Monat: November 2015

Sicherheit in Gürtelform: Neue Rettungsweste für Schwimmer und Stand-Up-Paddler

PN SECUMAR FREE 100_Motiv1_web

Im Ruhezustand kaum größer ein Gürtel, stellt die FREE 100 im Ernstfall ein Netz bzw. einen doppelten Boden dar.

Ein Netz und doppelter Boden gibt Akrobaten ein beruhigendes Gefühl – die Rettungsweste SECUMAR FREE 100 erledigt das Gleiche für Schwimmer und andere, die auf Nummer sicher gehen möchten. Denn nicht selten kommt es vor, dass sich Schwimmer im Freiwasser auf der sicheren Seite wähnen und plötzlich sind Probleme da: beispielsweise in Form eines Krampfes oder wenn die Kräfte nachlassen. Dann schlägt die Stunde der SECUMAR FREE 100. Das ist die neue Rettungsweste der 100-Newton-Auftriebsklasse, die im Ruhezustand einem etwas dickeren Gürtel ähnelt: In einer kleinen Tasche an einem Hüftgurt ist der Schwimmkörper eng zusammengefaltet. Tests haben ergeben, dass der Gürtel beim Schwimmen kaum spürbar ist. Tritt der Notfall ein, zieht der Verunglückte den Schwimmkörper aus der Tasche vor dem Oberkörper hoch und dann direkt über den Kopf. Per Handauslösung wird eine CO2-Patrone aktiviert, das Gas strömt in den Schwimmkörper, sorgt für den Auftrieb und stabilisiert Weste und Mensch.

SECUMAR FREE 100

Aufgeblasen stellt die FREE 100 eine vollwertige Rettungsweste nach DIN EN ISO 12402-4 dar.

Ab dem kommenden Frühjahr wird diese Rettungsweste im Fachhandel erhältlich sein, deren Funktionsweise auf der anderen Seite des Atlantiks schon weiter verbreitet ist. In den USA gehören Rettungswesten dieses Typs zu den beliebtesten Modellen. Während eine Rettungsweste der 150N- oder 275N-Auftriebsklasse für die meisten Wassersportarten unerlässlich ist, bietet die SECUMAR FREE 100 ein gutes Back-Up-System für leichte Anforderungen, zu denen vor allem das Schwimmen, aber auch das immer beliebter werdende SUP (Stand-Up-Paddeln oder Stehpaddeln) gehört – hier ist mit der Weste im Gürtel Sicherheit vorhanden, wobei der Oberkörper frei bleiben kann.

Seit Jahrzehnten steht das Unternehmen Bernhardt Apparatebau GmbH u. Co. für innovative Produkte. Konsequente Forschung und höchste Qualitätsansprüche haben Bernhardt Apparatebau zu einer weltweit führenden Position auf dem Gebiet der Seenotrettungsmittel und von der Technik her verwandten Produkten verholfen.

Weitere Informationen sind im Internet zu bekommen unter http://www.secumar.com, oder https://www.facebook.com/Secumar.

Bremen: Spannende Vorträge in der Segelmacherei

Nach der Saison ist vor der Saison! Und damit die Wartezeit auf die neue Saison nicht zu lang wird, lädt die Segelmacherei Beilken zu drei spannenden Vorträgen in ihr neues Loft im Herzen von Bremen ein.

Den Auftakt macht im Januar 2016 Weltumsegler, Buch-Autor und Blauwasserexperte Sönke Roever. 1200 Tage lang ist der Hamburger mit seiner Frau Judith auf einem Schiff mit nur zehn Metern Länge 35.000 Seemeilen um die Welt gesegelt. Sein Live-Vortrag steckt voller unterhaltsamer Geschichten über Land und Leute sowie das Leben an Bord und hat deutschlandweit schon mehr als 20.000 Besucher begeistert.

Einen Teil der 1200 Blauwassertage verbrachten Judith und Sönke Roever auch vor Traumkulissen in der Karibik.

Einen Teil der 1200 Blauwassertage verbrachten Judith und Sönke Roever auch vor Traumkulissen in der Karibik.

Im Februar folgt der bekannte Meteorologe Ralf Brauner vom Deutschen Wetterdienst mit einem interessanten Fachvortrag. Wetterexperte Brauner erklärt die Grundlagen des Seewetters und zeigt detailliert auf wie die Wetterinformationen von Seglern interpretiert und genutzt werden können.

Nicht weniger spannend wird es im März, wenn Weltumsegler und Extremsportler Bernd Mansholt von seiner abenteuerlichen 5000-Seemeilen-Reise an das weiße Ende der Welt – Grönland – erzählt. An Bord, zwei Männer, die sich über das Internet kennen lernten und noch nie zuvor miteinander segelten. Nach drei Monaten Sozialexperiment und vielen Stürmen, kehrt Mansholt als Einhandsegler nach Deutschland zurück. Was ist passiert? Die Antwort gibt er in seiner live kommentierten Bildershow.

und Extremsportler Bernd Mansholt von seiner abenteuerlichen 5000-Seemeilen-Reise an das weiße Ende der Welt – Grönland – erzählt.

Extremsportler Bernd Mansholt erzählt von seiner abenteuerlichen 5000-Seemeilen-Reise an das weiße Ende der Welt – Grönland.

Freuen Sie sich auf drei unvergessliche Abende, die Vorfreude auf die nächste Saison machen und keinesfalls nur etwas für Segler sind.

Fr. 15. Januar 2016 | 1200 Tage Samstag – Sönke Roever

Fr. 19. Februar 2016 | Grundlagen des Seewetters – Ralf Brauner

Fr. 11. März 2016 | Blind Date nach Grönland – Bernd Mansholt

Beginn ist jeweils 19.30 Uhr | Kartenvorbestellung unter [email protected] | Eintritt 15,- Euro

Detaillierte Informationen zu den Vorträgen unter www.blauwasser.de/termine

Zurück, wo man uns kennt

Die zweite Nacht in Elizabeth City liegt hinter uns. Während wir geschlafen haben, sind die Temperaturen hier in den Minusbereich gefallen. Das nasse Regenwetter gestern und die Kälte haben uns gezwungen unser Bett ab sofort wieder im Salon aufzuschlagen. Eine…

Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 8: Ganz weit oben – Auf demÄtna.

Nicht weit unter dem Krater, auf etwa 2.600 Metern: Rauchwolken aus dem Krater zeigen, dass der Ätna niemals schlaft. Der letzte größere Ausbruch liegt gerade zwei Jahre zurück.

Zu den besonderen Eindrücken als Segelreisender gehört es, wenn unmittelbar Meer auf Gebirge trifft und sich ein Berg von 0 Meter auf weit über 2.000 Meter erhebt. Im Süden der Türkei war es so, am Tahtali Dag nicht weit von Antalya entfernt. Und hier in Sizilien, unmittelbar vor Catania, steigt L’Etna vom Meer aus auf satte 3.320 Meter hoch. Er überragt damit die Zugspitze um deutliche 10% – aber so genau kann das wiederum niemand sagen, der Berg verändert seine Höhe durch Ausbrüche oder Erosion der staubig-bröseligen Masse ständig.

Der Ätna: Für einen Vulkan, der sich das Prädikat „Europas höchster und aktivster Vulkan“ dadurch verdient, dass er alle naselang Lava-Fontänen bis 600 Meter hoch in den Himmel schleudert – zuletzt eben vor zwei Jahren – ist die Landschaft erstaunlich dicht besiedelt und der Berg touristisch fünf-Sterne-mäßig erschlossen. Mit einer Bimmelbahn kann drumherum fahren, allein die Strecke ist über 100 Kilometer lang. Mit dem Auto kann man fast ganz hinauffahren, von 0 bis auf 2.000 Meter und dabei dem Thermometer im Auto bei der Arbeit zusehen, wie es alle 100 Höhenmeter um fast ein Dreiviertel Grad Celsius fällt. Oder man schaut aus dem fahrenden Auto auf Hausdächer, die festgebacken vom letzten Ausbruch mahnend aus erstarrter Lava ragen. Oder schaut den netten Wirtsleuten im Städtchen Nicolosi, den Kratern nächstgelegen auf halber Höhe, tief in die Augen und überlegt sich dabei, wie gut man denn im eigenen Bett schliefe, wenn das gerade mal eine Handvoll Kilometer weg ist vom Höllenschlund, der alle Jahre verrückt spielt.

Nur wenig beruhigend ist daran ist die Tatsache, dass es ja nicht bloß ein Schlund, sondern gleich mehrere sind. Der Ätna steht im Ruf, nicht einer zu sein, dem einfach „der Hut hochgeht“, vulgo: der Gipfel explodiert, nein:  Seine Eruptionen passieren, indem sich urplötzlich Spalten an den Flanken, meist im oberen Drittel des Berges, öffnen. Und der Berg dann das, was ihn an glühender Lava drückt, einfach von oben herunterlaufen lässt. Und es ist keineswegs so, dass davon nichts Menschliches berührt wäre: Entweder es trifft mal wieder die Seilbahn, die von knapp 2.000 Meter noch einmal etwa 600, 700 Meter weiter hinaufführt und die im Lauf ihrer Existenz bestimmt schon fünfmal wiederaufgebaut werden musste. Aus erstarrter Lava ragende Seilbahn-Stützen belegen das. 

Oder die Lava – sie ist fatalerweise hier am Ätna von besonders dünnflüssiger, fließfreudiger Konsistenz – demoliert an der Talstation der Gondel die unschuldige Hütte des Skiverleihers. Oder sie läuft weiter Richtung Nicolosi oder andere Ortschaften und kann erst ein paar Meter vor den ersten Häusern gestoppt werden, indem Menschen sich was Schlaues einfallen lassen: 
Mit Baggern Gräben ausheben (hat bei der Hütte des Skiverleihers nicht funktioniert!). 
Mit Sprengstoff der Lava einfach eine neue Rinne bauen (hat schon mal geklappt, brachte aber Ärger mit Umweltschützern!). 
Lava mit Lava bekämpfen, indem man außen am Lavastrom mit einem Wasserschlauch steht. Und die Lavahaut abkühlt, bis sie sich einen anderen Weg sucht (ziemlich schlau – scheint funktioniert zu haben.)

Wie dem auch sei: Wer auf dem Ätna unterwegs ist, der macht sich seine Gedanken, wie es sich so lebt, unter den Füßen einen Vulkan. Eigentlich machten die Menschen in Nicolosi einen recht gelassenen Eindruck, bei ihrer Passegiata am späten Sonntag Nachmittag im Zentrum des Städtchens.   
Und vielleicht kann man ja genau da von den Einwohnern von Nicolosi etwas lernen: Einfach ______________________________________________________________

40 Situationen, in denen niemand mehr locker bleibt.
40 Geschichten, wie es ist, im Gewitter zu Segeln:

40 Segler berichten ihre Erfahrungen.

In 8 Revieren.

Auf 272 Seiten.

Mit über 100 Fotos.

Mit mehr als 100 Learnings über richtiges Verhalten im Gewitter.

Mehr erfahren? Bestellen und gleich lesen: Hier!

____________________________________________________________

lockerlassen. Und nicht panisch werden bei dem Gedanken, dass die paar Quadratmeter, auf denen man sein Hab und Gut versammelt hat, eh morgen weg sein könnten, samt allem. Sie scheinen sich jedenfalls irgendwie mit dem Ungetüm vor ihrer Haustüre arrangiert zu haben, die Menschen. So wie auch die kargen Pflanzen, die im staubigen Gebrösel ebenfalls ihre Heimat gefunden haben – an den Hängen des Ätna, die seit Ende Oktober nun vollends begraben sind. Unter Schnee, zur Freude der Skiverleiher auf dem Ätna. 
Aber wem sag‘ ich das!

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Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 8: Ganz weit oben – Auf demÄtna.

Nicht weit unter dem Krater, auf etwa 2.600 Metern: Rauchwolken aus dem Krater zeigen, dass der Ätna niemals schlaft. Der letzte größere Ausbruch liegt gerade zwei Jahre zurück.

Zu den besonderen Eindrücken als Segreisender gehört es, wenn unmittelbar Meer auf Gebirge trifft und sich ein Berg von 0 Meter auf weit über 2.000 Meter erhebt. Im Süden der Türkei war es so, am Tahtali Dag nicht weit von Antalya entfernt. Und hier in Sizilien, unmittelbar vor Catania, steigt L’Etna vom Meer aus auf satte 3.320 Meter hoch. Er überragt damit die Zugspitze um deutliche 10% – aber so genau kann das wiederum niemand sagen, der Berg verändert seine Höhe durch Ausbrüche oder Erosion der staubig-bröseligen Masse ständig.

Der Ätna: Für einen Vulkan, der sich das Prädikat „Europas höchster und aktivster Vulkan“ dadurch verdient, dass er alle naselang Lava-Fontänen bis 600 Meter hoch in den Himmel schleudert – zuletzt eben vor zwei Jahren – ist die Landschaft erstaunlich dicht besiedelt und der Berg touristisch fünf-Sterne-mäßig erschlossen. Mit einer Bimmelbahn kann drumherum fahren, allein die Strecke ist über 100 Kilometer lang. Mit dem Auto kann man fast ganz hinauffahren, von 0 bis auf 2.000 Meter und dabei dem Thermometer im Auto bei der Arbeit zusehen, wie es alle 100 Höhenmeter um fast ein Dreiviertel Grad Celsius fällt. Oder man schaut aus dem fahrenden Auto auf Hausdächer, die festgebacken vom letzten Ausbruch mahnend aus erstarrter Lava ragen. Oder schaut den netten Wirtsleuten im Städtchen Nicolosi, den Kratern nächstgelegen auf halber Höhe, tief in die Augen und überlegt sich dabei, wie gut man denn im eigenen Bett schliefe, wenn das gerade mal eine Handvoll Kilometer weg ist vom Höllenschlund, der alle Jahre verrückt spielt.

Nur wenig beruhigend ist daran ist die Tatsache, dass es ja nicht bloß ein Schlund, sondern gleich mehrere sind. Der Ätna steht im Ruf, nicht einer zu sein, dem einfach „der Hut hochgeht“, vulgo: der Gipfel explodiert, nein:  Seine Eruptionen passieren, indem sich urplötzlich Spalten an den Flanken, meist im oberen Drittel des Berges, öffnen. Und der Berg dann das, was ihn an glühender Lava drückt, einfach von oben herunterlaufen lässt. Und es ist keineswegs so, dass davon nichts Menschliches berührt wäre: Entweder es trifft mal wieder die Seilbahn, die von knapp 2.000 Meter noch einmal etwa 600, 700 Meter weiter hinaufführt und die im Lauf ihrer Existenz bestimmt schon fünfmal wiederaufgebaut werden musste. Aus erstarrter Lava ragende Seilbahn-Stützen belegen das.

Oder die Lava – sie ist fatalerweise hier am Ätna von besonders dünnflüssiger, fließfreudiger Konsistenz – demoliert an der Talstation der Gondel die unschuldige Hütte des Skiverleihers. Oder sie läuft weiter Richtung Nicolosi oder andere Ortschaften und kann erst ein paar Meter vor den ersten Häusern gestoppt werden, indem Menschen sich was Schlaues einfallen lassen:
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Lava mit Lava bekämpfen, indem man außen am Lavastrom mit einem Wasserschlauch steht. Und die Lavahaut abkühlt, bis sie sich einen anderen Weg sucht (ziemlich schlau – scheint funktioniert zu haben.)

Wie dem auch sei: Wer auf dem Ätna unterwegs ist, der macht sich seine Gedanken, wie es sich so lebt, unter den Füßen einen Vulkan. Eigentlich machten die Menschen in Nicolosi einen recht gelassenen Eindruck, bei ihrer Passegiata am späten Sonntag Nachmittag im Zentrum des Städtchens.
Und vielleicht kann man ja genau da von den Einwohnern von Nicolosi etwas lernen: Einfach ______________________________________________________________

40 Situationen, in denen niemand mehr locker bleibt.
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40 Segler berichten ihre Erfahrungen.

In 8 Revieren.

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lockerlassen. Und nicht panisch werden bei dem Gedanken, dass die paar Quadratmeter, auf denen man sein Hab und Gut versammelt hat, eh morgen weg sein könnten, samt allem. Sie scheinen sich jedenfalls irgendwie mit dem Ungetüm vor ihrer Haustüre arrangiert zu haben, die Menschen. So wie auch die kargen Pflanzen, die im staubigen Gebrösel ebenfalls ihre Heimat gefunden haben – an den Hängen des Ätna, die seit Ende Oktober nun vollends begraben sind. Unter Schnee, zur Freude der Skiverleiher auf dem Ätna.
Aber wem sag‘ ich das!

Unter Segeln von Korfu nach Sizilien, Tag 7: Ankommen unterm Ätna. Und: Abenteuer in der Hafenbar.

Auch wenn ich mich angesichts der Ereignisse in Frankreich frage, welchen Sinn es hat, heute einfach so weiterzuposten und einfach von meiner Reise von Korfu nach Sizilien weiter zu erzählen: so glaube ich, dass gerade dies wichtig ist. Sich nicht beeindrucken zu lassen von der Monstrosität des Grauens. Sich nicht abbringen zu lassen von dem, woran wir glauben: Dies ist meine Verbeugung vor all denen, die unschuldig tiefes Leid erfahren haben.
Fahren wir also fort, wo wir endeten: Dies ist der Bericht meiner Reise in der zweiten Oktoberhälfte von Korfu nach Sizilien. 

                                      Was bisher geschah: Hier lesen: Tag 6 – Weit weit draußen, zwei Nächte und einen Tag.

In der Straße von Messina waren Wind und Welle endlich ruhiger geworden. Was vorher zwei Nächte und einen Tag böig von achtern das Meer aufgewühlt hatte hinter uns, war nun ein netter Segelwind. Auch der Himmel hatte aufgeklart. Am Horizont über Messina erhellten Blitze den Himmel, deren zuckendes Licht Levje’s Großsegel wie eine Kinoleinwand zurückwarf. Am klaren Nachthimmel Sternschnuppen über Sternschnuppen, die einfach über den Nachthimmel zischten, kreuz und quer und so lange, bis ich nicht mehr wußte, was ich mir noch wünschen sollte. Ich hatte ja alles.

Weil Sven und sein Sohn Tino übermüdet waren vom langen Wachen nachts und tagsüber, blieb ich wach bis weit nach eins. Dann weckte ich Sven, schälte mich aus meinen Klamotten, wusch mir das Salz aus Gesicht und legte mich in meine Koje. Das „dümmliche Grinsen“ in meinem Gesicht, das sich noch bei jedem einstellte, der die Schönheit des Meeres und des Segelns erfahren durfte, war das letzte, was ich registrierte. Dann: Tiefer, tiefer Schlaf.

Gegen sechs wachte ich auf. Die Sonne schien hell, Tino war wach. Und hatte die beiden Schleppangeln ausgebracht. Und zum ersten Mal seit fast eineinhalb Jahren ging uns wieder ein Fisch an den Haken: Ein Bonito mittlerer Größe biss an, der kleine Bruder des Thunfischs, ein schneller Jäger, der zu dem blinkenden Köder nicht Nein sagen konnte, als der mit der Geschwindigkeit eines Marathonläufers an ihm vorbeizog. Ein schönes Tier, groß und schnell und stark, mit kleinen Finnen im hinteren Drittel seines Körpers. Und ich? Verstand die Welt nicht mehr. Meine letzte Makrele hatte vor über eineinhalb Jahren in Italien angebissen. In Griechenland, der Ägäis, der Türkei zog ich wochenlang meine Schleppangel hinter Levje her. Nichts mehr. Nicht ein Fisch war mir seit Italien an den Haken gegangen. Und kaum sind wir wieder in italienischen Gewässern, beißt ein Bonito an. Ist der Schutz der Fischbestände in Italien effizienter? Haben Griechen zuviel mit Dynamit gefischt und ihre Gewässer leergefischt? Oder gibt es die schnellen Jäger, Makrelen, Bonitos, die, die meiner Schleppangel erliegen, einfach nur in den italienischen Gewässern? Ein Rätsel.

Sizilien war nah. Wie angekündigt, hatte der Wind gedreht auf den letzten Seemeilen. Von 5-6 bft von „genau achtern“ auf 5-6 genau von da, wo wir hinwollten: Catania, unterm Ätna. Es machte nichts. Die Handvoll Seemeilen von der Küste baute der Wind keine Welle mehr auf, wir glitten dahin im Morgenlicht, und endlich lag der Hafen vor uns. Catania.

Der Ätna versteckte sich hinter einer dichten weißen Wolkenbank, der Südwest fegte mit Macht ins weite Hafenbecken. Italien ist – anders als Kroatien oder Frankreich – nur mit einer einfachen Yacht-Infrastruktur ausgestattet: Marinas in privater Hand sind selten, wenn man eine Marina findet, sind die überwiegend von den beiden großen Clubs CIRCOLO NAUTICO oder LEGA NAVALE vereinsmäßig betrieben. Oft gibt es gar keine Marina. Dafür besitzt Catania gleich deren vier – die Qual der Wahl. Um ruhig zu liegen, machten wir in der westlichsten fest, dem CLUB ETNEO. Leider eine teure Entscheidung, mit 45 Euro für Levje’s 31 Fuß, ohne Toilette, ohne Dusche, aber was machts – wir waren angekommen und lagen fest!

Und dann die ersten wackeligen Schritte an Land, ins Caffé del porto, mitten rein ins Leben eines italienischen Hafens. Eine italienische Hafenbar ist kein strahlender Ort, wohl aber ein Ort, an dem das pralle Leben stattfindet. Zwei Fischer, zwei Hafenarbeiter in blauen Overalls mit den orangen Neonstreifen. die an der Theke vor Espresso und Cornetto stehen und kurz palavern. Der Barista hinter der Bar, Wärme, Kaffeeduft, das Geduddel eines Radiosenders, „farbiger Krach“, ohne den in Italien nichts geht. Eine wunderbar gemütliche Mollige hinter der Kasse, die die Schwester des Barista sein könnte. Ihr Lächeln, und klar ist: sie ist der Magnet und das Unikum des Etablissements, das die beiden von ihren Eltern übernommen haben. Familie, die ihr Auskommen am Hafen findet. Die Hafenarbeiter bezahlen bei ihr an der Kasse, nicht ohne einen Scherz. Zu gern würde ich eintauchen jetzt gleich, gleich, ganz tief in dieses einzigartige Biotop an Beziehungen, in dieses jahrzehntelange Geflecht der Menschen an diesem Ort untereinander, das man „sich kennen“ nennt. Und das diesen verlassenen Ort am Hafen trägt durch die Zeit. Weil ich wie sie vom Meer komme, bin irgendwie ein Teil dieses Biotops, es ist keine Einbildung. Ein Scherzen, ein kurzes Hin- und Her, dann ziehen die Hafenarbeiter ihrer Wege. Eine ältere Dame, gut gekleidet, die auf dem Weg ins Büro hier ihren Cafe nimmt. Ich bestelle mir einen Espresso. Und eines dieser lecker aussehenden Schokoladen-Croissants, „un brioche“ heißen sie hier, darauf habe ich jetzt Lust nach all dem Salzwasser. Es kommt lauwarm über die Theke, prall unter dem Puderzucker lächelt es mich an, der Duft nach frisch Gebackenem ist unwiderstehlich. Als ich hineinbeiße, explodiert eine Woge an Nutella im Inneren des Brioche, tropft warm über die Theke, die ich, um mein Werk nur ja zu vervollständigen, mit Puderzucker und Brioche-Krümmeln eindecke. Mit einem derart üppigen Genuß hatte ich an diesem Ort nicht gerechnet, nur weil dies äußerlich ein ranziges Hafencafe ist, heißt das ja nicht, dass hier keiner was von gutem Essen verstünde. Der Barista reicht mir drei Servietten, die Kassiererin lächelt mir verständnisinnig zu, wir haben uns durchschaut, dass wir beide nur zu gerne, allzugerne gut essen und gern sinnlich sind. Und ich: Nutella-verschmiert, 54jährig, eben angekommen: Ich liebe Italien. Wie eh und je.

Im nächsten Post lesen Sie: Ganz weit oben: Auf dem Ätna.

Der neue Motor läuft … und läuft … und läuft …

Wir sind fertig mit dem Motoreinbau. Sonntag morgen haben wir einen Testlauf auf dem Trockenen gemacht und sind mehr als zufrieden! Als das Wellenlager (das wir aus Deutschland ordern mussten) endlich angekommen ist, konnte Johannes die Welle ablängen und alles anpassen….

millemari. auf der HANSEBOOT: Fast ein Jahr. Fast ein Geburtstag. Ein Resümee.

Es ist nun fast ein Jahr, dass es unseren Verlag millemari. gibt. Gegründet wurde er vor acht Monaten, im Dezember 2014. Aber im Kopf geboren wurde er mehr oder weniger ein paar Monate vorher, hier in Hamburg auf der HANSEBOOT im Oktober 2014 in unseren Köpfen.

Bassist und millemari.-Autor Claus Aktoprak stellt zusammen mit Gitarrist Dara Mc Namara sein Buch SCHÄRENSEGELN musikalisch vor.

Ein Jahr später: Wir stehen wieder auf der HANSEBOOT. Diesmal stehen millemari.-Autoren in acht verschiedenen Vorträgen auf der Bühne von Halle B.2, lesen aus ihren Büchern über SEGELN IN DEN SCHÄREN, über GEWITTERSEGELN. Darüber, mit einem Schlauchboot 500 Seemeilen auf ostfriesischen Kanälen zu segeln. Oder in MEIN BOOT IST MEIN ZUHAUSE über das ganzjährige Leben auf einer Yacht, ein Buch, das eine große deutsche Tageszeitung in der kommenden Wochenendausgabe vorstellen wird. Unseren fünften Titel, nach GEWITTERSEGELN, nach EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE und dem gleichnamigen Film, den ich ebenfalls in einem einstündigen Vortrag zeigte, und nach SCHÄRENSEGELN.

Ein Jahr später: Ein Resümee in 3 Punkten:

1. millemari. lebt.
Ein Jahr später stelle ich fest: Susanne Guidera’s und mein Entschluss, die Welt um einen weiteren Verlag zu beglücken, den die vielleicht gar nicht haben will, war richtig. Zum ersten Mal spüren wir: Der Verlag millemari. lebt. Er zieht Zuhörer an zu den Vorträgen, auf denen wir unsere Bücher vorstellen, im Schnitt waren es 30-45 – das war gerade wochentags sehr viel. Zuhörer, die nach den Vorträgen an den Stand kommen, der eigentlich keiner war. Segler und die Autoren von GEWITTERSEGELN, die sich hier trafen. Susanne inmitten der millemari.-Autoren: Sie ist das Herz von millemari.

Ein Teil der millemari.-GEWITTERSEGELN-Autoren am millemari.-Stand.

2. Lob & Kritik.
Messen sind im Jahreslauf immer Orte, an denen man als Verlag „erntet“. Nämlich Kritik und Lob von denen, für die man ein Buch gemacht hat. Es hat uns gefreut, im Gespräch mit Buchhändlern zu sehen, dass unsere Bücher bereits in den wichtigen Segelbuchhandlungen Hamburgs ausliegen, obwohl wir uns um den Vertrieb genau dorthin noch gar nicht kümmern konnten. Dass Journalisten an den Stand kommen, weil sie neugieirig sind oder gut finden, was wir machen. Zuhörer, die regelmäßig nach den Vorträgen an den Stand kamen und Bücher kauften. Segler, die uns die Hölle heißmachen, weil unser Stand nur aus Konferenztisch plus Büchertisch besteht. Dabei hatten wir erst bei Messebeginn erfahren, dass statt des vereinbarten Verkaufstisches an der Bühne nun ein eigener Stand da war – es war anders abgesprochen mit der Messeleitung.
Es ist schön zu sehen, dass wir Menschen bewegen, dass Menschen Reaktion zeigen und Anteil nehmen, ob kritisch oder lobend, an dem, was wir da an Büchern in die Welt bringen.


Nervosität vor dem Start: Die GEWITTERSEGELN-Autorinnen (von rechts) Annette Kilch und Christine Olstedt-Fuhrmann, die mit ihren Gewittergeschichten im Buch vertreten sind, Sekunden vor unserer halbstündigen Präsentation …


… und dann bei der Präsentation von GEWITTERSEGELN im Interview auf der Bühne.

3.  Die kleinen Milestones.
Die kleinere HANSEBOOT ist für uns nun zum zweiten Mal „Testmesse“ für unsere Ideen gewesen. „Testmesse“ für die eigentliche Großveranstaltung in Düsseldorf, die BOOT, die Ende Januar 2016 stattfinden wird. Den „Test“ hat der junge millemari. Verlag bestanden. Unser Konzept trägt. Die Themen stimmen.
Nun werden Susanne und ich „feilen“. Und daran arbeiten, eine Menge weitere Buchtitel herauszubringen – für 2016 sind immerhin 25 Neuerscheinungen geplant. Das werden wir auch schaffen. Und: Auf der BOOT Ende Januar 2016 dann wieder auf fast zehn Veranstaltungen unsere Bücher vorstellen. Und dann, 2017 auf der HANSEBOOT weiter testen. Der nächste Schritt…

Fazit:
millemari. lebt. 
DANKE an Euch, Besucher, Zuhörer, Autoren, Journalisten, Kritiker.
Mehr von Eurer Sorte! Viel mehr!

Mehr über millemari. auf der HANSEBOOT erfahren Sie auf der FACEBOOK-Seite von millemari. im Liveticker.

… und in den nächsten Tagen: mehr darüber, wie es auf meiner Reise von Korfu nach Sizilien weiterging.

millemari. auf der HANSEBOOT: Fast ein Jahr. Fast ein Geburtstag. Ein Resümee.

Es ist nun fast ein Jahr, dass es unseren Verlag millemari. gibt. Gegründet wurde er vor acht Monaten, im Dezember 2014. Aber im Kopf geboren wurde er mehr oder weniger ein paar Monate vorher, hier in Hamburg auf der HANSEBOOT im Oktober 2014 in unseren Köpfen.

Bassist und millemari.-Autor Claus Aktoprak stellt zusammen mit Gitarrist Dara Mc Namara sein Buch SCHÄRENSEGELN musikalisch vor.

Ein Jahr später: Wir stehen wieder auf der HANSEBOOT. Diesmal stehen millemari.-Autoren in acht verschiedenen Vorträgen auf der Bühne von Halle B.2, lesen aus ihren Büchern über SEGELN IN DEN SCHÄREN, über GEWITTERSEGELN. Darüber, mit einem Schlauchboot 500 Seemeilen auf ostfriesischen Kanälen zu segeln. Oder in MEIN BOOT IST MEIN ZUHAUSE über das ganzjährige Leben auf einer Yacht, ein Buch, das eine große deutsche Tageszeitung in der kommenden Wochenendausgabe vorstellen wird. Unseren fünften Titel, nach GEWITTERSEGELN, nach EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE und dem gleichnamigen Film, den ich ebenfalls in einem einstündigen Vortrag zeigte, und nach SCHÄRENSEGELN.

Ein Jahr später: Ein Resümee in 3 Punkten:

1. millemari. lebt.
Ein Jahr später stelle ich fest: Susanne Guidera’s und mein Entschluss, die Welt um einen weiteren Verlag zu beglücken, den die vielleicht gar nicht haben will, war richtig. Zum ersten Mal spüren wir: Der Verlag millemari. lebt. Er zieht Zuhörer an zu den Vorträgen, auf denen wir unsere Bücher vorstellen, im Schnitt waren es 30-45 – das war gerade wochentags sehr viel. Zuhörer, die nach den Vorträgen an den Stand kommen, der eigentlich keiner war. Segler und die Autoren von GEWITTERSEGELN, die sich hier trafen. Susanne inmitten der millemari.-Autoren: Sie ist das Herz von millemari.

Ein Teil der millemari.-GEWITTERSEGELN-Autoren am millemari.-Stand.

2. Lob & Kritik.
Messen sind im Jahreslauf immer Orte, an denen man als Verlag „erntet“. Nämlich Kritik und Lob von denen, für die man ein Buch gemacht hat. Es hat uns gefreut, im Gespräch mit Buchhändlern zu sehen, dass unsere Bücher bereits in den wichtigen Segelbuchhandlungen Hamburgs ausliegen, obwohl wir uns um den Vertrieb genau dorthin noch gar nicht kümmern konnten. Dass Journalisten an den Stand kommen, weil sie neugieirig sind oder gut finden, was wir machen. Zuhörer, die regelmäßig nach den Vorträgen an den Stand kamen und Bücher kauften. Segler, die uns die Hölle heißmachen, weil unser Stand nur aus Konferenztisch plus Büchertisch besteht. Dabei hatten wir erst bei Messebeginn erfahren, dass statt des vereinbarten Verkaufstisches an der Bühne nun ein eigener Stand da war – es war anders abgesprochen mit der Messeleitung.
Es ist schön zu sehen, dass wir Menschen bewegen, dass Menschen Reaktion zeigen und Anteil nehmen, ob kritisch oder lobend, an dem, was wir da an Büchern in die Welt bringen.


Nervosität vor dem Start: Die GEWITTERSEGELN-Autorinnen (von rechts) Annette Kilch und Christine Olstedt-Fuhrmann, die mit ihren Gewittergeschichten im Buch vertreten sind, Sekunden vor unserer halbstündigen Präsentation …


… und dann bei der Präsentation von GEWITTERSEGELN im Interview auf der Bühne.

3.  Die kleinen Milestones.
Die kleinere HANSEBOOT ist für uns nun zum zweiten Mal „Testmesse“ für unsere Ideen gewesen. „Testmesse“ für die eigentliche Großveranstaltung in Düsseldorf, die BOOT, die Ende Januar 2016 stattfinden wird. Den „Test“ hat der junge millemari. Verlag bestanden. Unser Konzept trägt. Die Themen stimmen.
Nun werden Susanne und ich „feilen“. Und daran arbeiten, eine Menge weitere Buchtitel herauszubringen – für 2016 sind immerhin 25 Neuerscheinungen geplant. Das werden wir auch schaffen. Und: Auf der BOOT Ende Januar 2016 dann wieder auf fast zehn Veranstaltungen unsere Bücher vorstellen. Und dann, 2017 auf der HANSEBOOT weiter testen. Der nächste Schritt…

Fazit:
millemari. lebt. 
DANKE an Euch, Besucher, Zuhörer, Autoren, Journalisten, Kritiker.
Mehr von Eurer Sorte! Viel mehr!

Mehr über millemari. auf der HANSEBOOT erfahren Sie auf der FACEBOOK-Seite von millemari. im Liveticker.

… und in den nächsten Tagen: mehr darüber, wie es auf meiner Reise von Korfu nach Sizilien weiterging.

Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 6: Weit weit draußen, zweiNächte und einen Tag.

Diese Artikelreihe handelt von meiner Reise in der zweiten Oktoberhälfte 2015 von Korfu nach Sizilien. In den vorangegangenen Posts beschrieb ich die Reise von Korfu’s Hauptstadt Kerkyra durch die Nacht nach Santa Maria di Leuca ganz an den äußersten Absatz des italienischen Stiefels. Im letzten Post die Abfahrt von Santa Maria di Leuca nach Catania und wie mitten in der Nacht eine gebrochene Schraube zum Ausfall des Autopiloten führte.

Zu den Besonderheiten des Reisens gehört, mir vor jeder Reise auszumalen, was alles schiefgehen kann. Bevor eine Reise beginnt, setzt in mir leichtes Grummeln ein:
Bin ich wirklich vorbereitet auf alles?
Werde ich achtsam genug sein? 
Bin ich vorbereitet, jede Situation da draußen auf dem Meer zu meistern? 
Oder: wird etwas geschehen, das stärker ist als ich? 
Das Motto meines Blogs „Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen“, es beschreibt nicht nur die Freude am Unbekannten, sondern eben auch dies.

Gegen zwei Uhr Nachts war die Halterung des Autopiloten an der Pinne gebrochen. Für einen Moment trieben ohne Ruderwirkung in den Wellen. Null Sicht. Dichte Wolkendecke. Natürlich war das alles wieder passiert, als der Wind am kraftvollsten geweht hatte, als er aufgefrischt und LEVJE auf einer Welle mit fast 10 Knoten durch die Nacht dahingeschossen war. Ein bleistiftdicker Edelstahl-Bolzen war gebrochen, einfach so. Die Kräfte waren zu stark gewesen. Von jetzt an hieß es: Steuern per Hand, durch die Nacht.

Weil Tino’s Wache vorüber war, übernahm ich das Ruder. Ich war müde. Kaum Schlaf vorher. Wir waren kurz nach 18 Uhr aufgebrochen in Santa Maria di Leuca, Wind und Welle kamen seit Stunden genau von achtern und hatten LEVJE durch die Wellen geigen lassen in einer gewaltigen dreidimensionalen Bewegung, in der zumindest bei mir an Schlaf nicht zu denken war. Nur ein leichtes Dösen hatte sich eingestellt während meiner wachfreien Zeit, während Sven und danach sein Sohn Tino LEVJE nach Westen gesegelt hatten. 

Die ersten Minuten am Steuer versuchte ich mich zu orientieren. Wir hatten jetzt den Golf von Tarent halb überquert, waren jetzt etwa in der Mitte der großen Einbuchtung. Der Lichtschein hinter uns von Santa Maria di Leuca und Gallipoli war verschwunden, das Licht des Leuchtturms, der 25 Seemeilen in die Nacht leuchtet, war nicht mehr zu sehen. Rechts vor mir, im Dunkel, ein schwacher Lichtschein, das mußte Crotone sein. Davor, mitten im Schwarz, ein gleißend heller Scheinwerfer, der mich blendete. Mitten auf dem Meer ein riesiger Scheinwerfer, ein irritierendes Etwas, bis mir Tino erklärt hatte, dass ihn ein Schleppverband überholt hatte, drei weiße Lichter übereinander, und quälend langsam an uns vorbeigezogen war, Kurs Crotone. Auf dem letzten Schiff, um es kenntlich zu machen und gegen alle Regeln: Ein strahlend heller Scheinwerfer, nach hinten. Nach Nordwesten zu blicken, war also keine gute Idee. Und doch war der Scheinwerfer eine große Hilfe, um mich einzusteuern. Wenn ich so steuerte, dass ich ihn genau hinter den Steuerbord-Wanten behielt: Dann steuerte ich genau Kurs auf Catania, unserem Ziel auf Sizilien. Also los. Schöne Idee. Aber zunächst machten mir die großen Wellen einen Strich durch die Rechnung. Sie kamen schräg von hinten. Trafen zuerst LEVJE’s Heck und drückten es, wenn ich nicht gleich Ruder legte, zur Seite, der Bug drehte sich damit höher in den Wind, wir beschleunigten plötzlich auf Halbwind-Kurs noch einmal, legten uns zur Seite, ich zog mit aller Kraft an der Pinne, um das Boot wieder auf Kurs zu bringen, abfallen zu lassen, die Pinne ächzte, gleichzeitig zog die nächste Welle unter uns hindurch, LEVJE geigte, von liiiiiinks nach reeeeeeeeechts und wieder nach liiiiiiiiiiinks und wieder nach reeeeeeechts. Und immer so weiter. Das große Geigen und Schaukeln in der achterlichen Welle, es hielt weiter an, hörte für einen Moment nur auf, wenn mir LEVJE unfreiwillig wieder anluvte, gegen alle Absicht, und ich sie mit Mühe wieder auf den alten Kurs brachte. 

Nach eineinhalb Stunden, gegen drei Uhr Morgens, war ich müde. Richtig richtig müde. Meine Wache: Noch eineinhalb Stunden. Ich begann mit den alten Tricks gegen die Müdigkeit. Wasser trinken. Nicht einfach, mit nur nur einer Hand die Flasche zu öffnen, zu trinken, wieder zuzudrehen; die andere Hand mußte ja an der Pinne bleiben. Auf die Zunge beißen, abwechselnd, immer wieder. Aufstehen, auf dem schwankenden Deck im Stehen steuern. Ein Lied pfeiffen. Müdigkeit, von zuwenig Schlaf, von zuviel Schwanken, vom Unterwegssein in einer Umgebung, die nur aus Bewegung bestand. Wellen, die hinter mir im Dunkel heranrauschten, so dass ich hinaufsehen musste, kurz bevor sie LEVJEs Heck erreichten. Zur Sicherheit hatte ich das Steckschot am Niedergang eingesteckt, es war beeindruckend, wie Wellen links und rechts von LEVJE brachen. Die Müdigkeit, das eine. Die Schönheit der Elemente, das andere. Wenn ich in die Nacht hörte, durch die wir dahin rauschten, glaubte ich, im gewaltigen Rauschen die regelmäßigen Atemzüge eines Lebewesens zu hören, das rhythmische Atmen eines Delphins, der neben uns herschwamm. Oder eines Wals. Aber es war nur das Atmen des Meeres, das ich vernahm, im Rauschen der Wellen, im Wehen des Windes das Geräusch eines großartigen Lebewesens, das da ein und ausatmete: das Meer.

Halb fünf. Noch eine halbe Stunde Wache. Wieder eine Böe, eine Welle, die LEVJE’s Heck ausbrechen ließ, wieder meine Mühe, mit aller Kraft die Pinne wieder heranzuziehen, LEVJE wieder auf Kurs zu bringen. Hinter mir, langsam aus dem Dunkel aufsteigend, der hellste Stern, die Venus, die mich immer foppt, weil ich sie für das Topplicht eines Seglers halte, der hinter mir heransegelt. Ein Zeichen, dass die Dunkelheit bald ein Ende hat und der Morgen naht. Unten höre ich Geklapper. Sven schält sich aus seiner Koje. Ich sehe, wie er sich im Dämmer des Notlichts unter Deck langsam anzieht. Wasserdichte Hose. Segeljacke. Schwimmweste. Lifebelt. Alles nicht einfach, in LEVJE’s gewaltigem Schwanken, im Geigen und sich Schrauben durch die Wellen. Ein ums andere Mal muss Sven sich festkrallen unter Deck, irgendwo, wo er gerade Halt findet, um nicht umgeworfen zu werden. Eine Welt, die eine andere ist. Dann steht er an Deck, ich erzähle ihm, was passiert ist, er besieht sich den Schaden und übernimmt dann das Ruder. Und ich: falle vor Müdigkeit fast LEVJE’s Niedergang hinunter, schäle mich mühselig im schwankenden Dunkel aus meinen Klamotten, den Stiefeln, der salzigen Schwerwetterhose, Jacke, Pullover, Unterwäsche, Hemd. Ich taumle im Schwanken noch ins Bad, eine plötzliche Bewegung LEVJEs drückt mich mit dem Kopf voraus an die Bordwand, mühsam schaffe ich es, mir die Hände zu waschen, das Salz abzuwaschen von den Händen, aus dem Bart. Ahhhh, kaltes Süßwasser statt lauwarmes Salzwasser, das übers Cockpit spritzt, wenn die Wellen an LEVJE’s Heck kraftvoll brechen, kaltes Süsswasser, ein Gedicht. Dann kämpfe ich mich nach Vorne in LEVJE’s Bug, dorthin, wo Sven schlief, ich schlafe jetzt in seiner Koje, denn Tino schläft in meiner, drei Männer und nur zwei Kojen, da ist das einfach so, wir wechseln durch. Kaum dass ich liege und den Kopf an der Bordwand habe, dort wo das Wasser außen an LEVJE entlangströmt, bin ich diesmal auch schon weg. Ich brauche keinen Moment, um einzuschlafen, Schlaf, der wie watteweiches Blei auf mich fällt. Und weg.

Am Morgen. Ich schlafe nicht länger als eineinhalb, zwei Stunden, obwohl meine wachfreie Zeit eigentlich sechs Stunden ist. Ein eigener Rhytmus stellt sich ein, zwei Stunden reichen, damit ich mich fit fühle. Das Dunkel hat dem Grau Platz gemacht, graue Wolken, die über den Himmel ziehen, Wellen, die von hinten heranrollen, vom Golf von Tarent. LEVJE, die von den Wellenhängen hinuntersurft, eine weiße Gischtspur hinterlassend, kurz beschleunigend auf acht, neun, fast zehn Knoten, ein kleines Schiff, dessen rechnerisch maximale Rumpfgeschwindigkeit gerade mal bei 7,2 Knoten liegt. Wir sind schnell unterwegs, sehr schnell. Wenn es so weitergeht, schaffen wir ein Etmal von fast 140 Seemeilen. Ein Etmal: Die Distanz, die ein Schiff in 24 Stunden zurücklegt. Und 140 Seemeilen in 24 Stunden, über 250 Kilometer auf einem Schiff von 9,40 Meter Länge: Das kann sich sehen lassen.

Einen Videoclip unserer Reise finden Sie bei Youtube: Hier klicken.

Die Zahlen: sie sind das eine. Das Andere ist die Schönheit dieser Welt im Grau des Morgens. Das Land ist weit weit weg, irgendwo rechts ein schmaler Strich zwischen Meer und Himmel. Ein Strich wie der zwischen zwei Lippen. Statt Land: Berge und Täler aus Wasser, die LEVJE umgeben. Fliegende Fische, die hundert Meter weit die wanderenden Täler entlangschwirren auf schnell schlagenden Brustflossen, aufgeschreckt von LEVJEs Rumpf, unendlich geschickte Segler die Täler entlang. Schaumkronen von brechenden Wellen links, rechts, hinter uns, und kurz bevor sie brechen, leuchtet ihre Spitze flaschengrün im Licht der wolkenverhangenen Sonne hinter uns, sie sehen aus wie durchscheinendes Glas, wenn wir hinaufschauen, leuchtendes Glas unter brechenden weißen Kämmen, vergänglich, schnell. Wind, der LEVJE’s Genua füllt, das Segel, einen Moment zum Zerreissen gespannt, den nächsten schlapp sich krümmend, windend, wickelnd, wenn der Wind genau von hinten kommt. Sven, Maschinenbauer, Erfinder, der am Ruder steht, ist genauso fasziniert von dieser Welt wie ich. Er nähert sich ihr aber anders, erzählt im Grau, im Schwanken des Schiffes von Sir Isaac Newton und dessen Versuch, alles, alles, was er sah, in Mathematik zu übersetzen, das Fallen eines Blattes an einem Herbstbaum, vielleicht auch das Brechen eines Wellenkammes Kilometer weit draußen auf dem Meer, während der Wind weht. Zahlen. Und dazwischen LEVJE, mein Schiff, das sich durch diese Welt bewegt, die in Bruchteilen von Sekunden eine andere Form annimmt und doch die gleiche bleibt und in jeder Sekunde Aufmerksamkeit erfordert.

Und während Sven uns weiter durch die Wellen nach Westen bringt, schnappe ich mir im Grau meine Kamera, turne zum Bug und nehme begeistert auf, was ich da sehe, versuche auf meiner innere Festplatte abzuspeichern, was ich da draußen sehe, die aberwitzige Schönheit dieser Welt, damit ich ich diese Schönheit immer, immer wieder abrufen kann in Zukunft, in irgendwelchen Situationen, wo ich mich erinnern möchte, mir dies in Erinnerung rufen möchte, wie faszinierend diese Welt hier draußen ist.

Mehr als eine Stunde versuche ich, die Landschaften da draußen zu fotografieren, zu filmen festzuhalten irgendwie. Dann bin ich dran mit meiner Wache, löse Sven ab, wir lassen Tino weiter schlafen. Sven geht nach unten ins Geklapper, ins Schwanken, fällt in seine Koje, hundemüde, und weg. Und ich: bin allein mit dieser Welt, am Ruder, Schönheit und Gefährlichkeit, Lebensfeindlichkeit und Fülle, Kargheit und Reichtum, die mich umgeben.

Es ist Abend geworden. Sven und ich haben uns immer wieder abgelöst, Tino schläft immer noch, fast 16 Stunden liegt er jetzt erschöpft. Und schläft. Sven und ich haben Nachmittags, kurz bevor das Grau in Dämmer übergeht, LEVJE mitten in den Wellen beigedreht, haben im Schwanken die defekte Pinne repariert: Die Reparatur gründlich vorgedacht. Akkubohrer, Werkzeuge, Harz, Härter, Bolzen, Schraubenzieher bereitgelegt. LEVJE kommt mir in diesem Moment vor wie ein U-Boot, ich finde alles auf ihr, denn nichts, nichts wird weggeworfen, keine Schraube, kein alter Bolzen, den kleinsten Rest EPDM habe ich aufgehoben, wer weiß, wofür ich noch mal brauchen kann. Denn in Momenten wie diesen bin ich um alles froh, was irgendwie zur Reparatur beitragen könnte. Als wir alles bereitgelegt haben: Die Genua backgestellt, durch den Wind gesegelt, die Pinne festgebunden. Wellen, die seitwärts auf LEVJE treffen, Regen der einsetzt, draußen, kilometerweit vom Land entfernt, gerade als wir anfangen wollen mit der Reparatur. In Windeseile bohrt Sven zwei neue Löcher in die Pinne  und setzt dicke Stahlbolzen ein, es hat keine Viertelstunde gedauert, Sven ist Meister in diesen Dingen, mit ihm habe ich schon ganz andere Abenteuer erlebt. Dann: funktioniert der Autopilot wieder, die Bolzen halten den Autopiloten, wir können ihm jetzt wieder für die Nacht die Arbeit des Steuerns überlassen.

Gerade rechtzeitig. Denn als die Dämmerung kommt, wird die Welt zu einem lichtlosen Grau, noch stärkerer Regen setzt ein, und weil er von hinten kommt, weht er herein ins Schiff bis zum Kartentisch. Sven, der gerade Wache hat, krümmt sich unter die Sprayhood, nach einer Weile gibt er auf, entnervt von Starkwind und Regen, der ihm ins Gesicht peitscht, Sven, der immer die Nerven behält, ist jetzt entnervt, geht schweigend durchs schwankende Boot zu seiner Koje, läßt sich fallen. Ich schaue durch  LEVJE’s Seitenfenster: Lichtloses Grau in Grau. Regen, der gegen die Scheiben prasselt. Ich bin jetztzwar  warm und trocken, und der Autopilot steuert LEVJE zuverlässig in die heranbrechende Nacht. Aber Zustand ist das keiner: Niemand an Deck, keiner auf Wache, der Wind der auffrischt und LEVJE mehr und mehr durchs Grau schlingern, taumeln, schwanken läßt. Nein, ich muss da hoch, auch wenn es mich Überwindung kostet, ich muss da raus und Wache gehen, während die beiden tief schlafen. Mit etwas mulmigem Gefühl ziehe ich meine Schwerwetter-Sachen an, gehe nach draußen, nach oben. In einem früheren Beitrag schrieb ich über die Angst, schrieb darüber, dass es ein zuverlässiges Rezept gibt dagegen: Einfach Nachsehen gehen, dem ins Auge sehen, was einem Angst macht. Aber manchmal ist das schon ganz schön schwer, es kostet Überwindung. Als ich an Deck bin, schaue ich mich um. Das Grau ist nun ein Dunkelgrau, der prasselnde Regen ist in feinen Niesel übergegangen. irgendwo rechts die Küste, es weht zwischen 30 und über 35 Knoten, die Wellen rollen aus der Tiefe des Golfs von Tarent entsprechend an. „Nachsehen gehen!“ Ich nehme das Ruder in die Hand, hänge den Autopiloten aus, versuche von Hand zu steuern, einen Anhaltspunkt zu finden, nach dem ich LEVJE weiter und besser als der Autopilot auf ihrem Kurs halten kann. Nach einer Viertelstunde habe ich den Bogen raus, habe mir auf LEVJEs kleinem Kompass eine Ecke gemerkt. Werde keck, habe mir in meiner Umgebung ein Instrument geschaffen, nach dem ich in der orientierungslosen Wellenlandschaft im Dämmer meinen Kurs steuern und halten kann.

Cap Spartivento. Der Golfo di Squillace liegt nun hinter uns. 

„Il Golfo di Squillace 
al marinaio non da pace.“

Frei übersetzt: „Der Golf von Squillace, er läßt dem Seemann keine Ruh’“. 

Aber anders als vor zehn Jahren, als ich diese Ecke zum ersten Mal nachts passierte, lassen Wind und Strom nun nach. Die Wellen kommen gleichförmiger, die Küste sorgt dafür, dass sie parallel kommen, nicht mehr das wirbelnde Durcheinander aus dem Golf von Tarent. LEVJE liegt ruhiger am Ruder, ich lasse Sie nun wieder unter Autopilot laufen, und wir: wir nähern uns nun langsam der Straße von Messina. Ruhiger wird es, noch ruhiger, und als die Nacht kommt, klart der Himmel vollständig auf. Ich segle nun unter einem sanften Vierer und sternklarem Himmel vor mich hin. Vor mir am Horizont überzieht sich der Horizont erst mit schwachem Lichtschein, dann sind einzelne Lichter zu erkennen: Sizilien. 

„Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?
… Kennst Du es wohl?
Dahin, dahin,
will ich mit Dir, oh mein Geliebter, ziehen.“

Goethe’s Mignon singt dieses Lied. Und während mir die alten Zeilen aus WILHELM MEISTER irgendwie einfallen, schaue ich hinauf in die sternklare Nacht, wo Sternschnuppe auf Sternschnuppe fällt, zehn, zwanzig, dreißig zähle ich in dieser Nacht, ich weiß gar nicht mehr, was ich mir wünschen könnte. Fast ist es jetzt im späten Oktober wie in den „Notte di San Lorenzo“ mitten im August, in den Nächten der „stelle cadenti“, der fallenden Sterne. So klar ist die Nacht nach dem 36 Stunden dauernden Schlechtwetter, dass es kein Ende nimmt mit den Sternschnuppen über mir. Und weil das alles so schön ist, weil ich wach bin, lasse ich die anderen beiden schlafen. Je mehr Ruhe sie jetzt finden, desto länger werde später ich ruhen, schlafen können. Also halte ich durch, versuche vor mir in den Lichtern an der Küste voraus den Ätna zu erkennen, und seine Dampffahne, in über 3.000 Meter Höhe. Aber er bleibt dunkel, verbirgt sich vor mir, selbst in den Blitzen nördlich von ihm. 

Von halb sechs bis gegen halb eins gehe ich Wache, dann wecke ich Sven. Das italienische Festland liegt weit hinter uns, Sizilien vor uns, wir haben es fast geschafft. Und während sich Sven auf Fähren und Frachter einstellt, die quer zu uns durch die Straße von Messina ziehen, während nordwestlich von uns über Milazzo Blitze den Himmel erhellen und ein Gewitter nach Osten zieht in die Richtung, aus der wir kommen, gehe ich schlafen. Todmüde. Zufrieden. Und mit jenem dümmlichen Grinsen im Gesicht, das der hat, dem an unwirtlichem Ort unverhofft unbändiges Glücksgefühl zuteil wurde.

Im nächsten Post: Ankunft in Catania. Und: Wie ist das eigentlich, in Sizilien und seinen Häfen?

Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.

Mehr erfahren. Filmtrailer ansehen. Bestellen. Hier.

Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München – Antalya, bitte. 
Das Buch: Mehr erfahren: Hier.

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Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 6: Weit weit draußen, zweiNächte und einen Tag.

Diese Artikelreihe handelt von meiner Reise in der zweiten Oktoberhälfte 2015 von Korfu nach Sizilien. In den vorangegangenen Posts beschrieb ich die Reise von Korfu’s Hauptstadt Kerkyra durch die Nacht nach Santa Maria di Leuca ganz an den äußersten Absatz des italienischen Stiefels. Im letzten Post die Abfahrt von Santa Maria di Leuca nach Catania und wie mitten in der Nacht eine gebrochene Schraube zum Ausfall des Autopiloten führte.

Zu den Besonderheiten des Reisens gehört, mir vor jeder Reise auszumalen, was alles schiefgehen kann. Bevor eine Reise beginnt, setzt in mir leichtes Grummeln ein:
Bin ich wirklich vorbereitet auf alles?
Werde ich achtsam genug sein? 
Bin ich vorbereitet, jede Situation da draußen auf dem Meer zu meistern? 
Oder: wird etwas geschehen, das stärker ist als ich? 
Das Motto meines Blogs „Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen“, es beschreibt nicht nur die Freude am Unbekannten, sondern eben auch dies.

Gegen zwei Uhr Nachts war die Halterung des Autopiloten an der Pinne gebrochen. Für einen Moment trieben ohne Ruderwirkung in den Wellen. Null Sicht. Dichte Wolkendecke. Natürlich war das alles wieder passiert, als der Wind am kraftvollsten geweht hatte, als er aufgefrischt und LEVJE auf einer Welle mit fast 10 Knoten durch die Nacht dahingeschossen war. Ein bleistiftdicker Edelstahl-Bolzen war gebrochen, einfach so. Die Kräfte waren zu stark gewesen. Von jetzt an hieß es: Steuern per Hand, durch die Nacht.

Weil Tino’s Wache vorüber war, übernahm ich das Ruder. Ich war müde. Kaum Schlaf vorher. Wir waren kurz nach 18 Uhr aufgebrochen in Santa Maria di Leuca, Wind und Welle kamen seit Stunden genau von achtern und hatten LEVJE durch die Wellen geigen lassen in einer gewaltigen dreidimensionalen Bewegung, in der zumindest bei mir an Schlaf nicht zu denken war. Nur ein leichtes Dösen hatte sich eingestellt während meiner wachfreien Zeit, während Sven und danach sein Sohn Tino LEVJE nach Westen gesegelt hatten. 

Die ersten Minuten am Steuer versuchte ich mich zu orientieren. Wir hatten jetzt den Golf von Tarent halb überquert, waren jetzt etwa in der Mitte des . Der Lichtschein hinter uns von Santa Maria di Leuca und Gallipoli war verschwunden, das Licht des Leuchtturms, der 25 Seemeilen in die Nacht leuchtet, war nicht mehr zu sehen. Rechts vor mir, im Dunkel, ein schwacher Lichtschein, das mußte Crotone sein. Davor, mitten im Schwarz, ein gleißend heller Scheinwerfer, der mich blendete. Mitten auf dem Meer ein riesiger Scheinwerfer, ein irritierendes Etwas, bis mir Tino erklärt hatte, dass ihn ein Schleppverband überholt hatte, drei weiße Lichter übereinander, und quälend langsam an uns vorbeigezogen war, Kurs Crotone. Auf dem letzten Schiff, um es kenntlich zu machen und gegen alle Regeln: Ein strahlend heller Scheinwerfer, nach hinten. Nach Nordwesten zu blicken, war also keine gute Idee. Und doch war der Scheinwerfer eine große Hilfe, um mich einzusteuern. Wenn ich so steuerte, dass ich ihn genau hinter den Steuerbord-Wanten behielt: Dann steuerte ich genau Kurs auf Catania, unserem Ziel auf Sizilien. Also los. Schöne Idee. Aber zunächst machten mir die großen Wellen einen Strich durch die Rechnung. Sie kamen schräg von hinten. Trafen zuerst LEVJE’s Heck und drückten es, wenn ich nicht gleich Ruder legte, zur Seite, der Bug drehte sich damit höher in den Wind, wir beschleunigten plötzlich auf Halbwind-Kurs noch einmal, legten uns zur Seite, ich zog mit aller Kraft an der Pinne, um das Boot wieder auf Kurs zu bringen, abfallen zu lassen, die Pinne ächzte, gleichzeitig zog die nächste Welle unter uns hindurch, LEVJE geigte, von liiiiiinks nach reeeeeeeeechts und wieder nach liiiiiiiiiiinks und wieder nach reeeeeeechts. Und immer so weiter. Das große Geigen und Schaukeln in der achterlichen Welle, es hielt weiter an, hörte für einen Moment nur auf, wenn mir LEVJE unfreiwillig wieder anluvte, gegen alle Absicht, und ich sie mit Mühe wieder auf den alten Kurs brachte. 

Nach eineinhalb Stunden, gegen drei Uhr Morgens, war ich müde. Richtig richtig müde. Meine Wache: Noch eineinhalb Stunden. Ich begann mit den alten Tricks gegen die Müdigkeit. Wasser trinken. Nicht einfach, mit nur nur einer Hand die Flasche zu öffnen, zu trinken, wieder zuzudrehen; die andere Hand mußte ja an der Pinne bleiben. Auf die Zunge beißen, abwechselnd, immer wieder. Aufstehen, auf dem schwankenden Deck im Stehen steuern. Ein Lied pfeiffen. Müdigkeit, von zuwenig Schlaf, von zuviel Schwanken, vom Unterwegssein in einer Umgebung, die nur aus Bewegung bestand. Wellen, die hinter mir im Dunkel heranrauschten, so dass ich hinaufsehen musste, kurz bevor sie LEVJEs Heck erreichten. Zur Sicherheit hatte ich das Steckschot am Niedergang eingesteckt, es war beeindruckend, wie Wellen links und rechts von LEVJE brachen. Die Müdigkeit, das eine. Die Schönheit der Elemente, das andere. Wenn ich in die Nacht hörte, durch die wir dahin rauschten, glaubte ich, im gewaltigen Rauschen die regelmäßigen Atemzüge eines Lebewesens zu hören, das rhythmische Atmen eines Delphins, der neben uns herschwamm. Oder eines Wals. Aber es war nur das Atmen des Meeres, das ich vernahm, im Rauschen der Wellen, im Wehen des Windes das Geräusch eines großartigen Lebewesens, das da ein und ausatmete: das Meer.

Halb fünf. Noch eine halbe Stunde Wache. Wieder eine Böe, eine Welle, die LEVJE’s Heck ausbrechen ließ, wieder meine Mühe, mit aller Kraft die Pinne wieder heranzuziehen, LEVJE wieder auf Kurs zu bringen. Hinter mir, langsam aus dem Dunkel aufsteigend, der hellste Stern, die Venus, die mich immer foppt, weil ich sie für das Topplicht eines Seglers halte, der hinter mir heransegelt. Ein Zeichen, dass die Dunkelheit bald ein Ende hat und der Morgen naht. Unten höre ich Geklapper. Sven schält sich aus seiner Koje. Ich sehe, wie er sich im Dämmer des Notlichts unter Deck langsam anzieht. Wasserdichte Hose. Segeljacke. Schwimmweste. Lifebelt. Alles nicht einfach, in LEVJE’s gewaltigem Schwanken, im Geigen und sich Schrauben durch die Wellen. Ein ums andere Mal muss Sven sich festkrallen unter Deck, irgendwo, wo er gerade Halt findet, um nicht umgeworfen zu werden. Eine Welt, die eine andere ist. Dann steht er an Deck, ich erzähle ihm, was passiert ist, er besieht sich den Schaden und übernimmt dann das Ruder. Und ich: falle vor Müdigkeit fast LEVJE’s Niedergang hinunter, schäle mich mühselig im schwankenden Dunkel aus meinen Klamotten, den Stiefeln, der salzigen Schwerwetterhose, Jacke, Pullover, Unterwäsche, Hemd. Ich taumle im Schwanken noch ins Bad, eine plötzliche Bewegung LEVJEs drückt mich mit dem Kopf voraus an die Bordwand, mühsam schaffe ich es, mir die Hände zu waschen, das Salz abzuwaschen von den Händen, aus dem Bart. Ahhhh, kaltes Süßwasser statt lauwarmes Salzwasser, das übers Cockpit spritzt, wenn die Wellen an LEVJE’s Heck kraftvoll brechen, kaltes Süsswasser, ein Gedicht. Dann kämpfe ich mich nach Vorne in LEVJE’s Bug, dorthin, wo Sven schlief, ich schlafe jetzt in seiner Koje, denn Tino schläft in meiner, drei Männer und nur zwei Kojen, da ist das einfach so, wir wechseln durch. Kaum dass ich liege und den Kopf an der Bordwand habe, dort wo das Wasser außen an LEVJE entlangströmt, bin ich diesmal auch schon weg. Ich brauche keinen Moment, um einzuschlafen, Schlaf, der wie watteweiches Blei auf mich fällt. Und weg.

Am Morgen. Ich schlafe nicht länger als eineinhalb, zwei Stunden, obwohl meine wachfreie Zeit eigentlich sechs Stunden ist. Ein eigener Rhytmus stellt sich ein, zwei Stunden reichen, damit ich mich fit fühle. Das Dunkel hat dem Grau Platz gemacht, graue Wolken, die über den Himmel ziehen, Wellen, die von hinten heranrollen, vom Golf von Tarent. LEVJE, die von den Wellenhängen hinuntersurft, eine weiße Gischtspur hinterlassend, kurz beschleunigend auf acht, neun, fast zehn Knoten, ein kleines Schiff, dessen rechnerisch maximale Rumpfgeschwindigkeit gerade mal bei 7,2 Knoten liegt. Wir sind schnell unterwegs, sehr schnell. Wenn es so weitergeht, schaffen wir ein Etmal von fast 140 Seemeilen. Ein Etmal: Die Distanz, die ein Schiff in 24 Stunden zurücklegt. Und 140 Seemeilen in 24 Stunden, über 250 Kilometer auf einem Schiff von 9,40 Meter Länge: Das kann sich sehen lassen.

Einen Videoclip unserer Reise finden Sie bei Youtube: Hier klicken.

Die Zahlen: sie sind das eine. Das Andere ist die Schönheit dieser Welt im Grau des Morgens. Das Land ist weit weit weg, irgendwo rechts ein schmaler Strich zwischen Meer und Himmel. Ein Strich wie der zwischen zwei Lippen. Statt Land: Berge und Täler aus Wasser, die LEVJE umgeben. Fliegende Fische, die hundert Meter weit die wanderenden Täler entlangschwirren auf schnell schlagenden Brustflossen, aufgeschreckt von LEVJEs Rumpf, unendlich geschickte Segler die Täler entlang. Schaumkronen von brechenden Wellen links, rechts, hinter uns, und kurz bevor sie brechen, leuchtet ihre Spitze flaschengrün im Licht der wolkenverhangenen Sonne hinter uns, sie sehen aus wie durchscheinendes Glas, wenn wir hinaufschauen, leuchtendes Glas unter brechenden weißen Kämmen, vergänglich, schnell. Wind, der LEVJE’s Genua füllt, das Segel, einen Moment zum Zerreissen gespannt, den nächsten schlapp sich krümmend, windend, wickelnd, wenn der Wind genau von hinten kommt. Sven, Maschinenbauer, Erfinder, der am Ruder steht, ist genauso fasziniert von dieser Welt wie ich. Er nähert sich ihr aber anders, erzählt im Grau, im Schwanken des Schiffes von Sir Isaac Newton und dessen Versuch, alles, alles, was er sah, in Mathematik zu übersetzen, das Fallen eines Blattes an einem Herbstbaum, vielleicht auch das Brechen eines Wellenkammes Kilometer weit draußen auf dem Meer, während der Wind weht. Zahlen. Und dazwischen LEVJE, mein Schiff, das sich durch diese Welt bewegt, die in Bruchteilen von Sekunden eine andere Form annimmt und doch die gleiche bleibt und in jeder Sekunde Aufmerksamkeit erfordert.

Und während Sven uns weiter durch die Wellen nach Westen bringt, schnappe ich mir im Grau meine Kamera, turne zum Bug und nehme begeistert auf, was ich da sehe, versuche auf meiner innere Festplatte abzuspeichern, was ich da draußen sehe, die aberwitzige Schönheit dieser Welt, damit ich ich diese Schönheit immer, immer wieder abrufen kann in Zukunft, in irgendwelchen Situationen, wo ich mich erinnern möchte, mir dies in Erinnerung rufen möchte, wie faszinierend diese Welt hier draußen ist.

Mehr als eine Stunde versuche ich, die Landschaften da draußen zu fotografieren, zu filmen festzuhalten irgendwie. Dann bin ich dran mit meiner Wache, löse Sven ab, wir lassen Tino weiter schlafen. Sven geht nach unten ins Geklapper, ins Schwanken, fällt in seine Koje, hundemüde, und weg. Und ich: bin allein mit dieser Welt, am Ruder, Schönheit und Gefährlichkeit, Lebensfeindlichkeit und Fülle, Kargheit und Reichtum, die mich umgeben.

Es ist Abend geworden. Sven und ich haben uns immer wieder abgelöst, Tino schläft immer noch, fast 16 Stunden liegt er jetzt erschöpft. Und schläft. Sven und ich haben Nachmittags, kurz bevor das Grau in Dämmer übergeht, LEVJE mitten in den Wellen beigedreht, haben im Schwanken die defekte Pinne repariert: Die Reparatur gründlich vorgedacht. Akkubohrer, Werkzeuge, Harz, Härter, Bolzen, Schraubenzieher bereitgelegt. LEVJE kommt mir in diesem Moment vor wie ein U-Boot, ich finde alles auf ihr, denn nichts, nichts wird weggeworfen, keine Schraube, kein alter Bolzen, den kleinsten Rest EPDM habe ich aufgehoben, wer weiß, wofür ich noch mal brauchen kann. Denn in Momenten wie diesen bin ich um alles froh, was irgendwie zur Reparatur beitragen könnte. Als wir alles bereitgelegt haben: Die Genua backgestellt, durch den Wind gesegelt, die Pinne festgebunden. Wellen, die seitwärts auf LEVJE treffen, Regen der einsetzt, draußen, kilometerweit vom Land entfernt, gerade als wir anfangen wollen mit der Reparatur. In Windeseile bohrt Sven zwei neue Löcher in die Pinne  und setzt dicke Stahlbolzen ein, es hat keine Viertelstunde gedauert, Sven ist Meister in diesen Dingen, mit ihm habe ich schon ganz andere Abenteuer erlebt. Dann: funktioniert der Autopilot wieder, die Bolzen halten den Autopiloten, wir können ihm jetzt wieder für die Nacht die Arbeit des Steuerns überlassen.

Gerade rechtzeitig. Denn als die Dämmerung kommt, wird die Welt zu einem lichtlosen Grau, noch stärkerer Regen setzt ein, und weil er von hinten kommt, weht er herein ins Schiff bis zum Kartentisch. Sven, der gerade Wache hat, krümmt sich unter die Sprayhood, nach einer Weile gibt er auf, entnervt von Starkwind und Regen, der ihm ins Gesicht peitscht, Sven, der immer die Nerven behält, ist jetzt entnervt, geht schweigend durchs schwankende Boot zu seiner Koje, läßt sich fallen. Ich schaue durch  LEVJE’s Seitenfenster: Lichtloses Grau in Grau. Regen, der gegen die Scheiben prasselt. Ich bin jetztzwar  warm und trocken, und der Autopilot steuert LEVJE zuverlässig in die heranbrechende Nacht. Aber Zustand ist das keiner: Niemand an Deck, keiner auf Wache, der Wind der auffrischt und LEVJE mehr und mehr durchs Grau schlingern, taumeln, schwanken läßt. Nein, ich muss da hoch, auch wenn es mich Überwindung kostet, ich muss da raus und Wache gehen, während die beiden tief schlafen. Mit etwas mulmigem Gefühl ziehe ich meine Schwerwetter-Sachen an, gehe nach draußen, nach oben. In einem früheren Beitrag schrieb ich über die Angst, schrieb darüber, dass es ein zuverlässiges Rezept gibt dagegen: Einfach Nachsehen gehen, dem ins Auge sehen, was einem Angst macht. Aber manchmal ist das schon ganz schön schwer, es kostet Überwindung. Als ich an Deck bin, schaue ich mich um. Das Grau ist nun ein Dunkelgrau, der prasselnde Regen ist in feinen Niesel übergegangen. irgendwo rechts die Küste, es weht zwischen 30 und über 35 Knoten, die Wellen rollen aus der Tiefe des Golfs von Tarent entsprechend an. „Nachsehen gehen!“ Ich nehme das Ruder in die Hand, hänge den Autopiloten aus, versuche von Hand zu steuern, einen Anhaltspunkt zu finden, nach dem ich LEVJE weiter und besser als der Autopilot auf ihrem Kurs halten kann. Nach einer Viertelstunde habe ich den Bogen raus, habe mir auf LEVJEs kleinem Kompass eine Ecke gemerkt. Werde keck, habe mir in meiner Umgebung ein Instrument geschaffen, nach dem ich in der orientierungslosen Wellenlandschaft im Dämmer meinen Kurs steuern und halten kann.

Cap Spartivento. Der Golfo di Squillace liegt nun hinter uns. 

„Il Golfo di Squillace 
al marinaio non da pace.“

Frei übersetzt: „Der Golf von Squillace, er läßt dem Seemann keine Ruh’“. 

Aber anders als vor zehn Jahren, als ich diese Ecke zum ersten Mal nachts passierte, lassen Wind und Strom nun nach. Die Wellen kommen gleichförmiger, die Küste sorgt dafür, dass sie parallel kommen, nicht mehr das wirbelnde Durcheinander aus dem Golf von Tarent. LEVJE liegt ruhiger am Ruder, ich lasse Sie nun wieder unter Autopilot laufen, und wir: wir nähern uns nun langsam der Straße von Messina. Ruhiger wird es, noch ruhiger, und als die Nacht kommt, klart der Himmel vollständig auf. Ich segle nun unter einem sanften Vierer und sternklarem Himmel vor mich hin. Vor mir am Horizont überzieht sich der Horizont erst mit schwachem Lichtschein, dann sind einzelne Lichter zu erkennen: Sizilien. 

„Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?
… Kennst Du es wohl?
Dahin, dahin,
will ich mit Dir, oh mein Geliebter, ziehen.“

Goethe’s Mignon singt dieses Lied. Und während mir die alten Zeilen aus WILHELM MEISTER irgendwie einfallen, schaue ich hinauf in die sternklare Nacht, wo Sternschnuppe auf Sternschnuppe fällt, zehn, zwanzig, dreißig zähle ich in dieser Nacht, ich weiß gar nicht mehr, was ich mir wünschen könnte. Fast ist es jetzt im späten Oktober wie in den „Notte di San Lorenzo“ mitten im August, in den Nächten der „stelle cadenti“, der fallenden Sterne. So klar ist die Nacht nach dem 36 Stunden dauernden Schlechtwetter, dass es kein Ende nimmt mit den Sternschnuppen über mir. Und weil das alles so schön ist, weil ich wach bin, lasse ich die anderen beiden schlafen. Je mehr Ruhe sie jetzt finden, desto länger werde später ich ruhen, schlafen können. Also halte ich durch, versuche vor mir in den Lichtern an der Küste voraus den Ätna zu erkennen, und seine Dampffahne, in über 3.000 Meter Höhe. Aber er bleibt dunkel, verbirgt sich vor mir, selbst in den Blitzen nördlich von ihm. 

Von halb sechs bis gegen halb eins gehe ich Wache, dann wecke ich Sven. Das italienische Festland liegt weit hinter uns, Sizilien vor uns, wir haben es fast geschafft. Und während sich Sven auf Fähren und Frachter einstellt, die quer zu uns durch die Straße von Messina ziehen, während nordwestlich von uns über Milazzo Blitze den Himmel erhellen und ein Gewitter nach Osten zieht in die Richtung, aus der wir kommen, gehe ich schlafen. Todmüde. Zufrieden. Und mit jenem dümmlichen Grinsen im Gesicht, das der hat, dem an unwirtlichem Ort unverhofft unbändiges Glücksgefühl zuteil wurde.

Im nächsten Post: Ankunft in Catania. Und: Wie ist das eigentlich, in Sizilien und seinen Häfen?

Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.

Mehr erfahren. Filmtrailer ansehen. Bestellen. Hier.

Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München – Antalya, bitte. 
Das Buch: Mehr erfahren: Hier.

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