Monat: März 2015

Spaziergang über die Insel Carriacou

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Liebe Leser,

mein südlichster Wendepunkt auf der letzten Reise war Union Island, ganz im Süden der Inselgruppe namens “St. Vincent and the Grenadines”. Deshalb waren Grenada und die Inseln nördlich davon für mich genauso Neuland wie für Cati. Die nächste Insel ist nun Union Island, wir erreichen meine alte Route.

Vorher haben wir aber vergangenen Montag erstmal in die Hauptstadt St. Georges verholt, um unsere Vorräte aufzustocken. In Le Phare Bleu gab es nämlich nur einen kleinen Tante-Emma-Laden mit dem nötigsten, also Getränken, Brot, Wurst und Käse, aber kaum mehr. In der Hauptstadt hingegen ist die Versorgung sehr gut. Grund genug also, unsere Langfahrtseglerfamilie (die inzwischen auf fünf Yachten angewachsen war) zu verlassen und die Segel zu setzen.

In St. Georges haben wir neben einer holländischen Yacht festgemacht, deren Blog ich schon seit längerer Zeit verfolge. Leon und Frieda sind etwa in unserem Alter und stammen aus Holland. Mit ihrer “Puff” (die den Beinamen “the magic Dragon” trägt) sind sie einige Monate vor uns gestartet. Als ich noch im Büro saß, habe ich jede Woche auf ihre neuen Einträge hingefiebert und jedes Bild auf der Route Holland – Spanien aufgesogen. Dann sind wir selbst gestartet und in ihrem Kielwasser gesegelt. Nun haben sich die Kurse der fast gleich großen Yachten ganz zufällig auf Grenada gekreuzt. Wir sind gegen 16 Uhr eingelaufen und kurz nach dem Festmachen hatte Cati schon den Kaffee auf dem Herd. Nach einem Cappuccino an Bord der “Maverick” (“Was ist das eigentlich mit euch Deutschen, dass ihr nachmittags immer einen Kaffee trinken müsst?” ;-)) waren wir zusammen in einem nahen Fastfood-Imbiss und haben für wenig Geld zusammen ein kleines Potpourri der karibischen Küche gefuttert. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, mit den Händen essen und die vielen Knochenstücke, die vorsichtig aus dem Haufen heraus operiert werden müssen. Überhaupt scheinen die Tiere in der Karibik häufig so wie sie sind im Mixer und dann im Kochtopf zu landen. Aber man gewöhnt sich an alles. Nach dem Essen wurden wir dann noch zu zwei Cocktails auf die holländische Stahlyacht eingeladen und sind anschließend, karibik-typisch, bereits um 22 Uhr in der Koje verschwunden.

Am nächsten Tag waren beide Crews mit ihren Dinghys auf Einkaufstour. Wir haben uns mit den Basics für die vor uns liegenden Wochen versorgt. Eigentlich wollte ich auch noch ein paar Fotos für eine YACHT-Geschichte und einen neuen Blogeintrag ins Internet laden, aber den ganzen Tag über ist die Verbindung immer wieder zusammengebrochen.

Mittwochmittag haben wir dann endlich Abschied von Grenada genommen. Nachdem “Puff” schon morgens um neun abgelegt hat, sind wir gegen Mittag hinterher getuckert. Zum Segeln war im Lee der Insel leider zu wenig Wind. Eigentlich sollte das Ziel der Etappe die Tyrrel-Bay auf Carriacou sein, aber gegen 15 Uhr haben wir uns dann entschlossen, die unbewohnte Insel Ronde Island anzulaufen, die auf halber Strecke liegt. Der Anker fiel auf etwa fünf Meter Wassertiefe, hinter zwei britischen Yachten. Die erste Nacht vor Anker. Eine Nacht, der noch viele dutzende folgen sollen, denn von nun an soll nur noch geankert werden. Allerdings war es auch sehr rollig, denn gut geschützt ist die Bucht nicht.

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Am nächsten Morgen sind wir dann wieder Ankerauf gegangen und haben die letzten 12 Meilen nach Carriacou zurückgelegt. Wieder ein Meilenstein: Das erste Mal vor Anker in türkisem Wasser. Cati ist gleich hineingesprungen, ich hinterher. Mit Schnorchel und Brille. Der Anker liegt auf vier Meter Tiefe, perfekt in den Sandboden eingegraben. Hier können wir entspannt liegen.

Eigentlich wollten wir am Samstag weiter nach Union Island segeln. Eine Distanz von wieder nur 12 Meilen. Doch Samstags nehmen die Zollbüros und Einwanderungsbehörden hohe Zuschläge fürs Ein- und Ausklarieren. Union Island gehört bereits zur nächsten Inselkette, deshalb müssen wir uns hier ab- und dort anmelden. Nachdem der Außenborder Samstagmittag schon an Bord gewuchtet war, haben wir uns dann also doch zum Bleiben entschlossen. Lieber das Geld sparen und zwei Tage länger hier sein.

Eine gute Gelegenheit, ein bisschen mehr von der Insel sehen und endlich einen Blogeintrag zu senden. Blöderweise ist das Internet hier sehr instabil. Trotz perfektem Empfangs ist keine Bandbreite hinter dem Signal. Das merkt man aber immer erst, wenn die 8 Dollar für 24 Stunden schon bezahlt sind ; )

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Gestern sind wir also mit dem Dinghy an den Strand gefahren und haben uns zu Fuß auf den Weg nach Norden gemacht. Einerseits um das Geld für den Bus zu sparen – andererseits, um Fotomotive zu entdecken, an denen wir ansonsten vorbeigefahren wären. Einige Kilometer Fußmarsch in der Sonne, die die Strapazen aber wert waren. Zuerst haben wir auf halber Strecke den Paradise Beach besucht. Dann sind wir weiter nach Hillsborough gelaufen, die Hauptstadt der Insel.

Etwa 1,5 Kilometer vor der Stadt kam plötzlich ein großer, schwarzer Hund von einem Schrottplatz aus auf uns zugerannt. Ein Streuner, offenbar noch relativ jung und unglaublich neugierig. Durch die Größe waren wir natürlich erstmal ein bisschen eingeschüchtert, vor allem als er Anstalten machte, an mir hochzuspringen. Aber er war keineswegs aggressiv, sondern total aufgeregt, dass da jemand des Weges entlang gelaufen kommt, während alle anderen einfach vorbeifahren. Wir waren da, um mit ihm zu spielen – das war für ihn eine ganz klare Sache. Also lief er immer wieder um uns rum, hüpfte, kläffte, freute sich, wedelte mit dem Schwanz.

Wir haben versucht, ihn zu ignorieren, sind einfach weitergelaufen. Aber das machte ihn aufgeregter. Nun kannte er unseren Weg und rannte fröhlich vor uns her. Neugierig in jede Ecke schauend und andere Hunde wegbellend. Wir schöpften ein wenig Vertrauen in das große Tier – das allerdings auch gleich wieder wich, als er sich einfach ein kleines Schaf am Wegesrand griff, ihm in den Nacken biss uns es in den nächsten Acker pfefferte. Allerdings wohl auch spielerisch und sehr vorsichtig, denn das Schaf stand danach gleich wieder auf, als wäre nichts gewesen. Da fielen mir dann auch die großen, langen, weißen Zähne auf, die schon gefährlich wirkten. Wieder lief “Rambo” freudig um uns herum, schien es aber besonders auf mich abgesehen zu haben. “Jetzt hast du einen Hund”, lachte Cati. Und tatsächlich, er war nicht mehr loszuwerden. Ein armes Tier eigentlich. An seinen Beinen waren einige schlecht verwachsene Wunden zu erkennen, die er mit seinen jungen Jahren bereits an sich trägt. “Den müssen wir jetzt wohl mitnehmen”, meinte Cati, die schon immer einen Hund haben wollte. Natürlich nicht ganz ernst. Denn schon beim Einklarieren auf Union Island wäre seine Reise ohne Papiere zuende. Außerdem haben wir schon eine Kuh an Bord.

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Aber wie loswerden? Hillsborough lag plötzlich vor der Nase. Zumindest für karibische Verhältnisse eine Großstadt. Der Hund hielt einen Augenblick inne, wartete auf uns. Offenbar war die Stadt für ihn Neuland. Aber wir gingen weiter, also rannte auch er wieder vergnügt los und vor uns her, in jede Ecke schauend, sein neues Revier markierend. “Was hat der eigentlich getrunken? Er markiert schon den dreißigsten Baum!” staunten wir. Inzwischen hatte “Brutus” noch mehr Vertrauen gewonnen, kam immer näher und machte erneut Versuche, an mir hoch zu springen. Schaute mich aus treuen Augen an. Wären doch nur die großen Zähne nicht. Ich hätte ihn am liebsten einmal durchgestrubbelt. Aber wir mussten ihn loswerden. “Da ist ein Supermarkt, schnell rein!” rief ich Cati zu. “Waldi” blieb am Eingang stehen. Offenbar wusste er, dass er dort nicht hinein durfte. Wir mussten ohnehin noch ein bisschen einkaufen und ließen uns eine Menge Zeit zwischen den fünf Regalen mit ihren 80 verschienenen Waren. Als wir eine Viertelstunde später wieder vor die Tür traten, war der Hund weg. “Geschafft”, flüsterte ich. Und merkte im selben Augenblick, wie mir kaltes Wasser von hinten gegen die Beine flog. “Da ist er wieder”, rief Cati und lachte sich kaputt, “er war kurz im Meer baden!”

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“Struppi” freute sich mehr denn je uns zu sehen und lief wieder treu und plitschnass neben uns her. Er begleitete uns sogar in unseren nächsten Zufluchtsort, eine örtliche Fastfoodbude. Statt Döner oder Hamburger isst man hier Roti. Karibisch-Indische Teigfladen, gefüllt mir einem Stew aus Kartoffeln, Curry und Fleisch. Extrem billig und lecker, meist aus Holzbaracken oder Straßenständen verkauft. Bei mir war sogar noch ein kleiner mit Käfer eingebacken, ohne Aufpreis. Der Hund folgte bis an den Tresen. “Is that your dog?” fragte uns die einheimische Dame hinter der Kasse. “No, he followed us inside”, erklärte Cati – worauf die Verkäuferin den Hund kurzerhand aus dem Laden beförderte. Kaum vor der Tür hing er uns aber wieder an den Hacken, folgte bis vor einen Eisenwarenladen und anschließend weiter. Wir waren inzwischen auf dem Rückweg zur Tyrrel Bay.

Plötzlich hielt “Rocky” (wir hatten uns immer noch auf keinen Namen verständigt) inne, stocksteinernen Blickes. Wie eingefroren. Direkt vor uns, neben einem Gitter, das vor dem Eingang eines mittlerweile geschlossenen Ladens hing. Dahinter saß eine kleine, getigerte Katze, die ebenso eingefroren auf unseren “Blacky” starrte. Sich wohl bewusst, dass sie hinter dem Gitter in Schutz war. Keiner der beiden rührte sich, als spielten sie ein Spiel, wer wohl zuerst blinzelt. “Das ist die Chance”, rief ich Cati zu. Schnell weiter. Im passenden Augenblick kam einer der kleinen Toyota-Busse, die hier in Linie fahren. 60 PS und 1000 Watt in der Soundanlage. Die neun Sitze sind häufig mit 16 Personen besetzt. “Schnell, rein da”, schob ich Cati vorwärts. Schiebetür auf, schwupps ins Auto, Schiebetür zu. Ich drehte mich um. Unser “Bandit” war inzwischen 100 Meter hinter uns, noch immer vollkommen vertieft in die Katze. Er hatte unsere Flucht gar nicht mitbekommen. Schnell ließ der kleine Bus die Stadt hinter sich und setzte uns 20 Minuten später in der Tyrrel Bay ab, für 3,50 EC-Dollar. Umgerechnet 1,30 Euro.

Was der Hund wohl dachte, als er sich umgedreht hat und wir weg waren? Wir denken noch oft über ihn nach und ich bin kurz davor, nochmal nach Hillsborough zu laufen und ihn mal richtig durchzuknuddeln. Egal, ob er Flöhe hat. Aber dann wäre er wohl noch schwerer wieder loszuwerden. Und wir müssen morgen weiter. Hinüber nach Union Island und dann die Inselkette hinauf nach Norden. So ist das Fahrtenseglerleben. Freundschaften schließen und wieder aufgeben. Nur mit Hunden hatte ich das noch nie.

 

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, TEIL 7: Die Nacht. Der Golf de Lion. Andrea. Und die 40 Windstärken.

Es ist zehn vor neun, als wir endlich aufbrechen. Tagsüber hatte es in heftigen Böen aus Ost in den Vieux Port von Marseille geweht. Ich bin unschlüssig, ob wir bei dem Wetter rausgehen sollten. Mit einer Crew von Nichtseglern. Menschen, die noch vor wenigen Monaten das Übelste: Chemo- oder Strahlentherapie durchgemacht haben. Mit allen Begleiterscheinungen. Mit allen, wirklich allen Folgen.

Kann man das? Darf man das?

Auch Marc, der Skipper, ist sich angesichts der Wetterberichte nicht sicher. Zumal ja auch hier in Marseille zwei neue Crew-Mitglieder zu uns stoßen werden, die wegen des Piloten-Streiks auch noch nicht eingetroffen sind. Marc und ich beraten uns. Es sind für den 2. See-Tag sicher nicht die besten Bedingungen: Wind 5-6 Beaufort auf Raumschots-Kurs. Böen darüber. Wellenhöhen 3-4 Meter im Golf. Aber auch nichts, was jetzt akut Gefahr bedeuten würde. Unser Schiff, die ROXANNE, ist eine 49-Fuß-Yacht: Groß genug, gebaut für genau so etwas. Wir beschließen, in jedem Fall rauszugehen. Und wenn die Verhältnisse wirklich schlimm werden sollten: Nach Port Saint Louis, unseren Ausgangshafen abzulaufen. Das ist das wirklich Schöne an diesem Revier: Häfen und Schlupflöcher gibt es hier, im Golf de Lion, diesem wirklich anspruchsvollen Seegebiet, alle 10 Seemeilen. Das hat man nicht überall so.

Gegen sieben ist Susanne da. Aber ohne Gepäck. Das hat die LUFTHANSA verbaselt. Wieder überlegen wir: sollen wir noch warten? Ihre dringendste Medizin hat Susanne zwar im Handgepäck. Aber alles andere, Segeljacke, Stiefel, warme Wäsche: Sie sind im Gepäck. Und LUFHANSA sagt: frühestens morgen. Wir beschließen, trotzdem rauszugehen. Susanne wird immer die Ausrüstung von jemandem tragen, der gerade wachfrei hat. Und ihr Gepäck dann in Barcelona erhalten.

Es ist zehn vor neun, als wir endlich aufbrechen. Der Wind hat sich beruhigt. Über der Marina ist es ruhig. Das Riesenrad leuchtet über dem Hafenbecken. Es ist ungewöhnlich ruhig. Aus dem Gebäude der SOCIETE NAUTIQUE schallt etwas Lärm von einem Club-Event herüber. Ausgelassene Menschen in Feierlaune. Sie tanzen, reden, essen im Warmen. Wir: stehen draussen: eingepackt in dicke Klamotten. Schwere Seestiefel. Rettungswesten Lifebelts. Drunter mindestens zwei Lagen Unterwäsche. Dann Fleece. Soviel ist sicher: es wird kalt werden, da draussen in dieser Nacht auf dem Golf. Um die 8 Grad. Im Starkwind.

Der Weg über den Golf de Lion hinüber nach Spanien, nach Porto Roses, ist etwa 120 Seemeilen lang. Wir rechnen mit einer Zeit auf See von etwa 20 Stunden. Marc hat uns in zwei Wachen eingeteilt: Die erste Wache besteht aus Marc, Anna, Hauke und der neu hinzugekommenen Susanne. Die zweite Wache besteht aus mir, Jo und Andrea. Sunnyboy Felix, der einen Film über uns dreht, unser Kameramann, wird abwechselnd jede Wache filmen. Wenn die Wetterbedingungen es zulassen und wir Skipper es erlauben. Die erste Wache wird uns aus Marseille heraussegeln in den Golf hinein. Nach Mitternacht, gegen halb zwei, so ist es geplant, übernimmt die zweite Wache. Und die erste legt sich schlafen. Vier Stunden dauert jede Wache. Um halb sechs werden Marc und sein Team uns dann wieder ablösen. 

Das Ablegen, es klappt lautlos in der Nacht. Leise tuckern wir jetzt aus dem windstillen Hafen, ROXANNE gleitet wie ein Luftschiff majestätisch vorbei an der imposanten Festung. Wir passieren in der Dunkelheit die Außenmole. Jetzt sind wir draußen. Die ersten Wellen. ROXANNE nimmt sie gelassen, aber sie sind nicht zu übersehen. Das Schiff beginnt zu arbeiten, Schotten knarzen leise, als das Schiff eintaucht. An Deck leises Gemurmel. Wo soll der Fender noch mal hin? Wie geht der Webeleinstek noch? Die klammen Finger tun ein Übriges. Als das Schiff aufgeklart ist in der Dunkelheit, bitte ich meine Wache unter Deck. Jetzt ist jede Minute kostbar. Schlafen. Genau vier Stunden. „Ruht Euch aus.“

Aber so einfach ist das mit dem Schlafen nicht. Der Seegang ist gröber geworden. Marc hat oben Segel gesetzt. Das Schiff arbeitet noch stärker, das Gurgeln des Wassers, draussen, Zentimeter von mir entfernt hinter der knapp ein Zentimeter dicken Bordwand aus Glasfaser, ist nicht zu überhören in hunderterlei Tönen. Taucht das Schiff in die Welle: staucht es mich in die dünne Matratze. Taucht das Schiff aus der Welle heraus, schwebe ich sekundenbruchteile darüber. Trotzdem schlafe ich drei, vier, fünfmal ein. Bis mich Kommandos, Stimmen, das Rauschen des Funkgeräts in der Dunkelheit gleich wieder wecken. Geregelter Schlaf? Kein Gedanke.

Dann klopft es an meine Tür. Es ist kurz vor zwei. Der Wind hat deutlich zugenommen. Ich ziehe mich langsam an. Die Funktions-Unterwäsche. Die Fleece-Unterwäsche. Zwei Wollpullover. Dicke Wollsocken. Schwerwetter-Hose. Seestiefel. Seejacke. Schwimmweste. Lifebelt. Meine Wollmütze. Handschuhe. Es geht los.

Jo und Andrea warten schon. Wir gehen hoch an Deck. Da sieht es übel aus. Während Felix über Wind und Welle jubelt, hat Anna, Hauke, Susanne und Marc die Seekrankheit gepackt. Felix, Sunnyboy, hat für jeden immer ein Paiertuch parat. Marc ignoriert die Übelkeit, er steht kreidebleich, doch unbeirrt am Steuer. Anna und Hauke leiden schwer, müssen sich immer wieder über die Bordwand übergeben. Jetzt nur die richtige Seite erwischen, die, bei der der Wind, der mit 25 bis 30 Knoten weht, den Kram fortträgt und nicht aufs Schiff.
 
Kaum sind wir an Deck, ziehen die vier ab, zu ihrer verdienten Ruhe. Kaum sind wir an Deck, muss auch Andrea spucken. Während ich das Schiff aufklariere in der Dunkelheit und Jo am Steuer steht, muss sich Andrea übergeben. Ihr ist schlecht. Auch sie ist nun seekrank, sie sitzt still an Deck. Fällt aus. Ich bitte Sunnyboy Felix, unseren Kameramann, doch so gut zu sein: und im Salon zu schlafen. Wahrscheinlich werden wir reffen müssen: und dafür brauche ich noch eine weitere erfahrene Hand im Starkwind. Er soll sich bereithalten.
 
Andrea beugt sich über die Reling nach achtern, um sich zu übergeben. Wieder und wieder. Der Wind nimmt gegen zwei weiter zu, wir haben jetzt 30-35 Knoten, kein Mond, kein Stern am Himmel. Ich habe noch einmal reffen lassen, Jo und Felix klettern in der Dunkelheit auf dem schwankenden Deck nach Vorne, das Groß ist jetzt mit kleinster Segelfläche draußen, die Genua im 2. Reff. Die ROXANNE rauscht dahin durch die stockdunkle Nacht, kein Schiff, kein Licht am Horizont. Sie ist wie ein größer Stahlcontainer, der durch die Wellen getrieben wird, vom kalten Wind, schaukelnd, schwankend, knarrend, knarzend, geigend. Um uns sind nur die Wellenkämme erkennbar, zu denen man jetzt manchmal hinaufschauen muß, wenn sie heranrollen. 

Kein Ort, an dem man sein will? 
Kein Ort, an dem man genesen kann? 
Oder doch?
 
Als Andrea zum 11. Mal über die Reling kotzt und sich erschöpft herüberbeugt, höre ich sie sagen: „Das ist das Gute: Kotzen hab‘ ich letzten Dreivierteljahr echt gelernt. Das schmeißt mich nicht mehr um.“ Wie bitte? „Naja: nach der Chemo kotzt Du soviel: das macht Dir nichts mehr aus. Du merkst einfach, was wirklich wichtig ist. Und dass Du kotzt: ist nicht mehr wichtig.“ 
 
Nur zittern tut sie jetzt heftig. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Bitte Felix, während ich am Steuer stehe, doch Cola zu holen, für Andrea. Das hat meinen Brüdern auch immer geholfen, wenn die als Kleinkinder kotzten. Bei Andrea hat der Schluck Cola zunächst den gegenteiligen Effekt. Sie beugt sich zum zwölften Mal über die Reling. Aber das Zittern ist weg. Und ihre Lebensgeister kehren zurück. Ich setze sie ans Steuer. Die alte Regel, vielleicht hilft sie ja auch hier: Wer steuert, wird nicht seekrank. Und Andrea nimmt die Aufgabe an: Sie steuert das mehr als 10 Tonnen schwere Schiff alleine durch die Finsternis, bei Wind zwischen 25 und 35 Knoten. Und ihre Lebensgeister kehren zurück. Irgendwie. Sie kämpft und kurbelt tapfer. Ein ums andere Mal läuft ihr das Schiff aus dem Ruder. Es macht nichts. Wir haben Zeit. Sie ist ein ziemlicher Brocken, die Frau aus dem Pott, und steuert tapfer. Obwohl sie zum ersten Mal am Steuer einer Yacht steht. Zumal in dieser Extremsituation.
 
Als der Morgen langsam graut – und es ist tatsächlich nicht mehr als ein lichtloses Grau über dem Meer – weht der Wind immer noch mit 30, 35, teilweise 40 Knoten.

Wir steuern die ROXANNE aus der Nacht in den Morgen, sind jetzt mitten auf dem Meer. Halb sechs Uhr morgens. Knapp hundert Kilometer in alle Richtungen kein Land mehr. Das Handy: es hat schon lange kein Netz mehr. Und wird auch jetzt lange keins haben. Wir sind auf uns gestellt.

Die hohen Wellen sind da. Die Gischt, die sich in zarte Streifen legt. Die Wellenkämme, die neben uns brechen. Ein paar Seevögel, die lautlos durch die rauschenden Wellentäler ziehen. Es sind faszinierende Landschaften. Hügel, die heranrollen, und unter ROXANNE liebkosend durchgehen, eben, als ich noch denke: die knallt jetzt voll an die Bordwand.


„Am schlimmsten war es für mich, meine Angehörigen während meiner Krankheit leiden zu sehen. Meine Mama. Rafael, meinen Mann. Es ist so schlimm, dass ich nichts für sie tun konnte. Mein Mann würde das zwar nicht hören wollen: aber bevor er Krebs kriegt: krieg das lieber ich.“ Ruhrpott. Da redet man so. Wie nett, dass das ein Teil Deutschlands ist.


Jo steht in der Dämmerung am Steuer. Er ist 49, Darmkrebs. Und während Andrea neben ihm sitzt und ihm die Windstärke vorliest, immer wieder im starken Wind die Knoten-Anzahl vorsingt, steuert Jo die Yacht die Wellenberge hinunter. An einem Samstag Morgen, der kein ganz normaler Samstag Morgen ist, weit, weit entfernt vom Land. Draußen.

Das Wetter macht ihm nichts aus, Jo ist schon öfter gesegelt, bevor er krank wurde. Er hat sein Leben rigoros geändert, hat sich getrennt aus seiner langjährigen Beziehung, suchte eine neue Beziehung, erzählt mit leuchtenden Augen darüber.

Gegen sieben wecke ich Marc. Er ist nicht fit. Trotzdem geht der Skipper ans Ruder, zusammen mit Susanne, Anna und Hauke. Sie übernehmen ihre Wache, steuern das Schiff. Während Andrea, Jo und ich unter Deck gehen. Feuchte Klamotten ausziehen. Und dann ganz schnell unter die Bettdecke. Schnell. Schnell. Schlaf. Wärme. Köstlich.


Hauke (liegend), Anna am Ruder, Susanne und Marc.

Gegen 10 Uhr löse ich Marc wieder ab. Trommle meine Crew, Andrea und Jo, aus dem Tiefschlaf. Wieder das gleiche Spiel. Wieder rein in die noch feuchten Sachen. Das Schiff: es hat keine Heizung. Was einmal feucht ist: bleibt feucht. Was einmal nass ist: bleibt nass. Ein bisschen hilft es, die nassen Sachen in der Kälte mit Küchenkrepp und Zeitungspapier auszustopfen. 20 Minuten braucht man, bis man wieder in seiner Montur ist, die Anzieh-Prozedur von gestern Abend wiederholt hat. Dann sind wir drei fertig. Und gehen rauf an Deck.

Der Wind ist ruhiger geworden, am Morgen, wir haben jetzt noch 15-20 Knoten, aber es beginnt zu regnen. Nur leicht, aber es reicht um alles nass zu machen. Aber die Segelsachen, die HELI HANSEN den Segelrebellen für diesen Törn als Sponsor kostenlos zur Verfügung stellte: sie halten dicht.

Die Hälfte dieses langen Schlages, die haben wir jetzt hinter uns. Es regnet. Lufttemperatur etwa 11, 12 Grad. Wind raumschots aus Südost. Weil wir drei uns fit fühlen, steuern wir weiter, lassen Marc und seine Wache auch über die vereinbarte Zeit schlafen. Dunkle Wolken ziehen am frühen Nachmittag auf vor uns. Wir halten auf Cap Creus zu, eigentlich müßte man das schon längst sehen, aber die schwarze Wolkenbank versperrt uns die Sicht. Liegen die Felsen jetzt 15 oder 5 Seemeilen vor uns? Ich gehe nach unten, um unseren Standort zu ermitteln. Jo und Andrea steuern das Schiff. Ich trage unseren letzten Ort in die Seekarte und ins Logbuch ein. Die dunkle Wolkenwand: wir werden eins auf die Mütze bekommen, so viel ist sicher.

Gegen 14 Uhr erwischt uns die Kaltfront. Schlagartig Starkregen, die Sicht geht auf 50 Meter herunter, dafür steigt jetzt der Wind. Auf über 40 Knoten nimmt er zu, ich steuere das Schiff, „gottseidank hab ich vor 10 Minuten gerefft,“ ich hatte so eine Ahnung, manchmal funktioniert das ja. Andrea steht neben mir, singt mir ständig Windstärke aus und die Tiefe. Ich habe vor, mich im Starkwind an der 100 Meter-Tiefenlinie entlang zu bewegen, bis wir Cap Creus umrundet haben und vor der südlichen Einfahrt nach Porto Roses stehen. Und dabei muss mir Andrea jetzt helfen.


In der Weite des Meeres, verloren in der Schönheit der See: Andrea, Jo, ich bei der Arbeit im Regen. Gefilmt von Kameramann Felix.

Der Wind legt noch einmal enorm zu, Gischt weht waagrecht übers Vordeck, ich kenne das, wenn das Boot in die Wellen taucht, es ist mein Kennzeichen, dass der Wind jetzt in den Vierzigern weht. Segeln bei acht Windstärken. Eine Viertelstunde dauert der Starkregen. Dann nimmt er ab. Die Sicht wird besser. Aber der Wind, der bleibt. Bis Andrea plötzlich die Delfine entdeckt. Unmittelbar nach dem Sauwetter.


Es ist eine ganze Herde: Zwei, drei, vier Alt-Tiere mit über zwei Metern Länge. Ein, zwei Kleinchen sind dabei. Sie springen neben dem Boot aus dem Wasser. Sie schwimmen im Bug mit uns mit. Sie tauchen unter ROXANNE durch, sind mal links, mal rechts. Meine Wache jubelt, schreit, ruft, mitten im Starkwind. Freut sich, ohne Grenzen, ohne Ende. Delfine, Delfine. Wie immer, wenn man diesen Türen auf dem Meer begegnet, ist man tief berührt. Ein Schmetterling ist schön. Ein Delfin ist unser Bruder, unsere Schwester. Fünf Minuten dauert das Spiel: dann sind die Delfine weitergezogen. Aber sie haben uns ein reiches Geschenk gemacht.

Endlich tauchen die Felsen von Cap Creus vor uns auf in den Wolkenfetzen. Sie sind noch weiht weg. Aber weil es immer noch um die 40 Knoten, teilweise bis 50 Knoten weht, wecke ich Marc gegen drei, um zur Sicherheit die Navigation zu machen. Es klappt zwar ziemlich gut, mich entlang der 100 Meter-Tiefenlinie an Creus entlang nach Süden zu hangeln, aber an dieser Leeküste sollten wir zu zweit das Schiff navigieren. Marc bestimmt laufend unter Deck die Position, Andrea hält mich mit dem Aussingen der Tiefen auf der 100 Meter-Linie, ich steuere. Gegen 16 Uhr stehen wir vor Porto Roses, gegen 16.30 machen wir im Hafen endgültig fest. Das Boot ist innen klatschnaß. Die Crew jubelt ausgelassen. Wir sind fröhlich und voller Freude über das, was wir an diesem Tag geleistet haben. Im März über den Golf de Lion. Danke, Marc. Für die Idee mit den SEGELREBELLEN.

Und ich: ich träume. Von einem großen Teller mit heißer Paella. Und dazu drei Gläsern Rotwein. Mindestens. 

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 6: In Marseille.

Am späten Nachmittag des Donnerstag erreichen wir Marseille. Marc bringt das Schiff in den Vieux Port, den alten Stadthafen, mitten rein in die Stadt. Ein guter Platz. Wenn nur der SOCIETE NAUTIQUE DE MARSEILLE, der Traditionssegelclub, in dem wir liegen, nicht in Trauer wäre über seine Club-Kameradin, die französische Segellegende Florence Arthaud, die bei einem Hubschrauberabsturz in Guadeloupe ums Leben kam. Das Porträit der Seglerin, der ihr Leben ins Gesicht geschrieben steht, prangt zwischen Blumensträußen über dem Eingang in die Societé.

Die Crew der Segelrebellen ficht dies nicht an. Unser Schiff ROXANNE liegt zwischen lauter Yachten aus den 20igern, weiß und gepflegt wie das Clubgebäude. Ein wunderbarer Ort, um in Marseille zu sein. Mitten drin in den sichtbaren Narben und Umbrüchen dieser Stadt.

Marseille ist gezeichnet von diesen Umbrüchen. Die Flut Algerieneinwanderer in Nachkriegsjahren, Überfremdung, Rassenkonflikte und Gewalt in den Siebzigern. Reihenweise schließende Industrien seit den Neunzigern, Arbeitslosigkeit. Phänome, mit dem Ettikett „Des-Industrialisierung“ in ein dürres Wort gekleidet. Alles, was wir in Deutschland auch kennen, nur nicht in dieser Heftigkeit. Die Stadt, die Regierung, die sich dem mit Kraft entgegenstemmen. Versuchen, Tourismus, Dienstleistung, neues hereinzubringen. „Nach den besten Jahren. Aber sexy.“

Die Crew ist fröhlich. Zwei weitere Mitglieder stossen dazu: Mitsegelerin Andrea, die in den Tagen zuvor von der BILD-Zeitung für ein Interview über die SEGELREBELLEN ausgewählt worden war:

Am nächsten Abend um 21 Uhr legten wir ab. Segelten hinaus in den Golf de Lion. Und warum mich Andrea wirklich beeindruckte, während wir die Nacht bei bis zu 40 Knoten durchsegelten: darüber schreibe ich in meinem nächsten Post. Hoffentlich heute Abend.

Neuer Blogeintrag auf YACHT.de

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Liebe Leser,

wir haben den Absprung von Grenada geschafft und sind nun in der Tyrrel-Bay auf der Insel Carriacou angekommen. Ein herrlicher Ort. Vor allem ankern wir das erste Mal seit der Abfahrt in türkisem Wasser. Während der Werftjahre hat Cati immer wieder erzählt, dass sie jeden Morgen ein paarmal ums Boot schwimmen will, wenn wir erst in der Karibik sind. Das ist nun endlich soweit! Gestern haben wir den halben Nachmittag schwimmend und tauchend unter dem Boot verbracht. Cati hat den Spiegel geputzt und ich das Unterwasserschiff von einigen ersten Muscheln befreit. Eine saß genau auf dem Paddelrad der Logge.

Wir werden hier wohl nur für zwei Tage bleiben. Ich muss mal wieder etwas arbeiten, um Geld zu verdienen, aber das Internet ist hier derart langsam, dass ich fast sechs Stunden an diesem neuen Blogpost auf YACHT-online gesessen habe. Es gibt einen Hotspot im Ankerfeld, aber der hat 8 Dollar gekostet und funktioniert so gut wie nicht. Deshalb werden wir nun bald weiter nach Norden hüpfen und hoffen auf besseres Internet. Natürlich hätten wie auch nichts dagegen, mal ein paar Wochen unbeschwert und vor allem offline durch die Gegend zu segeln – aber das Netz ist gerade für mich zum arbeiten sehr wichtig. Der Job von unterwegs macht es uns ja erst möglich, in so jungen Jahren unterwegs zu sein.

Vielen Dank übrigens an alle, die uns zur gelungenen Atlantiküberquerung etwas in die Kaffeekasse geworfen haben! Wir haben uns jedem ein paar Flossen zum Schnorcheln dafür gegönnt. Außerdem einen Ventilator, der uns bereits im Windstillen St. Georges sehr geholfen hat. Und ein paar Tage nach dem Anlegen haben wir uns einen leckeren Hamburger gegönnt. Was waren wir vielleicht auf Fleisch-Entzug … Ich will jedem persönlich Danken, wegen des langsamen Internets ist es mir aber noch nicht gelungen.

Toll, wie ihr alle mitfiebert und uns unterstützt! Die Karibik ist ganz schön teuer. Aber zumindest fallen ja jetzt die Liegegebühren weg, wir ankern nur noch.

Nun erstmal viel Spaß beim Blogeintrag auf YACHT-online. Hier ist der LINK.

Johannes

 

 

 

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 5: Anna. Oder: das dümmliche Grinsen.


 
„F*ck cancer go sailing“ ist das Motto von Marc Naumann’s Organisation SEGELREBELLEN, die es jungen, an Krebs erkrankten Erwachsenen ermöglicht, Segeln zu gehen. Mare Più begleitet ihn auf seiner Jungfernfahrt. Lesen Sie auf Mare Più und auf Marc’s Blog SEGELREBELLEN, wie es zugeht. Auf diesem KEIN GANZ NORMALER TÖRN. Von Marseille nach Mallorca.
 
 

 

Am Morgen motoren wir hinaus auf See, durch den Kanal. Das Meer ist spiegelglatt. Kein Grund, nicht Segeln zu gehen. Aber auch kein Grund, zu glauben: dass es für unseren gesamten Törn so bliebe.

Und darum beginnt Marc mit der Ausbildung seiner Crew. Unter Fahrt lässt er die Segel setzen und wieder bergen. Die Fock ausrollen. Und wieder einholen. Immer wieder.


Das Bild eines ganz normalen Törns fröhlicher junger Leute. Jo, Anna und der Skipper: Marc. Alle drei sind nach schwerer Krebserkrankung mit Strahlen- und Chemotherapie jetzt – auf dem Meer.
Die Crew übt „Mann über Bord“ unter Motor. Dreht Kreise auf dem spiegelglatten Wasser, lernt aufstoppen. Boje über Bord holen. Marc ist konsequent. Ganz großer Bruder kreist er um seine Herde, um die Schäflein. Bringt sie in die richtige Richtung. Er macht es gut.

Und dann kommt Anna ans Steuer. Eigentlich kann sie nicht Segeln. Aber jetzt sie dran, unter Marc’s Anleitung „Mann-über-Bord“ unter Motor zu üben.

Anna ist dabei: weil ihr vor Weihnachten irgendwo ein Folder der SEGELREBELLEN in die Hände fiel. Sie beschloß: mitzusegeln. Zusammen mit ihrem Freund Hauke, den sie in der ReHa kennenlernte. Sie sind zusammen auf diesem Törn, Hauke und sie.

Als Anna vor über einem Jahr mit drei Freundinnen in Malaysia war, fiel ihr plötzlich das Atmen schwer. „Es war eine richtig schöne Reise“, sagt Anna. Und deshalb schob sie ihre gesundheitlichen Probleme aufs asiatische Klima. Wieder zurück in Deutschland, fiel es ihr immer schwerer, Atem zu holen. Untersuchungen begannen. Gewebeproben. Wieder und wieder. Bis Anna, 26, die Diagnose bekam: Lymphdrüsenkrebs. „Ich sah es als Aufgabe“, sagt Anna, während ihre Eltern zusammenklappten. „Ich hatte es. Ich mußte es einfach als Aufgabe sehen, die ich zu übernehmen hatte.“ Diese Disziplin brachte Anna dazu, die Dinge in die Hand zu nehmen. Sie arbeitet heute wieder in ihrem Beruf als Orthopädie-Mechanikerin.

„Es ist nicht ganz leicht in der Gesellschaft, als junger Erwachsener von Krebs betroffen zu sein. Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass es Krebs gibt. Der betrifft vor allem ältere Menschen. Die sterben dann daran. Und für krebskranke Kinder gibt es an Weihnachten eine Spendengala. Als junger Erwachsener halten die Leute es schlecht aus“, sagt Anna ohne Bitterkeit. „Manche meiner Freundinnen schafften es einfach nicht. Andere wurden dafür um so engere Freunde, taten alles für mich.“


Jetzt steuert Anna die ROXANNE hinaus aufs Meer. Als ich ihr die Fotos zeige, mache ich sie darauf aufmerksam: dass sie auf allen Fotos lächelt, wenn sie am Steuer steht. Und ich erkläre ihr: was es mit diesem Lächeln auf sich hat.
In einem früheren Beitrag über „Segeln mit Nichtseglern“ schrieb ich schon einmal darüber: Stellt man jemanden, der noch nie zuvor im Leben gesegelt ist, an das Steuer einer Yacht und zeigt sich auf dessen Gesicht dies Lächeln: Dann ist dies ein untrügliches Zeichen. Dafür: Dass Segeln genau das richtige ist für den, der da am Steuer steht. Für denjenigen, der das Schiff, die Dinge im Griff, in der Hand hat. Das Lächeln ist wie ein Test, der untrüglich blaue Tinte orange färbt.
Ich nenne den Test: „Das dümmliche Grinsen“. Anna ist es ins Gesicht gemalt.

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 4: Ablegen

Der Morgen ist da, über Port Saint Louis, über unserem Liegeplatz. Der zweite Tag unserer Reise. Heute werden wir aufbrechen. Hinaus auf dem Kanal, den die Tanker auf ihrem Weg hierher in die südfranzösischen Erdöl-Raffinerien nehmen. Ein erster Schlag über 22 Seemeilen nach Osten, nach Marseille. In den Vieux Port. Mitten in die Stadt hinein. Dorthin, wo die Geschichte dieser urfranzösischen Stadt ausgerechnet als griechische (!) Flüchtlings-Siedlung vor zweieinhalb Tausend Jahren begann.

Marc hat das Transparent seiner SEGELREBELLEN am Schiff angebracht: „F*ck cancer, go sailing“, hat er sich als Motto für seine Organisation gegeben. Ein gutes Motto. Und gestern, in Port Saint Louis, wurden wir auch schon angesprochen. Aber diese Geschichte von Hugo, dem Schweizer, der im Herbst mit seiner REINKE von Bremen nach Port Saint Louis gelangte und nur über Binnen-Wasserstraßen über mehr als 300 Schleusen seinen Weg nahm: dies ist eine andere Geschichte.

Jetzt heißt es: Platz nehmen, für Marcs fünf Passagiere. Einsteigen. Und hinaus. Hinaus mit Marc’s SEGELREBELLEN auf See.

PS: Und heute Abend: da berichte ich über Anna. Für sie ist der blaue Stuhl reserviert im Bild oben. Heute Abend.
                                                 

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 3: Auf dem Schiffsfriedhof von PortSaintLouis.

Dies ist die Geschichte keines ganz normalen Törns: Der Jungfernfahrt von Marc Naumann’s Organisation SEGELREBELLEN, die mit jungen, an Krebs erkrankten Erwachsenen hinaus aufs Meer geht und die Mare Più auf dieser Fahrt begleitet. Lesen Sie Marc’s Geschichte hier. Marc blogt über diese Reise zeitgleich auf seinem Blog.

Die Nacht senkt sich über den Industriehafen, nur wenige Hundert Meter vom Delta der Rhone entfernt. Fischreiches Brackwasser. Scheinwerfer. Das Geräusch des Frachters gegenüber neben den Silos in der Dunkelheit, der entladen wird. Der Schiffsdiesel, der seine Decks taghell erleuchtet. Und über allem, noch lauter als metallisches Schlagen und Surren von Motoren: Das laute Geräusch der Frösche, millionenfaches Quaken aus dem nahen Delta, das allen Lärm übertönt und zu unserem Schiff ROXANNE herüberklingt. Wir liegen in Port Saint Louis, 50 Kilometer westlich Marseille, direkt an der Rhone-Mündung, im Industriehafen mitten im Delta.

In den eigentlichen Hafen von Port Saint Louis motorten wir durch den Kanal, zum Einkaufen, auf den Wochenmarkt. März in Frankreich: Kühl. Kahle Platanen. Ein lautloses Gleiten auf dem Schiff durch brachliegende Industrie-Flächen und vergessene Zeugen von Unternehmergeist. Niedergang, Verfall, Scheitern in phantastischer Mündungsdelta-Landschaft. Der März ist eine hervorragende Zeit, um zu Reisen, auf See.


Die Crew der Segelrebellen. Auf dem Weg durch Port Saint Louis.
 Als das Schiff vollgepackt ist mit allem: motoren wir zurück zu unserem Liegeplatz im Industriegebiet. Auf der einen Seite die Getreidesilos. Auf der anderen Seite – wir. Aber nicht allein. Sondern inmitten Hunderter, Tausender an Land liegender Yachten, Barkassen, Motoryachten. Port Saint Louis: das ist neben seinen Industrieruinen auch ein bevorzugter Landliegeplatz für Schiffe aller Art. Doch wann ist ein Landliegeplatz kein Landliegeplatz mehr, sondern lautlos übergegangen in etwas, das man besser als Schiffsfriedhof bezeichnet.

Vernachlässigte Schiffe, soweit das Auge reicht. Schiffe, deren Namen von schönen Projekten, großen Plänen und besten Absichten künden und die doch nur seit Jahren unter schäbiger Fetzenplane vor sich hin rotten. Ein Ort, an dem Pläne ihr Ende fanden, aus welchen Gründen auch immer. Ein Ort, an dem aus einem „endlosen Sommer“ längst Trostlosigkeit geworden ist. Wann wurde aus festen Vorsätzen ein Scheitern? Wann ist der Moment, in dem ein großes Projekt, ein Schiff zu besitzen, zu Segeln, buchstäblich auf Grund läuft?


Daneben: wieviele Möglichkeiten es wohl gibt, ein Schiff zu bewohnen, wenn das Fahrwasser immer enger wurde? Wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, sein Schiff darin zu wenden, sein Schiff hinauszubringen aufs offene Meer? Wenn der Landliegeplatz nicht nur erzwungen vom Winter, sondern von Dauer ist?

Die Crew der ROXANNE kennt diese Fragen aus dem eigenen Erleben. Vielleicht besser als manche als andere Crew. Leidenschaftlich wird beim Abendessen darüber diskutiert: was die Gründe sein können: für die vernachlässigten Boote. Das Leben: es geht eigene Wege, oftmals.


     
 

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 2: Aufbruch.

Dies ist die Geschichte keines ganz normalen Törns: Der Jungfernfahrt von Marc Naumann’s Organisation SEGELREBELLEN, die mit jungen, an Krebs erkrankten Erwachsenen hinaus aufs Meer geht und die Mare Più auf dieser Fahrt begleitet. Lesen Sie Marc’s Geschichte hier. Marc blogt über diese Reise zeitgleich auf seinem Blog.

Was für ein Zauber doch über jedem Aufbruch liegt.

Es ist dunkel draußen und still, morgens gegen drei, als Marc und ich im Olympischen Dorf aufwachen. Und ebenso still und leise unseren Tee kochen. In der Dunkelheit das Haus verlassen, über und über bepackt mit: Seesäcken, Rucksäcken, Kartons mit Schwimmwesten, sperrigen Seestiefeln. Für die Crew. Die Amseln lärmen. Der Fernsehturm strahlt uns grün an in der warmen Märznacht. Es ist ein Zauber, der über dem Aufbruch liegt, dem Hinausgehen, dem Ablegen, dem Lossegeln.

In den letzten Tage galten die Gedanken dem Wetter. Der Golf de Lion: wie wird das wohl, Mitte März, in der Zeit der Frühjahrsstürme? Selten habe ich ein Revier beobachtet, in dem sich zwei, drei Tage vorher die Bedingungen änderten, die Vorhersagen so rasch drehten. Eine Seite hat es mir bei meinen Beobachtungen vor allem angetan: das ist windyty.com. Man zoomt sich in das gewünschte Fahrtgebiet hinein. Und kann dann in einem Wetterfilme beobachten, wie sich der Wind in dem Revier – in unserem Fall zwischen Marseille und Mallorca – entwickeln wird. Grün steht für 5 Beaufort, Orange für 6 Beaufort, Rot für 7 Beaufort, Violett für 8 Beaufort, Dunkelblau für „Nur noch gruselig“.

Klickt man auf die Animation links unten, wird klar: wie sich das Wetter über die nächsten Tage entwickeln wird. Zoomt man sich in größere Maßstäbe, wird verständlich, dass das kleine Windfeld, in dem wir uns jetzt gerade bewegen, Teil eines gewaltigen Ganzen ist. Der Mistral, der aus dem Binnenland hinausbläst aufs Meer, weht dort vergleichsweise schwach gegenüber dem, wie er sich weit draußen auf dem Meer, genau zwischen Balearen und Sardinien, zu seiner schieren gewaltigen Größe aufbaut. Verständlich wird  die Geschichte einer 12-Meter-Yacht aus dem Buch SCHWERWETTERSEGELN, die genau dort im August 1980 in arge Bedrängnis geriet. Verständlich wird, was für gewaltige Energien die Tiefdruckgebiete zwischen Islandt und Grönland aufbauen: in windyty.com sind es riesige blaue Flächen. Was heiß, dass es dort über riesige Räume beständig in Orkanstärken stürmt.
Wir begreifen, dass wir in diesen großräumigen Bewegungen nicht nur als Segler, sondern auch als Stadtbewohner kleinste Teile in wahrhaft riesigen Bewegungen und Wirbeln sind: nichts anderes als eine Handvoll aufgewirbelter Blätter in gewaltigem Herbststurm. Allerkleinste Teilchen in einem riesigen Gebilde. Wie Mark und ich, die wir in unseren schwarzen Kleinwägen hintereinander durch die menschenleere Stadt brausen: um die anderen Segler aufzulesen, die mit uns kommen: auf einen ungewöhnlichen Törn.

Special Thanks to DRIVE NOW. Das Carsharing-Unternehmen stellte den SEGELREBELLEN kostenlos zwei BMW MINI für den nächtlichen Transport der Mitsegler zum Airport zur Verfügung.

… und weil diese Reise KEIN GANZ NORMALER TÖRN ist: bitte ich die Leser von MARE PIU, unsere beiden Posts möglichst an viele andere Interessierte weiterzuleiten. 
Um Marc und seine Idee zu unterstützen. 
Danke.
 

 

TO DO OR NOT TO DO…it yourself

Was hilft gegen Frühjahrsmüdigkeit? Natürlich Anti“faul“ing! 

Träge vom grauen Winter habe ich mir das schützende Nass dieses Jahr sogar online bestellt und nach Hause liefern lassen. Und dann geschieht es wieder einmal, vorhersehbar und doch immer wieder überraschend. Jedes Jahr um Mitte März herum erscheinen die ersten Vorboten des Frühlings in Form von einigen Tagen Sonne und Temperaturen über 10°C. Antifoulingzeit. Eigentlich keine Arbeit auf die man sich  freut, aber auch keine die wehtut. Bei meinem Boot suche ich eigentlich nur nach losen Farbresten des letztjährigen Anstrichs, entferne diese, und übermale dann das letztjährige Blau mit dem diesjährigen Rot. Zeitaufwand ca. 2 Stunden. Es ist angenehm warm, die Sonne lacht vom Himmel, an jedem zweiten Boot wird gearbeitet. Es läuft irgendwo Musik im  Autoradio, man arbeitet und klönt mit den Nachbarn. Und mit einem Male fühlt es sich an als hätte es den Winter nie gegeben. So als wäre schon wieder Segelsaison. Körper und Geist füllen sich mit Energie und Aufbruchsstimmung; wie gerne würde ich heute schon den Nord-Ostseekanal in Richtung Holtenauer Schleusen befahren. Der Moment des Öffnens der Schleusentore in Richtung Ostsee fühlt sich alle Jahre wieder  wie der Beginn eines langen Sommerurlaubs an. Dieser Geruch. Das kann nur verstehen, wer das einmal erleben durfte.

Und während ich so vor mich hinträumend mein Schiff bauchpinsele (Madame hat aber auch einen sehr dicken Bauch) fällt mir eine Begebenheit ein, die nun 3 oder 4 Jahre zurückliegt. Gleicher Ort, anderes Schiff. Eine bei ebay ersteigerte Friendship 23,  zwar deutlich schlanker und kürzer als „La Mer“, sollte mich  noch den letzten Nerv kosten. Das Antifouling begann nämlich großflächig abzublättern und  die Überwinterung im Wasser des Harburger Hafens plus eine weitere Sommersaison hatten es nicht besser gemacht. Natürlich hatte ich kein Geld für die Reparatur und wollte es also notgedrungen selber machen. Mit einer Buddel Whiskey ging ich also zum örtlichen Bootsbauer Olli und sagte: „Olli, sach ma?“ 

Er erklärte mir dann den ganzen Vorgang. Altanstriche abkratzen, anschleifen, mit Gelshield das Unterwasserschiff neu aufbauen und versiegeln, streichen, fertig. Und bot mir direkt an sein passendes Werkzeug und Material zu benutzen. Und dann kam seine sehr, sehr kluge Frage: „Warum willst du das denn unbedingt selber machen?“ Ich erklärte, das ich mir die Reparatur nicht leisten könne, und daher selber ran wolle. Daraufhin sagte Olli: „Ich mache so etwas hier beinahe täglich, habe Mitarbeiter die sich auskennen, die richtigen Maschinen und Räumlichkeiten. Ich kann das deutlich besser und schneller machen, als du es jemals hinbekommen wirst.“ Das glaubte ich ihm aufs Wort, aber es nützte mir ja nichts. Doch jetzt fügte er noch hinzu: „Du kannst doch sicher auch etwas richtig gut. Warum machst du nicht lieber das, lässt dich dafür gut bezahlen, gibst mir dann das Geld und ich erledige hier für dich die Arbeit?“ 

Das stimmte natürlich, aber ich zog erst einmal irgendetwas murmelnd meines Weges. Schließlich geht es mir nicht nur darum Geld zu sparen. Je mehr ich selber machen kann, umso sicherer fühle ich mich. Ob nun Diesel, Rigg, Elektrik, Bilge, am Anfang ist mir jedes Boot so fremd, das ich mich immer unwohl fühle. Erst wenn ich einmal in jeder Ecke nachgesehen habe, alle Kabel und Leitungen kenne und selbst Dinge eingebaut und repariert habe, mag ich auf größere Tour gehen. Von daher dachte ich mir also zunächst: Do it yourself. Nach drei vollen Arbeitstagen im Regen draußen im Freilager hatte ich es dann aber gerade einmal geschafft ein DRITTEL der Backbordseite sauberzukratzen. Frustriert saß ich mit schmerzenden Händen auf dem Boot und hörte das Echo Ollis weiser Worte in meinen Ohren klingeln. Und gab auf. 

Und wie Zufall oder Schicksal so spielen, klingelte auf dem Rückweg nach Hamburg das Telefon und ein Kollege (damals war ich noch fest angestellt) fragte, ob ich für ihn am Wochenende ein Event durchführen könnte, da er überraschend verhindert sei. So ein Event bedeutet üblicherweise um die 14-16 Stunden Arbeit jeweils Freitag, Samstag und Sonntag. Equipment zusammenstellen, stundenlang auf die Autobahn, ein stressiger Veranstaltungstag und am Sonntag alles wieder retour. Nicht unbedingt das, was man sich unter einem erholsamen Wochenende nach einer bereits vollen Arbeitswoche vorstellt. Aber zur Überraschung des Kollegen sagte ich sofort zu und befreite mich damit augenblicklich von der fürchterlichen Arbeit am Boot, die ja auch mein Wochenende ruiniert hätte. Und zwar gründlich. Finanziell sollte es aufgrund der vielen Überstunden auch ungefähr hinkommen. Bingo. 

Selten habe ich mit so viel Freude eine Veranstaltung geleitet, das Publikum begrüßt, mich um technische Probleme gekümmert, Künstler mit typischer Verspätung und passender Attitüde freundlich behandelt. Und bin fröhlich singend am Sonntag zurück nach Hamburg gefahren. Ausgepowert, aber glücklich den Farbkratzer nie wieder anfassen zu müssen. 3 Wochen später war das Boot dann fertig. Und wie! Hier und da hatte Olli noch etwas ausgebessert, das ganze Unterwasserschiff neu aufgebaut, gestrichen. Es sah aus wie neu. Das hätte ich nie so hinbekommen. Nie! Und seitdem denke ich auch heute noch zweimal nach wenn es wieder einmal heißt: TO DO OR NOT TO DO…it yourself.
Auch schon mal drüber nachgedacht?
    

Unter Segeln: Ab kommenden Mittwoch von Marseille nach Mallorca. Oder: KEIN GANZ NORMALER TÖRN (I.)

Am morgigen Sonntag startet die 5. Etappe des VOLVO OCEAN RACE um die Welt. Über 6.776 Seemeilen treten die weltbesten Segler gegeneinander an. Von Neuseeland nach Brasilien. Von Auckland nach Itaijai.

Es gibt aber auch Rennen: Da treten Menschen gegen einen noch größeren Gegner an. Gegen sich selbst.

Am 14. Februar berichtete die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in ihrer Samstags-Ausgabe unter dem Titel TÖRN DER GUTEN HOFFNUNG über Marc Naumann.
Marc ist 33. Er studierte Jura in München. Während seines Studiums erkrankte er an einem Gehirntumor, der durch Strahlentherapie entfernt wurde. Ein Jahr später konnte er sein Studium wieder aufnehmen, erkrankte aber vor dem nächsten Versuch, sein Examen in Angriff zu nehmen, erneut. Ein Rezidiv.

Die Diagnose seiner wiederkehrenden Erkrankung warf ihn aus der Bahn.

Auf Anraten seiner Ärzte unterzog sich Marc einer Hochdosis-Chemotherapie. Und beschloss noch während der Therapie: Segeln zu gehen. Während der ganzen Behandlung gab ihm diese Entscheidung Kraft. Segeln zu gehen, wurde für ihn gleichbedeutend mit: gesund zu sein.
Marc heuerte als „Hand gegen Koje“ auf einer Contessa 32 an. Und segelte im Herbst 2012  zusammen mit Boris Aljinovic von Cuxhafen nach Calais. Er segelte zusammen mit Boris gegenan. Gegenan gegen Frühjahrsstürme. Gegenan in der Nordsee. Gegenan im Ärmelkanal. Gegenan, den Mut zu verlieren.
Das Erlebnis des GEGENAN hat Marc sehr bewegt. Sein Studium schloß er ab, besser als erwartet. Und dennoch: Aus diesem Erlebnis heraus beschloss er, seine juristische Karriere erst mal an den Nagel zu hängen. Inspiriert von Bernard Moitessier organisiert er sein Leben bescheiden. Und gründete: die SEGELREBELLEN. Eine Organisation, die jungen, an Krebs erkrankten Menschen nach Abschluß der Therapie die Möglichkeit gibt, auf dem Meer zu Segeln.
Als Marc mir seine Geschichte erzählt, bin ich bewegt. Davon, wie er sein eigenes Schicksal selbst in die Hand genommen, nicht aufgegeben hat. Dass er die Verantwortung für sich nicht abgegeben hat. Während ich Marc zuhöre, stelle ich fest, dass ich die Krebserkrankung, den Kampf meiner Eltern, die beide nacheinander an Krebs erkrankten, zwar irgendwie weggesteckt, aber nicht begraben habe.
Noch eins haut mich um:

„Meine Erkrankung war das Beste, was mir begegnen konnte“. Sagt Marc heute.

Hallo? So würde das kein Mensch formulieren.
Als ich das genau wissen will, sagt Marc: „Was wäre ich denn heute? Ein Jurist, der gut verdient, arrogant und überheblich durch die Stadt geht und sich überlegt, wofür er seine Kohle als nächstes rauswirft. Stattdessen: geh‘ ich segeln und nutze meine Zeit für Sinnvolles. Und helfe anderen Menschen, ihren Mut wiederzufinden. Und die Kraft, Verantwortung für sich nicht an Andere abzugeben.“

 

Am 18. März wird Marc aufbrechen zur Jungfernfahrt der SEGELREBELLEN. Unterstützt von zahlreichen Unternehmen wie HELLY HANSEN, SEALSKIN, KAYA Zu seinem ersten TÖRN DER HOFFNUNG. Zusammen mit fünf jungen Leuten, die ihre Therapie gerade überstanden haben, wird er von Marseille über den Golfe du Lion segeln. An der südfranzösischen Küste entlang. Von Marseille nach Mallorca. Im März. Über den Löwengolf. Durch die stürmischste Region des Mittelmeers. In der stürmischen Jahreszeit.

Ich werde Marc und seine Crew begleiten. Als zweiter Skipper auf diesem Törn von Marseille über Agde, Barcelona nach Mallorca. Und hier auf MARE PIU jeden Tag berichten. Ab Mittwoch, den 18. März. Wie es der Crew geht. Wie es mir geht. Was wir erleben werden.

Auf einem Törn, der sicher KEIN GANZ NORMALER TÖRN werden wird.

PS: Und wer ganz genau wissen will, wie es auf diesem Rennen gegen sich selbst zugeht: Marc postet  seine Erlebnisse ebenfalls täglich. Auf seiner Website der SEGELREBELLEN.

Weiterlesen bei: Die SEGELREBELLEN.

… und weil diese Reise KEIN GANZ NORMALER TÖRN ist: bitte ich die Leser von MARE PIU, unsere beiden Posts möglichst an viele andere Interessierte weiterzuleiten. 
Um Marc und seine Idee zu unterstützen. 
Danke.

Zum Saisonstart – Informationen rund um den Bootstrailer

SPS_21_TitelbildDie Vorbereitungen für den ersten Bootsurlaub in diesem Jahr sind für viele Skipper bereits voll im Gange.

Bootsbesitzer, die mit Ihrem Boot auf der Straße unterwegs sind, können sich im ADAC Marinaführer über die wichtigsten Bestimmungen und Besonderheiten beim Fahren mit einem Bootsanhänger in Deutschland und Europa informieren.

Im ADAC Marinaführer sind in den einzelnen Revieren unter der Rubrik “Trailern” detaillierte Informationen zu Tempolimits, Ausnahmegenehmigungen bei Überbreite und Verkehrsregeln aufgeführt.

Zur sicheren Verladung von Sportbooten stellt die Polizei Baden-Würtemberg eine ausführliche Broschüre zur Verfügung. Sportboote müssen so gesichert sein, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlichen Ausweichbewegungen nicht verrutschen oder herabfallen. Die aufgeführten Tipps zur sicheren Verladung behandeln neben der Wahl der geeigneten Zurrmittel auch die Verfahren der optimalen Sicherung der Boote.

Bei der Suche nach dem idealen Zugfahrzeug für Bootstrailer hilft der ADAC Zugwagentest 2014 weiter, in dem unterschiedliche Antriebsarten verglichen werden.

Detaillierte Informationen zu den Themen rund um den Trailer sind im neuen Faltblatt  “Mit dem Bootsanhänger durch Europa” enthalten, das auf Anfrage (Email: [email protected]) zugeschickt werden kann.

Sweet Grenada

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Das Land hat uns wieder, voll und ganz! Wir schlafen normal und sind geduscht, Johannes hat sogar schon wieder das Bastelfieber gepackt. Schön, dass es mittlerweile keine Reparaturen, sondern nur noch Ergänzungen sind, wie heute zum Beispiel eine Arbeitsleuchte im Cockpit oder ein dicker Riegel, damit wir das Boot auch von innen verschließen können. Und natürlich genießen wir die Zeit mit unseren Freunden von der “Maya”, die uns einen so tollen Empfang bereitet haben. Mit den Söhnen Samy und Adam planschen wir im marinaeigenen Pool, kosten Herberts Gin Tonic und es tut mir einfach richtig, richtig gut mit Asma mal wieder eine Frau zum Quatschen und Blödsinn machen zu haben ; ) Die vier hatten sich für ein paar Tage einen Mietwagen geliehen und uns kurzerhand zum Sightseeing eingepackt, sodass wir die wunderschöne Insel auch an Land erkunden konnten.

Sonntags gibt es hier immer ein besonderes Schmankerl. Auf der kleinen Insel “Hog Island” in der benachbarten Bucht findet ein Barbecue statt. Alle Yachties und viele Einheimische kommen mit dem Dingi, essen Mitgebrachtes oder dort Gebrutzeltes und neben der Strandbar spielt die Liveband des Schweizer Marinabetreibers, Dieter Burkhalter. Die Band mit ihren tollen Einheimischen Sängerinnen ist der Hammer! Am besten gefällt uns ihr Lied “This is home”, das von ihrem Zuhause Grenada handelt. Gänsehaut-Feeling macht sich jedesmal breit, wenn sie es spielen – ob am Strand, in der Marinabar oder beim Dingikonzert. Da muss man sich schon mehrmals zwicken um zu glauben, dass man tatsächlich hier ist.

Hier ein kleines Video: