Monat: Februar 2015

Die einsamsten Plätze meines Segelsommers in den Schären (Teil 2)

Im zweiten Teil meiner Highlights des langen Törns durch die Schären geht es dieses Mal um Schweden und wieder um Plätze, die besonders abgeschieden lagen und daher die gesuchte Einsamkeit boten. Dem einen mögen diese wieder bereits bekannt sein, dem anderen als Anregung für eigene Abenteuer dienen. Heute geht es wieder um drei versteckte Liegeplätzen einem reizvollen Routenvorschlag..

1. Själevik 57° 11,97N 016° 28,07E


Diese Ankerbucht liegt zwischen Kalmar und Oskarshamn. Die Einfahrt ist ein wenig knifflig und sollte daher langsam und vorsichtig gefahren werden, da es einige (in der Karte markierte) Unterwasserfelsen gibt. Auch entsprach der Wasserstand in der Bucht nicht dem in der Karte, sondern lag deutlich darunter. Die eigentlich optimal liegenden Felsliegeplätze am Ende der Bucht waren mit meinen 1,60m Tiefgang so nicht mehr zu erreichen. Am einfachsten ist es daher gleich vor Anker (Achtung Unterwasserkabel!!) zu gehen, und nicht zu tief in die Bucht einzufahren. Ich lag am Ende vor Heckanker und mit dem Dinghi ausgebrachten Landleinen, da ich einfach nicht dicht genug an das Ufer kam. Dafür aber ganz alleine an diesem einmaligen Platz, der sich für eine Erforschung mit dem Schlauchboot nur so anbietet. Auch gab es viele gut vorbereitete Feuerstellen und rundum Windschutz. 


2. Pataholm 56°54,7N 016° 26,5E


Ein sehr schöner Übernachtungsplatz im Kalmarsund liegt bei Pataholm. Man muss zwar ein Stück weit das Hauptfahrwasser verlassen und einem betonnten Nebenfahrwasser folgen. Dafür erhält man aber einen sehr sicheren und gut geschützten Liegeplatz an einem stabilen Steg ohne Strom und Sanitäranlagen. Ich lag hier Mitte Juni ganz alleine, erst spät abends legte sich noch ein schwedischer Segler neben mich an den Steg. Es führt ein sehr schöner Weg bis nach Pataholm, einer Art Museumsdorf. Man liegt hier längsseits oder vor Heckboje. Einfach dem betonnten Fahrwasser bis zum Steg folgen.


3. Grisselholmen 59° 22,0N 018° 49,0E



Dieser Platz liegt mitten in den Schären vor Stockholm, umso überraschter war ich das er relativ leer war. Er taucht in den gängigen Schärenführern nicht auf. Ich bin über eine schwedische App auf ihn aufmerksam geworden und so waren wir dann auch das einzige deutsche Boot in dieser romantischen Bucht. In den Felsen befinden sich bereits Schärennägel, so das man sich an ihnen gut orientieren kann bei der Liegeplatzsuche. Nach vorsichtigem Umrunden der kleinen Insel auf der Ostseite der Bucht hält man einfach vorsichtig auf die Felsen zu. Der Untergrund hält sehr gut und die Bucht ist rundum geschützt. Auch auf dieser Insel kann man sich wieder sehr gut die Beine vertreten, auf den Felsen sitzen, grillen und träumen. Anfang August lagen wir hier abends mit nur drei anderen Booten. Prädikat: Sehr empfehlenswert!


4. Fläskösund – Route durch die Schären

Und auch hier zum Abschluss wieder eine sehr enge Route durch die Schären. Sie sah beinahe aus wie eine Slalomstrecke auf der Skipiste, so eng standen die roten und grünen Stangen. Ich habe mich bei einer geschätzten Windstärke von Bft. 4-5 aus Süd, die hier wie üblich dem Fahrwasser folgt, einfach ohne Segel hindurchschieben lassen. Aber selbst dann musste ich teilweise mit Maschine zurück etwas Fahrt aus dem Boot nehmen um nicht zu schnell durch die enge Rinne zu fahren. Später auf der Reise wurde ich etwas ruhiger, dieses enge Fahrwasser ganz am Anfang meiner Tour empfand ich aber noch als sehr aufregend. Am Ende dieser zurecht Flaschenhals genannten Route biegt man übrigens in die oben erwähnte Själevik ab. Der ganze Tourabschnitt durch die Schären mit der engen Durchfahrt als Höhepunkt ist mir als sehr empfehlenswert im Gedächtnis geblieben.


Neulich auf dem Weg nach Schweden

Ein Zusammenschnitt von Videoszenen die während meiner Törns 2014 von Warnemünde nach Südschweden entstanden sind. Unterlegt von meinem Song „Ich geh segeln“. Enjoy! Und freut euch auf die bald beginnende Saison!

Unter Segeln: Wie ist es eigentlich und was kostet es, den Winteraufdem Boot zu verbringen?

Vor vielen Jahren schrieb ich über eine Silvesternacht im Hafen von Piran:

„Als ich im Hafen stand gestern Nacht,
kalt, auf der Pier vor den vertäuten Segelbooten,
das warme Licht darin,
war es nicht etwa so, dass ich mir dachte:
„Wie schrecklich!“ Sondern:
„Wie schön müßte das sein, im Winter hier segelnd unterwegs zu sein!
Abends in kleinen Häfen zu liegen.
Mich auf eine heiße Suppe und Licht zu freuen.
Ich habe diese Segler beneidet. Das täte ich gerne.“

Tatsächlich besitzt es großen Reiz, im Winter auf dem Meer zu sein. Tagsüber ein bisschen Sonne zu spüren. Nachts auf dem gemütlichen Boot.

Aber wie ist das nun wirklich, mit Kälte, mit Licht, mit warmen Essen?
Jedes Jahr überwintern im südtürkischen Finike an die 20, 30 Segler. Engländer. Schweden. Franzosen. Kanadier. Deutsche. Ein buntes Häufchen. Meistens Pärchen. Leben den Winter über auf ihren Booten. Sitzen tagsüber in der Sonne lesend in der Plicht. Sind unterwegs mit Fahrrad, um im Ort etwas zu besorgen. Treffen sich zum gemeinsamen Barbecue am Sonntag im PORTHOLE, einem Raum, eher ein Zelt, das die Marina-Leitung für die Segler aufgestellt hat.

Wie ist das wirklich, der Winter auf dem Meer? Hier ein Bericht über das Überwintern auf dem Meer im südtürkischen Finike.

1. Wetter, Wärme, Wind und Wellen.
Antalya, von dem Finike etwa 70 Seemeilen entfernt ist, ist Synonym für Sonne & Wärme. Erstaunliche Erfahrung ist: Soooo anders als im weit nördlicher gelegenen slowenischen Piran oder auf Mallorca ist das mit Sonne & Wärme in Antalya nicht. Für alle drei genannten Orte gilt:

Scheint die Sonne im Januar oder Februar tagsüber, hat es schnell 12 oder gar 15 Grad erreichen. T-Shirt-Wetter. Wenn der Wind nicht bläst. Bläst er, ists oft ganz schnell vorbei. Oder wenn die Sonne den Zenit überschritt. In Izola pflegten meine slowenischen Bootsnachbarn, fast Dauerlieger, im Februar kurz vor 16 Uhr mit Blick auf die Sonne zu sagen: „Noch zehn Minuten. Dann wirds kalt.“ Und so ist es: Gleich ob in Antalya, Mallorca oder Izola: der Wechsel von „T-Shirt auf kalt“: er vollzieht sich in Minuten.

Der schnelle Wechsel: Das gilt auch für den Wind in der Südtürkei. Eben noch preisen Martine & Michel, meine kanadischen Bootsnachbarn, den Tag ob des warmen Sonnenscheins als „journee extraordinaire“, als es keine Minute später eiskalt aus Südwest mit 6bft. pfeift. Und man sich lieber wieder ins warme Bootsinnere verholt und auch gleich das Steckschott einsetzt. Alles ist nur Vorspiel für einen noch kälteren dreitägigen Nord, der selbst in den Hafen Schneeflocken weht und Schauer körnigen Eises treibt.

Leben mit schnellen Wechseln. Und diesen schnellen Wechsel sind auch die Wetterberichte nur bedingt gewachsen. Die Wettervorhersagen von Internet-Seiten, so detailliert sie sich geben, sind oft Makulatur. Erfahrungen und wie es übers Wetter aussieht: tauschen die Segler jeden Morgen um 9 Uhr über den Funk aus.

Hinzu kommen in der Türkei von Januar bis März längere Regenperioden. Zwei, drei, vier Tage mit prasselndem Regen, den der Südwind bringt. Der ist zwar wärmer, erreicht aber ganz gerne auch Sturmstärke. Das Video von Martine & Michel zeigt, wie das Leben des Seglers auf dem Boot auch mal sorgenvoll wird.

Leben im Winter auf dem Boot: Noch mehr als im Sommer ist die Lebenskunst gefragt, anzunehmen, was kommt. Und das Beste daraus zu machen.

2. Der sichere Hafen.
 

 

Hafen. Das ist etwas, was der Segler mit Sicherheit verbindet. Gleichgültig, ob beim „Hardstand“ an Land oder beim Liegeplatz im Wasser: Es lohnt sich, vor dem Platz zum Überwintern den Ort seiner Überwinterung etwas genauer anzusehen: 

Wie geschützt ist der Hafen bei jeder Windrichtung?
Wie sehr ist die Marinaleitung auf Zack:
• Wie gut ist die Security?
• Sind die Marineros bei Sturm auf der Pier unterwegs? Schauen Sie bei Sturm nach den Festmachern? Belegen sie auch doppelt? Fassen Sie überhaupt Festmacher an?

Nicht in jeder Marina ist das selbstverständlich. Manche Hafenkapitäne lehnen es auch ab, Hand an die Boote zu legen. Weil mancher im Schadensfall ein „Na-Ihr-habt-doch-das-Schiff-zuletzt-vertäut…“ fürchtet.

Danach die Facilities in der Marina: Saubere Wasch- und Toiletten-Anlagen? Warmwasser im Winter? Wo kann man Wäsche waschen? Gepriesen sei in Finike das örtliche Hamam im Winter. Herrliche Stunden in wärmenden Dampfschwaden nach einem kalten Tag an Deck. Geschrubbt von oben bis unten von Hassan, dem Badeknecht.

Auch die Infrastruktur am Ort ist wichtig, fürs Überwintern. Während im sommerlich überlaufenen Mallorca im Winter die Bürgersteige hochgeklappt werden, die Infrastruktur in Häfen wie Alcudia, Pollensa oder Sollér mangels Touristen fast gänzlich eingestellt werden, funktionieren Orte wie Marmaris oder auch das kleine Finike unbeeindruckt weiter. Busse gehen. Restaurants sind geöffnet. Läden ausnahmslos auch. Orte, die funktionieren, weil sie nicht ausschließlich auf Tourismus ausgerichtet sind.

3. Die Kosten.
Für LEVJE’s 31-Fuß kostet der Halbjahres-Winterliegeplatz etwa 1.300 Euro, pro Monat also etwas mehr als 200 Euro. Mit einrechnen muss man aber das Frühjahrsende: Das Kranen (in Finike mit etwa 370 Euro) sowie die „Anschlußzeiten“ nach Auslaufen des Halbjahresvertrages: 14 Tage werden hier dann zum Tages-Liegepreis abgerechnet: noch einmal 350 Euro.

Die Lebenshaltungskosten sind in einer Kleinstadt wie Finike deutlich günstiger als in der 1,6 Millionen-Metropole Antalya. Gehobenes Abendessen mit frischem Fisch, Wein, Dessert zwischen 15 und 25 Euro. Einkauf im Supermarkt oder auf dem Markt: ebenfalls vergleichsweise günstiger.

Kosten für Mobilität: ein kleiner Leihwagen in Finike kostet pro Tag 50 € bis 60 €. Wer sich im Internet umschaut, bekommt am Flugplatz von Antalya fürs selbe Geld denselben Leihwagen: für eine ganze Woche.

Fazit: Derart Reisen ist – je nach Vorlieben – für deutlich unter 1.000 Euro im Monat zu haben.
Neue „Spielsachen“ wie Bootszubehör aus’m Internet nicht eingerechnet.

 
4.Das Leben im Winter.


Und wie ist es nun, das Leben im Winter auf dem Boot? Mit Kälte, mit Licht, mit warmem Essen?

Tatsache ist: das Leben ist schön trotz mancher Unbill für den, der das Leben auf dem Boot liebt. Und der über tagelanges Geschaukel unter Deck im graukalten Schlechtwetter hinwegsehen kann.


Tagsüber: die Sonne. Das in der Sonne sitzen und sich freuen an den schneebedeckten Bergen im Hintergrund, an den Farben des türkisblauen Meers. Am satten Grün der Wiesen, wenn man durch vergessene antike Stätten wie das Myra des heiligen Nikolaus oder Limyra streunt.

Überhaupt: wem Entdecken und Reisen außerhalb der Saison eine Freude ist, dem ist dieses Leben trotz mancher Entbehrung ein Genuß. Kaum jemand ist unterwegs, egal ob Strand, Museum oder antike Bauwerke: Man genießt den Reiz nicht überlaufener Orte, bewegt sich mit und unter denen, die an diesen Orten leben. In der Antike: Bin ich ganz allein.

Und Abends, wenn es kalt wird, die Steckschotten zugemacht.

Petroleumlampe angezündet.
Linguine a lo scoglio gekocht mit dem, was es heute bei einem der drei Fischhändler auf dem Markt zu kaufen gab. Und hinterher auf dem warmen Boot lesen und Schreiben.
Noch mal kurz raus ins Cockpit, mit einem Bier, einem Whisky in der Hand in den unglaublichen Sternenhimmel schauen.
Und beim Einschlafen den Wellen lauschen, im kalten Wind an der Bordwand glucksen.

Hat schon was.

14. Tag auf See

Jeden Morgen, wenn die Nachtwache vorüber ist, kocht Cati mir einen Kaffee und geht in die Koje. Ich setze mich dann mit einem Buch aufs Brückendeck und lese. Oder lege das Buch nach einigen Minuten wieder beiseite und schaue aufs Meer. Heute morgen war mein Platz unter der Sprayhood allerdings schon belegt. Dort lag ein winzig kleiner fliegender Fisch, etwa 5 Zentimeter lang. Er muss wohl bei Nacht an Deck gelandet sein. Die Morgensonne hatte ihn so ausgetrocknet, dass er am Antirutschbelag festklebte. “Das erinnert mich an meinen Fisch an der Raufasertapete”, hat Cati gemurmelt. In ihrer Teeniezeit hatte sie mal ein Aquarium und eines Tages war ein Fisch weg. Später fand sie ihn an der Tapete hinter dem Aquarium klebend … Wahrscheinlich hat unser Fisch hier im Cockpit gestern Nacht den Decksscheinwerfer gesehen und ist dem Licht entgegen gesprungen. Denn pünktlich um ein Uhr morgens, als ich gerade eingenickt war, fing es mal wieder an zu blasen. Ständig ist “Maverick” über sieben Knoten gelaufen, einige Male ins Surfen gekommen und von den Wellen, die gerade von Nordosten anlaufen, krachend auf die Seite geworfen worden. Also Ölzeug an und raus, das dritte Reff ins Groß und die Genua ein bisschen einrollen. Kaum ist der Scheinwerfer an, sehe ich den ersten fliegenden Fisch aufs Schiff zusegeln. Im letzten Augenblick hat er dann aber doch noch einen Bogen geflogen und ist zurück ins Wasser. Obwohl das Reffen im Scheinwerferlicht nach etwa zehn Minuten erledigt ist, fühle ich mich danach ganz schön erschöpft. Vor allem das Gekurbel an unseren 42 Jahre alten Winschen kostet Kraft, weil die ehemals raue Oberfläche inzwischen glatt ist und die Leinen einfach durchrutschen. Die Erschöpfung kam vielleicht aber auch durch das Antibiotika. Die Ärztin auf Madeira hatte mir damals extra noch gesagt “no sports”. Hmm … ist gerade schwierig. Mit drittem Reff laufen wir nun immer noch im Schnitt sechs Knoten. Das selbstgebackene Sonnenblumenkernbrot gestern war übrigens fantastisch. Wie aus der Bäckerei. Zumindest schmeckte es nach Monaten des weißen Toastbrots so. Seit wir im September aus Deutschland weg sind, gibt es ja kein Schwarzbrot mehr. Nur in England haben wir mal ein Brot nach “German style” bekommen. Cati hat die letzten beiden Avocados zu Guacamole verarbeitet. Jetzt haben wir noch eine Mango und einige Limetten. Dann gibts Dosenfrüchte. Freu mich schon auf den Fruchtcocktail von Aldi ; ) Nun zieht hier gerade eine dunkle Wolkenfront durch. Die Sonne ist weg, dafür regnet es. Vielleicht steckt auch noch ein bisschen Wind drin. Cati liegt auf der Koje und macht Sodoku, ich unser tägliches Kreuz un die Karte. 1430 Seemeilen hinter uns, 1615 to go … Johannes

Die multimediale Segelreise "Segeln in den Schären" am 20.2.2015 in Hamburg


Im Zuge des Benefizkonzertes für die Kinderbrücke Hamburg am 20.2.2015 werde ich eine 45 minütige Kurzversion meiner Multimediashow mit Live Band präsentieren. Der Eintritt ist frei und es gibt viele abwechslungsreiche musikalische Highlights an diesem Abend. Dazu gibt es leckeres Chili und Guinness vom Fass. Und alles für einen guten Zweck. Ich freu mich auf euch!!

13. Tag auf See

Das Leben an Bord ändert sich mehr und mehr. Die ersten eineinhalb Wochen haben wir eigentlich Tag und Nacht in Thermounterwäsche gelebt, über die wir während unserer Wachen dann noch jeweils Vlies und Ölzeug gezogen haben. Bis zu den Kanaren war es tagsüber noch relativ kalt, bis zu den Kapverden auch nachts. Gut, die Flautentage einmal ausgenommen. Cati hat drei Sätze Thermowäsche an Bord, ich nur einen einzigen. Irgendwie unfair. Deshalb konnte ich es auch kaum abwarten, zu den Kapverden zu kommen. Mit Erreichen der südlichen Breiten ist es an Bord nun deutlich wärmer geworden. Tagsüber sitzen wir mit kurzer Hose im Cockpit und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen – und selbst nachts reicht es, in Boxershort an Deck zu hüpfen, wenn die Windfahne etwas nachjustiert werden will. Auch das Bordleben ist zur Routine geworden. Die Wachwechsel alle vier Stunden nachts, das Kochen, das Abwaschen, die Salzwasserduschen. Heute hatten wir beide einen Riesenappetit auf frisches Brot. Glücklicherweise habe ich in Deutschland bei Lidl noch etwa 15 Backmischungen eingepackt. Unser Backofen hat allerdings eine kleine Macke: Das Thermostat erreicht die eingestellte Temperatur und die Gasflamme wird so niedrig gedreht, dass sie irgendwann ausgeht. Ich habe das bisher immer auf einen falschen Druckminderer geschoben, denn wir haben ein 50-mBar-Modell verbaut, der Hersteller schreibt 37 mBar vor. Aber nun haben wir den Ofen heute tatsächlich dazu gebracht, eine Stunde lang 220 Grad zu halten. Das Ergebnis ist ein tolles, frisches Sonnenblumenbrot. Was für ein tolles Geschenk hier draußen auf dem Atlantik. Solch im deutschen Alltag ganz normale Dinge sind es, an denen wir uns hier freuen, wie kleine Kinder ; ) Das Schiff läuft gerade super, wir machen seit dem Morgengrauen richtige Rauschefahrt. Immer 6 bis 6,5 Knoten. Allerdings etwas zu weit südlich, der Wind kommt direkt aus Nordost. Im Westen sollte er dann östlicher kommen, deshalb haben wir heute die Segel geschiftet und können nun etwas mehr West gutmachen. Das sollte so erstmal hinhauen. Wir haben schon 1310 Seemeilen zurückgelegt und so langsam gibt es ein paar Wartungsaufgaben. Eine Steuerleine der Windsteueranlage muss zum Beispiel heute noch getauscht werden, damit sie uns nicht bei Nacht wegfliegt. Ansonsten ist aber noch alles in Ordnung, keine Ausfälle am Boot. Ich bin wirklich begeistert. Ausfälle bei mir allerdings. Ich nehme seit gestern Abend Antibiotika. Bis eine Woche vor der Reise habe ich ja auf Madeira mit einer heftigen Grippe in der Koje gelegen und mir dabei wohl im Rahmen der Erkrankung auch noch die erste Blasenentzündung meines Lebens zugezogen. Damit war ich in Funchal sogar in der Klinik (53 Euro) und habe eine Packung Antibiotika verschrieben bekommen. Die habe ich damals weggeknuspert und dachte, damit wäre alles in Butter. Eine Woche nach der letzten Tablette haben wir abgelegt. Allerdings scheint die Krankheit noch nicht ganz weg gewesen zu sein, sondern kommt nun zurück. Das ist natürlich mitten auf dem Atlantik mehr als unpraktisch – und auch ein bisschen besorgniserregend. Hab gelesen, dass sie beim Mann auf die Nieren und andere Körperteile überspringen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Gut, dass ich hier nicht nach noch mehr Gefahren googeln kann. Blödes Gefühl trotzdem, mit den Kapverden im Nacken (gegen den Passat) und noch 2000 Seemeilen vor dem Bug. Glücklicherweise habe ich Cati eine Packung Antibiotika auf die Einkaufsliste geschrieben, als sie in Funchal die letzten Besorgungen gemacht hat – und nach Absprache per Mail mit meinem netten, segelnden Hausarzt futtere ich die nun jeden Tag. Wird schon wieder werden … Ansonsten laufen wir als erstes Barbados an, das noch 100 Meilen näher liegt, als die anderen Inseln der Windwards. Inzwischen zeigt das GPS nur noch 1700 Seemeilen bis dorthin an. 12,5 Tage bei dem Speed. Kommt uns gar nicht mehr so viel vor, dabei ist morgen oder übermorgen erst Bergfest. Meilenmäßig jedenfalls. Zeittechnisch wohl heute. Wir freuen uns anzukommen, am Strand zu liegen und im Wasser zu schwimmen. Aber uns ist hier draußen alles andere als Unwohl. Wir lieben unsere kleine Welt fast ohne Einflüsse von außen. Damals nach meiner ersten Atlantiküberquerung, nach 31 Tagen auf See, wollte ich sogar immer so weitersegeln … Johannes

12. Tag auf See

Wieder ein gutes Etmal. Gestern früh haben wir die ersten 1000 Seemeilen geknackt, nun sinds heut Nachmittag schon 1200. Es geht voran. Das Schiff und die Windsteueranlage haben eine Einheit gebildet. Auf den ersten tausend Meilen, bis nach Portugal, musste ich noch ein paar Feintunings durchführen, aber jetzt steuert sie einfach perfekt. Was für eine Erleichterung, uns nicht uns Steuern kümmern zu müssen. Ein verrücktes Gefühl: Hier in der Kajüte sieht es aus wie immer. Als wir in England waren genauso wie auf Madeira. Aber draußen zieht gerade einfach so der große Atlantik an uns vorbei. Es ist ein bisschen wie Busfahren. Man muss sich ständig an den Handläufen an der Decke festhalten, wenn man durch die Gegend läuft und das Schiff fährt einfach dem Ziel entgegen. Ganz ohne mein Zutun natürlich auch nicht, eben habe ich zum Beispiel ein bisschen ausgerefft, der Passatwind hat ein bisschen abgenommen und ein kleiner Regenschauer zieht durch. Heut früh lag der erste fliegende Fisch an Deck. Ganz klein, etwa sechs Zentimeter lang. Davon sollten wir in den nächsten Tagen noch mehr bekommen. Heute Mittag habe ich wieder gut eineinhalb Stunden mit meiner Kaffeetasse im Cockpit gesessen und den Wellen zugeschaut. Ein paar portugiesische Galeeren sind vorbeigetrieben und zwei Fliegende Fische sind im Geschwaderflug über die Wellen geglitten, aber ansonsten ist alles beim alten. Wolken und die tiefblauen Wellen. Immer das gleiche, aber trotzdem gleicht keine Welle der anderen. Die frischen Vorräte sind fast weggefuttert, gestern gab es Reis mit einer Uncle-Bens-Sauce. Die Bilge ist auch immer noch voll mit deutschen Konserven, auf die wir nun bald zurückgreifen müssen. Das GPS sagt etwas von “noch 14 Tage” bis in die Karibik. Gestern waren es noch 15. Das ist das einzige, an dem wir merken, wie die Tage vergehen. Und natürlich dieser Blog hier. 12. Tag auf See schon, wahnsinn. Wie die Zeit vergeht. Johannes

Die einsamsten Plätze meines Segelsommers in den Schären (Teil 1)

Auch wenn die neue Segelsaison langsam näherrückt, bleibt einem zur Zeit doch nur das Träumen. Und interessanterweise kommen gerade jetzt in Nacht- und Tagträumen viele Erinnerungen an den letzten Sommer zurück. Es scheint als würde nun auch mein Unterbewusstsein nach Aufbruch, sonnigen und vor allem einsamen Buchten schreien. Denn gerade diese Einsamkeit habe ich als Alleinsegler gesucht, obwohl ja manche vermuten könnten, das man eher auf der Suche nach Gesellschaft wäre. Doch andere Einhandsegler werden mich verstehen. Diese in mir keimende Sehnsucht scheint mir heute gerade gut geeignet um ein paar Highlights meines langen Ostseetörns durch die Schären hier genauer vorzustellen. Dem einen mögen diese bereits bekannt sein, dem anderen als Anregung für eigene Abenteuer dienen. Beginnen möchte ich mit drei versteckten Liegeplätzen auf den Aland Inseln sowie einem reizvollen Routenvorschlag.

1. Björkör 59° 56,27N 20°13,33E

An diesem wunderschönen Ort, der mehr Insel als Schäre ist, lag ich mitten im Juli mutterseelenallein. Zum einen liegt die Insel etwas abseits der üblichen Routen und am Rande des Archipels. Viele haben hier schon einen Nordostkurs eingeschlagen und lassen die Insel steuerbords liegen. Zum anderen ist die Anfahrt etwas knifflig und gerade vor dem Steg wird es schnell sehr flach. Der Platz an dem ich dort lag erwies sich dann vor Ort auch als der einzig Mögliche für meinen Tiefgang von 1,60 Metern.  Bei stärkeren südlichen Winden sollte man dort jedoch besser nicht liegen. Man steuert den Platz von Westen kommend an, indem man nördlich an der Insel vorbeiläuft und mit reichlich Abstand (nicht zu früh eindrehen!) das Nord-Ostkap rundet um dann mit Südkurs zwischen Björkör und Östergrundet hindurchzufahren.

Dann wieder mit gutem Abstand zum Ufer (ausgedehntes Flach) westwärts mit einem Zielpunkt wenige Meter vor dem Steg laufen. Langsam fahren und immer das Echolot im Auge behalten. Hier dann das Boot parallel zum Steg ausrichten und vorsichtig VORWÄRTS an den Steg gehen. Der Untergrund ist schlammig. 

Es ist mir nicht gelungen zwischen die Stege zu kommen, auch wenn mir dieses ein Motobootfahrer so signalisierte. Echolot und Kiel hielten aber dagegen. Es gibt wie zu erwarten keinen Strom oder sonstige Einrichtungen, aber einen guten Grillplatz und jede Menge Platz auf der Insel. Es gibt ein paar angelegte Pfade, einen Aussichtsturm kurz gesagt: Es war der perfekte Ort für eine laue Sommernacht. Aufgrund der Bedingungen wird die Insel wohl überwiegend von Motorbooten angelaufen, die dann abends verschwunden sind. Auch wenn ich mir andere Ankerbuchten häufig auch nur mit sehr wenigen Nachbarn teilen musste, ist es definitiv noch eine andere Erfahrung einmal wirklich ganz und gar alleine auf so einer großen Insel zu sein.

2. Stegskär 60° 07,6N 19° 57,39E

Mein Favorit in der Kategorie größere Schäre liegt nicht ganz so abseits der Routen und im Laufe des Tages kommen und gehen stets einige Boote. Auch hier verschwinden die Motorboote gegen abend, während die Segler bleiben. Die einzelnen Festmachplätze sind alle recht unzugänglich, so das man „seinen“ Schärenplatz dann auch für sich hat. Die Insel ist recht unzugänglich, aber mit etwas Geduld kann man sich seine Wege durch den Bewuchs suchen. Die Südseite bietet eine sehr schön felsige Kulisse mit guten Bademöglichkeiten und einem ganz einmaligen Ausblick auf die Weiten der Ostsee. Die Einfahrt in die Ankerbucht erfolgt von West indem man sich mittig zwischen den Felsen hält. Es gibt verschiedene Möglichkeiten an die Schäre zu gehen. 

Der beste Platz ist der Östlichste. Man beachte immer, das je steiler die Schäre abfällt man umso dichter  heranfahren kann. Denn flachen Stücke gehen auch unter Wasser meistens so weiter und eignen sich daher nicht. Der Ankergrund hält gut. Man kann in der Bucht auch ankern, wenn man sich den Festmachstress ersparen will. Andererseits bietet die Insel so viele einmalige Aussichten und Felsformationen, das man dann zumindestens das Dinghi bemühen sollte.


  
Stegskär eignet sich ganz hervorragend als Absprung- bzw. Ankunftshafen aus Richtung der Stockholmer Schären (z.B.: Arholma), da es am Rande der Schären liegt und man direkt Kurs auf Schweden anlegen kann.  

3. Enskär 60° 12,71N 19° 19,03E

Ein ehemaliger Stützpunkt der Armee, der erst kürzlich für Besucher freigegeben wurde. Ebenfalls am Rande der Alandinseln (diesmal westlich) gelegen, eignet er sich als Ankunftshafen aus Richtung Grisslehamn. Diese Route ist der kürzeste Weg in Richtung Schweden. Die Insel ist sehr kahl und besteht überwiegend aus nackten Felsen, ist auf ihre Art aber auch sehr reizvoll. Es gibt eine Steganlage auf der noch Anlegeverbotsschilder hängen, diese scheinen aber nach Auskunft der Finnen vor Ort nicht mehr gültig zu sein. Jedenfalls lagen hier alle fest und hat sich auch niemand darüber beschwert. Strom, Wasser oder Sanitärgebäude gibt es hier natürlich auch nicht. Dafür liegt man aber ganz hervorragend geschützt innerhalb der Steganlage auch bei stärkeren südlichen Winden. Einfach in die Bucht einfahren, die Tonnen beachten und dann Kurs Stegkopf. Wenn man den Stegkopf eng umrundet ist es dahinter auch tief genug für die meisten Boote. 

Ich lag hier mit einigen wenigen anderen Seglern und es wurde ein sehr gemütlicher Abend rund um Steg und mit den aufgebauten Grills davor. Enskär liegt ebenfalls noch gut ausserhalb des Archipels und hat sich daher seinen Einsamkeitsfaktor gut bewahrt.   

4. Route – Von Ost nach West: Einfahrt 60° 04,7N 20° 45,2E  Ausfahrt 60° 4,7N 20° 39,6E

Diesen drei Plätzen möchte ich noch eine südlich von Sottunga etwas versteckte Route hinzufügen. Sie ist mit 1,80m Tiefe angegeben. Ich kam mit meinen 1,60m dort problemlos vor dem Wind segelnd durch. Diesen Streckenabschnitt und dessen betonnte Fortsetzung (nach Ausfahrt einfach genau westlich halten) in Richtung Degerby kann ich jedem Alandsegler nur ans Herz legen! Das ist Schärensegeln vom Allerfeinsten!!

11. Tag auf See

In den letzten 24 Stunden sind wir ein 140er Etmal gelaufen. Fantastisch! Der Wind hat wieder etwas gedreht und wir laufen südlicher, als gestern. Je weiter wir nach Süden kommen, sollte er dann östlicher wehen und wir gehen zurück auf direkten Kurs. Heute sind wir beide irgendwie platt, wie erschlagen. Ob das an dem grauen Wetter liegt? Dicke Wolken am Himmel, gräuliche Stimmung. Dafür aber warm und die Wellen sind etwas kleiner geworden. Eben saß ich fast zwei Stunden mit einem (zum Beginn heißen, zum Ende hin kalten) Kaffee unter der Sprayhood und habe auf den Atlantik hinausgeschaut. Ich könnte das echt den ganzen Tag machen. Zusehen, wie “Maverick” von den Wellen angeschubst wird und dann hinuntersurft. Der Windsteueranlage bei ihrer Arbeit zuschauen. Sie hat ordentlich zu kurbeln, aber das Kielwasser sieht fast gerade aus. Ohne das Ding müssten wir ständig selbst steuern und wären noch müder, als ohnehin schon. Dabei machen wir doch gar nicht so viel. Die Nacht durchmachen (Wache), schlafen, lesen und Essen. Das erinnert mich an meine Studentenzeit ; )Trotzdem sagt Cati, ich hätte ganz schön abgenommen. Sich ständig auszubalancieren und bei jeder Tätigkeit abzustützen kostet Kraft und Anstrengung. Gestern war wie Weihnachten. Denn es gab Kartoffelsalat mit Würstchen, nach Cati-Art. Lecker. Als Folge, weil noch zu viele Kartoffeln und Eier übrig waren, gabs heute zum Frühstück “Mecklenburger Bauernfrühstück”. Eine Erinnerung an eine tolle Jugend mit meinem Vater rund um die Mecklenburger Seen. Als ich 14 war, haben mein Onkel und er uns einen alten Jollenkreuzer gekauft, Typ Atlanta Flamingo. Nach meiner 500-DM-Jolle das erste richtige Kajütboot. Eigentlich aber ein sehr merkwürdiges Schiff, mit Seitenschwertern. Also zwei Schwertern, die aus den Backkisten geklappt werden. Dazu eine winzige Kajüte, einer von uns musste immer draußen unter der Zeltpersenning schlafen. Das hat uns aber nicht gestört, wir hatten einen wunderschönen ersten Segelsommer auf der Müritz bis hinüber nach Plau. Bis heute eines meiner liebsten Segelreviere. Und an jeder Ecke gabs damals Bauernfrühstück (das ich auch an jeder Ecke gefuttert habe). Deshalb erinnert mich das Bauernfrühstück immer an unseren allerersten Törn zusammen. Cati hat schon wieder ein Buch durch, liest jetzt “Tagedieb und Taugenichts”. Ansonsten weiß ich von gestern nicht mehr viel. Ich glaub, wir sind im Transatlantik-Modus angekommen  Johannes

10. Tag auf See

Die letzten beiden Tage waren wir auf Raumwindkurs unterwegs, also mit dem Wind und den Wellen von schräg hinten. Die Wellen sind in den vergangenen 24 Stunden immer höher geworden, nun schon fast vier Meter, und das Geschepper hat uns heute absolut keinen Spaß mehr gemacht. “Maverick” wurde immer wieder brutal auf die Steuerbordseite geworfen, dass es nur so knackste und krachte. Wir hatten manchmal Sorgen, sie bricht uns hier auseinander. Ein komisches Gefühl zu realisieren, dass uns nur 9 Millimeter Plastik vom 5000 Meter tiefen Atlantik trennt … Aber das Schiff ist ja stabil gebaut – und trotz der vielen Wellen, die über Deck gebrochen sind, haben wir nichtmal Wasser in der Bilge. Heute Mittag, nach der Positionsbestimmung (131-Seemeilen-Etmal, yeah!) hatte ich dann die Nase voll von dem Geschepper. “Wir gehen auf Kurs Karibik!”. Glänzende Augen bei Cati. Endlich direkten Kurs. Wir waren ja erstmal auf Kurs Südsüdwest in Richtung der Kapverden gelaufen, um den Passat zu erreichen. Nachdem wir nun seit zwei Tagen mittendrin sind und den 20. Breitengrad erreicht haben, können wir also den nächsten Wegpunkt anliegen, der bei 15 Grad Nord und 35 Grad West liegt. Etwa 650 Seemeilen entfernt. Also raus die Großschot, Vormwind-Kurs. Den Bullen nachspannen, falls die Windsteueranlage eine Halse fahren sollte. Genua einrollen. Dann das Geraffel auf dem Vorschiff klarmachen, den Spibaum an die Genua hängen, mit dem Toppnant vorheißen. Windsteueranlage auf Vorwindkurs einstellen – und die Genua ausrollen! Sofort stabilisiert sich das Schiff und läuft wie auf Schienen nach Westen. Ich bin großer Fan der Butterfly-Segelstellung für Atlantiküberquerungen. Das hat damals gut geklappt und tut es diesmal auch. Wahrscheinlich ist das keine allgemeingültige Lösung für alle Schiffe, der Baum darf nicht zu lang sein, sonst kann die Baumnock in die Wellen tauchen. Aber auf den “Mavericks” funktioniert das super ; ) Dann ein Kontrollblick zur Windsteueranlage. Auweia, das war höchste Eisenbahn. Eine Steuerleine ist fast durchgescheuert. “Cati, zieh dir Ölzeug an, ich brauch dich kurz draußen.” Minuten später steuert Cati das Schiff durch die hohen Wellen, während ich das durchgescheuerte Stück Leine herausschneide und neu anknote. Ich habe die Leinen bewusst etwas länger gelassen, damit ich so die Scheuerstellen an den Blöcken von Zeit zu Zeit versetzen kann. Nach fünf Minuten ist die Arbeit erledigt, das Schiff läuft wieder unter Selbststeuerung. Alles geht von selbst. Kurs 250 Grad. “Wenn wir weiter nach Süden kommen, sollte das Schiff sich selbst in Richtung Karibik einpendeln, also auf 270 Grad gehen”, erkläre ich Cati. Zumindest war das damals so. Ich hoffe, dass das diesmal auch klappt. Das Schiff rollt zwar immer noch von einer auf die andere Seite, aber längst nicht mehr so ruppig. Die Logge springt zeigt ständig über sechs Knoten, manchmal sogar 7. Das GPS rechnet eine Dauer von 12 Tagen für die vor uns liegenden 2000 Seemeilen aus. Wow! Inzwischen hat es sich aber auf 15 eingependelt. Auch nicht so schlecht. Cati steht im Niedergang, sieht die hohen, tiefblauen Wellenberge an uns vorbeirauschen und hat Tränen in den Augen. “Ich, die kleine Cati aus dem Dorf Quetzen, segele hinaus auf den Atlantik!” Sie kann es nicht fassen. “Das ist alles so schön hier!”. Das finde ich auch. Der Grund, weshalb wir zwei Jahre zusammen in der Halle geschuftet haben, um das Schiff fertig zu bekommen. Und nun sind wir wirklich hier, auf dem großen Ozean. Und können unser Schiff nun 2000 Seemeilen einfach laufen lassen. Wir freuen uns drauf! Johannes

9. Tag auf See

Nicht, dass der Wind gestern noch nicht gereicht hätte … Kaum hatte mich Cati letzte Nacht um Mitternacht bei der Wache abgelöst, legt der Wind nochmal einen Zacken zu. “Maverick” krängt ordentlich weg und läuft aus dem Kurs, luvt enorm an. Da wir vorher im Nordost-Passat auf Raumwindkurs nach Süden gesegelt sind, legt mit dem Anluven natürlich auch das Schiff einen Zacken zu. Die mitlaufende Welle rattert immer schneller, bildet fast schon ein durchgängiges Surren. “Okay, dann halt das dritte Reff”, murmele ich und klettere aus meiner gerade angewärmten Koje. Cati hat zwei kleine P’s in den Augen, die einen Anfall von Panik markieren. “Keine Sorge, das ist alles normal”, versichere ich ihr – und denke mir “es ist normal, das sowas immer dann passiert, wenn ich in der Koje bin.” Also Ölzeug an, Rettungsweste, Lifebelt – und raus. Die Nacht ist stockdunkel. Klar, der Mond geht erst in einer Stunde auf. Gutes Timing. Im Licht des Decksscheinwerfers nehme ich Druck aus dem Groß, klinke mich in die Sicherheitsleine und klettere nach vorn, um zu reffen. Die Leinen sind nicht ins Cockpit umgelenkt, denn eigentlich hantiere ich gern auf dem Vordeck mit den Segeln. Das Groß hat natürlich immer noch genug Reibung am Mast und will nicht runterkommen. Jetzt Cati an Deck zu holen, damit sie das Schiff kurz in den Wind dreht, ist auch Quatsch. Also schnappe ich mir ein Tauende, befestige es an dem nächsten Reffhaken, der noch ein Stück über meinem Kopf baumelt und winsche das Segel runter. Geschafft. Die Reffhaken fest, das Unterliek über die blaue Reffleine spannen – und schon segelt “Maverick” wieder eine ganze Ecke aufrechter, bei gleichem Speed. Zurück ins Cockpit, ein Zeising holen. Damit lasche ich das überschüssige Tuch an den Baum, damit wir zwischen ihm und der Sprayhood besser nach vorn schauen können. Auch die Genau noch schnell zwei Umdrehungen einrollen, das sollte so passen. Als ich wieder unter Deck bin, sitzt Cati vollkommen beruhigt am Kartentisch. Das Schiff segelt ja wieder relativ aufrecht. Aber ich staune, dass ich fast eine halbe Stunde da draußen war. Wie die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert … Das Tagesetmal ist mit 120 Meilen wirklich nicht schlecht. Inzwischen laufen wir sogar durchschnittlich mit sechs Knoten, was ein nächstes Etmal von 140 Meilen ergeben könnte. Mal abwarten. Unser erster Wegpunkt ist nur noch 160 Seemeilen entfernt. Übermorgen früh könnten wir dann also nach rechts abbiegen und vor dem Wind Kurs auf die Karibik nehmen. Das sind dann noch etwa 2200 Seemeilen. Bis jetzt haben wir 770 Meilen im Kielwasser. Angesichts der vielen Flaute eigentlich gar nicht so schlecht. Cati ist nun erstmal geschafft und liegt mit einem Hörbuch im Ohr in der Koje. Ständig muss sie zurückspulen, weil sie wieder mitten im Kapitel eingepennt ist. Mal sehen, ob sie mit den Hörbüchern die ganze Überquerung hinkommt. Mit genug Nachschub hatte sie sich vor der Abfahrt bei ihrer Mutter versorgt. Das Wetter ist im Moment sehr wechselhaft. Heute früh sogar ein bisschen Regen, dann herrlicher Sonnenschein typisch 4000-Meter-tiefblauer Ozean, jetzt wieder bedeckt, mit kurzen Sonnenlücken. Die frischen Sachen gehen langsam zur Neige. Heute das letzte Mal Obstsalat. Das wird mir fehlen. Aber wir haben noch ein paar Fruchtcocktails von Aldi in Deutschland in der Bilge. Mal sehen, ob wir die finden ; ) Johannes

Der Segler im Winter: Die Sorge um das Boot. Oder: Der Winter in Bayern. Und in Finike.

Auch wenn der Winter an den bayrischen Osterseen ein Traumwinter ist: Er ist es nicht überall.

So schön der Winter in unseren Breiten auch immer sein mag – und dieses Jahr ist er besonders schön. Mit viel Schnee. Und viel „kalt“: der Gedanke ans Boot verlässt mich nie. Er äußert sich in vielerlei Formen, wenn ich zuhause bin:

Ein „Ich-schau-mal-schnell-im-Internet: ob’s-in-Finike-gerade-bläst?“.

Ein „Ob-sie-überhaupt-noch-da-liegt-wo-ich-sie-vertäut-hab‘?“ vor dem Einschlafen.

Ein „hätt‘-ich-doch-bloß-LEVJE’s-Tank…“, während ich in GEWITTERSEGELN Conny’s Geschichte über einen Motor lese, der ausgerechnet im Gewitter wegen Dieselpest den Geist aufgab.

Zuguterletzt: „Und-was-ist-wenn-ich-ankomme-und-im-Niedergang-steht-knietief-Wasser?“

Fragen über Fragen. Sorgen. Sorgen ums Boot.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass LEVJE – wie all die Jahre zurvor auch – im Wasser liegt. Dass ich des Seglers herbstliche Frage „Drinnen oder Draussen?“ nach langem Ringen auch dieses Jahr wieder mit „Drinnen“, nämlich im Wasser überwintern, beantwortete. Denn: Es ist auch nach Jahren immer noch ein Genuss, im leichten Schaukeln einzuschlafen. In LEVJE’s warmen Licht im Winter in zwei, drei warme Decken gehüllt einen Krimi im Glucksen an die Bordwand zu lesen. In der Dunkelheit nochmal kurz in den kalten Nordwind raus, ein Glas Whisky in der Hand und nach den Sternen schauen, bis Kälte mich schüttelt. Der Geruch des Meeres im Winter, wie mag er wohl sein?

Unvergleichliche Momente. Mit nichts aufzuwiegen. Und doch bleibt die Sorge ums Schiff, wenn ich mal nicht da bin.
 


Die Hafenmole von Finike: im Unwetter vor wenigen Wochen…
 
Wie berechtigt solche Sorgen sind, zeigt das Video meiner kanadischen Bootsnachbarn Martine & Michel von der LA FORET D’EAU. Vor wenigen Wochen, am 13. Januar blies es im eigentlich sicheren Hafen von Finike so, dass die hohe Hafenmole von den Brechern einfach überspült wurde. Was man in Martine & Michel’s Video sehr gut sehen kann, ist auch, wie LEVJE, wie die anderen Boote im Hafen „tanzen“. Und Grundseen die Einfahrt in den Hafen unpassierbar machen. 
Auch die fast 60 Knoten, die vergangenen Dienstag über die Kykladeninseln Amorgos und Levitha hinweggingen: sie sind kein Spaß. Ich weiß nicht, ob ich weniger Sorgen hätte, wäre LEVJE bei diesen Verhältnissen am Land aufgepallt. Am Ende hilft einfach nur zu wissen: dass die türkischen Marineros von Finike einfach hervorragend sind: Und bei diesem Wetter dauernd draußen sind, jedes Boot zusätzlich doppelt sichern, mit Festmachern und Leinen. Es ist nicht selbstverständlich. Es könnte ihnen auch egal sein, was mit den ihnen anvertrauten Booten geschieht. Ist es aber nicht.
 


… und die Hafenmole bei schönem Wetter.

Von ihren Mühen im Sturm erfährt man oft erst hinterher. Wenn man wieder ankommt im Hafen, beim Boot. Wenn Nachbarn erzählen, wie es war, die letzten Wochen am Boot. Und während der BOOT in Düsseldorf.

Es ist schön, alles im Dunkel wieder so vorzufinden, wie ich es zurückließ. Als wäre nichts gewesen. Das Boot in der Dunkelheit mit einer Hand heranholen an die Pier, damit ich übersteigen kann mit dem Seesack auf den Rücken. Das „Klonk-Klonk“ auf einem Nachbarboot. Das „Ding-Ding-Ding-Ding“ auf einem anderen. Das Schiebeluk, das in der Kälte mal wieder klemmt. Der Moment, in dem ich in LEVJE’s Dunkel den Hauptschalter ertastete, den „roten Knochen“ drehe: und plötzlich ist alles im Boot in warmes Licht gehüllt. Der erste Blick in die Bilge. Der zweite auf die Batterie-Anzeige.

Alles ok.
Auf LEVJE im Wasser.