.

Sedimente also. Das Zweite. Die kleinen feinen Teilchen, die im Wasser schweben, wenn es aufgewühlt war. Oder wenn ein Fluss wie die großen Nordadria-Ströme Tagliamento, Piave, Isonzo und auch der Po helles Gesteinsmehl aus den Bergen ins Mehr spülen. Sie „schweben“ im Wasser. Und geben ihm dann je nachdem eine ganz eigene Note. Und das Ganze findet statt, ob ich da bin. Oder auch nicht.

Denn dies ist dann der dritte Faktor: Wahrnehmung. Was sehe ich eigentlich für ein Blau, und was ist das Blau, das im gleichen Moment meine Frau wahrnimmt? Oder ihre griechische Landschildkröte? Genau das gleiche Türkis, das mich so entzückt?

Ein weiteres kommt hinzu, und es hat mit Licht und Sedimenten gleichermaßen zu tun. Deren Gehalt im Wasser verändert sich. Machen Sie doch einen Test: Ich habe die Fotos dieses Posts strikt in der Reihenfolge ihrer Aufnahme eingebaut. Das erste entstand beim Ablegen. Das letzte am frühen Nachmittag. Es wird „blauer“ – je höher die Sonne steht, je weniger Sedimente im Wasser sind. Es wird immer blauer. Und deshalb ist es an der kroatischen Adriaküste eigentlich immer Tiefblau, wie in Griechenland auch, weil dort wenige Flüsse ins Meer münden und deren Sedimente dorthin tragen. Und deshalb ist die Ostsee auch… aber da kommen Sie jetzt selber drauf!

Ja – und wie ist das denn nun mit Polynesisch der Ureinwohner und der Farbe BLAU im Deutschen? Da gibt es dann – soweit es das Deutsche betrifft – überraschende Aspekte. Zum einen, dass das Deutsche sooooo schlecht nicht ist, was BLAU angeht. Immerhin 50 verschiedene Synonyme listen einschlägige Synonymseiten im Web auf. Scheinbar gut.

Aber sieht man sich die Synonymlisten genauer an, stellt man fest, dass es für die FARBE BLAU nur wenige Worte gibt: Türkis. Ultramarin. Azur. Veilchenblau. Hellblau. Himmelblau. Stahlblau. Indigo. Jeansblau. Zschitscherin-Vogelschwanz-Blau? (Mein Vorschlag für eine neue Autositz-Auswahlfarbe??). Graublau. Und so weiter.

Die meisten Synonyme beziehen sich auf etwas anderes: Blau wie ein Veilchen, nämlich. Alkoholisiert. Beduselt. Berauscht. Beschickert. Beschwipst. Besoffen. Betütert. Bezecht. Sternhagelvoll. Stockbetrunken. Sturzbesoffen. Voll. Voll wie eine Strand-Haubitze (… immerhin mal was mit „Meer“). Angeheitert. Fertig. Zu.

Und so sieht das stocknüchterne Ergebnis meiner Recherche nach der Bedeutung von BLAU im Deutschen aus:

1. So ganz schlecht sind wir Deutsche nicht. Ein paar BLAU-Begriffe haben wir schon auch!

2. Naturvolk sind die Deutschen nach dieser Sprachanalyse lange keines mehr – schaut man sich die Begriffe an. Vielleicht noch in einem Winkel ihres Herzens, der immer wieder BLAU sucht.

3. BLAU in dieser Sprache hat oft mit Produkten zu tun. Etwas, das man kaufen kann, ist oft mit BLAU ausgeschmückt.

4. Was die SYNONYME angeht: Zu allermeist haben diese mit dem Ergebnis übermäßigen Alkoholkonsums zu tun.

Nun ja. Derlei ernüchternde Ergebnisse können an zwei Dingen wenig ändern:

Das Blau des Meeres ist, was es ist. Mir geht immer noch das Herz auf bei diesem Anblick.

Und die alte Kultur der Polynesier? Was ist aus dem Blau in der polynesischen Sprache geworden? Ich fürchte, die Bedeutungen von BLAU haben dort vermutlich unter dem Einfluss dessen, was wir „Zivilisation“ nennen, eine ähnliche Richtung eingeschlagen – siehe Punkt 1 bis 4.

Ich nehme mir vor, Angelika Gebhard zu fragen.
Oder zumindest das Vorwort noch mal zu lesen.

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Pantalica

Es gibt Orte, an die ich auf meinen Reisen immer wieder zurückkehre. Orte, die mich magisch anziehen. Wahrscheinlich ist das alles leicht erklärbar: Ein „guter Moment“. Vor langer Zeit.
Aber was leicht erklärbar scheint, ist in Wahrheit der Anfang der Schwierigkeit zu erklären: Was einen „guten Moment“ denn nun eigentlich ausmacht? Was die Ingredienzen sind, die man einfach aus dem Regal nehmen muss – und dann kommt er heraus, als chemische Reaktion, als Endergebnis, als Fertigprodukt, „der gute Moment“?

Pantalica besuchte ich Mitte der Neunziger zum ersten Mal. Die Ingredienzen, die den Moment damals schufen: Die erste Reise mit meiner neuen Freundin. Katja, die vorschlug, dahin zu fahren, ich wusste nichts von Pantalica. Zwei große Schluchten, die sich auf einander zubewegten. Zwei Flüsse, Anapo und Calcinara, die sich tief, tief eingegraben hatten durch die Kalkschichten, die irgendeinem fernen Erdzeitalter-Ur-Ur-Meer entstiegen waren. 5.000 (!!) in den Fels gehauene Grabkammern, die meisten oben an der Felskante, nie unten. Die meisten nach Osten und Süden, selten nach Norden. Die Wanderung durch das dichte, tiefe Grün im damaligen Mai, das so gar nicht meinem Bild vom verbrannten Sizilien entsprach. Leuchtend roter Mohn. Lupinen. Kniehohes Gras. Meine Sorge, als ich durch die dichten Halme streifte, ich könnte hier, genau hier von einer Schlange gebissen werden, eine Sorge, die mich, der ich im Ausland viel wandere, selten streift. Warum hier?
Pantalica. Zwei Canyons, eine Stunde vom Meer, von Siracusa entfernt.

Die Welt, durch die wir uns bewegen, ist voller Gewissheiten. Das Wetter wird morgen soundso. Dies ist meine Handynummer. Das gibts heute Abend zu essen. Und wenn jemand stirbt, dann kommt der Bestatter. Tatsächlich ist die Art, wie wir mit dem Tod umgehen, jenem, der uns in unserem unmittelbaren Umfeld betrifft, Ausdruck unserer Kultur. Friedhöfe. Orte ehrenden Gedenkens. Teure Grabsteine. Ein Name, zwei Jahreszahlen. Ein paar Blumen.

Vor allem dank Ethnologen und Archäologie weiß man, dass die Arten, wie Kulturen mit dem Tod ihrer Angehörigen umgehen, in die Myriaden gehen. Es ist immer wieder erstaunlich, welchen Variationsreichtum es gibt. Steinzeitliche Kinder, in hockender Position auf den Inseln der Ägäis in Tonkrüge gebettet. 
Die bronzezeitliche Fürstin, deren Grab man keine 30cm unter der Grasnarbe beim Bau des Gymnasiums Grünwald bei München fand, liegend, den Kopf mit einem Bronzekranz bekrönt, den Blick der leeren Augen für immer nach Südosten. 
Die Kelten im gerade 100 Kilometer entfernten Manching, die mit den Schädeln von Verstorbenen und Feinden unter ein und demselben Dach lebten. 
Die heutigen Toten, die wir außerhalb der Wohnorte auf eigenen Arealen in die Erde betten. Und den Gärtner mit der Grabpflege betrauen. 
Die Grabkammern von Pantalica. Einfach in die Felsen gehauen, in die aus dem dichten Grün zwischen Oliven, Macchie, Pistazien herausragenden Vorsprünge, Felsnasen, Hangkanten.

Die Archäologen sagen, dass Pantalica besiedelt wurde etwa zu der Zeit, als Troja unterging. 
Als die Fürstin von Grünwald bestattet wurde, etwa im 13. Jahrhundert vor Christus. 
Längst wurde das Meer befahren, 5.000 Jahre zuvor war wohl von hier, von Sizilien aus, ein Volk aufgebrochen und hatte 50 Seemeilen weiter südlich, auf den Inseln von Malta, eine einzigartige Zivilisation mit den gewaltigen Steintempeln von Hagar Quim begründet. 
1.300 vor Christus? Die Minoer befuhren zu diesem Zeitpunkt bereits 800 Jahre auf festen Handelsrouten das östliche Mittelmeer. Um die gleiche Zeit waren Mykenier, deren Erben, nach Eroberung Troyas im Niedergang begriffen. 
Ägypter schlugen sich um 1.300 unter Ramses II. mit den Hatti an der Grenze im heutigen Palästina herum. Eine unruhige Ecke, heute wie damals, warum eigentlich? 
Keine allzuferne Zeit also, die Zeit von Pantalica. Keine Epoche, über die wir nichts wüssten. 1.300 vor Christus: Eine Zeit, in der große Wanderbewegungen einsetzen. Eine Welt, die nach längerer Phase „stabiler“ Verhältnisse dabei ist, in Umordnung, Neuordnung, Chaos, Veränderung überzugehen. Schatten am Horizont. Dunkle Wolken. Neuankömmlinge, die fremde Sprachen sprechen und auf Booten kommen. Beginnende Bewegung überall im östlichen und mittleren Mittelmeer – auch auf Sizilien.

Es waren wohl Menschen von den Küstenregionen im Osten und Süden Siziliens, die sich unter dem Druck neuer, übers Meer gekommener Siedler offensichtlich von den Küsten weg Richtung Landesinneres bewegten. Die Namen der Neuankömmlinge, zusammengefasst in fremd anmutenden Namen von Völkern: Ausonier. Morgetaner. Und auch: Sikeler. Sikeler, die der Insel mit den drei Kaps für alle Zeit den Namen geben sollten: Sizilien. Shekelet, von denen die alten Schriftsteller erzählen. Jene, die vorher an den Küsten gesiedelt hatten, suchten Zuflucht vor ihnen auf den schwer zugänglichen Höhen zwischen den beiden Canyons von Pantalica. Um irgendwo dort ihre neue Stadt zu gründeten. Von ihr ist nichts erhalten, man weiß nicht, wo sie lag, man weiß nur, dass der Höhenrücken besiedelt war für 600 Jahre. Solange, bis die Griechen kamen.

Was blieb, waren Grabkammern. Über 5.000 von Ihnen liegen in der Landschaft verstreut, manche einzeln, manche in Gruppen eng beieinander liegend, so eng: man könnte meinen, dies wäre über Jahrhunderte Bestattungsanlage einer Familie und aller ihrer Angehörigen gewesen. Und 150 Meter weiter der einer anderen Sippe. Was verblüfft, ist der Aufwand, den die Lebenden für die Toten mit Schaffung der Grabkammern betrieben. Der in den Fels gemeisselte Eingang misst ungefähr ein Meter mal ein Meter fünfzig. Dahinter ein kleiner Raum, breiter und höher als der Eingang, im Volumen etwa ein, zwei Kubikmeter groß. 
Vermutlich wurden Holzgerüste errichtet, um überhaupt Kammern in drei, vier Metern über dem Boden errichten zu können. Wir befinden uns in der Bronzezeit. Presslufthämmer, Dynamit, Gesteinsbohrer waren noch 3.300 Jahre weit weg – Erfindungen unserer Jahrhunderte. Stattdessen: Einfache Meissel aus in Hartholz gespanntem Gestein. Und aus weicher Bronze. Weichmetall, das auf harten Kalkstein-Fels auftrifft. Kleine Gesteinssplitter, die ein Hammer man mit jedem Schlag auf den Bronzemeissel wegsprengt. Ein paar kleine Steinsplitter mit jedem Schlag. Der Meissel, der an dem harten Gestein schnell stumpf wird. Sich vielleicht rasch verbiegt.

Sie sind nicht groß, die Grabkammern. Vielleicht etwas mehr als ein- bis eineinhalb Kubikmeter. Die Eingangsöffnung ist so klein mit ein Meter mal ein Meter zwanzig, dass an jeder Grabkammer eigentlich immer nur ein einziger Mann arbeiten kann. Mehrere würden sich behindern, in der beengten Eingangsöffnung sich gegenseitig im Weg stehen, nein, das geht gar nicht. 
Also ein Mann, der an einer Grabkammer arbeitet. Wie lange braucht ein Mann mit einfachstem, splitterndem Stein- und sich verbiegenden weichen Bronze-Meisseln und Werkzeugen, um etwa einen Kubikmeter harten Kalksteins abzusprengen, abzulösen, Steinchen für Steinchen, bis eine Grabkammer fertig ist? Eine von Fünftausend? 
Die Rechnung ist einfach: Nehmen wir an, jeder Hammerschlag sprengt Splitter und Stäubchen und Steinsprengsel im Volumen eines kleinen Spielwürfels aus dem Gestein. Etwa einen Kubikzentimeter. Dann bräuchte es zwischen ein und zwei Millionen Hammerschlägen, um eine Kammer herauszumeisseln. 1.000.000 bis 2.000.000 Schläge.  Gehen wir weiter davon aus, dass ein guter Arbeiter, ein ausgebildeter Mann etwa 40 Schläge pro Minute ausführen kann. Pausen eingerechnet. Dann schafft er 2.400 Schläge in der Stunde – was dann immerhin der Gesteinsmenge eines Würfels mit  13,4 Zentimeter Kantenlänge entspräche. Könnte der Mann jeden Tag etwa sechs Stunden in derartigem Tempo arbeiten – Pausen und Zeiten für Abräumen der Trümmer eingerechnet, Werkzeug wird „gestellt“, dann: Wäre eine solche Grabkammer nach knapp 140 Tagen fertiggestellt. 140 Tage. Vier Monate und ein halber. Ein halbes Jahr, grob geschätzt, also.

Gehen wir davon aus, dass mehrere Männer an einer Grabkammer arbeiteten. Nicht gleichzeitig, sondern nacheinander, um sich abzulösen. Dann liesse sich die Zeit für die Fertigstellung auf siebzig Tage verkürzen – vielleicht auch deutlich weniger, wenn Tag und Nacht und „rund um die Uhr“ gearbeitet worden wäre.

Wahrscheinlich ist, dass die Grabkammern nicht sämtlich „aus einem Guss“ entstanden. Die Sikeler, die sie errichteten hinterliessen keine schriftlichen Zeugnisse. Forscher unterscheiden verschiedene Komplexe an vier unterschiedlichen Stellen von Pantalica.  Gemeinsam ist ihnen, dass sie in den fünf, sechs Jahrhunderten ihrer Nutzung mehrfach und immer wieder genutzt wurden. Verschlossene Kammern, in denen bereits mehrere Tote bestattet waren, wurden für weitere Beisetzungen geöffnet. Als Archaeologen um 1910 mit der Erforschung des Höhenrückens begannen, fanden sie die Kammern, die heute leer sind, mit ein und sieben Toten beiderlei Geschlechts – zusammen mit den typischen Bronzezeit-Beigaben wie Tonkrügen, Bronze-Dolchen, Fibeln. 

Was es aber mit den Riten der Sikeler auf sich hatte, ihren Toten in den Hängen regelrecht Häuser hoch oben in den Felsen zu errichten so wie im Leben auf Erden, was sie bewog, ihnen Alltagsgegenstände mit in ihre letzten Wohnungen zu geben, dies wird ihr Geheimnis bleiben.

Was aus alldem wurde?
Die erste Kultur von Pantalica?
Etwa mit dem 7. Jahrhundert vor Christus endet die Nutzung der Grabkammern. Pantalica – oder wie immer der Name des Ortes gewesen sein mag, und seine Bewohner gerieten unter Druck und in die Konflikte der an der Ostküste städtegründenden Griechen. Vermutlich von Griechen aus Syrakus wurde die Stadt im 7. Jahrhundert zerstört.

Die zweite Kultur von Pantalica?Noch verschiedene Male wurde der Höhenrücken zwischen den beiden Flüßen Ort der Zuflucht. Die nächste große Besiedlung fand statt, als sich im 7. Jahrhundert Raubzüge der Araber mehrten. Und die frühchristlich Reströmisch-byzantinische Bevölkerung ebenfalls die Flucht ergriff. Sich landeinwärts auf den geschützten Höhenzügen niederließ. Und die Höhlen ein weiteres Mal besiedelte.

Pantalica heute?
Ein großer Naturpark, in dem der Seewind über die Canyons hinwegstreicht. Ein einsamer Fleck – für mich immer wieder ein Highlight Siziliens, nur etwa 50 Minuten von Siracusa und der Küste entfernt. 

Und für alle, die Fernweh & Meeres-Sehnsucht jetzt gleich befeuern wollen:


Was passiert, wenn wir unser Leben ändern?

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Weiter durch Südfrankreich

IMG_5185Mir war nicht langweilig in letzter Zeit. Merkt ihr wahrscheinlich daran, dass der letzte Bericht schon eine ganze Weile her ist.
Die Fahrt mit Eos durch Südfrankreich lässt mir nicht viel Zeit für irgend etwas anderes. Ich fahre früh los und mache meistens erst spät nachmittags irgendwo die Leinen fest. Wo das ist, kann ich manchmal planen, manchmal macht mir auch irgendetwas einen Strich durch die Rechnung. Es kommt vor, dass mal eine Schleuse nicht funktioniert oder ich mit Menschen am Ufer ins Gespräch komme. Dann wieder regnet es häufig, so dass ich schon ein, zwei Stunden früher festmache oder ein Anleger ist schlicht weg so belegt, dass kein Platz mehr für Eos ist. Das kam allerdings nur einmal vor, ansonsten sind die Anleger und kleinen Häfen eher ziemlich unterbelegt.
So ist fast jeder Tag ausgefüllt mit Überraschungen und abends bleibt nur noch wenig Zeit zum Gegend erkunden, Essen kochen, nach Hause telefonieren und der Wartung am Boot.
Aber es geht mir gut im Garonne-Seitenkanal. Er ist wunderschön und wenig befahren. Bis zum Ende des Kanals in Toulouse taucht hinter Eos nicht ein einziges anderes Boot auf. Auch vor uns fährt niemand. Nur ganz selten kommt mal ein Hausboot entgegen. Sehr selten…
In allen 53 Schleusen bis Toulouse bin ich allein. Damit hätte ich im Vorfeld nicht gerechnet. Aber immer wieder komme ich mit Menschen an den Schleusen ins Gespräch und manchmal auch mit Mitarbeitern vom VNF, die gerade etwas an einer Schleuse reparieren. Anrufen muss ich wegen eines Ausfalls an Schleusen beim VNF in der Zeit nur drei mal. Es geht dann immer ziemlich schnell, bis jemand kommt und das Problem recht zügig beseitigt.
Fast alle Schleusen bediene ich selbst und es macht mir Spaß. Die Schleusen bringen Abwechslung und geben mir die Chance, mich ein wenig zu bewegen. Denn meinem Rücken tut das permante Stehen an der Ruderpinne überhaupt nicht gut. Aber anders geht es nicht. Die Fahrrinne ist schmal und man muss ständig aufpassen, nicht gegen einen im Wasser liegenden Baumstamm zu fahren.

Ich komme bis Toulouse an vielen kleinen Orten vorbei. Manchmal würde ich gerne ein, zwei Tage bleiben, um mehr von der Gegend zu sehen. Aber selbst die kurzen Ausflüge neben dem Kanal lohnen sich. Tourismus ist nur wenig vorhanden. Das gefällt mir.

In der Gegend um Moissac erlebe ich einen der schönsten Tage bis dahin. Ich fahre mit Eos eine ganze Zeit lang auf einem der Jakobswege und treffe viele Pilger. Unter anderem eine Gruppe aus Straßburg, drei Freunde aus dem Elsass und eine junge Pilgerin, die mich überreden wollte, doch mit nach Santiago zu kommen. Aber ich bin nicht schwach geworden. Habe, wenn auch schweren Herzens, meinen Kurs beibehalten.
Die Blicke mancher Pilger hättet ihr sehen sollen. So weit weg von Santiago spricht dich sonst eigentlich kaum jemand an, erkennt fast niemand, was du vor dir hast. Ich bin dann jedes mal, wenn ich Pilger gesehen habe, ganz langsam ran ans Ufer, hab gegrüßt und dann nur mit dem Finger in die Richtung gezeigt und gefragt: „Camino de Santiago?“
Wie sich der Gesichtsausdruck plötzlich verändert hat. Unbeschreiblich…
Und ich hatte ständig nen Kloß im Hals. War für eine Weile wieder ein bisschen Pilger. Viele schöne, leider viel zu kurze, Begegnungen waren das.

Wenige Tage später, am 24.04. komme ich schließlich abends in Toulouse an. Ich fahre gleich in den Canal du Midi, denn der erste Hafen ist eher eine Art Abstellplatz für ein paar wenige Boote, sonst ist dort nichts, außer der Autobahn nebenan. Also mache ich nach den ersten drei Schleusen in diesem Kanal im Hafen Saint-Sauveur fest und kann kurz vor Feierabend noch so gerade eben eine Dusche ergattern. Dann ist Pause angesagt. Garonne-Seitenkanal geschafft, Canal-du-Midi voraus.

Ich habe ihn genießen können, den Kanal neben der Garonne. Trotz viel Regen und wenig Sonne. Er hat es mir angetan, mit seinen alten Bäumen am Ufer, der Ruhe und den kleinen Orten und Anlegern.

„Einhand um den Atlantik“ – Das Hörbuch

Von der Landratte zum Segeljunkie: Das ist die Kurzfassung der vergangenen 8 Jahre im Leben des 45-jährigen Guido Dwersteg. Es beginnt ganz harmlos mit dem Mitsegeln bei Freunden und endet mit einer Einhand-Atlantikrunde. 11.000 Seemeilen, 146 Seetage und 12 besuchte Länder. So die Eckdaten dieses großen Abenteuers. Neben der tausendfach verkauften Film-Dokumentation “EINHAND UM DEN ATLANTIK” entstand in der Folge auch das gleichnamige Buch, welches nun endlich auch als Hörbuch erschienen ist. Guido selbst liest diese ungekürzte Fassung seines Segelbestsellers und untermalt seine Erzählung mit Original-Tonaufnahmen seiner Reise und atmosphärischen Geräuschkulissen. Das Resultat ist ein gleichermaßen fesselndes wie spannendes Hörerlebnis, bei dem auch der Humor nicht zur kurz kommt. Sehr empfehlenswert!

Das „EINHAND UM DEN ATLANTIK“ – Hörbuch ist bei ab sofort bei uns im Shop erhältlich und einen kleinen Eindruck verschafft die obige Hörprobe.

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Mare Più. 2016-05-08 20:00:00


Was bringt, was kostet es, ein halbes Jahr Segeln zu gehen? Was findet, was verliert man dabei eigentlich? Ist „ein halbes Jahr Segeln“ nur ein Projekt wie jedes andere? Oder doch nicht? Hinterlässt es Spuren? Hat es tiefere Auswirkungen? Findet man wieder zurück in sein bisheriges Leben? Was wird aus der Beziehung?

Zwei Menschen geben sich im Mai 2014 eine halbjährige Auszeit auf See. Der eine segelte ein halbes Jahr in der Ostsee. Der andere im Mittelmeer. Der eine von Kiel aus in die Schären. Der andere vom slowenischen Izola ins südtürkische Antalya. Der eine ist Musiker. Der andere Verleger. Beide sind nicht auf der Jagd nach Rekorden, sondern nach „Zeit. Einsamkeit. Raum.“

Beide schreiben ein Buch über ihre Reise. Beide machen einen Film über ihre Reise. Warum segeln Menschen überhaupt los? Warum verändert eine halbjährige Auszeit für immer? Warum hinterlässt so etwas überhaupt einen tiefen Eindruck?

                                                                                                      Hier der Link zum Video-Interview.

Zwei Jahre später, im April 2016, treffe ich den Musiker Claus Aktoprak, um mit ihm über seinen halbjährigen Ostsee-Törn zu sprechen. Von Claus erfuhr ich erst, als ich bereits unterwegs war. Ich, der ich mit Rockmusik wenig anfangen konnte, vermutete hinter dem „Eigen-Slogan“ THE SAILING BASSMAN auf Claus‘ Blog www.luvgier.de einen Grenzgänger, einen hartgesottenen ganzkörpertätowierten Bassisten in schwarzem Leder. Als ich Claus zum ersten Mal kurz danach traf, stand mir etwas ganz anderes gegenüber als das. Ein sensibler Mann, den die gleichen Motive, die gleichen Fragen umtrieben wie mich. Claus ist alles andere als ein Grenzgänger. Wenn ich ihn beschreiben müsste, dann ist er ein Musiker, der wieder zurück wollte dorthin, wo wirklich Musik ist. Und nicht das Drumherum, in einer Organisation rund ums Medium „Musik“ sein Geld zu verdienen.

Was von Claus‘ und meiner Reise geblieben ist? Wie geht es uns heute damit, dass wir ausgeschert sind auf der Autobahn, kurz rechts rausgefahren sind und angehalten haben? Hat sich etwas verändert? Oder geht alles nahtlos weiter im Text, wie vorher auch?

                                                                                                     Hier der Link zum Video-Interview

Das Video-Interview beantwortet viele Fragen. So simple Fragen wie „Was kostet so eine Reise eigentlich?“ bis hin zu „Wie ist das Zurückkommen?“. Das „Wie klappt das in einer festen Beziehung, wenn der andere nicht mit will? Oder mit kann?“ Und nicht zuletzt: Wie verändert man sich, was gewinnt, was verliert man, wenn man sein angestammtes Zuhause verlässt?

Wer Lust hat auf mehr Antworten:
Zum Trailer von Claus‘ Film (vor zwei Wochen erschienen). Hier!
für den er selbst die Musik schrieb. Prädikat: Sehr empfehlenswert!
Zum Trailer von Thomas‘ Film. Hier!

           

Start Boating – Entdecke eine neue Welt

Kostenlose Probefahrten – Tourstart auf der hanseboot ancora boat show.

Port Soller Abendstimmung

Menschen für den Bootssport zu begeistern, das ist das Ziel der bundesweiten Kampagne für den Bootsport „Start Boating“. Zum Saisonauftakt ist die Kampagne vom 27.-29. Mai 2016 in Neustadt/Holstein bei der gleichzeitig stattfindenden hanseboot ancora boat show, 7. In-Water Boat Show zu Gast.

9 Segel- und Motorboote zwischen 4 und 10 m Länge stehen dort für die Testfahrten zur Verfügung. Entweder nach Anmeldung über die Kampagnenwebsite www.start-boating.de oder direkt vor Ort in der Start-Boating-Lounge. Die Testfahrten werden von erfahrenen Skippern begleitet.

http://www.marinafuehrer.adac.de/wp-content/uploads/start_boating_moodfilm.mp4

Die bundesweite Kampagne für den Bootssport „Start Boating“ bietet auf insgesamt sieben regionalen Bootsevents die Gelegenheit, das Ruder in die Hand zu nehmen und im Rahmen von kostenlosen Probefahrten die Faszination Bootssport selbst und hautnah kennenzulernen. Einfach einsteigen und ablegen lautet das Motto.

Weiterführende Informationen erhalten die Gäste durch das 24-seitige, kostenlose Einsteigermagazin, in dem alle wichtigen Fragen rund um das Thema Bootssport erklärt werden, sowie durch die Start-Boating Crew vor Ort.

Über den genauen Ablauf der Veranstaltung, das Angebot für die Gäste und die Hintergründe zur Kampagne möchten wir Sie persönlich am

Freitag, den 27 .Mai 2016, 18.00 Uhr, in der Start Boating Lounge, (Bereich 4 Stand 10)

informieren. Kühle Getränke und ein Imbiss stehen für Sie bereit. Wir bitten um eine kurze Teilnahmebestätigung per Email an info@bvww.org. Wir freuen uns auf Ihr Kommen.

Bootsevents 2016 für kostenfreie Probefahrten

27.-29. Mai hanseboot ancora boat show, Neustadt
18.-19. Juni Werder/Havel bei Berlin
02.-03. Juli Warnemünder Woche, Rostock-Warnemünde
13.-14. August Rhein in Flammen, Koblenz
03.-04. September Düsseldorfer Yachtclub, Düsseldorf
17.-18. September Maritime Woche Bremen
24.-25. September Interboot Friedrichshafen

Start Boating wird durch den Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V. (BVWW) sowie durch den Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verband e.V. (DBSV) organisiert. Das Start Boating Journal steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. Die ADAC Sportschifffahrt unterstützt die Kampagne und steht Interessierten mit umfassenden Informationen zu zahlreichen Revier- und Sachthemen beratend zur Seite.

 

Kochen an Bord: Nonsuch Breakfast Burger

Heute gibts mal wieder eine kleine Anregung für die Bordküche von mir. Auch wenn man das eigentlich nicht ernsthaft Kochen nennen kann, ist diese kleine Eigenkreation eines Rührei Burgers perfekt geeignet für ein Frühstück an Bord. Schmeckt gut, und ist schnell gemacht. Und wie immer braucht man nicht mehr als zwei Spiritusflammen für die Zubereitung und alle Zutaten sind auch ohnehin schon an Bord oder leicht verfügbar. Und die Reste lassen sich perfekt noch über einen Tag auf See verputzen! Also los gehts:

Zutaten (2 Personen/3 Burger):

4 Eier
3 Brötchen (vom Vortag schadet nicht, das Ei gibt genug Feuchte)
ca. 125g Baconstreifen
einige Kirschtomaten
eine kleine Schale Blattsalat
Salz/Pfeffer
Butter
ca. 80g geriebener Emmentaler
nach Belieben noch eine kleine Zwiebel oder andere Zutaten.

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Zubereitung ca. 10-15 min.

 

Die Brötchen aufschneiden (am besten über der üblichen Hälfte wie im Bild zu sehen), aushöhlen und leicht mit Butter beschmieren.P1100321
Die Kirschtomaten vierteln, den Salat waschen und in kleine Fetzen zupfen. Währenddessen den Speck bereits in der Pfanne anbraten. Entgegen dem klassischen Speck zu den Eiern sollten die Streifen am besten noch weich und nicht zu kross sein.P1100322
Die Eier zu dem Speck in die Pfanne geben. Kleiner Kleinkreuzertip: Wer sich beeilt kann eine Schale zum Abwaschen sparen und die Eier für das Rührei schnell in der Pfanne verquirlen, salzen und pfeffern bevor sie zu stocken anfangen. Wer mag kann an dieser Stelle auch noch z.B. ein wenig Knoblauch oder gehackte Zwiebel mit ins Ei geben.P1100324
Sobald das EI gestockt ist, den Käse unterrühren. Sobald dieser dann anfängt zu schmelzen, die Pfanne von der Flamme nehmen.P1100327
Das Rührei mit Speck bis zum Rand in die vorbereiteten Brötchenschalen geben. Anschließend die Salatfetzen und Tomatenviertel drauf geben. Wegen der Vitamine! ;) Deckel drauf, fertig.P1100329

 

Ich präsentiere: den Nonsuch Breakfast Burger! Und wie man sieht, lässt er sich ob der Handlichkeit eines Burgers auch perfekt noch auf See verputzen. Gutes Gelingen beim Nachkochen und guten Hunger!

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Flüchtlingsschiffe.

Dienstag, 26. April 2016. Das Meer ist aufgewühlt, man sieht es durch den Bretterzaun auf der Pier. Seit ein paar Tagen weht es mit sechs, sieben Windstärken über die Südküste Siziliens, an der ich mit LEVJE im Hafen von Marina di Ragusa liege. Wenn Polarluft über Deutschland hinwegzieht, dann bläst es hier kurz danach aus Nordwest – so scheint es jedenfalls. Das Meer hat sein Türkis verloren, Grundseen haben den Boden aufgewühlt, nach zwei Tagen Starkwind ist das Meer schlammfarben und von weißer Gischt bedeckt, soweit das Auge reicht. Mein Windmesser zeigt in der Spitze 40 Knoten über dem Boden an. Während wir das Meer am Strand beobachten, sind Haare, Zähne, Ohren im Nu voller Sand. Arbeiten auf dem Boot ist ungemütlich: Selbst im Hafen, wo das Boot fest vertäut liegt und vor Wellen gänzlich geschützt ist, packen die Böen ein ums andere Mal LEVJE’s Rigg und drücken das Boot zur Seite. Feinmotorisches im Geschwanke erledigen ist meine Sache nicht. Sturmtage im Hafen.

Und weil der Segler nicht ruhen kann, fahren wir mit dem Wagen nach Pozzallo, etwa 20 Kilometer östlich Marina di Ragusa. Pozzallo ist ein Hafenstädtchen mit fast 20.000 Einwohnern. Vom Hafen gehen regelmässig Fähren nach Malta, aber jetzt liegt das große Areal verlassen im Licht des stürmischen Mittags. Starkwind, der mir beim Öffnen die Autotüre aus der Hand reißt, während auf der anderen Seite nur ein aubergine-farbener Bus steht, ein modernes Teil mit jeglichem Reisekomfort. Er ist besetzt überwiegend mit jungen dunkelhäutigen Männern, der aubergine-farbene Bus. Und sähen sie nicht so erschöpft aus, hätten sie nicht alle ein und dasselbe Krankenhaus-Handtuch um Kopf, um Nacken gelegt, man könnte tatsächlich denken: Der Kegelclub von Marsala macht einen Ausflug im Reisebus nach Pozzallo. Aber so ist es nicht. Die Insassen sind Flüchtlinge aus Eritrea. 308 Männer, Frauen und Kinder, die an diesem Tag bei sechs bis sieben Windstärken aus Nordwest das Meer gegenan überquerten. Und hier irgendwo an einem der langen Strände vom schlammfarbenen Meer an Land gespült wurden.

Was heute hier passiert, passiert seit einigen Jahren in Pozzallo. Regelmäßig landen hier Flüchtlingsboote, vielleicht weil es von hier aus nur 50 Seemeilen bis nach Malta sind und knappe
200 bis zur Küste Tunesiens. Und weil die Behörden nicht wissen, wohin mit jedem übriggebliebenen Flüchtlingsschiff, wird einfach eine Nummer draufgesprüht. Und sie werden hier in einer Ecke des weitläufigen, verlassenen Hafengelände Pozzallos einfach abgelegt – wie in anderen Häfen des südlichen Sizilien auch. Niemand kümmert sich darum. Es sind: Die vergessenen Schiffe.

Es sind zumeist stabile Fischerboote, feste Kähne, von denen mancher seine besten Tage lange hinter sich hat. Manche von ihnen wurden, um möglichst viele Menschen darauf unterzubringen, eigens für diesen Zweck umgebaut. Die Schlepper haben alle hinderlichen Aufbauten entfernt, um ein glattes Deck zu schaffen, auf dem viele Menschen transportiert werden können. Statt des Auspuffs ragt nur noch ein Ofenrohr aus dem übrig gebliebenen Rest des Deckshauses. Es sind auch keine kleinen Schiffe – Flüchtlingstransport in dieser Spielart ist offensichtlich Massengeschäft.

Eine dicker Deckel, der den Laderaum verschließt, in dem wer-weiß-wieviele Menschen während der 2-4 Tage dauernden Überfahrt kauern. Selbst für den Steuermann ist kein Deckshaus mehr da, alles ist abmontiert, am Heck ist nur noch eine Pinne mit langem Arm erkennbar.

Auch ein Schlauchboot liegt auf dem Schiffsfriedhof von Pozzallo. Es ist das Teil mit der Nummer 166 – oder das, was nach der Überfahrt noch übrig ist. Ein über 10 Meter langes Schlauchboot, dem längst alle Luft entwich, der Boden aus einfachen Sperrholzplatten, aus denen Unkraut wuchert. Wer weiß, wie viele Menschen auf so einem Gefährt das Meer überquerten, und bei was für einem Wetter, im langen zurückliegenden Winter.

Natürlich sind, wie das auf einem Schiffsfriedhof üblich ist, die Schiffe längst ausgeweidet. Alles, was nach der Ankunft irgendwie verwendbar, verwertbar war, wurde entfernt, kaum ein Schiff, an dem noch ein Steuerrad ist, Edelstahl haben die Schiffe in den Ländern, aus denen sie kommen, sicher nie gesehen. Nur weniges blieb an Bord. Doch dies wenige ist ergreifend, weil es die persönliche Habe von Flüchtlingen ist, die sie zurückliessen:

Der Schuh eines Mannes und eines Kindes, die auf den Planken rotten. Vater und Sohn?

Ein kleiner Rucksack mit einer Zahnbürste darin:

Die Zahnpastatube mit anderen Schuhen. Zwei BHs. Ein Spielwürfel. Ein Suppenlöffel. Gegenstände, die eine Geschichte darüber erzählen, was jemand mitnimmt, wenn er nichts mehr mitnehmen KANN. Was würde jeder von uns auswählen, einpacken, wenn es plötzlich hieße: „Nimm alles Wichtige mit. Heute Abend. Aber es muss in einen Rucksack passen.“ Was nähme man mit? Zahnpasta?

Es sind ihre Habseligkeiten, die die Flüchtlinge beim Ankommen an Bord ließen, die mehr über ihre Schicksale erzählen als manches Andere. Alte Wasserflaschen. Schlafsäcke. Und Berge von Schwimmwesten, zumindest das. Immer wieder sind Flüchtlinge in Zeitungen zu sehen, auf Gefährten, die kaum schwimmfähig scheinen. Doch Schwimmwesten tragen die meisten. Gibt es einen Gott, der vor der Abreise Schwimmwesten verteilt? Gibt es ein multinationales Amt, das dafür sorgt, dass jeder der Flüchtlinge zumindest eine Schwimmweste hat, wie es die Gesetze auf See vorschreiben? Gibt es im Auswandererland eine geheime Behörde, die wegschaut, wenn Flüchtlingsboote „umgebaut“, vorbereitet werden? Aber hinschaut, damit jeder eine Rettungsweste trägt? Gelten irgendwie doch noch Vorschriften dort, wo Menschen alles wagen, sich ins Ungewisse begeben, jedes Risiko auf sich nehmen, nur um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können? Es gibt so vieles, was ich an diesen Geschehnissen nicht verstehe.

Am Dienstag, den 26. April 2016 kamen in Pozzallo, Provinz Ragusa, Italien, 308 Flüchtlinge an. Einen Teil von ihnen habe ich in dem aubergine-farbenen Bus gesehen. Insgesamt 177 Männer. 72 Frauen, darunter sechs schwangere. 46 Jungen. 13 Mädchen. 100 von ihnen wurden weiter nach Trapani verbracht, 208 blieben zunächst im Erste Hilfe-Zentrum in Pozzallo. Es hat eigentlich nur Platz für 180 Menschen.

Anders als zu erwarten, ist der Zeitungsartikel, der am folgenden Tag in LA SICILIA erschien, voller Anteilnahme für die Not der Flüchtlinge – obwohl die Bevölkerung Italiens genauso wie die Griechenlands oder Spaniens längst der Probleme und der Last überdrüssig sein müsste, die sie seit bald zwei Jahrzehnten trägt.

Vielleicht ist jenes Europa, von dem wir träumen, doch spürbar, hier in Italien. In Pozzallo.

Was wirklich im Gewitter passiert – 
Herausgegeben vom Autor von Mare Piu: 



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Weiterlesen über Gewitter hier auf MARE PIU: 
Ist es gefährlich, im Gewitter zu segeln? Hier.

                       

Mehr erfahren? Bestellen und gleich lesen: Hier!

Der Countdown läuft …

  Vielleicht der letzte Blogeintrag von dieser Seite des Atlantiks – wenn nicht noch etwas dazwischen kommt. Das Wetter sieht für eine Atlantiküberquerung momentan wirklich gut aus und wir wollen lieber heute als morgen starten. Momentan rechnen wir mit einer…